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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 6. Köln, 6. Juni 1848.

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[Deutschland]
*Frankfurt, 3. Juni.

Die Nationalversammlung ist heute, nach dreitägiger Ruhe, unter dem Präsidium des "edlen Gagern" wiederum zu dem erwünschten Beschluß gekommen, eigentlich nichts zu beschließen; wenn man bedenkt, welche lastende Sorge es den einzelnen Deputirten bereiten muß, die täglichen 3 Thaler, welche ihnen aus dem Seckel des Volks zufließen, in der Krämerrepublik Frankfurt ersprießlich zu verwenden, so kann man freilich eine solche frühreife Abspannung der Versammlung nicht erstaunlich finden. Unter den neuen Anträgen, Petitionen und Berichten war dafür manches Interessante. Der Präsident gab Mittheilung über mehrere Beiträge zur Bildung einer deutschen Flotte, darunter ein Beitrag von 100 Gulden aus Mannheim, wonach es also scheint, daß die deutsche Nationalität flott werden, und aus dem Sand ins Wasser kommen solle. Hr. v. Rönne berichtete über den Ausschuß für Volkswirtschaft. (Tiefe Stille, neugierige Erwartung in der Versammlung und auf den Galerien.) Zuerst, erklärte Hr v. Rönne, habe er mitzutheilen, daß sich der Ausschuß wirklich konstituirt habe; (Bewunderung und Akklamation!) aber er sei hierbei nicht stehen geblieben; er habe ein Direktorium gewählt, bestehend in dem Berichterstatter den Herren v. Bruck und Eisenstuck; dies Direktorium habe sich zu der Ansicht vereinigt, daß nur durch "Herstellung des Vertrauens" die - - Spekulationslust gehoben er bitte die Versammlung um die Erlaubniß, "Sachverständige" (aus welchem Leuten besteht wohl der "Ausschuß und das Direktorium für Volkswirthschaft"?) heranzuziehen, dieselben zu vernehmen und vernehmen zu lassen und sich mit den Behörden in Verbindung zu setzen. Die Versammlung, außerordentlich befriedigt von so viel Eifer und Thätigkeit, ertheilte einstimmig die erbetene Erlaubniß, durch welche die wirkliche Verhandlung über diesen Gegenstand auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wird. Hierauf berichtete Hr. v. Bruck aus Triest für den Marine-Ausschuß, daß derselbe noch keinen Bericht erstatten könne. Hr. Mittermaier,Wohlgeboren, berichtete über die Proteste der Polen wegen Zulassung polnischer Deputirten in die deutsche Nationalversammlung, weil Posen nicht zum deutschen Bund hätte gezogen werden sollen; der Ausschuß, erklärte Hr. Mittermaier, halte sich nicht für kompetent; er schlage vor, die Polen vorläufig zuzulassen, das Weitere aber von dem "Verfassungsausschuß" später zu erwarten. Jacobus Venedey, der bekanntlich als königlich-preußischer Flüchtling schon gegen die Einverleibung Krakaus "protestirte," (Heine sagte: die Sache steht bedenklich, Palmerston und Venedey haben protestirt!) Jacobus Venedey trat auf die Tribüne und rief, daß auch er gegen die Zulassung der Deputirten "protestirt" habe, daß er immer "protestirt" habe, und noch "protestire". Als ihn der Präsident bedeutete, daß dies gar nicht zur Frage gehöre, verschwand Hr. Venedey wieder, und die Versammlung nahm den Antrag Mittermaiers an, die Entscheidung der angeregten Polenfrage von dem Verfassungsausschuß zu erwarten. Hierauf Tagesordnung: Bericht des Prioritäts-Ausschusses über die Anträge auf Bildung einer provisorischen Central-Gewalt. Der Prioritäts-Ausschuß ist gebildet, um die selbstständigen Anträge der Mitglieder zu "ordnen, und ihre Reihenfolge für den Vortrag zu bestimmen." Man erwartet also in diesem Fall, wo er den Anträgen auf einen Vollziehungs-Ausschuß die Priorität einräumt, daß er die verschiedenen hierhergehörenden Anträge "geordnet", und die Sache für den Vortrag bestimmt hat? Ueberspannte Ungeduld! Der Ausschuß sprach in dem Bericht einstimmig aus, daß die Frage einer Central-Gewalt wegen ihrer großen Dringlichkeit den Vorrang habe, und beantragte deshalb, die Verhandlung - noch weiter hinauszuschieben; der Ausschuß beantragte, einen neuen Ausschuß zu wählen, welcher alle Anträge auf Bildung eines Vollziehungsausschusses erst prüfen und "ordnen" soll. Der Antragsteller im Ausschuß, Hr. Simon aus Trier, sprach lediglich über die Wichtigkeit der Sache selbst: es handle sich darum, ob man souverain sein wolle in Wort und auf Papier, oder auch in der That; durch eine vollziehende Centralgewalt könne man sowohl "anarchischen Versuchen" wie "separatistischen Gelüsten einzelner Staaten" entgegen treten u. s. w. Ueber die Dringlichkeit einer sofortigen Verhandlung der Anträge erhob Niemand seine Stimme, auch aus der Linken nicht, aus welcher doch so manche Anträge in Betreff eines Vollziehungsausschusses hervorgegangen waren. Der in Kurhessen als "Radikaler" bewunderte Schwarzenberg meinte sogar sehr bedenklich man müsse vor Allem doch auch das "Bestehende" berücksichtigen, (dazu gehört doch wohl nicht die Leiche des Bundestags?) und gab zu erwägen, daß die Anträge auf einen Vollziehungsausschuß am besten ihre "Erledigung" finden würden, wenn man dieselben dem Verfassungsausschuß zur "Berücksichtigung" beim Verfassungsentwurf übergäbe. Auffallend war es, daß man weder den Ritter Vincke, noch den Bundestagsgesandten Welcker bei dieser Gelegenheit ihr Liedchen pfeifen hörte. Die Versammlung drängte zur Abstimmung, und der Simon'sche Antrag auf Bildung eines Prüfungsausschusses für die Anträge auf Bestellung eines Vollziehungsausschusses wurde mit großes Majorität angenommen. Die Wahlen für diesen Prüfungsausschuß, welche gleich nach der Sitzung von den Abtheilungen vorgenommen wurden, sind völlig im Sinn der Rechten ausgefallen. - Noch wurde ein Bericht über die Kompetenz des Prioritätsausschusses vorgelegt. In diesem Ausschuß hatte nämlich ein schlauköpfiger Jurist, Hr. Fuchs aus Breslau, das gewissenhafte Bedenken erhoben, ob nicht Jemand bei Gelegenheit vielleicht dem Ausschuß Incompetenz vorwerfen könne; der Ausschuß, erzählte Hr. Fuchs, sei unter der Herrschaft der provisorischen Geschäftsordnung ins Leben getreten, und es frage sich, ob vielleicht durch Annahme der neuen Geschäftsordnung der Auftrag der Versammlung für den Ausschuß erloschen sei; Hr. Fuchs müsse dies indessen aus "allgemeinen Rechtsgrundsätzen" entschieden vereinen, indem ein Auftrag stets von dem Machtgeber ausdrücklich zurückgenommen werden müsse; ferner, sagte Hr. Fuchs. könne nach der neuen Geschäftsordnung zweifelhaft sein, ob die Prioritätsausschuß auch wirklich über Priorität der Anträge zu entscheiden; er, Hr. Fuchs, hatte indeß auch dies Bedenken aus juristischen Gründen für unbegründet. Dieser juristische Kohl, der Bedenken zauberte, um sie selbst zu widerlegen, wurde von der Versammlung mit ernster Würde, von den Galerien mit leichtsinnigem Gelächter aufgenommen, und die Versammlung beschloß dem Ausschuß noch 15 neue Mitglieder beizugesellen, damit die ersten die selbstständigen Anträge, die letztern die Petitionen "ordnen" und zur Berathung bringen sollten. Nach diesen wichtigen Arbeiten für das Wohl des Vaterlandes vertagte sich die Versammlung bis übermorgen; den morgigen Tag wird Jeder dem unverkümmerten Genuß seiner drei Thaler zuwenden können.

Frankfurt, 3. Juni.

Motivirtes Manifest der radikal-demokratischen Partei in der konstituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main.

"Wer die majestas populi an den Cäsar abtritt,

verräth ganz einfach das Volk an den Cäsar."

Geleitet von der Ansicht, daß es nützlich und nöthig ist, sich ohne Rückhalt auszusprechen, überzeugt von der Lebenskraft und Fortwirkung der radikal-demokratischen Prinzipien, aus denen die große europäische Umwälzung von 1848 hervorgegangen ist, sprechen wir es hiermit vor dem ganzen Volke scharf und entschieden aus, was wir für die Aufgabe der Partei halten, die beim Volke wirklich das unumschränkte Selbstregiment erhalten (konserviren) will.

I.

Wir wollen im Innern die vollständige Verwirklichung der demokratischen Staatsform. Ihr Zweck ist die Befreiung jedes Einzelnen. Wir wollen nach Außen die Emanzipation und Selbstregierung aller Völker. Alle Eroberungs- und Unterdrückungsgelüste der Deutschen gegen ihre Nachbarn und nichtdeutschen Staatsgenossen sollen aufhören. Die europäischen Völker sind im Begriff, sich zu freien Staaten frei zu vereinigen. Wir finden hierin die wahre Bedeutung der Nationalität und erwarten, es werde in nicht gar ferner Zeit kein anderes Völkerrecht geben, als die Dekrete eines souveränen Kongresses freier Nationen, die weder um die Gränzen des Landes, noch um die Vortheile des Handels sich entzweien, sondern in allgemeiner Föderation sich zu vereinigen.

In der Vereinigung Freier und Gleicher oder in der Föderation finden wir die einzig mögliche Lösung der Aufgabe, Einheit und Freiheit in Deutschland (und in Europa) herzustellen. Wir wollen das nordamerikanische Förderativsystem. Wenn wir also die Einheit der souveränen deutschen Nation wollen, so wollen wir nichts anderes, als die Vereinigung ihrer Abgeordneten in der Nationalversammlung und in dem verantwortlichen Regierungsausschuß derselben.

Diese Einheit Deutschlands ist bereits vorhanden. Die Einheit Deutschlands ist nicht die Vereinigung der verschiedenen Domänen in eine Domäne; sie ist vielmehr die Einheit des deutschen Volks durch die Vereinigung seiner Abgeordneten im souveränen Parlament hier zu Frankfurt am Main. In dieser Vereinigung sehen wir zugleich seine Freiheit; wenn wir die Freiheit des Volks wollen, so wollen wir seine vollkommene unumschränkte Selbstregierung durch seine Urversammlungen und durch seine Abgeordneten. Der unumschränkte Wille oder die Souveränetät des Volkes kann wohl durch Abgeordnete und durch Regierungsausschüsse, durch Geschworne im Gericht, durch Kriegsheere im Felde ausgeübt, aber nie an eine Person oder eine erste Kammer abgetreten werden.

Wie die Einheit, so ist auch die Freiheit des Volkes in diesem Augenblicke faktisch schon vorhanden. Der Volkswille hat die Nationalversammlung vereinigt. Weiß nun diese Versammlung, daß sie souverän ist und bleiben muß, und führt sie diejenige Konstituirung Deutschlands, welche aus diesen beiden Grundsätzen folgt, ernstlich und praktisch, durch die lebendig wirkenden Staatsgewalten herbei, so begründet sie die Freiheit, sie verwandelt die untergeordnete Freiheit in eine geordnete. Dies ist eine große, positiv revolutinäre Arbeit. So verstehen wir unsere Aufgabe. Die Nationalversammlung hat den Auftrag, das souveräne Volk zu konstituiren, also es mit solchen Organen seines Willens zu versehen, welche die Souveränetät für alle Zeiten beim Volk erhalten.

Diese Organe sind 1) die Volksvertretung in der Nationalversammlung, welche aus dem Volke durch direkte Wahl hervorgeht und nach Erlöschung ihres Mandates ins Volk zurücktritt; 2) der Vollziehungsausschuß oder der Präsident und sein Ministerium, welche aus der Nationalversammlung hervorgehen, ihr verantwortlich sind und wenn sie die Mehrheit in ihr verlieren, wieder in die Versammlung zurücktreten.

Jede andere Form der Freiheit enthält einen Verstoß gegen die Volkssouveränetät. Nur in der freigewählten Versammlung der Volksabgeordneten und in der Regierung, die aus ihr hervorgeht, kann der unumschränkte Wille des freien Volkes verwirklicht werden. Beschlösse z. B. das souveräne Volk durch seine Vertreter, die hier beisammen sind, seine Einheit, glaubte aber zu dem Zwecke einen erblichen König von Deutschland wählen zu müssen, so wäre das keine Vereinigung des freien Volks, sondern eine Vereinigung aller Fürstenhüte unter einen Königshut. Aber nicht die Fürsten unter Einen Hut zu bringen ist die Aufgabe; die Aufgabe ist, das Volk zu vereinigen und zwar ohne es zu unterjochen, also das freie Volk, welches jetzt faktisch souverän ist, unverkürzt bei dieser Souveränetät zu erhalten. Es wäre ein Verrath an sich selbst, wenn ein Volk in dem Augenblicke, wo es durch Revolution und Anarchie die Souveränetät faktisch in der Hand hat, eine lex regia, ein Königsgesetz machte, und dadurch die Souveränetät an einen König verschenkte. Die Thorheit eines solchen Verfahrens ist nicht ohne Beispiel. Wir werden den Dänen nicht nachahmen.

Aber, sagen die Konstitutionellen, wir werden einen konstitutionellen deutschen König machen. Abgesehen davon, daß die Könige nur gezeugt, nicht gewählt zu werden pflegen, ist der konstitutionelle König einfach der Rest des absoluten, und dieser Rest ist durch die demokratische Revolution von 1848 so zusammengeschwunden, daß die Volkssouverainetät unser faktischer Zustand, der König also kein Souverain mehr, sondern in Wahrheit nur noch ein Staatsdiener mit sehr beschränkten Funktionen ist. Er hat für die Ernennung des Premierministers und für die Erzeugung seines Nachfolgers zu sorgen. Die Weisheit, welche dem Despotismus nur diese beiden Sinekuren übrig läßt, ist sehr weise, und wir bewundern sie gewiß hinlänglich, wir werden die Bewunderung noch steigern, wenn wir es erleben, daß sie sich durchsetzt; aber in dem Gesammtstaate Deutschland, wo (wie in der Gesammtheit von Europa) gar kein Herr vorhanden ist, finden wir uns außer Stande, jenen Rest des Herrenthums zu erschaffen. Der konstitutionelle König ist der abgenutzte absolute; sollen wir Deutsche nun im Jahr 1848 hier in Frankfurt das Problem lösen, wie man einen abgetragenen Hut macht, ohne ihn vorher abzutragen? Wir hoffen es nicht.

