Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 12. Januar 1872.Allgemeine Zeitung. Nr. 12. Augsburg, Freitag, 12 Januar 1872.Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Zur Besoldungsfrage der Staatsdiener mit besonderer Rücksicht auf Bayern. I. Die Deutschen in Australien und ihre politischen Rechte. Aus der französischen Nationalversammlung. Deutsches Reich. München: Landtagsbetrachtungen. Stuttgart: Ergänzungswahl. Berlin: Aus dem Abgeordnetenhaus. Wiederabrüstung des Evolutionsgeschwaders. Die Beziehungen zu Frankreich. Die Conservativen und der Cultusminister. Vom Hofe. Oesterreichisch-ungarische Monarchie. Aus Oesterreich: Angebliche Spaltung der deutschen Partei. Aus der Adreßcommission des Herrenhauses. Zur croatischen Frage. Eine Interpellation im ungarischen Abgeordnetenhause. Altkatholisches. Großbritannien. Hofnachrichten. Die russische Politik. Die amerikanische Frage. Hartingtons Rede. Die Armeereorganisation. Warwick Castle. Frankreich. Bedeutung der Wahl Vautrains. Provinzwahlen. Erlaß Victor Hugo's. Hirtenbrief. Kriegsgerichtsverhandlungen. Zur Finanzlage. Italien. Rom: Wahrscheinliche Abberufung des Gesandten Nigra. Die römi- sche Facultät für Literatur. Rußland. St. Petersburg: Zur Lage und Stimmung. Warschau: Die Körperstrafe in Rußland. Die polnische Nationaltrauer. Japan. Die Culturfortschritte. Südamerika. Buenos Aires: Landesproducte. Brückenbau. Einwande- rung in Paraguay. Der englische Conflict in Uruguay. Cuba. Der Aufstand. Verschiedenes. Neueste Posten. London: Marine. Consulat. New-York: General Halleck +. Aus Mexico. Telegraphische Berichte. x München, 11 Jan. Kammer der Reichsräthe. Die neuen * Stuttgart, 11 Jan. Der "Schw. Merkur" veröffentlicht folgendes * Versailles, 11 Jan. Nationalversammlung. Schluß der General- (*) Brüssel, 11 Jan. Dem "Echo du Parlement" zufolge sind hier ge- * Rom, 11 Jan. Der König wird morgen hier erwartet. Nächsten * Wien, 11 Jan. Vorbörse. Creditactien 345.40, Lombarden 215.20, Anglo- (*) London, 19 Jan. Getreidemarkt. Der Markt schloß in allen Getreidarten * London, 10 Jan. Schlußcurse. 3proc. Consols 92, 1882er Amerikaner * Liverpool, 10 Jan. Baumwollbericht. Tagesumsatz 15,000 Ballen, hievon (*) Amsterdam, 10 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht) Weizen geschäftslos. * New-York, 10 Jan. Goldagio 108 5/8 , Wechsel in Gold 1091/4, 1882er Bends Zur Besoldungsfrage der Staatsdiener mit besonderer Rücksicht auf Bayern. I. v. In seinem sehr bekannt gewordenen Referat über das bayerische Staats- Wir wollen nicht mit Hrn. Feustel rechten wegen seiner Verstümmelung eines Aber es sollte so sein, meint Hr. Feustel. Nun, diese Meinung ist leicht Das "Gesetz" von Angebot und Nachfrage wäre aber, selbst wenn es unum- Allgemeine Zeitung. Nr. 12. Augsburg, Freitag, 12 Januar 1872.Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. [Spaltenumbruch] Ueberſicht. Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht auf Bayern. I. Die Deutſchen in Auſtralien und ihre politiſchen Rechte. Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung. Deutſches Reich. München: Landtagsbetrachtungen. Stuttgart: Ergänzungswahl. Berlin: Aus dem Abgeordnetenhaus. Wiederabrüſtung des Evolutionsgeſchwaders. Die Beziehungen zu Frankreich. Die Conſervativen und der Cultusminiſter. Vom Hofe. Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. Aus Oeſterreich: Angebliche Spaltung der deutſchen Partei. Aus der Adreßcommiſſion des Herrenhauſes. Zur croatiſchen Frage. Eine Interpellation im ungariſchen Abgeordnetenhauſe. Altkatholiſches. Großbritannien. Hofnachrichten. Die ruſſiſche Politik. Die amerikaniſche Frage. Hartingtons Rede. Die Armeereorganiſation. Warwick Caſtle. Frankreich. Bedeutung der Wahl Vautrains. Provinzwahlen. Erlaß Victor Hugo’s. Hirtenbrief. Kriegsgerichtsverhandlungen. Zur Finanzlage. Italien. Rom: Wahrſcheinliche Abberufung des Geſandten Nigra. Die römi- ſche Facultät für Literatur. Rußland. St. Petersburg: Zur Lage und Stimmung. Warſchau: Die Körperſtrafe in Rußland. Die polniſche Nationaltrauer. Japan. Die Culturfortſchritte. Südamerika. Buenos Aires: Landesproducte. Brückenbau. Einwande- rung in Paraguay. Der engliſche Conflict in Uruguay. Cuba. Der Aufſtand. Verſchiedenes. Neueſte Poſten. London: Marine. Conſulat. New-York: General Halleck †. Aus Mexico. Telegraphiſche Berichte. × München, 11 Jan. Kammer der Reichsräthe. Die neuen * Stuttgart, 11 Jan. Der „Schw. Merkur“ veröffentlicht folgendes * Verſailles, 11 Jan. Nationalverſammlung. Schluß der General- (*) Brüſſel, 11 Jan. Dem „Echo du Parlement“ zufolge ſind hier ge- * Rom, 11 Jan. Der König wird morgen hier erwartet. Nächſten * Wien, 11 Jan. Vorbörſe. Creditactien 345.40, Lombarden 215.20, Anglo- (*) London, 19 Jan. Getreidemarkt. Der Markt ſchloß in allen Getreidarten * London, 10 Jan. Schlußcurſe. 3proc. Conſols 92, 1882er Amerikaner * Liverpool, 10 Jan. Baumwollbericht. Tagesumſatz 15,000 Ballen, hievon (*) Amſterdam, 10 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht) Weizen geſchäftslos. * New-York, 10 Jan. Goldagio 108⅝, Wechſel in Gold 109¼, 1882er Bends Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht auf Bayern. I. v. In ſeinem ſehr bekannt gewordenen Referat über das bayeriſche Staats- Wir wollen nicht mit Hrn. Feuſtel rechten wegen ſeiner Verſtümmelung eines Aber es ſollte ſo ſein, meint Hr. Feuſtel. Nun, dieſe Meinung iſt leicht Das „Geſetz“ von Angebot und Nachfrage wäre aber, ſelbſt wenn es unum- <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung.</hi> </hi> </titlePart> </docTitle><lb/> <docDate> <hi rendition="#b">Nr. 12. Augsburg, Freitag, 12 Januar 1872.</hi> </docDate><lb/> </titlePage> <div type="imprint" n="1"> <p> <hi rendition="#c">Verlag der J. G. <hi rendition="#g">Cotta’</hi>ſchen Buchhandlung. 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Merkur“ veröffentlicht folgendes<lb/> Berliner Telegramm: Der Kaiſer verſchob die Entſcheidung im San Juan-<lb/> Streitfalle bis zur zweiten Replik Englands, welche binnen ſechs Monaten, vom<lb/> 17 Dec. des Vorjahrs an gerechnet, zu erfolgen hat.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Verſailles,</hi> 11 Jan.