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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 20. Köln, 20. Juni 1848.

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fühlen dies zu verlassen und mit Weib und Kindern die bequemere Erdschaufel zu ergreifen.

(J. d. Oest. L.)
Ungarn.
Pesth, 12. Juni.

Eine schreckliche Militär-Revolte fand in der verflossenen Nacht in der großen Invaliden-Kaserne Statt. Schon längst ist es der Camarilla ein Dorn im Auge, daß die Ungarn und die Italiener so sehr sympathisiren, und sie suchte schon seit mehreren Wochen einen blutigen Zusammenstoß zwischen den Bürgern und gerade den italienischen Soldaten des hier garnisonirden Regiments Ceccopieri, bei welchem die Offiziere meist eingefleischte Illirer sind, herbeizuführen. Diese Offiziere hetzten die Italiener gegen die Freiwilligen der mobilen Nationalgarde auf, welche bisher noch keine Waffen haben, aber zum Theil mit den Italienern in der genannten Kaserne wohnen. Einmal kam es schon zu einem einzelnen bluigen Handeln welches einen Volksauflauf veranlaßte, der aber ohne weitere Folgen ablief, Gestern sollte es nun aber losgehen. Ein italienischer Soldat fing mit einem. Freiwilligen Händel an, stach zwei dazugekommene Freiwillige durch den Arm, und als er verhaftet in die Invalidenkaserne eingebracht ward, stürzten die Italiener über die Freiwilligen her und feuerten sogar aus den Fenstern auf dieselben. Dies geschah gegen 9 Uhr Abends. Auf den Lärm sammelte sich bald vieles Volk, die Sturmglocken wurden gegen 10 Uhr gezogen, die Trommeln allamirte die Nationalgarde. Aber die Thore der Kaserne waren gesperrt, im Innern dauerte der Kampf fort und die niederträchtigen Italiener feuerten sogar aus den Fenstern auf die wehrlose Volksmasse, welche vor der Kaserne zusammenströmte und vor Entsetzen wüthete. Unterdessen wurde der größte Theil des italienischen Regiments Ceccopieri, welches in den Ofener Kasernen lag entwaffnet. Die ungarischen Regimenter Wasa und Turßky rückten aus der Festung mit Kanonen gegen die Invalidenkaserne. Von dem Hauptthore derselben stürzten ein Adjutant und 2 Mann todt nieder, von Kugeln durchbohrt, welche aus den Fenstern fielen. Das Thor war bald geöffnet und das ungarische Militär wurde Meister der ganzen Kaserne. Der Kriegsminister, L. Meßaros, wäre dabei beinah von 2 Kugeln getroffen worden. Die Untersuchung nahm sofort ihren Anfang; die Hälfte der Italiener ergab sich augenblicklich, 2 Kompagnien wollen aber bis jetzt (10 Uhr Morgens) die Waffen nicht abgeben, was sie aber thun müssen, wenn sie nicht über den Haufen geschossen werden wollen. Die Nationalgarde war auf verschiedenen Plätzen aufgestellt, die angränzenden Straßen waren erleuchtet, das wüthende Volk wollte Barrikaden gegen die Invalidenkaserne aufführen, einige itaiienische Soldaten, welche ihm zufällig in die Hände geriethen, wurden gräßlich zugerichtet. Gegen 1 Uhr in der Nacht waren indeß alle Straßen geräumt und das Militär wachte über die Ruhe der so aufgeregten Stadt. Das Unglück ist zufälligerweise nicht so groß, als es hätte werden können. Im Innern der Kaserne war es finster und die Flintenschüsse trafen daher selten. Doch liegen 20 Freiwillige schwer verwunde darnieder, unter denen drei bereits den Geist aufgegeben haben sollen. Auch an zwei Mauerecken der Heerenstraße sah man heute früh viel Blut. Die Invaliden-Kaserne ist gegenwärtig von Militär umringt und Kanonen vor derselben aufgefahren. Auch die Nationalgarde rückt aus. Es cirkulirt ein Gerücht, nach welchem das Ministerium gestern Nacht von einer hochgestellten Person in Wien die Anzeige erhalten, daß es noch an demselben Tage losgehen werde. Einige versichern sogar, daß man bereits einem Komplott auf der Spur sei, dessen Fäden sich bis zur Camarilla nach Innsbruck ziehen. Wir wissen nicht, ob etwas Wahres daran ist. Aber darin konzentrirt sich die allgemeine Ueberzeugung, daß die reaktionäre Camarilla schon seit Wochen das italienische Regiment Ceccopieri durch die illirischen Offiziere bearbeiten läßt. Diese Italiener wollten, von den Offizieren verleitet, anfangs auf die ungarische Verfassung nicht schwören. Mehrere Gemeine vom Regiment haben im Radilkalkör auf's Feierlichste betheuert, daß die Offiziere es immerfort aufzuwiegeln suchen.