Was bleibt also übrig? Der souveräne Kongreß oder, daß man gar keinen König macht, sondern nur den verantwortlichen Minister-Präsidenten und seinen verantwortlichen Ministerrath, oder einen verantwortlichen Vollziehungs-Ausschuß mit einem verantwortlichen Reichskanzler an der Spitze.

Die Weisen sagen dagegen : das ist zwar richtig, aber unpraktisch, weil das Volk nicht logisch denkt, sondern konfuse Vorstellungen hat. Diese Volksvertreter, die sich schmeicheln praktisch zu sein, weil sie die Konfusion, nicht die Auflösung der Konfusionen vertreten, irren sich; sie sind die Unpraktischen; jeder Mensch ist froh, seine Konfusion los zu werden. Wenn er sie hat, will er sie nur so lange behalten, als er sie nicht kennt. Also lehrt das Volk nur richtig denken, es wird es euch danken.

Es ist auch völlig unwahr, daß die Gemüthsbewegung und der Instinkt des Volkes nicht radikal wären, im Gegentheil, alle Folgerungen der demokratischen Revolution von 1848 werden überall mit unerbittlicher Strenge gezogen werden; und wir gehören nicht zu denen, die dieß nicht schon heute verlangten, wenn es auch erst morgen durchzusetzen wäre.

Die geflissentliche Mäßigung in der Vernunft, deren sich die Unentschiedenen rühmen, entspringt aus dem Mißtrauen in die Bewegung, die uns hervorgebracht hat. Es ist wahr, in diesem Augenblicke stockt die Befreiung der europäischen Menschheit. An der Gränze Rußlands steht die Revolution still. Aber daraus folgt nur, daß die slavische Befreiungsfrage die Lebensfrage der Revolution ist. Der Sturz des Despotismus in Polen und Rußland, sowie bei allen übrigen slavischen Stämmen, ist die Vernichtung seiner Zuflucht in Europa; und nur so ist auch die Befreiung Deutschlands zu sichern. Wir würden der Reaction und der brutalen Gewalt erliegen, wenn die Verschwörung unserer inneren Feinde mit dem russischen Militairdespotismus gelänge.

Wir wollen daher die heilige Allianz der Völker. Wir gehen mit den Franzosen, mit den Italienern, mit den demokratischen Slaven; wir wollen gleichzeitig mit der Wiedergeburt Deutschlands die Wiedergeburt Polens und Italiens. Die französische Republik bietet uns die Hand, wir nehmen sie mit Freuden an.

II.

Um die Wiedergeburt Deutschlands ins Werk zu richten, wollen wir kraft der Souverainität des deutschen Volkes durch die konstituirende Nationalversammlung diejenige Verfassung einführen, welche die Nationalsouverainetät nicht wieder aufgibt, sondern für immer sichert. Wir wollen deßhalb

1) Eine immer auf drei Jahre gewählte Nationalversammlung für den Gesammtstaat Deutschland, gewählt ohne Census und durch directe Wahlen.

2) Einen Vollziehungsausschuß, welcher durch einen verantwortlichen Präsidenten und sein verantwortliches Ministerium gebildet und durch die jedesmalige Mehrheit der Versammlung aus ihrer Mitte gewählt wird. Jede neugewählte Nationalversammlung entscheidet daher von neuem über ihren Vollziehungsausschuß.

3) Wir verlangen, daß mit der Feststellung und Verkündigung der Volksrechte oder der deutschen magna charta begonnen und der Verfassungsausschuß mit der sofortigen Vorlage dieser Volksrechte beauftragt werde.

4) Wir nehmen die Gestaltung Deutschlands seit dem März 1848 als Thatsache an, und sind der Ansicht, daß die politische Lage, in der wir Deutsche uns gegenwärtig befinden, folgende ist: die einzelnen deutschen Staaten treten durch die Vereinigueg aller deutschen Abgeordneten in der Nationalversammlung zu Einem Föderativstaat zusammen, und geben dadurch so viel von ihrer Souverainetät auf, als die Nationalversammlung zur Bildung des souverainen Gesammtstaates für nöthig erachtet.

5) Die einzelnen Staaten sind ungehindert, wie die freien Reichsstädte, Republiken, oder, wie die übrigen Staaten, konstitutionelle Monarchieen zu sein; jedoch wird durch die Volksrechte, welche die Nationalversammlung proklamirt, derjenige Grad von Volksfreiheit festgesetzt, welcher unter allen Umständen dem Volke gewährt werden muß.

6) Zu der definitiven Konstituirung des Gesammtstaates ist keine weitere Zustimmung der einzelnen Staaten erforderlich, als die, welche bereits in dem Zusammentritt der souverainen konstituirenden Nationalversammlung liegt. Die Versammlung vereinigt jetzt noch alle Staatsgewalten des Gesammtstaates in sich und hat diese verschiedenen Gewalten und politischen Lebensformen, die sie zu beschließen berufen ist, auch sofort in Wirksamkeit zu setzen und die innere und äußere Politik des Gesammtstaates zu handhaben.

Frankfurt, 3. Juni.

Der von der Nationalversammlung heute gewählte Ausschuß für die Prüfung der auf Bildung einer provisorischen Centralgewalt bezüglichen Anträge besteht aus folgenden Abgeordneten: v. Trätschler, M. v. Gagern, v. Meyern, v. Sauken, Flottwell, Dahlmann, v. Lindenau, Claussen (Schriftführer), Stedtmann (1. Vorsitzender), Würth (Stellvertreter des Vorsitzenden), Zenetti, Blum, Dunker, v. Raumex, Wippermann.

- In der Sitzung des Bundestages vom 2. Juni erstattete der k. würtembergische Gesandte, Namens des Militär - Ausschusses, noch in Bezug auf die in Mainz stattgehabten Vorfälle und die dagegen ergriffenen Maßregeln, so wie das Ergebniß der hierüber angestellten Nachforschungen Bericht ab.

In einem Bericht des Festungs - Gouvernements vom 28. Mai ist angezeigt worden, die k. preuß. Garnison habe - nachdem sie durch den Beschluß der National-Versammlung hinreichende Genugthuung für die ihr widerfahrenen Unbilden erhalten - den Wunsch geäußert, ganz oder wenigstens theilweise von Mainz versetzt zu werden und dieser Wunsch sei bereits dem k. preuß. Kriegsministerium vorgetragen worder. Zugleich hat das Festungs-Gouvernement über die stattgehabte Androhung der Beschießung der Stadt und die aufgetauchte Besorgniß wegen Wiederholung ähnlicher Maßregeln, ohne daß gewichtige Gründe für solche vorlägen, sich dahin ausgesprochen, daß das Gouvernement, wie aus seiner vieljährigen Amtsführung hervorgehe, bei Anwendung und Ausführung außerordentlicher Maßregeln sich stets von den Grundsätzen der Humanität und Billigkeit leiten lassen und nur im Falle der Bedrohung und des Angriffs gegen die Sicherheit der Festung nach seiner Pflicht für deren Erhaltung zum Aeußersten schreiten werde.

Was die Reorganisation der Bürgerwehr betrifft, so bemerkt das Gouvernement, daß es solche für die nächste Zeit nicht für angemessen halte und dieselbe nur unter veränderten Verhältnissen in beschränktem Maße und allein unter den im Festungsreglement gebotenen Garantieen und nach Maßgabe des hierüber erst zu erwartenden Bewaffnungsgesetzes stattfinden könnte.

Nach Erwägung der Lage der Sache, wie sich solche durch durch diesen Bericht und die von den Kommissarien der Bundesversammlung eingezogenen Erkundigungen darstellt, wurden über die Anträge des k. sächsischen Gesandten vom 27. Mai folgende Beschlüsse gefaßt.

1) Der Antrag auf einen Garnisonswechsel erledigt sich durch den von der k. preußischen Garnison ausgedrückten Wunsch einer vollständigen, oder wenigstens theilweisen Ablösung und die hierüber dem k. preußischen Kriegsministerium gestellten Anträge. Es wird hierin zugleich das wirksamste Mittel erkannt, ferneren durch gegenseitige Erbitterung hervorgerufenen Konflikten vorzubeugen.

2) Die Reorganisation der Bürgerwehr kann nach dem wohlerwogenen Gutachten des Festungs-Gouvernements zur Zeit noch nicht angeordnet werden, sondern es muß dieselbe auf nähere Erwägung der Art und Weise, wie das zu erwartende großh. hess. Bürgerwehrgesetz mit den Bestimmungen des Bundesfestungs-Reglements in Uebereinstimmung gebracht werden kann, und ob die Lage der Umstände alsdann eine Bürgerbewaffnung in Mainz gestattet, ausgesetzt werden.

3) In Erwägung, daß die von dem Festungsgouvernement in Folge der ausgebrochenen Unruhen getroffenen Ausnahms-Bestimmungen so weit es die Umstände gestattet haben, bereits modificirt worden sind, in Erwägung insbesondere, daß ein Verbot der Vereine im Allgemeinen, so wenig als ein Verbot der Versammlungen in geschlossenen Räumen ergangen ist, und daß die Freiheit der Presse durch keinerlei Censurvorschriften gehemmt, sondern bloß die Aufstellung aufreizender Bilder und Schrifien untersagt und den Redaktionen die Weisung geworden ist, keine Artikel aufzunehmen, welche die Erbitterung der Garnison und Bürger steigern könnten; findet die Bundesversammlung keinen Grund, dem pflichtmäßigen Ermessen des Gouvernements darüber, wie bald die Umstände es gestatten werden, den ordentlichen Zustand der Bundesfestung tn vollem Maße wieder eintreten zu lassen, vorzugreifen, und erwartet von der Disciplin der gesammten Garnison ebenso, wie von der Ordnungsliebe der Bürger, daß sie alle Veranlassung zur Störung des wünschenswerthen gegenseitigen guten Einvernehmens vermeiden werden.

Der Bundestag bleibt sich also bis zum letzten Augenblicke gleich. Es ist nur gut, daß er über Niemand mehr zu befehlen hat als über die Garnisonen der Bundesfestungen. Dieser neue Beschluß kann der Nationalversammlung zeigen wie nothwendig es ist, sofort an die Stelle eines so verrotteten und von Natur volksfeindlichen Regierungsraths eine neue povisorische Centrale-Exekutive zu setzen.

Berlin, den 3. Juni.

Die Aufregungen der letzten Tage insbesondere die Gerüchte über heimliche Fortschaffung von Waffen, Vernagelung der Brücken, Zusammenziehung von Truppen um Berlin u. s. w. hatten am 1. Juni früh eine Deputation von sechs hiesigen demokratischen Vereinen zum Ministerpräsidenten geführt, um ihn auf die gefährliche Mißstimmung in der Stadt, welche zunächst einen unheilbringenden Conflict zwischen den bewaffneten und unbewaffneten Bürgern besorgen lasse, aufmerksam zu machen und das Gouvernement zu veranlassen, daß es zur Beruhigung der Gemüther ernstliche und aufrichtige Schritte für eine wirkliche Volksbewaffnung thue. Die Deputation stellte vor, daß die Bewaffnung der gesammten politisch-berechtigten Bevölkerung sich bereits auf eine gesetzliche Bestimmung gründe, es sich folglich nur um die Ausführung eines Gesetzes handle. Wenn gleich ein jeder Staatsbürger ein gleiches Recht auf Waffen habe, so müsse man doch aus dem Gesichtspunkte der Nützlichkeit die eigenthümlichen Verhältnisse der großen Städte und besonders Berlins berücksichtigen und hier dem Mangel zuerst abhelfen. Dazu seien erweislich Waffen genug am Orte vorhanden und überdies käme es für jetzt mehr darauf an, guten Willen zu zeigen, was schon durch vorläufige Hingabe einer geringen Quantität Waffen, durch ehrliche Anerkennung des Princips und durch eine angemessene Vertheilung der im Gebrauch befindlichen Waffen geschehen könne. Diese Vertheilung sei aber bis jetzt im höchsten Grade unzweckmäßig und ungerecht, da z. B. die waffengeübten und kräftigen Maschinenbauer keine Waffen hätten, dagegen fast sämmtliche Beamte, insbesondere die altersschwachen höheren ihre Zeit statt im Staatsdienste, im Wachdienste zubrächten und gerade sie erweislich die brutalsten Störenfriede in der Bürgerwehr seien. Das gerechte Mißtrauen sei dadurch vermehrt, daß der Verfassungsentwurf keine Silbe über Volksbewaffnung und keine Verweisung auf ein desfallsiges Gesetz enthalte. Das Ministerium habe bisher Nichts gethan, um sich an die Spitze einer so gewaltigen Zeit zu stellen oder auch nur durch Offenheit und That das Zutrauen des Landes zu erhalten, vielmehr habe es durch unzählige Unterlassungen und durch ungeschickte Ausführung, selbst da wo es die beste Absicht gehabt haben möge, stets Anstoß erregt. Die Hoffnungen auf die Nationalversammlung seien ebenfalls geschwächt, da dieselbe bisher ihre Thätigkeit hauptsächlich durch Trommeln bewiesen habe und von vielen Mitgliedern der conservativen Partei die heftigsten Aeußerungen über Berlin und Drohungen einer Verlegung der Ver-

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*Frankfurt, 3. Juni.