</dateline> <p>Nationalverſammlung. Schluß der General-<lb/> discuſſion über die Beſteuerung der Mobiliarwerthe. Die Verſammlung nimmt<lb/> Hrn. Thiers’ Vorſchlag an: nicht unmittelbar auf die Berathung der einzelnen Ar-<lb/> tikel der Vorlage einzugehen, ſondern die allgemeine Berathung über die Beſteue-<lb/> rung der Rohſtoffe und die Erhöhung der beſtehenden Kriegsſteuer abzuwarten, um<lb/> vorerſt das Syſtem prüfen zu können. Buiſſon verliest einen Bericht der Initiativ-<lb/> commiſſion über den Antrag Duch<hi rendition="#aq">â</hi>tel auf Verlegung der Nationalverſammlung<lb/> und der Regierung nach Paris. Die Commiſſion beſchloß mit 20 gegen 10 Stim-<lb/> men den Antrag nicht in Erwägung zu ziehen. Die Nationalverſammlung be-<lb/> ginnt die allgemeine Berathung über die Beſteuerung der Rohſtoffe. In Fort-<lb/> ſetzung der Debatte wünſcht Dahirel den Commiſſionsbericht, betreffend den An-<lb/> trag Duch<hi rendition="#aq">â</hi>tel, ſofort auf die Tagesordnung geſetzt. P<hi rendition="#aq">é</hi>rier und Thiers ſind da-<lb/> gegen. Die Nationalverſammlung pflichtet der Regierung bei und beſchließt die<lb/> Discuſſion bis zur Votirung der Steuergeſetze zu vertagen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>(*) <hi rendition="#b">Brüſſel,</hi> 11 Jan.</dateline> <p>Dem „Echo du Parlement“ zufolge ſind hier ge-<lb/> fälſchte Stücke der franzöſiſchen Anleihe vorgekommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Rom,</hi> 11 Jan.</dateline> <p>Der König wird morgen hier erwartet. Nächſten<lb/> Sonntag findet großes Hofd<hi rendition="#aq">î</hi>ner ſtatt, wozu die Geſandten eingeladen ſind. Die<lb/> „Opinione“ dementirt daß die Commiſſion der Kammer dem Finanzproject ent-<lb/> gegen ſei. Demnach iſt die Nachricht von einer angeblich befürchteten Miniſter-<lb/> kriſis unbegründet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Wien,</hi> 11 Jan.</dateline> <p>Vorbörſe. Creditactien 345.40, Lombarden 215.20, Anglo-<lb/> Auſtrian 344.50, Napoleons 9.09, Unionsbank 295.50. Tendenz: lebhaft.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>(*) <hi rendition="#b">London,</hi> 19 Jan.</dateline> <p>Getreidemarkt. Der Markt ſchloß in allen Getreidarten<lb/> feſt. Hafer eher beſſer</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 10 Jan.</dateline> <p>Schlußcurſe. 3proc. 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(Schlußbericht) Weizen geſchäftslos.<lb/> Roggen träge, Roggen per März 200½, per Mai 207. Repsſamen per Herbſt 444. Rüböl<lb/> loco 50, per Mai 48½, per Herbſt 45⅝.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">New-York,</hi> 10 Jan.</dateline> <p>Goldagio 108⅝, Wechſel in Gold 109¼, 1882er Bends<lb/> 109⅞, 1885er 109¾, 1904er 109¾, Illinois 134, Eriebahn 36, Baumwolle 21½,<lb/> Petroleum in Philadelphia 22¼, Mebl —.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht<lb/> auf Bayern.<lb/><hi rendition="#aq">I.</hi></hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">v.