mit Leidwesen erfahren! Es kam nemlich, bald nach der Belagerung, der Herr Groß-Kanzler v. Beyme, auf seinem Wege aus Preussen nach Berlin, hieher zu uns und nahm, während sei- nes Verweilens, bei dem Kaufmann Schröder ein Mittagsmahl ein, wobei ich die Ehre hatte, von ihm an seine Seite gezogen zu werden. Auch mehrere angesehene Männer vom Handelsstande waren gegenwärtig. Daß die Unterhaltung, de- ren mich der Minister würdigte, sich meist auf die nächstverlebte Zeit bezog, war wohl sehr na- türlich; so wie nicht minder, daß dabei unsers wackern Vice-Commandanten v. Waldenfels und seines Heldentodes mit rühmlichster Erwähnung gedacht wurde. "Einem so braven Manne" -- äusserte dabei unser hoher Gast, -- "einem so braven Manne sollte der Denkstein auf seinem Grabe nicht fehlen!"
Der Gedanke elektrisirte mich. Jch stand auf von meinem Stuhle, sah Tafel auf und Tafel ab rings meine anwesenden Mitbürger an, und sprach: "Ein Wort zur guten Stunde! -- Ja, meine Herren, wir erfüllen es, und setzen unserm Wal- denfels ein Ehrenmal, wie er's verdient?" --
Niemand antwortete mir. Jch aber erhob meine Stimme noch höher und rief: "Wie? Kein Denkmal auf eines solchen Mannes Grabe? -- Meine Herren, das ist eine Ehrensache für Jeden unter uns!" --
So herausgepreßt, erklang denn freilich hie
mit Leidweſen erfahren! Es kam nemlich, bald nach der Belagerung, der Herr Groß-Kanzler v. Beyme, auf ſeinem Wege aus Preuſſen nach Berlin, hieher zu uns und nahm, waͤhrend ſei- nes Verweilens, bei dem Kaufmann Schroͤder ein Mittagsmahl ein, wobei ich die Ehre hatte, von ihm an ſeine Seite gezogen zu werden. Auch mehrere angeſehene Maͤnner vom Handelsſtande waren gegenwaͤrtig. Daß die Unterhaltung, de- ren mich der Miniſter wuͤrdigte, ſich meiſt auf die naͤchſtverlebte Zeit bezog, war wohl ſehr na- tuͤrlich; ſo wie nicht minder, daß dabei unſers wackern Vice-Commandanten v. Waldenfels und ſeines Heldentodes mit ruͤhmlichſter Erwaͤhnung gedacht wurde. „Einem ſo braven Manne‟ — aͤuſſerte dabei unſer hoher Gaſt, — „einem ſo braven Manne ſollte der Denkſtein auf ſeinem Grabe nicht fehlen!‟
Der Gedanke elektriſirte mich. Jch ſtand auf von meinem Stuhle, ſah Tafel auf und Tafel ab rings meine anweſenden Mitbuͤrger an, und ſprach: „Ein Wort zur guten Stunde! — Ja, meine Herren, wir erfuͤllen es, und ſetzen unſerm Wal- denfels ein Ehrenmal, wie er’s verdient?‟ —
Niemand antwortete mir. Jch aber erhob meine Stimme noch hoͤher und rief: „Wie? Kein Denkmal auf eines ſolchen Mannes Grabe? — Meine Herren, das iſt eine Ehrenſache fuͤr Jeden unter uns!‟ —
So herausgepreßt, erklang denn freilich hie
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mit Leidweſen erfahren! Es kam nemlich, bald
nach der Belagerung, der Herr Groß-Kanzler
v. Beyme, auf ſeinem Wege aus Preuſſen nach
Berlin, hieher zu uns und nahm, waͤhrend ſei-
nes Verweilens, bei dem Kaufmann Schroͤder
ein Mittagsmahl ein, wobei ich die Ehre hatte,
von ihm an ſeine Seite gezogen zu werden. Auch
mehrere angeſehene Maͤnner vom Handelsſtande
waren gegenwaͤrtig. Daß die Unterhaltung, de-
ren mich der Miniſter wuͤrdigte, ſich meiſt auf
die naͤchſtverlebte Zeit bezog, war wohl ſehr na-
tuͤrlich; ſo wie nicht minder, daß dabei unſers
wackern Vice-Commandanten v. Waldenfels und
ſeines Heldentodes mit ruͤhmlichſter Erwaͤhnung
gedacht wurde. „Einem ſo braven Manne‟ —
aͤuſſerte dabei unſer hoher Gaſt, — „einem ſo
braven Manne ſollte der Denkſtein auf ſeinem
Grabe nicht fehlen!‟
Der Gedanke elektriſirte mich. Jch ſtand auf
von meinem Stuhle, ſah Tafel auf und Tafel ab
rings meine anweſenden Mitbuͤrger an, und ſprach:
„Ein Wort zur guten Stunde! — Ja, meine
Herren, wir erfuͤllen es, und ſetzen unſerm Wal-
denfels ein Ehrenmal, wie er’s verdient?‟ —
Niemand antwortete mir. Jch aber erhob
meine Stimme noch hoͤher und rief: „Wie? Kein
Denkmal auf eines ſolchen Mannes Grabe? —
Meine Herren, das iſt eine Ehrenſache fuͤr Jeden
unter uns!‟ —
So herausgepreßt, erklang denn freilich hie
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/190>, abgerufen am 17.06.2024.
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