(Bresl. Z.)
Italien.
Neapel, 5. Juni.

Es bestätigt sich, daß in Folge der königlichen Schreckensherrschaft die Provinzen eine Absperrung der Hauptstadt beginnen. In Oberitalien erklären sich die neapolitanischen Truppen für unmittelbaren Anschluß an Karl Albert. Römische Blätter melden als verbürgte Nachricht: "Cosenza hat eine Provinzialversammlung von Deputirten zur Bildung einer festen provisorischen Regierung berufen; in Basilicat besteht bereits eine solche, und man gießt Glocken in Kanonen um, während 12,000 Bewaffnete nach Calabrien gegangen sind. Am 2. Juni kam in Neapel ein Courier von Karl Albert an, der schleunige Bezahlung der Ausgaben für die neapolitanischen Freiwilligen und Truppen in der Lombardei und neuen Truppenzuzug der Neapolitaner verlangte, sonst würde der Sardinierkönig, wenn er ohne neapolitanische Beihülfe Italien befreit hätte, vor den Thoren Neapels erscheinen; Pepe endlich hat dem König von Neapel sagen lassen, wenn er nicht zum Kriege beitrage, werde er sicherlich durch Karl Albert vom Throne gestürzt werden."

Mailand, 14. Juni.

Man erwartet nächstens einen Angriff der Piemontesen auf Verona.

(Z. Z.)
Französische Republik.
15 Paris, 17. Juni.

Die Zulagesteuer von 15 Ctms. auf das Grundeigenthum war eine der unklügsten Maßregeln. Es ist bekannt, daß die Bauern in der ersten französischen Revolution die einzigen waren, deren materielle Interessen unmittelbar gehoben wurden. Und dennoch waren sie die ersten, die Widerstand leisteten, sobald die Gesetze des Maximums, die Zwangsgesetze über den Verkauf der Ackerbauprodukte u. dgl., Gesetze, welche damals die Rettung der Republik gebot, diesen undankbaren und kleinlichegoistischen Söhnen derselben einige Opfer auferlegten. Schon hieraus können Sie schließen, welche Wirkung die Zulagesteuer von 45 Ctms. in den Provinzen auf dem Lande hervorrufen mußte. Diese Steuer ist der Schlüssel der bonapartistischen und legitimistischen Bewegung auf dem Lande und drei Viertel von Frankreich ist Land.

Die Auferlegung dieser Steuer ist aber an und für sich, vom ökonomischen Gesichtspunkt aus betrachtet, ein Fehlgriff. Die 45 Ctms. sollen auf das Grundeigenthum fallen. Unser Bauer ist aber nur nomineller Grundeigenthümer. In der Wirklichkeit fließt die Grundrente in die Tasche der Hypothekenbesitzer, der Getraidehändler, der Wucherer, der Hussiers, der Advokaten und der Notare. Der Bauer selbst erhält keinen angemessenen Arbeitslohn, viel weniger Profit und Grundrente. Er befindet sich trotz seines Eigenthumstitels meist in der Lage des irischen Sklaven. Es fehlte der Regierung der Muth, die wirklichen, nicht nominellen Besitzer der Grundrente zu belasten und so hat sie die ackerbauende Bevölkerung, die zudem keine andere Richtschnur als ihr unmittelbar materielles Interesse kennt, der Republik entfremdet. Die Folge davon war nicht nur die Wahl Louis Bonapartes in den Departementen. Gefährlichere Syptome zeigten sich schon in der heutigen Sitzung der Nationalversammlung. Pierre Lerroux bestieg die Tribüne, um der Versammlung anzuzeigen, daß er so eben Privatbriefe aus dem Creuze-Departement erhalten, welche ihm anzeigen, daß in Gueret Bürgerwehr und Landbewohner wegen Zahlung der 45 Centimensteuer in fürchterlichem Kampfe gegen einander ausgebrochen seien und bereits Bruderblut geflossen sei.