Die Nationalversammlung ist heute, nach dreitägiger Ruhe, unter dem Präsidium des „edlen Gagern“ wiederum zu dem erwünschten Beschluß gekommen, eigentlich nichts zu beschließen; wenn man bedenkt, welche lastende Sorge es den einzelnen Deputirten bereiten muß, die täglichen 3 Thaler, welche ihnen aus dem Seckel des Volks zufließen, in der Krämerrepublik Frankfurt ersprießlich zu verwenden, so kann man freilich eine solche frühreife Abspannung der Versammlung nicht erstaunlich finden. Unter den neuen Anträgen, Petitionen und Berichten war dafür manches Interessante. Der Präsident gab Mittheilung über mehrere Beiträge zur Bildung einer deutschen Flotte, darunter ein Beitrag von 100 Gulden aus Mannheim, wonach es also scheint, daß die deutsche Nationalität flott werden, und aus dem Sand ins Wasser kommen solle. Hr. v. Rönne berichtete über den Ausschuß für Volkswirtschaft. (Tiefe Stille, neugierige Erwartung in der Versammlung und auf den Galerien.) Zuerst, erklärte Hr v. Rönne, habe er mitzutheilen, daß sich der Ausschuß wirklich konstituirt habe; (Bewunderung und Akklamation!) aber er sei hierbei nicht stehen geblieben; er habe ein Direktorium gewählt, bestehend in dem Berichterstatter den Herren v. Bruck und Eisenstuck; dies Direktorium habe sich zu der Ansicht vereinigt, daß nur durch „Herstellung des Vertrauens“ die ‒ ‒ Spekulationslust gehoben er bitte die Versammlung um die Erlaubniß, „Sachverständige“ (aus welchem Leuten besteht wohl der „Ausschuß und das Direktorium für Volkswirthschaft“?) heranzuziehen, dieselben zu vernehmen und vernehmen zu lassen und sich mit den Behörden in Verbindung zu setzen. Die Versammlung, außerordentlich befriedigt von so viel Eifer und Thätigkeit, ertheilte einstimmig die erbetene Erlaubniß, durch welche die wirkliche Verhandlung über diesen Gegenstand auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wird. Hierauf berichtete Hr. v. Bruck aus Triest für den Marine-Ausschuß, daß derselbe noch keinen Bericht erstatten könne. Hr. Mittermaier,Wohlgeboren, berichtete über die Proteste der Polen wegen Zulassung polnischer Deputirten in die deutsche Nationalversammlung, weil Posen nicht zum deutschen Bund hätte gezogen werden sollen; der Ausschuß, erklärte Hr. Mittermaier, halte sich nicht für kompetent; er schlage vor, die Polen vorläufig zuzulassen, das Weitere aber von dem „Verfassungsausschuß“ später zu erwarten. Jacobus Venedey, der bekanntlich als königlich-preußischer Flüchtling schon gegen die Einverleibung Krakaus „protestirte,“ (Heine sagte: die Sache steht bedenklich, Palmerston und Venedey haben protestirt!) Jacobus Venedey trat auf die Tribüne und rief, daß auch er gegen die Zulassung der Deputirten „protestirt“ habe, daß er immer „protestirt“ habe, und noch „protestire“. Als ihn der Präsident bedeutete, daß dies gar nicht zur Frage gehöre, verschwand Hr. Venedey wieder, und die Versammlung nahm den Antrag Mittermaiers an, die Entscheidung der angeregten Polenfrage von dem Verfassungsausschuß zu erwarten. Hierauf Tagesordnung: Bericht des Prioritäts-Ausschusses über die Anträge auf Bildung einer provisorischen Central-Gewalt. Der Prioritäts-Ausschuß ist gebildet, um die selbstständigen Anträge der Mitglieder zu „ordnen, und ihre Reihenfolge für den Vortrag zu bestimmen.“ Man erwartet also in diesem Fall, wo er den Anträgen auf einen Vollziehungs-Ausschuß die Priorität einräumt, daß er die verschiedenen hierhergehörenden Anträge „geordnet“, und die Sache für den Vortrag bestimmt hat? Ueberspannte Ungeduld! Der Ausschuß sprach in dem Bericht einstimmig aus, daß die Frage einer Central-Gewalt wegen ihrer großen Dringlichkeit den Vorrang habe, und beantragte deshalb, die Verhandlung ‒ noch weiter hinauszuschieben; der Ausschuß beantragte, einen neuen Ausschuß zu wählen, welcher alle Anträge auf Bildung eines Vollziehungsausschusses erst prüfen und „ordnen“ soll. Der Antragsteller im Ausschuß, Hr. Simon aus Trier, sprach lediglich über die Wichtigkeit der Sache selbst: es handle sich darum, ob man souverain sein wolle in Wort und auf Papier, oder auch in der That; durch eine vollziehende Centralgewalt könne man sowohl „anarchischen Versuchen“ wie „separatistischen Gelüsten einzelner Staaten“ entgegen treten u. s. w. Ueber die Dringlichkeit einer sofortigen Verhandlung der Anträge erhob Niemand seine Stimme, auch aus der Linken nicht, aus welcher doch so manche Anträge in Betreff eines Vollziehungsausschusses hervorgegangen waren. Der in Kurhessen als „Radikaler“ bewunderte Schwarzenberg meinte sogar sehr bedenklich man müsse vor Allem doch auch das „Bestehende“ berücksichtigen, (dazu gehört doch wohl nicht die Leiche des Bundestags?) und gab zu erwägen, daß die Anträge auf einen Vollziehungsausschuß am besten ihre „Erledigung“ finden würden, wenn man dieselben dem Verfassungsausschuß zur „Berücksichtigung“ beim Verfassungsentwurf übergäbe. Auffallend war es, daß man weder den Ritter Vincke, noch den Bundestagsgesandten Welcker bei dieser Gelegenheit ihr Liedchen pfeifen hörte. Die Versammlung drängte zur Abstimmung, und der Simon'sche Antrag auf Bildung eines Prüfungsausschusses für die Anträge auf Bestellung eines Vollziehungsausschusses wurde mit großes Majorität angenommen. Die Wahlen für diesen Prüfungsausschuß, welche gleich nach der Sitzung von den Abtheilungen vorgenommen wurden, sind völlig im Sinn der Rechten ausgefallen. ‒ Noch wurde ein Bericht über die Kompetenz des Prioritätsausschusses vorgelegt. In diesem Ausschuß hatte nämlich ein schlauköpfiger Jurist, Hr. Fuchs aus Breslau, das gewissenhafte Bedenken erhoben, ob nicht Jemand bei Gelegenheit vielleicht dem Ausschuß Incompetenz vorwerfen könne; der Ausschuß, erzählte Hr. Fuchs, sei unter der Herrschaft der provisorischen Geschäftsordnung ins Leben getreten, und es frage sich, ob vielleicht durch Annahme der neuen Geschäftsordnung der Auftrag der Versammlung für den Ausschuß erloschen sei; Hr. Fuchs müsse dies indessen aus „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ entschieden vereinen, indem ein Auftrag stets von dem Machtgeber ausdrücklich zurückgenommen werden müsse; ferner, sagte Hr. Fuchs. könne nach der neuen Geschäftsordnung zweifelhaft sein, ob die Prioritätsausschuß auch wirklich über Priorität der Anträge zu entscheiden; er, Hr. Fuchs, hatte indeß auch dies Bedenken aus juristischen Gründen für unbegründet. Dieser juristische Kohl, der Bedenken zauberte, um sie selbst zu widerlegen, wurde von der Versammlung mit ernster Würde, von den Galerien mit leichtsinnigem Gelächter aufgenommen, und die Versammlung beschloß dem Ausschuß noch 15 neue Mitglieder beizugesellen, damit die ersten die selbstständigen Anträge, die letztern die Petitionen „ordnen“ und zur Berathung bringen sollten. Nach diesen wichtigen Arbeiten für das Wohl des Vaterlandes vertagte sich die Versammlung bis übermorgen; den morgigen Tag wird Jeder dem unverkümmerten Genuß seiner drei Thaler zuwenden können.

Frankfurt, 3. Juni.

Motivirtes Manifest der radikal-demokratischen Partei in der konstituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main.

„Wer die majestas populi an den Cäsar abtritt,

verräth ganz einfach das Volk an den Cäsar.“

Geleitet von der Ansicht, daß es nützlich und nöthig ist, sich ohne Rückhalt auszusprechen, überzeugt von der Lebenskraft und Fortwirkung der radikal-demokratischen Prinzipien, aus denen die große europäische Umwälzung von 1848 hervorgegangen ist, sprechen wir es hiermit vor dem ganzen Volke scharf und entschieden aus, was wir für die Aufgabe der Partei halten, die beim Volke wirklich das unumschränkte Selbstregiment erhalten (konserviren) will.

I.

Wir wollen im Innern die vollständige Verwirklichung der demokratischen Staatsform. Ihr Zweck ist die Befreiung jedes Einzelnen. Wir wollen nach Außen die Emanzipation und Selbstregierung aller Völker. Alle Eroberungs- und Unterdrückungsgelüste der Deutschen gegen ihre Nachbarn und nichtdeutschen Staatsgenossen sollen aufhören. Die europäischen Völker sind im Begriff, sich zu freien Staaten frei zu vereinigen. Wir finden hierin die wahre Bedeutung der Nationalität und erwarten, es werde in nicht gar ferner Zeit kein anderes Völkerrecht geben, als die Dekrete eines souveränen Kongresses freier Nationen, die weder um die Gränzen des Landes, noch um die Vortheile des Handels sich entzweien, sondern in allgemeiner Föderation sich zu vereinigen.

In der Vereinigung Freier und Gleicher oder in der Föderation finden wir die einzig mögliche Lösung der Aufgabe, Einheit und Freiheit in Deutschland (und in Europa) herzustellen. Wir wollen das nordamerikanische Förderativsystem. Wenn wir also die Einheit der souveränen deutschen Nation wollen, so wollen wir nichts anderes, als die Vereinigung ihrer Abgeordneten in der Nationalversammlung und in dem verantwortlichen Regierungsausschuß derselben.

Diese Einheit Deutschlands ist bereits vorhanden. Die Einheit Deutschlands ist nicht die Vereinigung der verschiedenen Domänen in eine Domäne; sie ist vielmehr die Einheit des deutschen Volks durch die Vereinigung seiner Abgeordneten im souveränen Parlament hier zu Frankfurt am Main. In dieser Vereinigung sehen wir zugleich seine Freiheit; wenn wir die Freiheit des Volks wollen, so wollen wir seine vollkommene unumschränkte Selbstregierung durch seine Urversammlungen und durch seine Abgeordneten. Der unumschränkte Wille oder die Souveränetät des Volkes kann wohl durch Abgeordnete und durch Regierungsausschüsse, durch Geschworne im Gericht, durch Kriegsheere im Felde ausgeübt, aber nie an eine Person oder eine erste Kammer abgetreten werden.

Wie die Einheit, so ist auch die Freiheit des Volkes in diesem Augenblicke faktisch schon vorhanden. Der Volkswille hat die Nationalversammlung vereinigt. Weiß nun diese Versammlung, daß sie souverän ist und bleiben muß, und führt sie diejenige Konstituirung Deutschlands, welche aus diesen beiden Grundsätzen folgt, ernstlich und praktisch, durch die lebendig wirkenden Staatsgewalten herbei, so begründet sie die Freiheit, sie verwandelt die untergeordnete Freiheit in eine geordnete. Dies ist eine große, positiv revolutinäre Arbeit. So verstehen wir unsere Aufgabe. Die Nationalversammlung hat den Auftrag, das souveräne Volk zu konstituiren, also es mit solchen Organen seines Willens zu versehen, welche die Souveränetät für alle Zeiten beim Volk erhalten.

Diese Organe sind 1) die Volksvertretung in der Nationalversammlung, welche aus dem Volke durch direkte Wahl hervorgeht und nach Erlöschung ihres Mandates ins Volk zurücktritt; 2) der Vollziehungsausschuß oder der Präsident und sein Ministerium, welche aus der Nationalversammlung hervorgehen, ihr verantwortlich sind und wenn sie die Mehrheit in ihr verlieren, wieder in die Versammlung zurücktreten.

Jede andere Form der Freiheit enthält einen Verstoß gegen die Volkssouveränetät. Nur in der freigewählten Versammlung der Volksabgeordneten und in der Regierung, die aus ihr hervorgeht, kann der unumschränkte Wille des freien Volkes verwirklicht werden. Beschlösse z. B. das souveräne Volk durch seine Vertreter, die hier beisammen sind, seine Einheit, glaubte aber zu dem Zwecke einen erblichen König von Deutschland wählen zu müssen, so wäre das keine Vereinigung des freien Volks, sondern eine Vereinigung aller Fürstenhüte unter einen Königshut. Aber nicht die Fürsten unter Einen Hut zu bringen ist die Aufgabe; die Aufgabe ist, das Volk zu vereinigen und zwar ohne es zu unterjochen, also das freie Volk, welches jetzt faktisch souverän ist, unverkürzt bei dieser Souveränetät zu erhalten. Es wäre ein Verrath an sich selbst, wenn ein Volk in dem Augenblicke, wo es durch Revolution und Anarchie die Souveränetät faktisch in der Hand hat, eine lex regia, ein Königsgesetz machte, und dadurch die Souveränetät an einen König verschenkte. Die Thorheit eines solchen Verfahrens ist nicht ohne Beispiel. Wir werden den Dänen nicht nachahmen.

Aber, sagen die Konstitutionellen, wir werden einen konstitutionellen deutschen König machen. Abgesehen davon, daß die Könige nur gezeugt, nicht gewählt zu werden pflegen, ist der konstitutionelle König einfach der Rest des absoluten, und dieser Rest ist durch die demokratische Revolution von 1848 so zusammengeschwunden, daß die Volkssouverainetät unser faktischer Zustand, der König also kein Souverain mehr, sondern in Wahrheit nur noch ein Staatsdiener mit sehr beschränkten Funktionen ist. Er hat für die Ernennung des Premierministers und für die Erzeugung seines Nachfolgers zu sorgen. Die Weisheit, welche dem Despotismus nur diese beiden Sinekuren übrig läßt, ist sehr weise, und wir bewundern sie gewiß hinlänglich, wir werden die Bewunderung noch steigern, wenn wir es erleben, daß sie sich durchsetzt; aber in dem Gesammtstaate Deutschland, wo (wie in der Gesammtheit von Europa) gar kein Herr vorhanden ist, finden wir uns außer Stande, jenen Rest des Herrenthums zu erschaffen. Der konstitutionelle König ist der abgenutzte absolute; sollen wir Deutsche nun im Jahr 1848 hier in Frankfurt das Problem lösen, wie man einen abgetragenen Hut macht, ohne ihn vorher abzutragen? Wir hoffen es nicht.

Was bleibt also übrig? Der souveräne Kongreß oder, daß man gar keinen König macht, sondern nur den verantwortlichen Minister-Präsidenten und seinen verantwortlichen Ministerrath, oder einen verantwortlichen Vollziehungs-Ausschuß mit einem verantwortlichen Reichskanzler an der Spitze.

