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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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als das Ende eines ablaufenden, welches, wie alles Ab-
sterben und Ende, vielmehr wehmüthige Gefühle erregen
mußte. Dieses Jahr aber ist nach einer unverächtlichen
alten Chronologie Numas Todesjahr, und das erste von
Tullus Hostilius Königreich: nämlich in der von dem heil.
Hieronymus übersetzten Chronik des Eusebius 7). Denn
statt einer Regierung von drey und vierzig Jahren, welche
beyde Catos und Varros Zeitrechnung ihm zuschreiben,
werden ihm von Eusebius nur vierzig Regierungsjahre
beygelegt, und Romulus acht und dreyßig: welches
ein Jahr mehr ist als die gewöhnlichen Chronologieen an-
nehmen. Daher denn, weil Eusebius mit diesen das Jahr
des Interregnum zählt, der Anfang des Königs Tullus
allerdings in Ol. 26. 3. oder 79 der Catonischen Zeitrech-
nung fällt.

Die Wichtigkeit der Eusebischen Chronik muß jedem
einleuchten der sie gebraucht hat; sie enthält herrliche und
einzige Bruchstücke nach dem Chronographen Africanus,
dem noch freye Auswahl aus Schriftstellern offen stand
deren Angaben sehr von denjenigen abweichen welche spä-
ter ausschließende Herrschaft gewonnen haben. Sie war
es werth den großen Mann zu beschäftigen, der an ihrer
Herstellung mit der muthigen Kraft des Genies und uner-
meßlicher Gelehrsamkeit gearbeitet hat 8). Auch hätte er

7) Thes. tempor. Scaligeri, Ol. XVI. 3. p. 118. ed. 2dae.
8) Scaliger stand auf dem Gipfel universaler lebendiger philo-
logischer Gelehrsamkeit, wie keiner nach ihm: und so hoch in
Wissenschaft jeder Art, daß er mit eignem Urtheil, was ihm
auch vorkommen mochte, fassen, nutzen und richten konnte.

als das Ende eines ablaufenden, welches, wie alles Ab-
ſterben und Ende, vielmehr wehmuͤthige Gefuͤhle erregen
mußte. Dieſes Jahr aber iſt nach einer unveraͤchtlichen
alten Chronologie Numas Todesjahr, und das erſte von
Tullus Hoſtilius Koͤnigreich: naͤmlich in der von dem heil.
Hieronymus uͤberſetzten Chronik des Euſebius 7). Denn
ſtatt einer Regierung von drey und vierzig Jahren, welche
beyde Catos und Varros Zeitrechnung ihm zuſchreiben,
werden ihm von Euſebius nur vierzig Regierungsjahre
beygelegt, und Romulus acht und dreyßig: welches
ein Jahr mehr iſt als die gewoͤhnlichen Chronologieen an-
nehmen. Daher denn, weil Euſebius mit dieſen das Jahr
des Interregnum zaͤhlt, der Anfang des Koͤnigs Tullus
allerdings in Ol. 26. 3. oder 79 der Catoniſchen Zeitrech-
nung faͤllt.

Die Wichtigkeit der Euſebiſchen Chronik muß jedem
einleuchten der ſie gebraucht hat; ſie enthaͤlt herrliche und
einzige Bruchſtuͤcke nach dem Chronographen Africanus,
dem noch freye Auswahl aus Schriftſtellern offen ſtand
deren Angaben ſehr von denjenigen abweichen welche ſpaͤ-
ter ausſchließende Herrſchaft gewonnen haben. Sie war
es werth den großen Mann zu beſchaͤftigen, der an ihrer
Herſtellung mit der muthigen Kraft des Genies und uner-
meßlicher Gelehrſamkeit gearbeitet hat 8). Auch haͤtte er

7) Thes. tempor. Scaligeri, Ol. XVI. 3. p. 118. ed. 2dæ.
8) Scaliger ſtand auf dem Gipfel univerſaler lebendiger philo-
logiſcher Gelehrſamkeit, wie keiner nach ihm: und ſo hoch in
Wiſſenſchaft jeder Art, daß er mit eignem Urtheil, was ihm
auch vorkommen mochte, faſſen, nutzen und richten konnte.
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[169/0191] als das Ende eines ablaufenden, welches, wie alles Ab- ſterben und Ende, vielmehr wehmuͤthige Gefuͤhle erregen mußte. Dieſes Jahr aber iſt nach einer unveraͤchtlichen alten Chronologie Numas Todesjahr, und das erſte von Tullus Hoſtilius Koͤnigreich: naͤmlich in der von dem heil. Hieronymus uͤberſetzten Chronik des Euſebius 7). Denn ſtatt einer Regierung von drey und vierzig Jahren, welche beyde Catos und Varros Zeitrechnung ihm zuſchreiben, werden ihm von Euſebius nur vierzig Regierungsjahre beygelegt, und Romulus acht und dreyßig: welches ein Jahr mehr iſt als die gewoͤhnlichen Chronologieen an- nehmen. Daher denn, weil Euſebius mit dieſen das Jahr des Interregnum zaͤhlt, der Anfang des Koͤnigs Tullus allerdings in Ol. 26. 3. oder 79 der Catoniſchen Zeitrech- nung faͤllt. Die Wichtigkeit der Euſebiſchen Chronik muß jedem einleuchten der ſie gebraucht hat; ſie enthaͤlt herrliche und einzige Bruchſtuͤcke nach dem Chronographen Africanus, dem noch freye Auswahl aus Schriftſtellern offen ſtand deren Angaben ſehr von denjenigen abweichen welche ſpaͤ- ter ausſchließende Herrſchaft gewonnen haben. Sie war es werth den großen Mann zu beſchaͤftigen, der an ihrer Herſtellung mit der muthigen Kraft des Genies und uner- meßlicher Gelehrſamkeit gearbeitet hat 8). Auch haͤtte er 7) Thes. tempor. Scaligeri, Ol. XVI. 3. p. 118. ed. 2dæ. 8) Scaliger ſtand auf dem Gipfel univerſaler lebendiger philo- logiſcher Gelehrſamkeit, wie keiner nach ihm: und ſo hoch in Wiſſenſchaft jeder Art, daß er mit eignem Urtheil, was ihm auch vorkommen mochte, faſſen, nutzen und richten konnte.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/191>, abgerufen am 30.04.2024.