12 Paris, 17. Juni.

Die reaktionäre Regierung Frankreichs ha das merkwürdige Talent, es nach und nach mit allen Parteien zu verderben. Die mächtigste Partei, an welcher sie sich jetzt vergreift, ist die der ganzen Presse, und man weiß, daß die Journalisten in Frankreich nicht mit sich spassen lassen. Ein Journal in der Provinz wurde von dem Unterkommissär des Departements aufgefordert, Kaution zu stellen, widrigenfalls es nach den "noch in Kraft stehenden Gesetzen verfolgt werden sollte." Nun sind aber nach der Februar-Revolution eine Menge Blätter entstanden, die alle keine Kaution zahlten. Der Volksrepräsentant Boulay forderte daher den Justizminister auf, sich über die Absichten der Regierung zu erklären. Der Erklärung dieses Ministers gemäß, beabsichtigt die Regierung den "normalen Zustand" der Presse wieder herbeizuführen. Um allen Meinungen ihren freien Manifestationen während der Wahlen zu lassen, habe man bisheran keine Kaution gefordert. Doch jetzt beschäftige man sich damit, ein Gesetz auszuarbeiten, das die gemilderte Ausgabe der früheren Gesetze über die Presse sei, um dem Staate bei Preßvergehen eine Garantie in Händen zu geben. Der Gerant des Courrier fr. hat bereits energisch protestirt. Nach dem 24. Februar war die Kaution faktisch abgeschafft, und wenn die alten Journale ihre Kaution nicht zurückgezogen, so geschah es blos, um den Schatz nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen. Die Wiedereinführung der Kaution wäre ein neuer Sieg der großen Kapitalisten.

15Paris, 16. Juni.

