auf den Leib gekommen, daß es uns zurufen konnte: Ob wir keinen Lootsen nach Lissabon zu haben verlangten? -- Da hatten wir nun auf Einmal die Auflösung des bangen Räth- sels! Es war eine portugiesische Fischerbarke; und wir hatten uns ganz umsonst gefürch- tet! Wenigstens wurde unsre Bravour nun auf keine weitere Probe gestellt. Allein aus einem kleinen Rest von Besorgniß und Miß- trauen wollten wir uns diese dienstfertigen Leute lieber doch nicht gar zu nahe kommen lassen; lehnten ihr Erbieten höflich ab, such- ten mit guter Manier von ihnen abzukommen und warfen gleich darauf am letzten Sep- tember im Tajo die Anker.
Jn Lissabon war ich an den alten Cor- respondenten des Großischen Hauses, Hrn. John Bulkeley adressirt, und eines Tages auf dem Wege, eine Einladung desselben zur Mittagstafel zu befolgen. Jch mußte über einen großen Marktplatz hinwegschreiten, wo ich bereits aus der Ferne ein großes Ge- dränge von zusammengelaufenen Menschen bemerkte. Jn der Meynung, daß es dort wohl eine öffentliche Hinrichtung geben möchte, trat ich einige Schritte näher; erkannte aber bald meinen Jrrthum, da ich ein auf- geschlagenes großes Zelt ansichtig ward, von dessen Spitze herab, zu meiner seltsamsten
auf den Leib gekommen, daß es uns zurufen konnte: Ob wir keinen Lootſen nach Liſſabon zu haben verlangten? — Da hatten wir nun auf Einmal die Aufloͤſung des bangen Raͤth- ſels! Es war eine portugieſiſche Fiſcherbarke; und wir hatten uns ganz umſonſt gefuͤrch- tet! Wenigſtens wurde unſre Bravour nun auf keine weitere Probe geſtellt. Allein aus einem kleinen Reſt von Beſorgniß und Miß- trauen wollten wir uns dieſe dienſtfertigen Leute lieber doch nicht gar zu nahe kommen laſſen; lehnten ihr Erbieten hoͤflich ab, ſuch- ten mit guter Manier von ihnen abzukommen und warfen gleich darauf am letzten Sep- tember im Tajo die Anker.
Jn Liſſabon war ich an den alten Cor- reſpondenten des Großiſchen Hauſes, Hrn. John Bulkeley adreſſirt, und eines Tages auf dem Wege, eine Einladung deſſelben zur Mittagstafel zu befolgen. Jch mußte uͤber einen großen Marktplatz hinwegſchreiten, wo ich bereits aus der Ferne ein großes Ge- draͤnge von zuſammengelaufenen Menſchen bemerkte. Jn der Meynung, daß es dort wohl eine oͤffentliche Hinrichtung geben moͤchte, trat ich einige Schritte naͤher; erkannte aber bald meinen Jrrthum, da ich ein auf- geſchlagenes großes Zelt anſichtig ward, von deſſen Spitze herab, zu meiner ſeltſamſten
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auf den Leib gekommen, daß es uns zurufen
konnte: Ob wir keinen Lootſen nach Liſſabon
zu haben verlangten? — Da hatten wir nun
auf Einmal die Aufloͤſung des bangen Raͤth-
ſels! Es war eine portugieſiſche Fiſcherbarke;
und wir hatten uns ganz umſonſt gefuͤrch-
tet! Wenigſtens wurde unſre Bravour nun
auf keine weitere Probe geſtellt. Allein aus
einem kleinen Reſt von Beſorgniß und Miß-
trauen wollten wir uns dieſe dienſtfertigen
Leute lieber doch nicht gar zu nahe kommen
laſſen; lehnten ihr Erbieten hoͤflich ab, ſuch-
ten mit guter Manier von ihnen abzukommen
und warfen gleich darauf am letzten Sep-
tember im Tajo die Anker.
Jn Liſſabon war ich an den alten Cor-
reſpondenten des Großiſchen Hauſes, Hrn.
John Bulkeley adreſſirt, und eines Tages
auf dem Wege, eine Einladung deſſelben zur
Mittagstafel zu befolgen. Jch mußte uͤber
einen großen Marktplatz hinwegſchreiten, wo
ich bereits aus der Ferne ein großes Ge-
draͤnge von zuſammengelaufenen Menſchen
bemerkte. Jn der Meynung, daß es dort
wohl eine oͤffentliche Hinrichtung geben moͤchte,
trat ich einige Schritte naͤher; erkannte
aber bald meinen Jrrthum, da ich ein auf-
geſchlagenes großes Zelt anſichtig ward, von
deſſen Spitze herab, zu meiner ſeltſamſten
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/167>, abgerufen am 19.05.2024.
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