Die Weisen sagen dagegen : das ist zwar richtig, aber unpraktisch, weil das Volk nicht logisch denkt, sondern konfuse Vorstellungen hat. Diese Volksvertreter, die sich schmeicheln praktisch zu sein, weil sie die Konfusion, nicht die Auflösung der Konfusionen vertreten, irren sich; sie sind die Unpraktischen; jeder Mensch ist froh, seine Konfusion los zu werden. Wenn er sie hat, will er sie nur so lange behalten, als er sie nicht kennt. Also lehrt das Volk nur richtig denken, es wird es euch danken.

Es ist auch völlig unwahr, daß die Gemüthsbewegung und der Instinkt des Volkes nicht radikal wären, im Gegentheil, alle Folgerungen der demokratischen Revolution von 1848 werden überall mit unerbittlicher Strenge gezogen werden; und wir gehören nicht zu denen, die dieß nicht schon heute verlangten, wenn es auch erst morgen durchzusetzen wäre.

Die geflissentliche Mäßigung in der Vernunft, deren sich die Unentschiedenen rühmen, entspringt aus dem Mißtrauen in die Bewegung, die uns hervorgebracht hat. Es ist wahr, in diesem Augenblicke stockt die Befreiung der europäischen Menschheit. An der Gränze Rußlands steht die Revolution still. Aber daraus folgt nur, daß die slavische Befreiungsfrage die Lebensfrage der Revolution ist. Der Sturz des Despotismus in Polen und Rußland, sowie bei allen übrigen slavischen Stämmen, ist die Vernichtung seiner Zuflucht in Europa; und nur so ist auch die Befreiung Deutschlands zu sichern. Wir würden der Reaction und der brutalen Gewalt erliegen, wenn die Verschwörung unserer inneren Feinde mit dem russischen Militairdespotismus gelänge.

Wir wollen daher die heilige Allianz der Völker. Wir gehen mit den Franzosen, mit den Italienern, mit den demokratischen Slaven; wir wollen gleichzeitig mit der Wiedergeburt Deutschlands die Wiedergeburt Polens und Italiens. Die französische Republik bietet uns die Hand, wir nehmen sie mit Freuden an.

II.

Um die Wiedergeburt Deutschlands ins Werk zu richten, wollen wir kraft der Souverainität des deutschen Volkes durch die konstituirende Nationalversammlung diejenige Verfassung einführen, welche die Nationalsouverainetät nicht wieder aufgibt, sondern für immer sichert. Wir wollen deßhalb

1) Eine immer auf drei Jahre gewählte Nationalversammlung für den Gesammtstaat Deutschland, gewählt ohne Census und durch directe Wahlen.

2) Einen Vollziehungsausschuß, welcher durch einen verantwortlichen Präsidenten und sein verantwortliches Ministerium gebildet und durch die jedesmalige Mehrheit der Versammlung aus ihrer Mitte gewählt wird. Jede neugewählte Nationalversammlung entscheidet daher von neuem über ihren Vollziehungsausschuß.

3) Wir verlangen, daß mit der Feststellung und Verkündigung der Volksrechte oder der deutschen magna charta begonnen und der Verfassungsausschuß mit der sofortigen Vorlage dieser Volksrechte beauftragt werde.

4) Wir nehmen die Gestaltung Deutschlands seit dem März 1848 als Thatsache an, und sind der Ansicht, daß die politische Lage, in der wir Deutsche uns gegenwärtig befinden, folgende ist: die einzelnen deutschen Staaten treten durch die Vereinigueg aller deutschen Abgeordneten in der Nationalversammlung zu Einem Föderativstaat zusammen, und geben dadurch so viel von ihrer Souverainetät auf, als die Nationalversammlung zur Bildung des souverainen Gesammtstaates für nöthig erachtet.

5) Die einzelnen Staaten sind ungehindert, wie die freien Reichsstädte, Republiken, oder, wie die übrigen Staaten, konstitutionelle Monarchieen zu sein; jedoch wird durch die Volksrechte, welche die Nationalversammlung proklamirt, derjenige Grad von Volksfreiheit festgesetzt, welcher unter allen Umständen dem Volke gewährt werden muß.

6) Zu der definitiven Konstituirung des Gesammtstaates ist keine weitere Zustimmung der einzelnen Staaten erforderlich, als die, welche bereits in dem Zusammentritt der souverainen konstituirenden Nationalversammlung liegt. Die Versammlung vereinigt jetzt noch alle Staatsgewalten des Gesammtstaates in sich und hat diese verschiedenen Gewalten und politischen Lebensformen, die sie zu beschließen berufen ist, auch sofort in Wirksamkeit zu setzen und die innere und äußere Politik des Gesammtstaates zu handhaben.

Frankfurt, 3. Juni.

Der von der Nationalversammlung heute gewählte Ausschuß für die Prüfung der auf Bildung einer provisorischen Centralgewalt bezüglichen Anträge besteht aus folgenden Abgeordneten: v. Trätschler, M. v. Gagern, v. Meyern, v. Sauken, Flottwell, Dahlmann, v. Lindenau, Claussen (Schriftführer), Stedtmann (1. Vorsitzender), Würth (Stellvertreter des Vorsitzenden), Zenetti, Blum, Dunker, v. Raumex, Wippermann.

‒ In der Sitzung des Bundestages vom 2. Juni erstattete der k. würtembergische Gesandte, Namens des Militär - Ausschusses, noch in Bezug auf die in Mainz stattgehabten Vorfälle und die dagegen ergriffenen Maßregeln, so wie das Ergebniß der hierüber angestellten Nachforschungen Bericht ab.

In einem Bericht des Festungs - Gouvernements vom 28. Mai ist angezeigt worden, die k. preuß. Garnison habe ‒ nachdem sie durch den Beschluß der National-Versammlung hinreichende Genugthuung für die ihr widerfahrenen Unbilden erhalten ‒ den Wunsch geäußert, ganz oder wenigstens theilweise von Mainz versetzt zu werden und dieser Wunsch sei bereits dem k. preuß. Kriegsministerium vorgetragen worder. Zugleich hat das Festungs-Gouvernement über die stattgehabte Androhung der Beschießung der Stadt und die aufgetauchte Besorgniß wegen Wiederholung ähnlicher Maßregeln, ohne daß gewichtige Gründe für solche vorlägen, sich dahin ausgesprochen, daß das Gouvernement, wie aus seiner vieljährigen Amtsführung hervorgehe, bei Anwendung und Ausführung außerordentlicher Maßregeln sich stets von den Grundsätzen der Humanität und Billigkeit leiten lassen und nur im Falle der Bedrohung und des Angriffs gegen die Sicherheit der Festung nach seiner Pflicht für deren Erhaltung zum Aeußersten schreiten werde.

Was die Reorganisation der Bürgerwehr betrifft, so bemerkt das Gouvernement, daß es solche für die nächste Zeit nicht für angemessen halte und dieselbe nur unter veränderten Verhältnissen in beschränktem Maße und allein unter den im Festungsreglement gebotenen Garantieen und nach Maßgabe des hierüber erst zu erwartenden Bewaffnungsgesetzes stattfinden könnte.

Nach Erwägung der Lage der Sache, wie sich solche durch durch diesen Bericht und die von den Kommissarien der Bundesversammlung eingezogenen Erkundigungen darstellt, wurden über die Anträge des k. sächsischen Gesandten vom 27. Mai folgende Beschlüsse gefaßt.

1) Der Antrag auf einen Garnisonswechsel erledigt sich durch den von der k. preußischen Garnison ausgedrückten Wunsch einer vollständigen, oder wenigstens theilweisen Ablösung und die hierüber dem k. preußischen Kriegsministerium gestellten Anträge. Es wird hierin zugleich das wirksamste Mittel erkannt, ferneren durch gegenseitige Erbitterung hervorgerufenen Konflikten vorzubeugen.

2) Die Reorganisation der Bürgerwehr kann nach dem wohlerwogenen Gutachten des Festungs-Gouvernements zur Zeit noch nicht angeordnet werden, sondern es muß dieselbe auf nähere Erwägung der Art und Weise, wie das zu erwartende großh. hess. Bürgerwehrgesetz mit den Bestimmungen des Bundesfestungs-Reglements in Uebereinstimmung gebracht werden kann, und ob die Lage der Umstände alsdann eine Bürgerbewaffnung in Mainz gestattet, ausgesetzt werden.

3) In Erwägung, daß die von dem Festungsgouvernement in Folge der ausgebrochenen Unruhen getroffenen Ausnahms-Bestimmungen so weit es die Umstände gestattet haben, bereits modificirt worden sind, in Erwägung insbesondere, daß ein Verbot der Vereine im Allgemeinen, so wenig als ein Verbot der Versammlungen in geschlossenen Räumen ergangen ist, und daß die Freiheit der Presse durch keinerlei Censurvorschriften gehemmt, sondern bloß die Aufstellung aufreizender Bilder und Schrifien untersagt und den Redaktionen die Weisung geworden ist, keine Artikel aufzunehmen, welche die Erbitterung der Garnison und Bürger steigern könnten; findet die Bundesversammlung keinen Grund, dem pflichtmäßigen Ermessen des Gouvernements darüber, wie bald die Umstände es gestatten werden, den ordentlichen Zustand der Bundesfestung tn vollem Maße wieder eintreten zu lassen, vorzugreifen, und erwartet von der Disciplin der gesammten Garnison ebenso, wie von der Ordnungsliebe der Bürger, daß sie alle Veranlassung zur Störung des wünschenswerthen gegenseitigen guten Einvernehmens vermeiden werden.

Der Bundestag bleibt sich also bis zum letzten Augenblicke gleich. Es ist nur gut, daß er über Niemand mehr zu befehlen hat als über die Garnisonen der Bundesfestungen. Dieser neue Beschluß kann der Nationalversammlung zeigen wie nothwendig es ist, sofort an die Stelle eines so verrotteten und von Natur volksfeindlichen Regierungsraths eine neue povisorische Centrale-Exekutive zu setzen.

Berlin, den 3. Juni.

Die Aufregungen der letzten Tage insbesondere die Gerüchte über heimliche Fortschaffung von Waffen, Vernagelung der Brücken, Zusammenziehung von Truppen um Berlin u. s. w. hatten am 1. Juni früh eine Deputation von sechs hiesigen demokratischen Vereinen zum Ministerpräsidenten geführt, um ihn auf die gefährliche Mißstimmung in der Stadt, welche zunächst einen unheilbringenden Conflict zwischen den bewaffneten und unbewaffneten Bürgern besorgen lasse, aufmerksam zu machen und das Gouvernement zu veranlassen, daß es zur Beruhigung der Gemüther ernstliche und aufrichtige Schritte für eine wirkliche Volksbewaffnung thue. Die Deputation stellte vor, daß die Bewaffnung der gesammten politisch-berechtigten Bevölkerung sich bereits auf eine gesetzliche Bestimmung gründe, es sich folglich nur um die Ausführung eines Gesetzes handle. Wenn gleich ein jeder Staatsbürger ein gleiches Recht auf Waffen habe, so müsse man doch aus dem Gesichtspunkte der Nützlichkeit die eigenthümlichen Verhältnisse der großen Städte und besonders Berlins berücksichtigen und hier dem Mangel zuerst abhelfen. Dazu seien erweislich Waffen genug am Orte vorhanden und überdies käme es für jetzt mehr darauf an, guten Willen zu zeigen, was schon durch vorläufige Hingabe einer geringen Quantität Waffen, durch ehrliche Anerkennung des Princips und durch eine angemessene Vertheilung der im Gebrauch befindlichen Waffen geschehen könne. Diese Vertheilung sei aber bis jetzt im höchsten Grade unzweckmäßig und ungerecht, da z. B. die waffengeübten und kräftigen Maschinenbauer keine Waffen hätten, dagegen fast sämmtliche Beamte, insbesondere die altersschwachen höheren ihre Zeit statt im Staatsdienste, im Wachdienste zubrächten und gerade sie erweislich die brutalsten Störenfriede in der Bürgerwehr seien. Das gerechte Mißtrauen sei dadurch vermehrt, daß der Verfassungsentwurf keine Silbe über Volksbewaffnung und keine Verweisung auf ein desfallsiges Gesetz enthalte. Das Ministerium habe bisher Nichts gethan, um sich an die Spitze einer so gewaltigen Zeit zu stellen oder auch nur durch Offenheit und That das Zutrauen des Landes zu erhalten, vielmehr habe es durch unzählige Unterlassungen und durch ungeschickte Ausführung, selbst da wo es die beste Absicht gehabt haben möge, stets Anstoß erregt. Die Hoffnungen auf die Nationalversammlung seien ebenfalls geschwächt, da dieselbe bisher ihre Thätigkeit hauptsächlich durch Trommeln bewiesen habe und von vielen Mitgliedern der conservativen Partei die heftigsten Aeußerungen über Berlin und Drohungen einer Verlegung der Ver-