Die Bauern der 4 Departements Seine, Sarthe, Yonne und Charente inferieure haben Louis Napoleon zum Volksrepräsentanten erkoren, nachdem seine Agenten ihnen versichert, der sauveur werde ohne Weitres die lästigen 45 Centimes die seit Februar von jedem Franken Abgabe mehr erhoben werden, streichen und vielleicht das bereits Gezahlte ihnen ersetzen. Die 30000 Bauern des pariser Weichbildes sind auf's höchste für den "jungen Heros" begeistert, sie die vor 3 Wochen nur ganz dunkel von seiner Existenz etwas gewußt, haben erklärt sie würden die Waffen ergreifen, wofern die Rationalassemblee den Antrag der Regierungskommission, seine Wahl zu vernichten durchließe. Allenthalben kann man jetzt des Prätendenten Bildnisse und Biographien zu kaufen, ja geschenkt bekommen; hier und da flogen sie aus Fenstern und Kabriolets auf die erstaunden Köpfe der Pariser. Leider ist es erwiesen daß selbst nicht bestochene Ouvriers mit Chorus machten, gradehin es aussprachen: eine Bourgeoisie- und Boutiquierrepublik gewähre dem Volk noch weniger Aussichten als eine pupuläre Diktatur. Soweit geht bereits das Verzweifeln, daß die Chefs der Nationalwerkstätten und die Delegirten der ehemaligen Kommission des Luxemburg ihm durch folgende Affiche entgegentreten mußten: "An alle Arbeiter! Wir, Eure Freunde und Brüder, wir die mit Euch auf den glorreichen Barrikaden fochten und einen das Volk drückenden Thron abermals zerschmettern halfen, beschwören Euch der Vernunft und der Ehre Gehör zu geben. Leihet nicht Euren tapfern Arm den Ränkeschieden die wieder einen Thron und eine Krone verfertigen wollen; das französische Volk ist über solches gefährliche Spielzeug jetzt hinaus. Arbeiter! gedenkt der großen Leiden während 18 Jahren, und unsrer großen That im Februar; gedenkt der Hoffnungen die unsre Kinder auf uns setzen, vergeßt nicht daß das Auge Europas uns französische Arbeiter erwartungsvoll beobachtet. Brüder! Kein französischer Bürger darf einen andern Titel als den eines Bürgers beanspruchen, weiset also jeder Anmaßung den Weg. Es lebe die Republik." gez: P. Viucard Präsid., Blum Vicepräsid., Jullien, Lefour, Sekretäre von der Luxemburger Arbeitskommission, Bacon Präsid., Gaulin Sekretär, Ardillon, Petit-Bonnard Lieutenants von den Nationalwerkstätten. Und der energische Sibert, Brigadier der letztern, erließ folgenden Anschlag: "An alle Arbeiter im Namen Aller! Brüder, erwacht, Ihr die Ihr Euch betäubt oder betäuben lassen, erwacht und ergreift das Schild der Ehre welches eine niederträchtige Bande Euch entwinden will. Es ist hohe Zeit, eine grausige Schlinge wird uns Allen gestellt, man schleicht im Dunkeln, man drückt uns Gold in die arbeitslosen Hände, man giebt uns Wein zu trinken, um unsern Rausch auszubeuten. Ha, die Verruchten! sie wähnen, mit Wein und Gold könnten sie eine demokratische sociale Revolution zu Falle bringen! Brüder, seid wachsam, es geht um das Heil des Volkes; wenn wir uns diesmal wieder betrügen lassen, dann wehe uns, dann sind wir werth des ärgsten Fluches. Darum auf und stoßt weit, weit von Euch die Versucher! Es lebe die demokratische sociale Republik!" Die Epoque ein kleines ironisches Blättchen die als Affische erscheint, ruft: "Der große Prinz aus dem Abendland naht! geschwind einen Thron und Champagner her, insonderheit Champagner wie in Strasbourg und Boulogne."

Der Gamin de Paris sagt: "Franzosen, Arbeiter, Ihr deren Schweiß den Boden düngt aus dem die Staatsernte emporwächst zu Nutz und Frommen der Bourgeoisie, Ihr deren Blut und Thränen die große Maschine netzt die den s. g. Nationalreichthum producirt, Ihr deren Mütter und Töchter, Schwestern und Frauen von den Seigneurs des Mammon gemiethet und gekauft werden, Ihr die Ihr seit 1789 den Erdball erschüttert habt: Ihr wollt Euch doch wohl jetzt nicht unter den Stiefelabsatz des Däumlings bücken, der einige Phrasen seines Oheims, des verstorbenen Riesen, auswendig gelernt und nur zu intrigiren weiß mit Hülfe des Geldes und der Volksverräther? Der Oheim hat die Anarchie erstickt und der Nation Ruhm geschenkt, dafür hat sie ihn bewundert und angebetet zu seiner Zeit; heute aber sind sie beide quitt mit einander, Napoleon der Kaiser und Frankreich die Republik. Fluch dem Tollhäusler der diese alte Tragödie in einer modernen Komödie nachäffen will; Fluch und Widerstand ihm bis auf den Tod!"