</hi> In ſeinem ſehr bekannt gewordenen Referat über das bayeriſche Staats-<lb/> Ausgaben-Budget vom Jahr 1868 äußerte der damalige Berichterſtatter der Kam-<lb/> mer der Abgeordneten in Anſehung der von der Regierung beantragten Gehalts-<lb/> regulirung für die Staatsdiener: „Der Lohn der Arbeit regulirt ſich nach der<lb/> Nachfrage <hi rendition="#g">oder</hi> (doch wohl <hi rendition="#g">und</hi>) dem Angebot der Arbeitskräfte und nach der<lb/> Qualität der Leiſtung.“ Die bei dieſer Aeußerung ſofort in Ausſicht geſtellte<lb/> ſpätere Beleuchtung dieſes „wichtigen, viel zu wenig beachteten Punktes“ erfolgte<lb/> inſofern, als er gegen das Ende ſeines Vortrags vorkommen läßt: „Inſolange als<lb/> ſich ſelbſt bei noch ſtrengeren Vorbedingungen für den Staatsdienſt mehr Jüng-<lb/> linge vorbilden als dieſer nothwendig braucht, iſt unwiderleglich dargethan daß<lb/> dieſer Dienſt im Durchſchnitt geſicherter und beſſer iſt als das freie Erwerbsleben<lb/> mit ſeinen Schwankungen, mit ſeiner Concurrenz.“</p><lb/> <p>Wir wollen nicht mit Hrn. Feuſtel rechten wegen ſeiner Verſtümmelung eines<lb/> bekannten volkswirthſchaftlichen Satzes, und wollen auch keinen alten Hader wach<lb/> rufen durch Hereinziehen der mündlichen Bemerkungen mit welchen er ſein Referat<lb/> in der Kammer vertreten hat, ſondern wir wollen den von ihm hervorgehobenen<lb/> Satz nur an ſich, und ſo wie er gemeint iſt, betrachten. Nun iſt die Volkswirth-<lb/> ſchaftslehre eine ſo junge Wiſſenſchaft, und es herrſcht über ihre Grundbegriffe<lb/> heutzutage noch ſo wenig Uebereinſtimmung, ja ſo viel Widerſpruch, daß es von<lb/> vornherein gewagt iſt auf einen ihrer Lehrſätze, welche ja nicht aus einer unum-<lb/> ſtößlichen Grundwahrheit mit logiſcher Nothwendigkeit fließen, ſondern weſentlich<lb/> aus der mehr oder weniger ſubjectiven Erfahrung und Anſchauung abſtrahirt ſind,<lb/> einſeitig weiter zu bauen, und rückſichtslos alle Conſequenzen für die Praxis daraus<lb/> zu ziehen. Man weiß ja daß ſogar das Einmaleins in der Wirthſchaftslehre<lb/> manchmal zu Schanden wird. Das Geſetz der Preisregulirung durch Angebot<lb/><hi rendition="#g">und</hi> Nachfrage entgeht dieſem Schickſal keineswegs. In zahlloſen Fällen wirken<lb/> noch verſchiedene andere Factoren mit, und ganz beſonders in der Richtung auf<lb/> die Regulirung des Arbeitslohnes hat es durch das Auftauchen der ſocialen Frage<lb/> gar ſehr an ſeiner Geltung und in der Meinung von ſeiner Unumſtößlichkeit<lb/> verloren. Vollends aber in ſeiner Anwendung auf den Arbeitslohn der Staats-<lb/> diener, auf die Beſoldungen, hat es noch gar nie Geltung gehabt, iſt es noch gar<lb/> nie als allein maßgebend anerkannt worden.</p><lb/> <p>Aber es <hi rendition="#g">ſollte</hi> ſo ſein, meint Hr. Feuſtel. Nun, dieſe Meinung iſt leicht<lb/> widerlegt. Wo man das Geſetz von Angebot und Nachfrage zur vollen Geltung<lb/> bringen will, da bedient man ſich der Form des öffentlichen Auf- oder Abgebots.