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        <head>[Deutschland]</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 3.                         Juni.</head>
          <p>Die Nationalversammlung ist heute, nach dreitägiger Ruhe, unter dem Präsidium                         des &#x201E;edlen Gagern&#x201C; wiederum zu dem erwünschten Beschluß gekommen, eigentlich                         nichts zu beschließen; wenn man bedenkt, welche lastende Sorge es den                         einzelnen Deputirten bereiten muß, die täglichen 3 Thaler, welche ihnen aus                         dem Seckel des Volks zufließen, in der Krämerrepublik Frankfurt ersprießlich                         zu verwenden, so kann man freilich eine solche frühreife Abspannung der                         Versammlung nicht erstaunlich finden. Unter den neuen Anträgen, Petitionen                         und Berichten war dafür manches Interessante. Der Präsident gab Mittheilung                         über mehrere Beiträge zur Bildung einer deutschen Flotte, darunter ein                         Beitrag von 100 Gulden aus Mannheim, wonach es also scheint, daß die                         deutsche Nationalität flott werden, und aus dem Sand ins Wasser kommen                         solle. Hr. v. Rönne berichtete über den Ausschuß für Volkswirtschaft. (Tiefe                         Stille, neugierige Erwartung in der Versammlung und auf den Galerien.)                         Zuerst, erklärte Hr v. Rönne, habe er mitzutheilen, daß sich der Ausschuß                         wirklich konstituirt habe; (Bewunderung und Akklamation!) aber er sei                         hierbei nicht stehen geblieben; er habe ein Direktorium gewählt, bestehend                         in dem Berichterstatter den Herren v. Bruck und Eisenstuck; dies Direktorium                         habe sich zu der Ansicht vereinigt, daß nur durch &#x201E;Herstellung des                         Vertrauens&#x201C; die &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#g">Spekulationslust</hi> gehoben er                         bitte die Versammlung um die Erlaubniß, &#x201E;Sachverständige&#x201C; (aus welchem                         Leuten besteht wohl der &#x201E;Ausschuß und das Direktorium für                         Volkswirthschaft&#x201C;?) heranzuziehen, dieselben zu vernehmen und vernehmen zu                         lassen und sich mit den Behörden in Verbindung zu setzen. Die Versammlung,                         außerordentlich befriedigt von so viel Eifer und Thätigkeit, ertheilte                         einstimmig die erbetene Erlaubniß, durch welche die wirkliche Verhandlung                         über diesen Gegenstand auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wird. Hierauf                         berichtete Hr. v. Bruck aus Triest für den Marine-Ausschuß, daß derselbe                         noch keinen Bericht erstatten könne. Hr. Mittermaier,Wohlgeboren, berichtete                         über die Proteste der Polen wegen Zulassung polnischer Deputirten in die                         deutsche Nationalversammlung, weil Posen nicht zum deutschen Bund hätte                         gezogen werden sollen; der Ausschuß, erklärte Hr. Mittermaier, halte sich                         nicht für kompetent; er schlage vor, die Polen vorläufig zuzulassen, das                         Weitere aber von dem &#x201E;Verfassungsausschuß&#x201C; später zu erwarten. Jacobus                         Venedey, der bekanntlich als königlich-preußischer Flüchtling schon gegen                         die Einverleibung Krakaus &#x201E;protestirte,&#x201C; (Heine sagte: die Sache steht                         bedenklich, Palmerston und Venedey haben protestirt!) Jacobus Venedey trat                         auf die Tribüne und rief, daß auch er gegen die Zulassung der Deputirten                         &#x201E;protestirt&#x201C; habe, daß er immer &#x201E;protestirt&#x201C; habe, und noch &#x201E;protestire&#x201C;.                         Als ihn der Präsident bedeutete, daß dies gar nicht zur Frage gehöre,                         verschwand Hr. Venedey wieder, und die Versammlung nahm den Antrag                         Mittermaiers an, die Entscheidung der angeregten Polenfrage von dem                         Verfassungsausschuß zu erwarten. Hierauf <hi rendition="#g">Tagesordnung:</hi> Bericht des Prioritäts-Ausschusses über die Anträge                         auf Bildung einer provisorischen Central-Gewalt. Der Prioritäts-Ausschuß ist                         gebildet, um die selbstständigen Anträge der Mitglieder zu &#x201E;ordnen, und ihre                         Reihenfolge für den Vortrag zu bestimmen.&#x201C; Man erwartet also in diesem Fall,                         wo er den Anträgen auf einen Vollziehungs-Ausschuß die Priorität einräumt,                         daß er die verschiedenen hierhergehörenden Anträge &#x201E;geordnet&#x201C;, und die Sache                         für den Vortrag bestimmt hat? Ueberspannte Ungeduld! Der Ausschuß sprach in                         dem Bericht einstimmig aus, daß die Frage einer Central-Gewalt wegen ihrer                         großen Dringlichkeit den Vorrang habe, und beantragte deshalb, die                         Verhandlung &#x2012; noch weiter hinauszuschieben; der Ausschuß beantragte, einen                         neuen Ausschuß zu wählen, welcher alle Anträge auf Bildung eines                         Vollziehungsausschusses erst prüfen und &#x201E;ordnen&#x201C; soll. Der Antragsteller im                         Ausschuß, Hr. Simon aus Trier, sprach lediglich über die Wichtigkeit der                         Sache selbst: es handle sich darum, ob man souverain sein wolle in Wort und                         auf Papier, oder auch in der That; durch eine vollziehende Centralgewalt                         könne man sowohl &#x201E;anarchischen Versuchen&#x201C; wie &#x201E;separatistischen Gelüsten                         einzelner Staaten&#x201C; entgegen treten u. s. w. Ueber die Dringlichkeit einer                         sofortigen Verhandlung der Anträge erhob Niemand seine Stimme, auch aus der                         Linken nicht, aus welcher doch so manche Anträge in Betreff eines                         Vollziehungsausschusses hervorgegangen waren. Der in Kurhessen als                         &#x201E;Radikaler&#x201C; bewunderte Schwarzenberg meinte sogar sehr bedenklich man müsse                         vor Allem doch auch das &#x201E;Bestehende&#x201C; berücksichtigen, (dazu gehört doch wohl                         nicht die Leiche des Bundestags?) und gab zu erwägen, daß die Anträge auf                         einen Vollziehungsausschuß am besten ihre &#x201E;Erledigung&#x201C; finden würden, wenn                         man dieselben dem Verfassungsausschuß zur &#x201E;Berücksichtigung&#x201C; beim                         Verfassungsentwurf übergäbe. Auffallend war es, daß man weder den Ritter                         Vincke, noch den Bundestagsgesandten Welcker bei dieser Gelegenheit ihr                         Liedchen pfeifen hörte. Die Versammlung drängte zur Abstimmung, und der                         Simon'sche Antrag auf Bildung eines Prüfungsausschusses für die Anträge auf                         Bestellung eines Vollziehungsausschusses wurde mit großes Majorität                         angenommen. Die Wahlen für diesen Prüfungsausschuß, welche gleich nach der                         Sitzung von den Abtheilungen vorgenommen wurden, sind völlig im Sinn der                         Rechten ausgefallen. &#x2012; Noch wurde ein Bericht über die Kompetenz des                         Prioritätsausschusses vorgelegt. In diesem Ausschuß hatte nämlich ein                         schlauköpfiger Jurist, Hr. Fuchs aus Breslau, das gewissenhafte Bedenken                         erhoben, ob nicht Jemand bei Gelegenheit vielleicht dem Ausschuß Incompetenz                         vorwerfen könne; der Ausschuß, erzählte Hr. Fuchs, sei unter der Herrschaft                         der provisorischen Geschäftsordnung ins Leben getreten, und es frage sich,                         ob vielleicht durch Annahme der neuen Geschäftsordnung der Auftrag der                         Versammlung für den Ausschuß erloschen sei; Hr. Fuchs müsse dies indessen                         aus &#x201E;allgemeinen Rechtsgrundsätzen&#x201C; entschieden vereinen, indem ein Auftrag                         stets von dem Machtgeber ausdrücklich zurückgenommen werden müsse; ferner,                         sagte Hr. Fuchs. könne nach der neuen Geschäftsordnung zweifelhaft sein, ob                         die Prioritätsausschuß auch wirklich über Priorität der Anträge zu                         entscheiden; er, Hr. Fuchs, hatte indeß auch dies Bedenken aus juristischen                         Gründen für unbegründet. Dieser juristische Kohl, der Bedenken zauberte, um                         sie selbst zu widerlegen, wurde von der Versammlung mit ernster Würde, von                         den Galerien mit leichtsinnigem Gelächter aufgenommen, und die Versammlung                         beschloß dem Ausschuß noch 15 neue Mitglieder beizugesellen, damit die                         ersten die selbstständigen Anträge, die letztern die Petitionen &#x201E;ordnen&#x201C; und                         zur Berathung bringen sollten. Nach diesen wichtigen Arbeiten für das Wohl                         des Vaterlandes vertagte sich die Versammlung bis übermorgen; den morgigen                         Tag wird Jeder dem unverkümmerten Genuß seiner drei Thaler zuwenden                         können.</p>
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          <head><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 3. Juni.</head>
          <p>Motivirtes Manifest der radikal-demokratischen Partei in der konstituirenden                         Nationalversammlung zu Frankfurt am Main.</p>
          <p>&#x201E;Wer die majestas populi an den Cäsar abtritt,</p>
          <p>verräth ganz einfach das Volk an den Cäsar.&#x201C;</p>
          <p>Geleitet von der Ansicht, daß es nützlich und nöthig ist, sich ohne Rückhalt                         auszusprechen, überzeugt von der Lebenskraft und Fortwirkung der                         radikal-demokratischen Prinzipien, aus denen die große europäische Umwälzung                         von 1848 hervorgegangen ist, sprechen wir es hiermit vor dem ganzen Volke                         scharf und entschieden aus, was wir für die Aufgabe der Partei halten, die                         beim Volke wirklich das unumschränkte Selbstregiment erhalten (konserviren)                         will.</p>
          <p> <hi rendition="#b">I.</hi> </p>
          <p>Wir wollen im Innern die vollständige Verwirklichung der demokratischen                         Staatsform. Ihr Zweck ist die Befreiung jedes Einzelnen. Wir wollen nach                         Außen die Emanzipation und Selbstregierung aller Völker. Alle Eroberungs-                         und Unterdrückungsgelüste der Deutschen gegen ihre Nachbarn und                         nichtdeutschen Staatsgenossen sollen aufhören. Die europäischen Völker sind                         im Begriff, sich zu freien Staaten frei zu vereinigen. Wir finden hierin die                         wahre Bedeutung der Nationalität und erwarten, es werde in nicht gar ferner                         Zeit kein anderes Völkerrecht geben, als die Dekrete eines souveränen                         Kongresses freier Nationen, die weder um die Gränzen des Landes, noch um die                         Vortheile des Handels sich entzweien, sondern in allgemeiner Föderation sich                         zu vereinigen.</p>
          <p>In der Vereinigung Freier und Gleicher oder in der Föderation finden wir die                         einzig mögliche Lösung der Aufgabe, Einheit und Freiheit in Deutschland (und                         in Europa) herzustellen. Wir wollen das nordamerikanische Förderativsystem.                         Wenn wir also die Einheit der souveränen deutschen Nation wollen, so wollen                         wir nichts anderes, als die Vereinigung ihrer Abgeordneten in der                         Nationalversammlung und in dem verantwortlichen Regierungsausschuß                         derselben.</p>
          <p>Diese Einheit Deutschlands ist bereits vorhanden. Die Einheit Deutschlands                         ist nicht die Vereinigung der verschiedenen Domänen in eine Domäne; sie ist                         vielmehr die Einheit des deutschen Volks durch die Vereinigung seiner                         Abgeordneten im souveränen Parlament hier zu Frankfurt am Main. In dieser                         Vereinigung sehen wir zugleich seine Freiheit; wenn wir die Freiheit des                         Volks wollen, so wollen wir seine vollkommene unumschränkte Selbstregierung                         durch seine Urversammlungen und durch seine Abgeordneten. Der unumschränkte                         Wille oder die Souveränetät des Volkes kann wohl durch Abgeordnete und durch                         Regierungsausschüsse, durch Geschworne im Gericht, durch Kriegsheere im                         Felde ausgeübt, aber nie an eine Person oder eine erste Kammer abgetreten                         werden.</p>
          <p>Wie die Einheit, so ist auch die Freiheit des Volkes in diesem Augenblicke                         faktisch schon vorhanden. Der Volkswille hat die Nationalversammlung                         vereinigt. Weiß nun diese Versammlung, daß sie souverän ist und bleiben muß,                         und führt sie diejenige Konstituirung Deutschlands, welche aus diesen beiden                         Grundsätzen folgt, ernstlich und praktisch, durch die lebendig wirkenden                         Staatsgewalten herbei, so begründet sie die Freiheit, sie verwandelt die                         untergeordnete Freiheit in eine geordnete. Dies ist eine große, positiv                         revolutinäre Arbeit. So verstehen wir unsere Aufgabe. Die                         Nationalversammlung hat den Auftrag, das souveräne Volk zu konstituiren,                         also es mit solchen Organen seines Willens zu versehen, welche die                         Souveränetät für alle Zeiten beim Volk erhalten.</p>
          <p>Diese Organe sind 1) die Volksvertretung in der Nationalversammlung, welche                         aus dem Volke durch direkte Wahl hervorgeht und nach Erlöschung ihres                         Mandates ins Volk zurücktritt; 2) der Vollziehungsausschuß oder der                         Präsident und sein Ministerium, welche aus der Nationalversammlung                         hervorgehen, ihr verantwortlich sind und wenn sie die Mehrheit in ihr                         verlieren, wieder in die Versammlung zurücktreten.</p>