15 Paris, 17. Juni.

Das kleine Blatt: La Republique rouge spricht sich über den "Lordmayor" der "guten" Stadt Paris aus: ,So seltsam stand es bei uns noch nie, die ganze Munizipaladministration resumirt sich in einem einzigen Manne. Er aspirirt offenbar nach dem Präsidentensessel. Jetzt thront er behaglich im Pallast des Hotel de Ville; wäre das Volk dabei um Rath zu fragen, er müßte bald wieder in sein Journalbüreau, gewiß sehr heilsam für dies Journal ..." Er gilt als Hauptanstifter des Gesetzes gegen die Zusammenrottirungen unter freiem Himmel; gegen dasselbe wird die Gesellschaft "der Menschen- und Bürgerrechte" einen Protest einreichen. Das Journal "Assemblee nationale" verlangt jetzt Herstellung des bonapartischen Throns und ersucht den Prinzen Louis, recht bald die Bourbons zurückzurufen; bei diesem Anlaß ruft die Republique rouge: "Wir alle gehen dem Abgrund zu; der Proletarier hungert, der Bourgeois bettelt; der Kredit ist erstorben; der Handel gelähmt, kann nicht mehr die Adern des Gesellschaftskörpers durchströmen. Und was das Schlimmste, selbst die großartigsten Erschütterungen bieten keine Hoffnung mehr; die Luft ist unathembar geworden; im Palast Luxemburg die fünf Männer, ängstlich nach der Macht haschend, die ihnen täglich entschlüpft; im Hotel de ville, eine Unzahl kleinlicher Komplotte unter Direktion des Lordmayor; in der Nationalassemblee bemüht man sich, die Leiche der verstorbenen Charte zu galvanisiren. Gerechter Himmel! wäre dies wirklich das Geschick des großen Volks, von Guizot auf Marrast, von Marrast auf Thiers zu kommen?"

Ein anderes Blättchen: Le Tocsin des Travailleurs sagt: "Die Deputirten fragen: bekommen wir einen Präsidenten? das Volk fragt: bekommen wir Brod? Die Deputirten: bekommen wir eine oder zwei Kammern? das Volk: bekommen wir Brod? Das ist das uralte Lied; es ähnelt ziemlich der Antwort des armen Weibes, die mit einer weiblichen Deputation zur provisorischen Regierung zog und von einem Bourgeois hören mußte: sie solle lieber daheim bleiben und Strümpfe ausbessern oder Suppen kochen; "ganz richtig, rief sie, wir Frauen hier gehen zur Regierung um Strümpfe und Suppen für die, welche beide nicht haben, zu verlangen." Diese echten Proletariatszeitungen sind nicht einig über das Projekt des Riesenbankets von einigen Tausend Arbeitern a 5 Sous per Kopf; der Pere Duchene ist zwar noch dafür und verwahrt sich gegen das Gerücht von aristokratischen Geldzuschüssen in die Banketskasse, aber es ist mindestens auf einige Wochen ausgesetzt; die Nationalgarde scheint so erbittert zu sein, daß sie den ersten Angriff zu machen im Stande wäre. Bourgeoisartillerie ist jetzt neu einexerzirt. Freilich stehen viele Ouvriers in Reih und Glied und möglich, daß in den einzelnen Kompagnien der Bürgerwehr selber der Kampf entbrennt; möglich auch das Gegentheil; die Entwickelung geht jetzt so, daß die Pariser selbst nicht über eben Geschehenes sich Rechenschaft ablegen, noch das bald Nothwendige vorauszusehen wagen.

- Ein Journal: "Le Tribun du peuple" wird erscheinen und sich speziell gegen den Favoritismus, die Aemterhäufung und dgl. wenden. Der Licentiat Laviron sagt im Programm: "Der Bürger Buchez sprach Namens der provisorischen Regierung es aus, die Republik ist verpflichtet, alle ihre Kinder zu ernähren; eine Regierung ist verantwortlich für Elend, welches nicht selbst verschuldet ist. So redete einst, daß heißt vor einigen Wochen Bürger Buchez. Wir, der Klub der Literaten, sind überzeugt, daß ein schändlicher Hochverrath darin liegt, einigen Individuen Ueberflüssiges preiszugeben während viele andere noch nicht das Nothwendige besitzen. Wir opponiren gegen die schamlose Kumulirung und Exploitation aller Art, die seit unserm Februar recht an der Tagesordnung zu sein, sich recht zu brüsten scheint. Blickt umher, überall im Dunkeln schleichende Protektion, überall hündisches Antichambriren und Kriechen. Der Faullenzer triumphirt nach wie vor dem Februar über die Arbeitenden. Die Sieger hatten die Thorheit begangen, nicht sogleich mit eignen Händen die Mißbräuche zu entwurzeln. Wir, Klub der Literaten sind entschlossen, sämmtliche öffentliche Beamten Revue zu passiren, vom obersten bis zum untersten Range; unser Blatt wird ihre Titel Ansprüche, Wirksamkeit, Arbeitszeit und Jahrgehalt unerbittlich nach der Statistik publiciren und kritisiren. Fakta sollen seine Waffe sein, nichts als Fakta um dadurch das Ungeheuer der Korruption zu schlagen." Allerdings sieht es ungefähr wie unter Louis Philipp aus; z. B. unser Herr Paguerre, dieser libraire democrate par excellence, dieser pere de famille modele, dieser citogen integre wie der National ihn nannte und nennt, bekleidet fünf gut bezahlte Posten und führt dabei seinen Buchhandel fort; die Gesandtschaftsstellen werden statt an erlesene Demokraten an Legitimisten und Philippisten gegeben, und der Minister des Auswärtigen ist eher für drei supplicirende Comtessen als für einen Barrikadenmann zu sprechen. Das Blatt "Le Volcan" geschrieben von La citoyen ne sans peur sagt in seiner letzten Nummer: "Die Exekutivkommission hat durch das Gesetz gegen die Zusammenschaarungen unter freiem Himmel eine klägliche Menschenunkenntniß verrathen; sie sollte wissen, daß in Paris ein Monument, z. B. schlecht beschützt ist durch die Aufschrift: Verunreinigung ist verboten, und hieraus konnte sie auf den Erfolg des Zusammenrottirungsverbotes schließen. Zudem sind seine Strafen so kolossal, daß sie gleichsam zum Trotzen recht herausfordern. Ihr Herren von Luxembourg, Ihr habt einen gefährlichen Gewitterableiter neben Euch aufgestellt."