<lb/> In der Regel wird der Aufſtrich für den Verkäufer am ſicherſten ergeben um wel-<lb/> chen Preis eine Waare unter beſtehenden Concurrenzverhältniſſen verkauft werden<lb/> kann, und der Abſtrich leiſtet das nämliche für den Käufer bei der Preisermitte-<lb/> lung von Dienſten und Leiſtungen aller Art. Conſequent müßte alſo der Staats-<lb/> dienſt an den Wenigſtnehmenden, oder müßten die damit verbundenen Bezüge an<lb/> den Meiſtbietenden vergeben werden, wobei immerhin die Concurrenz durch den<lb/> Nachweis der Befähigung beſchränkt werden könnte. Wenn auch in früheren Zei-<lb/> ten in der Form des Stellenkaufs hie und da ein Verfahren exiſtirt hat das an die<lb/> letztere Art das erwähnte wirthſchaftliche „Geſetz“ zu benützen erinnert, ſo hat<lb/> doch die Mit- und Nachwelt dasſelbe einſtimmig als einen heilleſen Mißbrauch<lb/> und Unfug verdammt. Die Verleihung an den Wenigſtnehmenden iſt aber wohl<lb/> noch nirgends probirt worden. Nicht einmal in Amerika. Einigermaßen hat man<lb/> ſich hier allerdings dieſem Ideal genähert, und es iſt bekannt daß die Beamten:<lb/> nirgends in der Welt ſchlechter bezahlt ſind als in Amerika; es iſt aber auch be-<lb/> kannt daß ſie nirgends in der Welt ihre Stellungen ärger mißbrauchen, und daß<lb/> ſie die Gelegenheit ſich auf unrechtmäßige Weiſe zu bereichern auf das ergiebigſte<lb/> benützen. Die neueſte Zeit hat, in dem bekannten Falle der ungeheuren Verun-<lb/> treuungen durch ſtädtiſche Beamte in New-York, wieder ein Aufſehen erregendes Bei-<lb/> ſpiel geliefert. Die Erfahrung dort und in andern Ländern, namentlich in Ruß-<lb/> land und im Orient, zeigt jedem, der Augen hat um zu ſehen, daß für den Staats-<lb/> dienſt die Minimalgränze der Beſoldungen nicht die Größe iſt für welche er gerade<lb/> noch ſeinen Bedarf an Dienſtleiſtungen zu beziehen vermag.</p><lb/> <p>Das „Geſetz“ von Angebot und Nachfrage wäre aber, ſelbſt wenn es unum-<lb/> ſtößlich und aller Conſequenzen an ſich fähig wäre, für den Staatsdienſt nicht an-<lb/> wendbar, weil es die freie Concurrenz auf beiden Seiten vorausſetzt. Die Con-<lb/> currenz zum Staatsdienſt iſt aber eine künſtliche, eine verfälſchte. Der Staat<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Allgemeine Zeitung.
Nr. 12. Augsburg, Freitag, 12 Januar 1872.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.
Ueberſicht.
Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht
auf Bayern. I.
Die Deutſchen in Auſtralien und ihre politiſchen Rechte.
Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung.
Deutſches Reich. München: Landtagsbetrachtungen. Stuttgart:
Ergänzungswahl. Berlin: Aus dem Abgeordnetenhaus. Wiederabrüſtung
des Evolutionsgeſchwaders. Die Beziehungen zu Frankreich. Die Conſervativen
und der Cultusminiſter. Vom Hofe.
Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. Aus Oeſterreich: Angebliche
Spaltung der deutſchen Partei. Aus der Adreßcommiſſion des Herrenhauſes.
Zur croatiſchen Frage. Eine Interpellation im ungariſchen Abgeordnetenhauſe.
Altkatholiſches.
Großbritannien. Hofnachrichten. Die ruſſiſche Politik. Die amerikaniſche
Frage. Hartingtons Rede. Die Armeereorganiſation. Warwick Caſtle.
Frankreich. Bedeutung der Wahl Vautrains. Provinzwahlen. Erlaß Victor
Hugo’s. Hirtenbrief. Kriegsgerichtsverhandlungen. Zur Finanzlage.
Italien. Rom: Wahrſcheinliche Abberufung des Geſandten Nigra. Die römi-
ſche Facultät für Literatur.
Rußland. St. Petersburg: Zur Lage und Stimmung. Warſchau: Die
Körperſtrafe in Rußland. Die polniſche Nationaltrauer.