          <p>Jede andere Form der Freiheit enthält einen Verstoß gegen die                         Volkssouveränetät. Nur in der freigewählten Versammlung der                         Volksabgeordneten und in der Regierung, die aus ihr hervorgeht, kann der                         unumschränkte Wille des freien Volkes verwirklicht werden. Beschlösse z. B.                         das souveräne Volk durch seine Vertreter, die hier beisammen sind, seine                         Einheit, glaubte aber zu dem Zwecke einen erblichen König von Deutschland                         wählen zu müssen, so wäre das keine Vereinigung des freien Volks, sondern                         eine Vereinigung aller Fürstenhüte unter einen Königshut. Aber nicht die                         Fürsten unter Einen Hut zu bringen ist die Aufgabe; die Aufgabe ist, das                         Volk zu vereinigen und zwar ohne es zu unterjochen, also das freie Volk,                         welches jetzt faktisch souverän ist, unverkürzt bei dieser Souveränetät zu                         erhalten. Es wäre ein Verrath an sich selbst, wenn ein Volk in dem                         Augenblicke, wo es durch Revolution und Anarchie die Souveränetät faktisch                         in der Hand hat, eine lex regia, ein Königsgesetz machte, und dadurch die                         Souveränetät an einen König verschenkte. Die Thorheit eines solchen                         Verfahrens ist nicht ohne Beispiel. Wir werden den Dänen nicht                         nachahmen.</p>
          <p>Aber, sagen die Konstitutionellen, wir werden einen konstitutionellen                         deutschen König machen. Abgesehen davon, daß die Könige nur gezeugt, nicht                         gewählt zu werden pflegen, ist der konstitutionelle König einfach der Rest                         des absoluten, und dieser Rest ist durch die demokratische Revolution von                         1848 so zusammengeschwunden, daß die Volkssouverainetät unser faktischer                         Zustand, der König also kein Souverain mehr, sondern in Wahrheit nur noch                         ein Staatsdiener mit sehr beschränkten Funktionen ist. Er hat für die                         Ernennung des Premierministers und für die Erzeugung seines Nachfolgers zu                         sorgen. Die Weisheit, welche dem Despotismus nur diese beiden Sinekuren                         übrig läßt, ist sehr weise, und wir bewundern sie gewiß hinlänglich, wir                         werden die Bewunderung noch steigern, wenn wir es erleben, daß sie sich                         durchsetzt; aber in dem Gesammtstaate Deutschland, wo (wie in der                         Gesammtheit von Europa) gar kein Herr vorhanden ist, finden wir uns außer                         Stande, jenen Rest des Herrenthums zu erschaffen. Der konstitutionelle König                         ist der abgenutzte absolute; sollen wir Deutsche nun im Jahr 1848 hier in                         Frankfurt das Problem lösen, wie man einen abgetragenen Hut macht, ohne ihn                         vorher abzutragen? Wir hoffen es nicht.</p>
          <p>Was bleibt also übrig? Der souveräne Kongreß oder, daß man gar keinen König                         macht, sondern nur den verantwortlichen Minister-Präsidenten und seinen                         verantwortlichen Ministerrath, oder einen verantwortlichen                         Vollziehungs-Ausschuß mit einem verantwortlichen Reichskanzler an der                         Spitze.</p>
          <p>Die Weisen sagen dagegen : das ist zwar richtig, aber unpraktisch, weil das                         Volk nicht logisch denkt, sondern konfuse Vorstellungen hat. Diese                         Volksvertreter, die sich schmeicheln praktisch zu sein, weil sie die                         Konfusion, nicht die Auflösung der Konfusionen vertreten, irren sich; sie                         sind die Unpraktischen; jeder Mensch ist froh, seine Konfusion los zu                         werden. Wenn er sie hat, will er sie nur so lange behalten, als er sie nicht                         kennt. Also lehrt das Volk nur richtig denken, es wird es euch danken.</p>
          <p>Es ist auch völlig unwahr, daß die Gemüthsbewegung und der Instinkt des                         Volkes nicht radikal wären, im Gegentheil, alle Folgerungen der                         demokratischen Revolution von 1848 werden überall mit unerbittlicher Strenge                         gezogen werden; und wir gehören nicht zu denen, die dieß nicht schon heute                         verlangten, wenn es auch erst morgen durchzusetzen wäre.</p>
          <p>Die geflissentliche Mäßigung in der Vernunft, deren sich die Unentschiedenen                         rühmen, entspringt aus dem Mißtrauen in <hi rendition="#g">die Bewegung, die                             uns hervorgebracht</hi> hat. Es ist wahr, in diesem Augenblicke stockt                         die Befreiung der europäischen Menschheit. An der Gränze Rußlands steht die                         Revolution still. Aber daraus folgt nur, daß die slavische Befreiungsfrage                         die Lebensfrage der Revolution ist. Der Sturz des Despotismus in Polen und                         Rußland, sowie bei allen übrigen slavischen Stämmen, ist die Vernichtung                         seiner Zuflucht in Europa; und nur so ist auch die Befreiung Deutschlands zu                         sichern. Wir würden der Reaction und der brutalen Gewalt erliegen, wenn die                         Verschwörung unserer inneren Feinde mit dem russischen Militairdespotismus                         gelänge.</p>
          <p>Wir wollen daher die heilige Allianz der Völker. Wir gehen mit den Franzosen,                         mit den Italienern, mit den demokratischen Slaven; wir wollen gleichzeitig                         mit der Wiedergeburt Deutschlands die Wiedergeburt Polens und Italiens. Die                         französische Republik bietet uns die Hand, wir nehmen sie mit Freuden                         an.</p>
          <p> <hi rendition="#b">II.</hi> </p>
          <p>Um die Wiedergeburt Deutschlands ins Werk zu richten, wollen wir kraft der                         Souverainität des deutschen Volkes durch die konstituirende                         Nationalversammlung diejenige Verfassung einführen, welche die                         Nationalsouverainetät nicht wieder aufgibt, sondern für immer sichert. Wir                         wollen deßhalb</p>
          <p>1) Eine immer auf drei Jahre gewählte Nationalversammlung für den                         Gesammtstaat Deutschland, gewählt ohne Census und durch directe Wahlen.</p>
          <p>2) Einen Vollziehungsausschuß, welcher durch einen verantwortlichen                         Präsidenten und sein verantwortliches Ministerium gebildet und durch die                         jedesmalige Mehrheit der Versammlung aus ihrer Mitte gewählt wird. Jede                         neugewählte Nationalversammlung entscheidet daher von neuem über ihren                         Vollziehungsausschuß.</p>
          <p>3) Wir verlangen, daß mit der Feststellung und Verkündigung der Volksrechte                         oder der deutschen magna charta begonnen und der Verfassungsausschuß mit der                         sofortigen Vorlage dieser Volksrechte beauftragt werde.</p>
          <p>4) Wir nehmen die Gestaltung Deutschlands seit dem März 1848 als Thatsache                         an, und sind der Ansicht, daß die politische Lage, in der wir Deutsche uns                         gegenwärtig befinden, folgende ist: die einzelnen deutschen Staaten treten                         durch die Vereinigueg aller deutschen Abgeordneten in der                         Nationalversammlung zu Einem Föderativstaat zusammen, und geben dadurch so                         viel von ihrer Souverainetät auf, als die Nationalversammlung zur Bildung                         des souverainen Gesammtstaates für nöthig erachtet.</p>
          <p>5) Die einzelnen Staaten sind ungehindert, wie die freien Reichsstädte,                         Republiken, oder, wie die übrigen Staaten, konstitutionelle Monarchieen zu                         sein; jedoch wird durch die Volksrechte, welche die Nationalversammlung                         proklamirt, derjenige Grad von Volksfreiheit festgesetzt, welcher unter                         allen Umständen dem Volke gewährt werden muß.</p>
          <p>6) Zu der definitiven Konstituirung des Gesammtstaates ist keine weitere                         Zustimmung der einzelnen Staaten erforderlich, als die, welche bereits in                         dem Zusammentritt der souverainen konstituirenden Nationalversammlung liegt.                         Die Versammlung vereinigt jetzt noch alle Staatsgewalten des Gesammtstaates                         in sich und hat diese verschiedenen Gewalten und politischen Lebensformen,                         die sie zu beschließen berufen ist, auch sofort in Wirksamkeit zu setzen und                         die innere und äußere Politik des Gesammtstaates zu handhaben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar006_007" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 3. Juni.</head>
          <p>Der von der Nationalversammlung heute gewählte Ausschuß für die Prüfung der                         auf Bildung einer provisorischen Centralgewalt bezüglichen Anträge besteht                         aus folgenden Abgeordneten: v. Trätschler, M. v. Gagern, v. Meyern, v.                         Sauken, Flottwell, Dahlmann, v. Lindenau, Claussen (Schriftführer),                         Stedtmann (1. Vorsitzender), Würth (Stellvertreter des Vorsitzenden),                         Zenetti, Blum, Dunker, v. Raumex, Wippermann.</p>
          <p>&#x2012; In der Sitzung des Bundestages vom 2. Juni erstattete der k.                         würtembergische Gesandte, Namens des Militär - Ausschusses, noch in Bezug                         auf die in Mainz stattgehabten Vorfälle und die dagegen ergriffenen                         Maßregeln, so wie das Ergebniß der hierüber angestellten Nachforschungen                         Bericht ab.</p>
          <p>In einem Bericht des Festungs - Gouvernements vom 28. Mai ist angezeigt                         worden, die k. preuß. Garnison habe &#x2012; nachdem sie durch den Beschluß der                         National-Versammlung hinreichende Genugthuung für die ihr widerfahrenen                         Unbilden erhalten &#x2012; den Wunsch geäußert, ganz oder wenigstens theilweise von                         Mainz versetzt zu werden und dieser Wunsch sei bereits dem k. preuß.                         Kriegsministerium vorgetragen worder. Zugleich hat das Festungs-Gouvernement                         über die stattgehabte Androhung der Beschießung der Stadt und die                         aufgetauchte Besorgniß wegen Wiederholung ähnlicher Maßregeln, ohne daß                         gewichtige Gründe für solche vorlägen, sich dahin ausgesprochen, daß das                         Gouvernement, wie aus seiner vieljährigen Amtsführung hervorgehe, bei                         Anwendung und Ausführung außerordentlicher Maßregeln sich stets von den                         Grundsätzen der Humanität und Billigkeit leiten lassen und nur im Falle der                         Bedrohung und des Angriffs gegen die Sicherheit der Festung nach seiner                         Pflicht für deren Erhaltung zum Aeußersten schreiten werde.</p>
          <p>Was die Reorganisation der Bürgerwehr betrifft, so bemerkt das Gouvernement,                         daß es solche für die nächste Zeit nicht für angemessen halte und dieselbe                         nur unter veränderten Verhältnissen in beschränktem Maße und allein unter                         den im Festungsreglement gebotenen Garantieen und nach Maßgabe des hierüber                         erst zu erwartenden Bewaffnungsgesetzes stattfinden könnte.</p>
          <p>Nach Erwägung der Lage der Sache, wie sich solche durch durch diesen Bericht                         und die von den Kommissarien der Bundesversammlung eingezogenen                         Erkundigungen darstellt, wurden über die Anträge des k. sächsischen                         Gesandten vom 27. Mai folgende Beschlüsse gefaßt.</p>
          <p>1) Der Antrag auf einen Garnisonswechsel erledigt sich durch den von der k.                         preußischen Garnison ausgedrückten Wunsch einer vollständigen, oder                         wenigstens theilweisen Ablösung und die hierüber dem k. preußischen                         Kriegsministerium gestellten Anträge. Es wird hierin zugleich das wirksamste                         Mittel erkannt, ferneren durch gegenseitige Erbitterung hervorgerufenen                         Konflikten vorzubeugen.</p>
          <p>2) Die Reorganisation der Bürgerwehr kann nach dem wohlerwogenen Gutachten                         des Festungs-Gouvernements zur Zeit noch nicht angeordnet werden, sondern es                         muß dieselbe auf nähere Erwägung der Art und Weise, wie das zu erwartende                         großh. hess. Bürgerwehrgesetz mit den Bestimmungen des                         Bundesfestungs-Reglements in Uebereinstimmung gebracht werden kann, und ob                         die Lage der Umstände alsdann eine Bürgerbewaffnung in Mainz gestattet,                         ausgesetzt werden.</p>
          <p>3) In Erwägung, daß die von dem Festungsgouvernement in Folge der                         ausgebrochenen Unruhen getroffenen Ausnahms-Bestimmungen so weit es die                         Umstände gestattet haben, bereits modificirt worden sind, in Erwägung                         insbesondere, daß ein Verbot der Vereine im Allgemeinen, so wenig als ein                         Verbot der Versammlungen in geschlossenen Räumen ergangen ist, und daß die                         Freiheit der Presse durch keinerlei Censurvorschriften gehemmt, sondern bloß                         die Aufstellung aufreizender Bilder und Schrifien untersagt und den                         Redaktionen die Weisung geworden ist, keine Artikel aufzunehmen, welche die                         Erbitterung der Garnison und Bürger steigern könnten; findet die                         Bundesversammlung keinen Grund, dem pflichtmäßigen Ermessen des                         Gouvernements darüber, wie bald die Umstände es gestatten werden, den                         ordentlichen Zustand der Bundesfestung tn vollem Maße wieder eintreten zu                         lassen, vorzugreifen, und erwartet von der Disciplin der gesammten Garnison                         ebenso, wie von der Ordnungsliebe der Bürger, daß sie alle Veranlassung zur                         Störung des wünschenswerthen gegenseitigen guten Einvernehmens vermeiden                         werden.</p>