Großbritannien.
20 London, 17. Juni.

Oberhaus-Sitzung vom 16. Juni. Der Earl Fitzhardinge überreichte zwei Petitionen, die eine vom Pächter des Haymarket Theater, die andere vom gesammten Personale des Lyceum-Theaters unterschrieben. Die Petenten verlangen Schutz gegen die Konkurrenz fremder Schauspieler; mit Ausnahme der italienischen Oper soll nirgends sonst ein fremder Schauspieler geduldet werden. Obgleich sie den schmählichen Aufruhr in Drury-Lane gegen französische Schauspieler nicht billigen, so sind sie in der That doch ganz von demselben Geiste beseelt, der sich in dem Benehmen der Tumultuanten vom Drury-Lane Theater zeigte. Die Lords Beaumort, Brougham, Herz, v. Cleveland und Spencer waren einstimmig gegen die Petitionen, deren Illiberalität dem englischen Namen dem englischen Namen nirgends zur Ehre gereichen könne. Lord Stanley machte sodann einen Versuch, ob nicht ein Bischen Getraidezoll im Gegensatz zu dem früheren Parlamentsbeschluß beizubehalten wäre. Er verlange das nicht als Schutzzoll, sondern zum Zweck erhöhter Staatseinnahmen. Er wünsche daher, daß der jetzt bestehende Zoll noch auf 5-6 Monate verlängert und dann vom nächsten Parlament entschieden werde, ob es nicht vortheilhaft sei, eine kleine feste Abgabe von eingeführtem Getraide fortzuerheben. Das Haus ging auf dieses protektionistische "Wünschchen" nicht weiter ein.

- Unterhaus-Sitzung vom 16. Juni. Lord John Russel setzte seinen Plan der Aufhilfe für Westindien auseinander, der hauptsächlich darin besteht, daß den dortigen Pflanzern zu den bereits geliehenen 160,000 Pfd. Sterl. noch 1/2 Million vorgeschossen. oder eine Anleihe von diesem Betrage durch den Staat garantirt werden soll, um ihnen die Einführung "freier" (!!) Arbeit möglich zu machen. Der zweite Theil des Planes betrifft Abänderung der jetzigen, für Zucker gesetzlich bestimmten Zollscala.