Japan. Die Culturfortſchritte.
Südamerika. Buenos Aires: Landesproducte. Brückenbau. Einwande-
rung in Paraguay. Der engliſche Conflict in Uruguay.
Cuba. Der Aufſtand.
Verſchiedenes.
Neueſte Poſten. London: Marine. Conſulat. New-York: General
Halleck †. Aus Mexico.
Telegraphiſche Berichte.
× München, 11 Jan. Kammer der Reichsräthe. Die neuen
Reichsräthe Pözl und Neuffer werden beeidigt. Der Miniſter des Innern legt
einen Geſetzentwurf über die Ergänzung des Pferdebedarfs fürs Heer analog den
im übrigen Deutſchland hierüber beſtehenden Geſetzen und zur Erfüllung einer
durch den Verſailler Vertrag übernommenen Verpflichtung gegen das Reich vor.
Derſelbe wird ohne Debatte einſtimmig angenommen. Die Geſetzentwürfe über
die proviſoriſche Erhebung der Steuern, die Aenderung der beiden Gemeinde-
Ordnungen und die Aenderung des Geſchäftsgangs des Landtags, Geſuche um
Aufbeſſerung der Beamtengehalte werden bei der Budgetberathung erwogen wer-
den; der Finanzminiſter ſagt eine baldige darauf bezügliche Vorlage zu. In den
Geſetzgebungsausſchuß wurde Neumayr, in den Ausſchuß für die Reviſion der
Geſchäftsordnung werden Aretin, Schrenk, Hohenlohe gewählt. Nächſte Sitzung
Samſtag.
* Stuttgart, 11 Jan. Der „Schw. Merkur“ veröffentlicht folgendes
Berliner Telegramm: Der Kaiſer verſchob die Entſcheidung im San Juan-
Streitfalle bis zur zweiten Replik Englands, welche binnen ſechs Monaten, vom
17 Dec. des Vorjahrs an gerechnet, zu erfolgen hat.
* Verſailles, 11 Jan. Nationalverſammlung. Schluß der General-
discuſſion über die Beſteuerung der Mobiliarwerthe. Die Verſammlung nimmt
Hrn. Thiers’ Vorſchlag an: nicht unmittelbar auf die Berathung der einzelnen Ar-
tikel der Vorlage einzugehen, ſondern die allgemeine Berathung über die Beſteue-
rung der Rohſtoffe und die Erhöhung der beſtehenden Kriegsſteuer abzuwarten, um
vorerſt das Syſtem prüfen zu können. Buiſſon verliest einen Bericht der Initiativ-
commiſſion über den Antrag Duchâtel auf Verlegung der Nationalverſammlung
und der Regierung nach Paris. Die Commiſſion beſchloß mit 20 gegen 10 Stim-
men den Antrag nicht in Erwägung zu ziehen. Die Nationalverſammlung be-
ginnt die allgemeine Berathung über die Beſteuerung der Rohſtoffe. In Fort-
ſetzung der Debatte wünſcht Dahirel den Commiſſionsbericht, betreffend den An-
trag Duchâtel, ſofort auf die Tagesordnung geſetzt. Périer und Thiers ſind da-
gegen. Die Nationalverſammlung pflichtet der Regierung bei und beſchließt die
Discuſſion bis zur Votirung der Steuergeſetze zu vertagen.
(*) Brüſſel, 11 Jan. Dem „Echo du Parlement“ zufolge ſind hier ge-
fälſchte Stücke der franzöſiſchen Anleihe vorgekommen.
* Rom, 11 Jan. Der König wird morgen hier erwartet. Nächſten
Sonntag findet großes Hofdîner ſtatt, wozu die Geſandten eingeladen ſind. Die
„Opinione“ dementirt daß die Commiſſion der Kammer dem Finanzproject ent-
gegen ſei. Demnach iſt die Nachricht von einer angeblich befürchteten Miniſter-
kriſis unbegründet.