          <p>Der Bundestag bleibt sich also bis zum letzten Augenblicke gleich. Es ist nur                         gut, daß er über Niemand mehr zu befehlen hat als über die Garnisonen der                         Bundesfestungen. Dieser neue Beschluß kann der Nationalversammlung zeigen                         wie nothwendig es ist, sofort an die Stelle eines so verrotteten und von                         Natur volksfeindlichen Regierungsraths eine neue povisorische                         Centrale-Exekutive zu setzen.</p>
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          <head><hi rendition="#g">Berlin,</hi> den 3. Juni.</head>
          <p>Die Aufregungen der letzten Tage insbesondere die Gerüchte über heimliche                         Fortschaffung von Waffen, Vernagelung der Brücken, Zusammenziehung von                         Truppen um Berlin u. s. w. hatten am 1. Juni früh eine Deputation von sechs                         hiesigen demokratischen Vereinen zum Ministerpräsidenten geführt, um ihn auf                         die gefährliche Mißstimmung in der Stadt, welche zunächst einen                         unheilbringenden Conflict zwischen den bewaffneten und unbewaffneten Bürgern                         besorgen lasse, aufmerksam zu machen und das Gouvernement zu veranlassen,                         daß es zur Beruhigung der Gemüther ernstliche und aufrichtige Schritte für                         eine wirkliche Volksbewaffnung thue. Die Deputation stellte vor, daß die                         Bewaffnung der gesammten politisch-berechtigten Bevölkerung sich bereits auf                         eine gesetzliche Bestimmung gründe, es sich folglich nur um die Ausführung                         eines Gesetzes handle. Wenn gleich ein jeder Staatsbürger ein <hi rendition="#g">gleiches</hi> Recht auf Waffen habe, so müsse man doch                         aus dem Gesichtspunkte der Nützlichkeit die eigenthümlichen Verhältnisse der                         großen Städte und besonders Berlins berücksichtigen und hier dem Mangel                         zuerst abhelfen. Dazu seien erweislich Waffen genug am Orte vorhanden und                         überdies käme es für jetzt mehr darauf an, guten Willen zu zeigen, was schon                         durch vorläufige Hingabe einer geringen Quantität Waffen, durch ehrliche                         Anerkennung des Princips und durch eine angemessene Vertheilung der im                         Gebrauch befindlichen Waffen geschehen könne. Diese Vertheilung sei aber bis                         jetzt im höchsten Grade unzweckmäßig und ungerecht, da z. B. die                         waffengeübten und kräftigen Maschinenbauer <hi rendition="#g">keine</hi> Waffen hätten, dagegen fast sämmtliche Beamte, insbesondere die                         altersschwachen höheren ihre Zeit statt im Staatsdienste, im Wachdienste                         zubrächten und gerade sie erweislich die brutalsten Störenfriede in der                         Bürgerwehr seien. Das gerechte Mißtrauen sei dadurch vermehrt, daß der                         Verfassungsentwurf keine Silbe über Volksbewaffnung und keine Verweisung auf                         ein desfallsiges Gesetz enthalte. Das Ministerium habe bisher <hi rendition="#g">Nichts</hi> gethan, um sich an die Spitze einer so                         gewaltigen Zeit zu stellen oder auch nur durch Offenheit und That das                         Zutrauen des Landes zu erhalten, vielmehr habe es durch unzählige                         Unterlassungen und durch ungeschickte Ausführung, selbst da wo es die beste                         Absicht gehabt haben möge, stets Anstoß erregt. Die Hoffnungen auf die                         Nationalversammlung seien ebenfalls geschwächt, da dieselbe bisher ihre                         Thätigkeit hauptsächlich durch Trommeln bewiesen habe und von vielen                         Mitgliedern der conservativen Partei die heftigsten Aeußerungen über Berlin                         und Drohungen einer Verlegung der Ver-
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[0022/0002] [Deutschland] *Frankfurt, 3. Juni. Die Nationalversammlung ist heute, nach dreitägiger Ruhe, unter dem Präsidium des „edlen Gagern“ wiederum zu dem erwünschten Beschluß gekommen, eigentlich nichts zu beschließen; wenn man bedenkt, welche lastende Sorge es den einzelnen Deputirten bereiten muß, die täglichen 3 Thaler, welche ihnen aus dem Seckel des Volks zufließen, in der Krämerrepublik Frankfurt ersprießlich zu verwenden, so kann man freilich eine solche frühreife Abspannung der Versammlung nicht erstaunlich finden. Unter den neuen Anträgen, Petitionen und Berichten war dafür manches Interessante. Der Präsident gab Mittheilung über mehrere Beiträge zur Bildung einer deutschen Flotte, darunter ein Beitrag von 100 Gulden aus Mannheim, wonach es also scheint, daß die deutsche Nationalität flott werden, und aus dem Sand ins Wasser kommen solle. Hr. v. Rönne berichtete über den Ausschuß für Volkswirtschaft. (Tiefe Stille, neugierige Erwartung in der Versammlung und auf den Galerien.) Zuerst, erklärte Hr v. Rönne, habe er mitzutheilen, daß sich der Ausschuß wirklich konstituirt habe; (Bewunderung und Akklamation!) aber er sei hierbei nicht stehen geblieben; er habe ein Direktorium gewählt, bestehend in dem Berichterstatter den Herren v. Bruck und Eisenstuck; dies Direktorium habe sich zu der Ansicht vereinigt, daß nur durch „Herstellung des Vertrauens“ die ‒ ‒ Spekulationslust gehoben er bitte die Versammlung um die Erlaubniß, „Sachverständige“ (aus welchem Leuten besteht wohl der „Ausschuß und das Direktorium für Volkswirthschaft“?) heranzuziehen, dieselben zu vernehmen und vernehmen zu lassen und sich mit den Behörden in Verbindung zu setzen. Die Versammlung, außerordentlich befriedigt von so viel Eifer und Thätigkeit, ertheilte einstimmig die erbetene Erlaubniß, durch welche die wirkliche Verhandlung über diesen Gegenstand auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wird. Hierauf berichtete Hr. v. Bruck aus Triest für den Marine-Ausschuß, daß derselbe noch keinen Bericht erstatten könne. Hr. Mittermaier,Wohlgeboren, berichtete über die Proteste der Polen wegen Zulassung polnischer Deputirten in die deutsche Nationalversammlung, weil Posen nicht zum deutschen Bund hätte gezogen werden sollen; der Ausschuß, erklärte Hr. Mittermaier, halte sich nicht für kompetent; er schlage vor, die Polen vorläufig zuzulassen, das Weitere aber von dem „Verfassungsausschuß“ später zu erwarten. Jacobus Venedey, der bekanntlich als königlich-preußischer Flüchtling schon gegen die Einverleibung Krakaus „protestirte,“ (Heine sagte: die Sache steht bedenklich, Palmerston und Venedey haben protestirt!) Jacobus Venedey trat auf die Tribüne und rief, daß auch er gegen die Zulassung der Deputirten „protestirt“ habe, daß er immer „protestirt“ habe, und noch „protestire“. Als ihn der Präsident bedeutete, daß dies gar nicht zur Frage gehöre, verschwand Hr. Venedey wieder, und die Versammlung nahm den Antrag Mittermaiers an, die Entscheidung der angeregten Polenfrage von dem Verfassungsausschuß zu erwarten. Hierauf Tagesordnung: Bericht des Prioritäts-Ausschusses über die Anträge auf Bildung einer provisorischen Central-Gewalt. Der Prioritäts-Ausschuß ist gebildet, um die selbstständigen Anträge der Mitglieder zu „ordnen, und ihre Reihenfolge für den Vortrag zu bestimmen.“ Man erwartet also in diesem Fall, wo er den Anträgen auf einen Vollziehungs-Ausschuß die Priorität einräumt, daß er die verschiedenen hierhergehörenden Anträge „geordnet“, und die Sache für den Vortrag bestimmt hat? Ueberspannte Ungeduld! Der Ausschuß sprach in dem Bericht einstimmig aus, daß die Frage einer Central-Gewalt wegen ihrer großen Dringlichkeit den Vorrang habe, und beantragte deshalb, die Verhandlung ‒ noch weiter hinauszuschieben; der Ausschuß beantragte, einen neuen Ausschuß zu wählen, welcher alle Anträge auf Bildung eines Vollziehungsausschusses erst prüfen und „ordnen“ soll. Der Antragsteller im Ausschuß, Hr. Simon aus Trier, sprach lediglich über die Wichtigkeit der Sache selbst: es handle sich darum, ob man souverain sein wolle in Wort und auf Papier, oder auch in der That; durch eine vollziehende Centralgewalt könne man sowohl „anarchischen Versuchen“ wie „separatistischen Gelüsten einzelner Staaten“ entgegen treten u. s. w. Ueber die Dringlichkeit einer sofortigen Verhandlung der Anträge erhob Niemand seine Stimme, auch aus der Linken nicht, aus welcher doch so manche Anträge in Betreff eines Vollziehungsausschusses hervorgegangen waren. Der in Kurhessen als „Radikaler“ bewunderte Schwarzenberg meinte sogar sehr bedenklich man müsse vor Allem doch auch das „Bestehende“ berücksichtigen, (dazu gehört doch wohl nicht die Leiche des Bundestags?) und gab zu erwägen, daß die Anträge auf einen Vollziehungsausschuß am besten ihre „Erledigung“ finden würden, wenn man dieselben dem Verfassungsausschuß zur „Berücksichtigung“ beim Verfassungsentwurf übergäbe. Auffallend war es, daß man weder den Ritter Vincke, noch den Bundestagsgesandten Welcker bei dieser Gelegenheit ihr Liedchen pfeifen hörte. Die Versammlung drängte zur Abstimmung, und der Simon'sche Antrag auf Bildung eines Prüfungsausschusses für die Anträge auf Bestellung eines Vollziehungsausschusses wurde mit großes Majorität angenommen. Die Wahlen für diesen Prüfungsausschuß, welche gleich nach der Sitzung von den Abtheilungen vorgenommen wurden, sind völlig im Sinn der Rechten ausgefallen. ‒ Noch wurde ein Bericht über die Kompetenz des Prioritätsausschusses vorgelegt. In diesem Ausschuß hatte nämlich ein schlauköpfiger Jurist, Hr. Fuchs aus Breslau, das gewissenhafte Bedenken erhoben, ob nicht Jemand bei Gelegenheit vielleicht dem Ausschuß Incompetenz vorwerfen könne; der Ausschuß, erzählte Hr. Fuchs, sei unter der Herrschaft der provisorischen Geschäftsordnung ins Leben getreten, und es frage sich, ob vielleicht durch Annahme der neuen Geschäftsordnung der Auftrag der Versammlung für den Ausschuß erloschen sei; Hr. Fuchs müsse dies indessen aus „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ entschieden vereinen, indem ein Auftrag stets von dem Machtgeber ausdrücklich zurückgenommen werden müsse; ferner, sagte Hr. Fuchs. könne nach der neuen Geschäftsordnung zweifelhaft sein, ob die Prioritätsausschuß auch wirklich über Priorität der Anträge zu entscheiden; er, Hr. Fuchs, hatte indeß auch dies Bedenken aus juristischen Gründen für unbegründet. Dieser juristische Kohl, der Bedenken zauberte, um sie selbst zu widerlegen, wurde von der Versammlung mit ernster Würde, von den Galerien mit leichtsinnigem Gelächter aufgenommen, und die Versammlung beschloß dem Ausschuß noch 15 neue Mitglieder beizugesellen, damit die ersten die selbstständigen Anträge, die letztern die Petitionen „ordnen“ und zur Berathung bringen sollten. Nach diesen wichtigen Arbeiten für das Wohl des Vaterlandes vertagte sich die Versammlung bis übermorgen; den morgigen Tag wird Jeder dem unverkümmerten Genuß seiner drei Thaler zuwenden können. Frankfurt, 3. Juni. Motivirtes Manifest der radikal-demokratischen Partei in der konstituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main. „Wer die majestas populi an den Cäsar abtritt, verräth ganz einfach das Volk an den Cäsar.“ Geleitet von der Ansicht, daß es nützlich und nöthig ist, sich ohne Rückhalt auszusprechen, überzeugt von der Lebenskraft und Fortwirkung der radikal-demokratischen Prinzipien, aus denen die große europäische Umwälzung von 1848 hervorgegangen ist, sprechen wir es hiermit vor dem ganzen Volke scharf und entschieden aus, was wir für die Aufgabe der Partei halten, die beim Volke wirklich das unumschränkte Selbstregiment erhalten (konserviren) will. I. Wir wollen im Innern die vollständige Verwirklichung der demokratischen Staatsform. Ihr Zweck ist die Befreiung jedes Einzelnen. Wir wollen nach Außen die Emanzipation und Selbstregierung aller Völker. Alle Eroberungs- und Unterdrückungsgelüste der Deutschen gegen ihre Nachbarn und nichtdeutschen Staatsgenossen sollen aufhören. Die europäischen Völker sind im Begriff, sich zu freien Staaten frei zu vereinigen. Wir finden hierin die wahre Bedeutung der Nationalität und erwarten, es werde in nicht gar ferner Zeit kein anderes Völkerrecht geben, als die Dekrete eines souveränen Kongresses freier Nationen, die weder um die Gränzen des Landes, noch um die Vortheile des Handels sich entzweien, sondern in allgemeiner Föderation sich zu vereinigen. In der Vereinigung Freier und Gleicher oder in der Föderation finden wir die einzig mögliche Lösung der Aufgabe, Einheit und Freiheit in Deutschland (und in Europa) herzustellen. Wir wollen das nordamerikanische Förderativsystem. Wenn wir also die Einheit der souveränen deutschen Nation wollen, so wollen wir nichts anderes, als die Vereinigung ihrer Abgeordneten in der Nationalversammlung und in dem verantwortlichen Regierungsausschuß derselben. Diese Einheit Deutschlands ist bereits vorhanden. Die Einheit Deutschlands ist nicht die Vereinigung der verschiedenen Domänen in eine Domäne; sie ist vielmehr die Einheit des deutschen Volks durch die Vereinigung seiner Abgeordneten im souveränen Parlament hier zu Frankfurt am Main. In dieser Vereinigung sehen wir zugleich seine Freiheit; wenn wir die Freiheit des Volks wollen, so wollen wir seine vollkommene unumschränkte Selbstregierung durch seine Urversammlungen und durch seine Abgeordneten. Der unumschränkte Wille oder die Souveränetät des Volkes kann wohl durch Abgeordnete und durch Regierungsausschüsse, durch Geschworne im Gericht, durch Kriegsheere im Felde ausgeübt, aber nie an eine Person oder eine erste Kammer abgetreten werden. Wie die Einheit, so ist auch die Freiheit des Volkes in diesem Augenblicke faktisch schon vorhanden. Der Volkswille hat die Nationalversammlung vereinigt. Weiß nun diese Versammlung, daß sie souverän ist und bleiben muß, und führt sie diejenige Konstituirung Deutschlands, welche aus diesen beiden Grundsätzen folgt, ernstlich und praktisch, durch die lebendig wirkenden Staatsgewalten herbei, so begründet sie die Freiheit, sie verwandelt die untergeordnete Freiheit in eine geordnete. Dies ist eine große, positiv revolutinäre Arbeit. So verstehen wir unsere Aufgabe. Die