Lord J. Russel fand wenig Beifall. Die westindischen Pflanzer klagen, daß der Plan nur ihren Ruin beschleunige, die Freihandelsmänner wenden ein, daß man Jamaica auf Kosten des ohnehin durch Geschäftsstockung, Pauperismus etc. leidenden Lancashire helfen wolle. Das Haus stimmte schließlich dafür, daß es den Russel'schen Plan nächsten Montag in Comite-Berathung nehmen will. Zuletzt gaben noch die Schifffahrtsgesetze zu einer sehr heftigen, mitunter scharf persönlichen Debatte namentlich zwischen Disraeli und Hawes, Hudson und Hume etc. Veranlassung. Die Gegner der Aufhebung jener Gesetze stemmten sich mit aller Macht dawider, daß sich das Haus zur Comite bilde. Als dies bei der Abstimmung dennoch mit einer Majorität von 87 beschlossen wurde, legten sie der weitern Berathung so viele formelle Hindernisse in den Weg, daß man die Comit-Sitzung endigen und zu den übrigen Gegenständen der Tagesordnung übergehen mußte.

Schluß der Sitzung um Mitternacht.

-In Bingley (Yorkshire) sind vorigen Donnerstag früh wiederum 5 Chartisten aus ihren Betten geholt und nach York Castle in's Gefängniß geschleppt worden.

- Dem progressistischen Deputirten Olozaga ist seine Flucht aus Spanien gelungen. Er langte gestern wohlbehalten in London an.

-Tom Steele, der mit O'Connell so lange für Repeal kämpfte, es aber, ungleich O'Connell, mit Irland aufrichtig und ehrlich meinte und die Repealfrage nicht als Milchkuh zur Befriedigung seiner Selbstsucht benutzte, ist dieser Tage in einem Wirthshaus zu London als - Pauper (hilfloser Proletarier) gestorben.

-Consols schlossen zu 831/2, 5/8 für Rechnung. - Der Colonialmarkt befand sich während dieser Woche für die meisten Artikel in großer Flauheit.

Pfuel nach Berlin berufen.

Hommes lettres (Nro. 5 rue de I'lale), das französische Wort hat nicht die schlechte Bedeutung, die sich an das deutsche knüpft.

fühlen dies zu verlassen und mit Weib und Kindern die bequemere Erdschaufel zu ergreifen.

(J. d. Oest. L.)
Ungarn.
Pesth, 12. Juni.