* Wien, 11 Jan. Vorbörſe. Creditactien 345.40, Lombarden 215.20, Anglo-
Auſtrian 344.50, Napoleons 9.09, Unionsbank 295.50. Tendenz: lebhaft.
(*) London, 19 Jan. Getreidemarkt. Der Markt ſchloß in allen Getreidarten
feſt. Hafer eher beſſer
* London, 10 Jan. Schlußcurſe. 3proc. Conſols 92[FORMEL], 1882er Amerikaner
92⅛, Türken 52_/46. 3proc. Spanier 32⅛.
* Liverpool, 10 Jan. Baumwollbericht. Tagesumſatz 15,000 Ballen, hievon
5000 B. für Speculation. Tendenz: Amerikaner ruhig, Surats feſt. Orleaus 10[FORMEL],
middl. Amerik. 10[FORMEL], fair Dhollera 7⅞ — 8, middl. fair Dhollera 7⅜, good middl.
Dhollera 7⅛, middl. Dhollera 6½, fair Bengal 6⅜, fair Omra 8, good fair Omra 8¼,
Pernam 10, Smyrna 8¼, Egyptian —. Tagesimport 18,970 B, davon oſtindiſche 5743
B., amerikaniſche 11,041 B.
(*) Amſterdam, 10 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht) Weizen geſchäftslos.
Roggen träge, Roggen per März 200½, per Mai 207. Repsſamen per Herbſt 444. Rüböl
loco 50, per Mai 48½, per Herbſt 45⅝.
* New-York, 10 Jan. Goldagio 108⅝, Wechſel in Gold 109¼, 1882er Bends
109⅞, 1885er 109¾, 1904er 109¾, Illinois 134, Eriebahn 36, Baumwolle 21½,
Petroleum in Philadelphia 22¼, Mebl —.
Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht
auf Bayern.
I.
v. In ſeinem ſehr bekannt gewordenen Referat über das bayeriſche Staats-
Ausgaben-Budget vom Jahr 1868 äußerte der damalige Berichterſtatter der Kam-
mer der Abgeordneten in Anſehung der von der Regierung beantragten Gehalts-
regulirung für die Staatsdiener: „Der Lohn der Arbeit regulirt ſich nach der
Nachfrage oder (doch wohl und) dem Angebot der Arbeitskräfte und nach der
Qualität der Leiſtung.“ Die bei dieſer Aeußerung ſofort in Ausſicht geſtellte
ſpätere Beleuchtung dieſes „wichtigen, viel zu wenig beachteten Punktes“ erfolgte
inſofern, als er gegen das Ende ſeines Vortrags vorkommen läßt: „Inſolange als
ſich ſelbſt bei noch ſtrengeren Vorbedingungen für den Staatsdienſt mehr Jüng-
linge vorbilden als dieſer nothwendig braucht, iſt unwiderleglich dargethan daß
dieſer Dienſt im Durchſchnitt geſicherter und beſſer iſt als das freie Erwerbsleben
mit ſeinen Schwankungen, mit ſeiner Concurrenz.“
Wir wollen nicht mit Hrn. Feuſtel rechten wegen ſeiner Verſtümmelung eines
bekannten volkswirthſchaftlichen Satzes, und wollen auch keinen alten Hader wach
rufen durch Hereinziehen der mündlichen Bemerkungen mit welchen er ſein Referat
in der Kammer vertreten hat, ſondern wir wollen den von ihm hervorgehobenen
Satz nur an ſich, und ſo wie er gemeint iſt, betrachten. Nun iſt die Volkswirth-
ſchaftslehre eine ſo junge Wiſſenſchaft, und es herrſcht über ihre Grundbegriffe
heutzutage noch ſo wenig Uebereinſtimmung, ja ſo viel Widerſpruch, daß es von
vornherein gewagt iſt auf einen ihrer Lehrſätze, welche ja nicht aus einer unum-
ſtößlichen Grundwahrheit mit logiſcher Nothwendigkeit fließen, ſondern weſentlich
aus der mehr oder weniger ſubjectiven Erfahrung und Anſchauung abſtrahirt ſind,
einſeitig weiter zu bauen, und rückſichtslos alle Conſequenzen für die Praxis daraus
zu ziehen. Man weiß ja daß ſogar das Einmaleins in der Wirthſchaftslehre
manchmal zu Schanden wird. Das Geſetz der Preisregulirung durch Angebot
und Nachfrage entgeht dieſem Schickſal keineswegs. In zahlloſen Fällen wirken
noch verſchiedene andere Factoren mit, und ganz beſonders in der Richtung auf
die Regulirung des Arbeitslohnes hat es durch das Auftauchen der ſocialen Frage
gar ſehr an ſeiner Geltung und in der Meinung von ſeiner Unumſtößlichkeit
verloren. Vollends aber in ſeiner Anwendung auf den Arbeitslohn der Staats-
diener, auf die Beſoldungen, hat es noch gar nie Geltung gehabt, iſt es noch gar
nie als allein maßgebend anerkannt worden.