Nationalversammlung hat den Auftrag, das souveräne Volk zu konstituiren, also es mit solchen Organen seines Willens zu versehen, welche die Souveränetät für alle Zeiten beim Volk erhalten. Diese Organe sind 1) die Volksvertretung in der Nationalversammlung, welche aus dem Volke durch direkte Wahl hervorgeht und nach Erlöschung ihres Mandates ins Volk zurücktritt; 2) der Vollziehungsausschuß oder der Präsident und sein Ministerium, welche aus der Nationalversammlung hervorgehen, ihr verantwortlich sind und wenn sie die Mehrheit in ihr verlieren, wieder in die Versammlung zurücktreten. Jede andere Form der Freiheit enthält einen Verstoß gegen die Volkssouveränetät. Nur in der freigewählten Versammlung der Volksabgeordneten und in der Regierung, die aus ihr hervorgeht, kann der unumschränkte Wille des freien Volkes verwirklicht werden. Beschlösse z. B. das souveräne Volk durch seine Vertreter, die hier beisammen sind, seine Einheit, glaubte aber zu dem Zwecke einen erblichen König von Deutschland wählen zu müssen, so wäre das keine Vereinigung des freien Volks, sondern eine Vereinigung aller Fürstenhüte unter einen Königshut. Aber nicht die Fürsten unter Einen Hut zu bringen ist die Aufgabe; die Aufgabe ist, das Volk zu vereinigen und zwar ohne es zu unterjochen, also das freie Volk, welches jetzt faktisch souverän ist, unverkürzt bei dieser Souveränetät zu erhalten. Es wäre ein Verrath an sich selbst, wenn ein Volk in dem Augenblicke, wo es durch Revolution und Anarchie die Souveränetät faktisch in der Hand hat, eine lex regia, ein Königsgesetz machte, und dadurch die Souveränetät an einen König verschenkte. Die Thorheit eines solchen Verfahrens ist nicht ohne Beispiel. Wir werden den Dänen nicht nachahmen. Aber, sagen die Konstitutionellen, wir werden einen konstitutionellen deutschen König machen. Abgesehen davon, daß die Könige nur gezeugt, nicht gewählt zu werden pflegen, ist der konstitutionelle König einfach der Rest des absoluten, und dieser Rest ist durch die demokratische Revolution von 1848 so zusammengeschwunden, daß die Volkssouverainetät unser faktischer Zustand, der König also kein Souverain mehr, sondern in Wahrheit nur noch ein Staatsdiener mit sehr beschränkten Funktionen ist. Er hat für die Ernennung des Premierministers und für die Erzeugung seines Nachfolgers zu sorgen. Die Weisheit, welche dem Despotismus nur diese beiden Sinekuren übrig läßt, ist sehr weise, und wir bewundern sie gewiß hinlänglich, wir werden die Bewunderung noch steigern, wenn wir es erleben, daß sie sich durchsetzt; aber in dem Gesammtstaate Deutschland, wo (wie in der Gesammtheit von Europa) gar kein Herr vorhanden ist, finden wir uns außer Stande, jenen Rest des Herrenthums zu erschaffen. Der konstitutionelle König ist der abgenutzte absolute; sollen wir Deutsche nun im Jahr 1848 hier in Frankfurt das Problem lösen, wie man einen abgetragenen Hut macht, ohne ihn vorher abzutragen? Wir hoffen es nicht. Was bleibt also übrig? Der souveräne Kongreß oder, daß man gar keinen König macht, sondern nur den verantwortlichen Minister-Präsidenten und seinen verantwortlichen Ministerrath, oder einen verantwortlichen Vollziehungs-Ausschuß mit einem verantwortlichen Reichskanzler an der Spitze. Die Weisen sagen dagegen : das ist zwar richtig, aber unpraktisch, weil das Volk nicht logisch denkt, sondern konfuse Vorstellungen hat. Diese Volksvertreter, die sich schmeicheln praktisch zu sein, weil sie die Konfusion, nicht die Auflösung der Konfusionen vertreten, irren sich; sie sind die Unpraktischen; jeder Mensch ist froh, seine Konfusion los zu werden. Wenn er sie hat, will er sie nur so lange behalten, als er sie nicht kennt. Also lehrt das Volk nur richtig denken, es wird es euch danken. Es ist auch völlig unwahr, daß die Gemüthsbewegung und der Instinkt des Volkes nicht radikal wären, im Gegentheil, alle Folgerungen der demokratischen Revolution von 1848 werden überall mit unerbittlicher Strenge gezogen werden; und wir gehören nicht zu denen, die dieß nicht schon heute verlangten, wenn es auch erst morgen durchzusetzen wäre. Die geflissentliche Mäßigung in der Vernunft, deren sich die Unentschiedenen rühmen, entspringt aus dem Mißtrauen in die Bewegung, die uns hervorgebracht hat. Es ist wahr, in diesem Augenblicke stockt die Befreiung der europäischen Menschheit. An der Gränze Rußlands steht die Revolution still. Aber daraus folgt nur, daß die slavische Befreiungsfrage die Lebensfrage der Revolution ist. Der Sturz des Despotismus in Polen und Rußland, sowie bei allen übrigen slavischen Stämmen, ist die Vernichtung seiner Zuflucht in Europa; und nur so ist auch die Befreiung Deutschlands zu sichern. Wir würden der Reaction und der brutalen Gewalt erliegen, wenn die Verschwörung unserer inneren Feinde mit dem russischen Militairdespotismus gelänge. Wir wollen daher die heilige Allianz der Völker. Wir gehen mit den Franzosen, mit den Italienern, mit den demokratischen Slaven; wir wollen gleichzeitig mit der Wiedergeburt Deutschlands die Wiedergeburt Polens und Italiens. Die französische Republik bietet uns die Hand, wir nehmen sie mit Freuden an. II. Um die Wiedergeburt Deutschlands ins Werk zu richten, wollen wir kraft der Souverainität des deutschen Volkes durch die konstituirende Nationalversammlung diejenige Verfassung einführen, welche die Nationalsouverainetät nicht wieder aufgibt, sondern für immer sichert. Wir wollen deßhalb 1) Eine immer auf drei Jahre gewählte Nationalversammlung für den Gesammtstaat Deutschland, gewählt ohne Census und durch directe Wahlen. 2) Einen Vollziehungsausschuß, welcher durch einen verantwortlichen Präsidenten und sein verantwortliches Ministerium gebildet und durch die jedesmalige Mehrheit der Versammlung aus ihrer Mitte gewählt wird. Jede neugewählte Nationalversammlung entscheidet daher von neuem über ihren Vollziehungsausschuß. 3) Wir verlangen, daß mit der Feststellung und Verkündigung der Volksrechte oder der deutschen magna charta begonnen und der Verfassungsausschuß mit der sofortigen Vorlage dieser Volksrechte beauftragt werde. 4) Wir nehmen die Gestaltung Deutschlands seit dem März 1848 als Thatsache an, und sind der Ansicht, daß die politische Lage, in der wir Deutsche uns gegenwärtig befinden, folgende ist: die einzelnen deutschen Staaten treten durch die Vereinigueg aller deutschen Abgeordneten in der Nationalversammlung zu Einem Föderativstaat zusammen, und geben dadurch so viel von ihrer Souverainetät auf, als die Nationalversammlung zur Bildung des souverainen Gesammtstaates für nöthig erachtet. 5) Die einzelnen Staaten sind ungehindert, wie die freien Reichsstädte, Republiken, oder, wie die übrigen Staaten, konstitutionelle Monarchieen zu sein; jedoch wird durch die Volksrechte, welche die Nationalversammlung proklamirt, derjenige Grad von Volksfreiheit festgesetzt, welcher unter allen Umständen dem Volke gewährt werden muß. 6) Zu der definitiven Konstituirung des Gesammtstaates ist keine weitere Zustimmung der einzelnen Staaten erforderlich, als die, welche bereits in dem Zusammentritt der souverainen konstituirenden Nationalversammlung liegt. Die Versammlung vereinigt jetzt noch alle Staatsgewalten des Gesammtstaates in sich und hat diese verschiedenen Gewalten und politischen Lebensformen, die sie zu beschließen berufen ist, auch sofort in Wirksamkeit zu setzen und die innere und äußere Politik des Gesammtstaates zu handhaben. Frankfurt, 3. Juni. Der von der Nationalversammlung heute gewählte Ausschuß für die Prüfung der auf Bildung einer provisorischen Centralgewalt bezüglichen Anträge besteht aus folgenden Abgeordneten: v. Trätschler, M. v. Gagern, v. Meyern, v. Sauken, Flottwell, Dahlmann, v. Lindenau, Claussen (Schriftführer), Stedtmann (1. Vorsitzender), Würth (Stellvertreter des Vorsitzenden), Zenetti, Blum, Dunker, v. Raumex, Wippermann. ‒ In der Sitzung des Bundestages vom 2. Juni erstattete der k. würtembergische Gesandte, Namens des Militär - Ausschusses, noch in Bezug auf die in Mainz stattgehabten Vorfälle und die dagegen ergriffenen Maßregeln, so wie das Ergebniß der hierüber angestellten Nachforschungen Bericht ab. In einem Bericht des Festungs - Gouvernements vom 28. Mai ist angezeigt worden, die k. preuß. Garnison habe ‒ nachdem sie durch den Beschluß der National-Versammlung hinreichende Genugthuung für die ihr widerfahrenen Unbilden erhalten ‒ den Wunsch geäußert, ganz oder wenigstens theilweise von Mainz versetzt zu werden und dieser Wunsch sei bereits dem k. preuß. Kriegsministerium vorgetragen worder. Zugleich hat das Festungs-Gouvernement über die stattgehabte Androhung der Beschießung der Stadt und die aufgetauchte Besorgniß wegen Wiederholung ähnlicher Maßregeln, ohne daß gewichtige Gründe für solche vorlägen, sich dahin ausgesprochen, daß das Gouvernement, wie aus seiner vieljährigen Amtsführung hervorgehe, bei Anwendung und Ausführung außerordentlicher Maßregeln sich stets von den Grundsätzen der Humanität und Billigkeit leiten lassen und nur im Falle der Bedrohung und des Angriffs gegen die Sicherheit der Festung nach seiner Pflicht für deren Erhaltung zum Aeußersten schreiten werde. Was die Reorganisation der Bürgerwehr betrifft, so bemerkt das Gouvernement, daß es solche für die nächste Zeit nicht für angemessen halte und dieselbe nur unter veränderten Verhältnissen in beschränktem Maße und allein unter den im Festungsreglement gebotenen Garantieen und nach Maßgabe des hierüber erst zu erwartenden Bewaffnungsgesetzes stattfinden könnte. Nach Erwägung der Lage der Sache, wie sich solche durch durch diesen Bericht und die von den Kommissarien der Bundesversammlung eingezogenen Erkundigungen darstellt, wurden über die Anträge des k. sächsischen Gesandten vom 27. Mai folgende Beschlüsse gefaßt. 1) Der Antrag auf einen Garnisonswechsel erledigt sich durch den von der k. preußischen Garnison ausgedrückten Wunsch einer vollständigen, oder wenigstens theilweisen Ablösung und die hierüber dem k. preußischen Kriegsministerium gestellten Anträge. Es wird hierin zugleich das wirksamste Mittel erkannt, ferneren durch gegenseitige Erbitterung hervorgerufenen Konflikten vorzubeugen. 2) Die Reorganisation der Bürgerwehr kann nach dem wohlerwogenen Gutachten des Festungs-Gouvernements zur Zeit noch nicht angeordnet werden, sondern es muß dieselbe auf nähere Erwägung der Art und Weise, wie das zu erwartende großh. hess. Bürgerwehrgesetz mit den Bestimmungen des Bundesfestungs-Reglements in Uebereinstimmung gebracht werden kann, und ob die Lage der Umstände alsdann eine Bürgerbewaffnung in Mainz gestattet, ausgesetzt werden. 3) In Erwägung, daß die von dem Festungsgouvernement in Folge der ausgebrochenen Unruhen getroffenen Ausnahms-Bestimmungen so weit es die Umstände gestattet haben, bereits modificirt worden sind, in Erwägung insbesondere, daß ein Verbot der Vereine im Allgemeinen, so wenig als ein Verbot der Versammlungen in geschlossenen Räumen ergangen ist, und daß die Freiheit der Presse durch keinerlei Censurvorschriften gehemmt, sondern bloß die Aufstellung aufreizender Bilder und Schrifien untersagt und den Redaktionen die Weisung geworden ist, keine Artikel aufzunehmen, welche die Erbitterung der Garnison und Bürger steigern könnten; findet die Bundesversammlung keinen Grund, dem pflichtmäßigen Ermessen des Gouvernements darüber, wie bald die Umstände es gestatten werden, den ordentlichen Zustand der Bundesfestung tn vollem Maße wieder eintreten zu lassen, vorzugreifen, und erwartet von der Disciplin der gesammten Garnison ebenso, wie von der Ordnungsliebe der Bürger, daß sie alle Veranlassung zur Störung des wünschenswerthen gegenseitigen guten Einvernehmens vermeiden werden. Der Bundestag bleibt sich also bis zum letzten Augenblicke gleich. Es ist nur gut, daß er über Niemand mehr zu befehlen hat als über die Garnisonen der Bundesfestungen. Dieser neue Beschluß kann der Nationalversammlung zeigen wie nothwendig es ist, sofort an die Stelle eines so verrotteten und von Natur volksfeindlichen Regierungsraths eine neue povisorische Centrale-Exekutive zu setzen. Berlin, den 3. Juni. Die Aufregungen der letzten Tage insbesondere die Gerüchte über heimliche Fortschaffung von Waffen, Vernagelung der Brücken, Zusammenziehung von Truppen um Berlin u. s. w. hatten am 1. Juni früh eine Deputation von sechs hiesigen demokratischen Vereinen zum Ministerpräsidenten geführt, um ihn auf die gefährliche Mißstimmung in der Stadt, welche zunächst einen unheilbringenden Conflict zwischen den bewaffneten und unbewaffneten Bürgern besorgen lasse, aufmerksam zu machen und das Gouvernement zu veranlassen, daß es zur Beruhigung der Gemüther ernstliche und aufrichtige Schritte für eine wirkliche Volksbewaffnung thue. Die Deputation stellte vor, daß die Bewaffnung der gesammten politisch-berechtigten Bevölkerung sich bereits auf eine gesetzliche Bestimmung gründe, es sich folglich nur um die Ausführung eines Gesetzes handle. Wenn gleich ein jeder Staatsbürger ein gleiches Recht auf Waffen habe, so müsse man doch aus dem Gesichtspunkte der Nützlichkeit die eigenthümlichen Verhältnisse der großen Städte und besonders Berlins berücksichtigen und hier dem Mangel zuerst abhelfen. Dazu seien erweislich Waffen genug am Orte vorhanden und überdies käme es für jetzt mehr darauf an, guten Willen zu zeigen, was schon durch vorläufige Hingabe einer geringen Quantität Waffen, durch ehrliche Anerkennung des Princips und durch eine angemessene Vertheilung der im Gebrauch befindlichen Waffen geschehen könne. Diese Vertheilung sei aber bis jetzt im höchsten Grade unzweckmäßig und ungerecht, da z. B. die waffengeübten und kräftigen Maschinenbauer keine Waffen hätten, dagegen fast sämmtliche Beamte, insbesondere die altersschwachen höheren ihre Zeit statt im Staatsdienste, im Wachdienste zubrächten und gerade sie erweislich die brutalsten Störenfriede in der Bürgerwehr seien. Das gerechte Mißtrauen sei dadurch vermehrt, daß der Verfassungsentwurf keine Silbe über Volksbewaffnung und keine Verweisung auf ein desfallsiges Gesetz enthalte. Das Ministerium habe bisher Nichts gethan, um sich an die Spitze einer so gewaltigen Zeit zu stellen oder auch nur durch Offenheit und That das Zutrauen des Landes zu erhalten, vielmehr habe es durch unzählige Unterlassungen und durch ungeschickte Ausführung, selbst da wo es die beste Absicht gehabt haben möge, stets Anstoß erregt. Die Hoffnungen auf die Nationalversammlung seien ebenfalls geschwächt, da dieselbe bisher ihre Thätigkeit hauptsächlich durch Trommeln bewiesen habe und von vielen Mitgliedern der conservativen Partei die heftigsten Aeußerungen über Berlin und Drohungen einer Verlegung der Ver-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 6. Köln, 6. Juni 1848, S. 0022. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz006_1848/2>, abgerufen am 28.04.2024.