Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.Die verführerische Die Wörter die mit Lust auß ihrem Munde flis-sen/ Weiß die Verschlagne wol mit Zukker zuversüs- sen/ Doch gleichwol/ wie man sagt/ mit wolgesaltz- nem Sinn'. Es wird kein Wort gehört es stekt ein Angel drinn. Der Fürst sitzt wie entzükkt im Geiste gantz ver- zogen/ Er hat das Liebesgift allmählich eingesogen/ Er ist nicht der er war versclavet allgemach/ Was ihm sein Fleisch befiehlt/ dem kömmt er fleissig nach. Der vormals Richter war und wolt' ein Urtheil fällen/ Muß als ein Schüldiger sich jetzo selber stellen/ Und bittend vor ihr stehn/ das sie den süssen Streit. Doch einmal heben mag durch ihre Liebligkeit. Schaut/ der sich niemals nicht vor einem Feind' entsetzet/ Wird durch ein geiles Aug' erleget vnd verletzet. Der Wein/ die stille Nacht/ und ein verliebter Muht/ Die schaffen wenig Nutz und thun gar selten gut. Kein Mensch ist so in Noth als dieser der da lie- bet/ Der sein Gemüht' und Sinn den geilen Lüsten giebet; Es geht gar leichtlich weg/ Gut/ Blut/ und Redlichkeit/ Die Freud' ist ungewiß/ gewiß das heisse Leyd. Der
Die verfuͤhreriſche Die Woͤrter die mit Luſt auß ihrem Munde fliſ-ſen/ Weiß die Verſchlagne wol mit Zukker zuverſuͤſ- ſen/ Doch gleichwol/ wie man ſagt/ mit wolgeſaltz- nem Sinn’. Es wird kein Wort gehoͤrt es ſtekt ein Angel drinn. Der Fuͤrſt ſitzt wie entzuͤkkt im Geiſte gantz ver- zogen/ Er hat das Liebesgift allmaͤhlich eingeſogen/ Er iſt nicht der er war verſclavet allgemach/ Was ihm ſein Fleiſch befiehlt/ dem koͤmmt er fleiſſig nach. Der vormals Richter war und wolt’ ein Urtheil faͤllen/ Muß als ein Schuͤldiger ſich jetzo ſelber ſtellen/ Und bittend vor ihr ſtehn/ das ſie den ſuͤſſen Streit. Doch einmal heben mag durch ihre Liebligkeit. Schaut/ der ſich niemals nicht vor einem Feind’ entſetzet/ Wird durch ein geiles Aug’ erleget vnd verletzet. Der Wein/ die ſtille Nacht/ und ein verliebter Muht/ Die ſchaffen wenig Nutz und thun gar ſelten gut. Kein Menſch iſt ſo in Noth als dieſer der da lie- bet/ Der ſein Gemuͤht’ und Sinn den geilen Luͤſten giebet; Es geht gar leichtlich weg/ Gut/ Blut/ und Redlichkeit/ Die Freud’ iſt ungewiß/ gewiß das heiſſe Leyd. Der
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Die verfuͤhreriſche
Die Woͤrter die mit Luſt auß ihrem Munde fliſ-
ſen/
Weiß die Verſchlagne wol mit Zukker zuverſuͤſ-
ſen/
Doch gleichwol/ wie man ſagt/ mit wolgeſaltz-
nem Sinn’.
Es wird kein Wort gehoͤrt es ſtekt ein Angel
drinn.
Der Fuͤrſt ſitzt wie entzuͤkkt im Geiſte gantz ver-
zogen/
Er hat das Liebesgift allmaͤhlich eingeſogen/
Er iſt nicht der er war verſclavet allgemach/
Was ihm ſein Fleiſch befiehlt/ dem koͤmmt er
fleiſſig nach.
Der vormals Richter war und wolt’ ein Urtheil
faͤllen/
Muß als ein Schuͤldiger ſich jetzo ſelber ſtellen/
Und bittend vor ihr ſtehn/ das ſie den ſuͤſſen
Streit.
Doch einmal heben mag durch ihre Liebligkeit.
Schaut/ der ſich niemals nicht vor einem Feind’
entſetzet/
Wird durch ein geiles Aug’ erleget vnd verletzet.
Der Wein/ die ſtille Nacht/ und ein verliebter
Muht/
Die ſchaffen wenig Nutz und thun gar ſelten
gut.
Kein Menſch iſt ſo in Noth als dieſer der da lie-
bet/
Der ſein Gemuͤht’ und Sinn den geilen Luͤſten
giebet;
Es geht gar leichtlich weg/ Gut/ Blut/ und
Redlichkeit/
Die Freud’ iſt ungewiß/ gewiß das heiſſe Leyd.
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