Aber es ſollte ſo ſein, meint Hr. Feuſtel. Nun, dieſe Meinung iſt leicht
widerlegt. Wo man das Geſetz von Angebot und Nachfrage zur vollen Geltung
bringen will, da bedient man ſich der Form des öffentlichen Auf- oder Abgebots.
In der Regel wird der Aufſtrich für den Verkäufer am ſicherſten ergeben um wel-
chen Preis eine Waare unter beſtehenden Concurrenzverhältniſſen verkauft werden
kann, und der Abſtrich leiſtet das nämliche für den Käufer bei der Preisermitte-
lung von Dienſten und Leiſtungen aller Art. Conſequent müßte alſo der Staats-
dienſt an den Wenigſtnehmenden, oder müßten die damit verbundenen Bezüge an
den Meiſtbietenden vergeben werden, wobei immerhin die Concurrenz durch den
Nachweis der Befähigung beſchränkt werden könnte. Wenn auch in früheren Zei-
ten in der Form des Stellenkaufs hie und da ein Verfahren exiſtirt hat das an die
letztere Art das erwähnte wirthſchaftliche „Geſetz“ zu benützen erinnert, ſo hat
doch die Mit- und Nachwelt dasſelbe einſtimmig als einen heilleſen Mißbrauch
und Unfug verdammt. Die Verleihung an den Wenigſtnehmenden iſt aber wohl
noch nirgends probirt worden. Nicht einmal in Amerika. Einigermaßen hat man
ſich hier allerdings dieſem Ideal genähert, und es iſt bekannt daß die Beamten:
nirgends in der Welt ſchlechter bezahlt ſind als in Amerika; es iſt aber auch be-
kannt daß ſie nirgends in der Welt ihre Stellungen ärger mißbrauchen, und daß
ſie die Gelegenheit ſich auf unrechtmäßige Weiſe zu bereichern auf das ergiebigſte
benützen. Die neueſte Zeit hat, in dem bekannten Falle der ungeheuren Verun-
treuungen durch ſtädtiſche Beamte in New-York, wieder ein Aufſehen erregendes Bei-
ſpiel geliefert. Die Erfahrung dort und in andern Ländern, namentlich in Ruß-
land und im Orient, zeigt jedem, der Augen hat um zu ſehen, daß für den Staats-
dienſt die Minimalgränze der Beſoldungen nicht die Größe iſt für welche er gerade
noch ſeinen Bedarf an Dienſtleiſtungen zu beziehen vermag.
Das „Geſetz“ von Angebot und Nachfrage wäre aber, ſelbſt wenn es unum-
ſtößlich und aller Conſequenzen an ſich fähig wäre, für den Staatsdienſt nicht an-
wendbar, weil es die freie Concurrenz auf beiden Seiten vorausſetzt. Die Con-
currenz zum Staatsdienſt iſt aber eine künſtliche, eine verfälſchte. Der Staat
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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