Eine schreckliche Militär-Revolte fand in der verflossenen Nacht in der großen Invaliden-Kaserne Statt. Schon längst ist es der Camarilla ein Dorn im Auge, daß die Ungarn und die Italiener so sehr sympathisiren, und sie suchte schon seit mehreren Wochen einen blutigen Zusammenstoß zwischen den Bürgern und gerade den italienischen Soldaten des hier garnisonirden Regiments Ceccopieri, bei welchem die Offiziere meist eingefleischte Illirer sind, herbeizuführen. Diese Offiziere hetzten die Italiener gegen die Freiwilligen der mobilen Nationalgarde auf, welche bisher noch keine Waffen haben, aber zum Theil mit den Italienern in der genannten Kaserne wohnen. Einmal kam es schon zu einem einzelnen bluigen Handeln welches einen Volksauflauf veranlaßte, der aber ohne weitere Folgen ablief, Gestern sollte es nun aber losgehen. Ein italienischer Soldat fing mit einem. Freiwilligen Händel an, stach zwei dazugekommene Freiwillige durch den Arm, und als er verhaftet in die Invalidenkaserne eingebracht ward, stürzten die Italiener über die Freiwilligen her und feuerten sogar aus den Fenstern auf dieselben. Dies geschah gegen 9 Uhr Abends. Auf den Lärm sammelte sich bald vieles Volk, die Sturmglocken wurden gegen 10 Uhr gezogen, die Trommeln allamirte die Nationalgarde. Aber die Thore der Kaserne waren gesperrt, im Innern dauerte der Kampf fort und die niederträchtigen Italiener feuerten sogar aus den Fenstern auf die wehrlose Volksmasse, welche vor der Kaserne zusammenströmte und vor Entsetzen wüthete. Unterdessen wurde der größte Theil des italienischen Regiments Ceccopieri, welches in den Ofener Kasernen lag entwaffnet. Die ungarischen Regimenter Wasa und Turßky rückten aus der Festung mit Kanonen gegen die Invalidenkaserne. Von dem Hauptthore derselben stürzten ein Adjutant und 2 Mann todt nieder, von Kugeln durchbohrt, welche aus den Fenstern fielen. Das Thor war bald geöffnet und das ungarische Militär wurde Meister der ganzen Kaserne. Der Kriegsminister, L. Meßaros, wäre dabei beinah von 2 Kugeln getroffen worden. Die Untersuchung nahm sofort ihren Anfang; die Hälfte der Italiener ergab sich augenblicklich, 2 Kompagnien wollen aber bis jetzt (10 Uhr Morgens) die Waffen nicht abgeben, was sie aber thun müssen, wenn sie nicht über den Haufen geschossen werden wollen. Die Nationalgarde war auf verschiedenen Plätzen aufgestellt, die angränzenden Straßen waren erleuchtet, das wüthende Volk wollte Barrikaden gegen die Invalidenkaserne aufführen, einige itaiienische Soldaten, welche ihm zufällig in die Hände geriethen, wurden gräßlich zugerichtet. Gegen 1 Uhr in der Nacht waren indeß alle Straßen geräumt und das Militär wachte über die Ruhe der so aufgeregten Stadt. Das Unglück ist zufälligerweise nicht so groß, als es hätte werden können. Im Innern der Kaserne war es finster und die Flintenschüsse trafen daher selten. Doch liegen 20 Freiwillige schwer verwunde darnieder, unter denen drei bereits den Geist aufgegeben haben sollen. Auch an zwei Mauerecken der Heerenstraße sah man heute früh viel Blut. Die Invaliden-Kaserne ist gegenwärtig von Militär umringt und Kanonen vor derselben aufgefahren. Auch die Nationalgarde rückt aus. Es cirkulirt ein Gerücht, nach welchem das Ministerium gestern Nacht von einer hochgestellten Person in Wien die Anzeige erhalten, daß es noch an demselben Tage losgehen werde. Einige versichern sogar, daß man bereits einem Komplott auf der Spur sei, dessen Fäden sich bis zur Camarilla nach Innsbruck ziehen. Wir wissen nicht, ob etwas Wahres daran ist. Aber darin konzentrirt sich die allgemeine Ueberzeugung, daß die reaktionäre Camarilla schon seit Wochen das italienische Regiment Ceccopieri durch die illirischen Offiziere bearbeiten läßt. Diese Italiener wollten, von den Offizieren verleitet, anfangs auf die ungarische Verfassung nicht schwören. Mehrere Gemeine vom Regiment haben im Radilkalkör auf's Feierlichste betheuert, daß die Offiziere es immerfort aufzuwiegeln suchen.

(Bresl. Z.)
Italien.
Neapel, 5. Juni.

Es bestätigt sich, daß in Folge der königlichen Schreckensherrschaft die Provinzen eine Absperrung der Hauptstadt beginnen. In Oberitalien erklären sich die neapolitanischen Truppen für unmittelbaren Anschluß an Karl Albert. Römische Blätter melden als verbürgte Nachricht: „Cosenza hat eine Provinzialversammlung von Deputirten zur Bildung einer festen provisorischen Regierung berufen; in Basilicat besteht bereits eine solche, und man gießt Glocken in Kanonen um, während 12,000 Bewaffnete nach Calabrien gegangen sind. Am 2. Juni kam in Neapel ein Courier von Karl Albert an, der schleunige Bezahlung der Ausgaben für die neapolitanischen Freiwilligen und Truppen in der Lombardei und neuen Truppenzuzug der Neapolitaner verlangte, sonst würde der Sardinierkönig, wenn er ohne neapolitanische Beihülfe Italien befreit hätte, vor den Thoren Neapels erscheinen; Pepe endlich hat dem König von Neapel sagen lassen, wenn er nicht zum Kriege beitrage, werde er sicherlich durch Karl Albert vom Throne gestürzt werden.

Mailand, 14. Juni.

Man erwartet nächstens einen Angriff der Piemontesen auf Verona.

(Z. Z.)
Französische Republik.
15 Paris, 17. Juni.

Die Zulagesteuer von 15 Ctms. auf das Grundeigenthum war eine der unklügsten Maßregeln. Es ist bekannt, daß die Bauern in der ersten französischen Revolution die einzigen waren, deren materielle Interessen unmittelbar gehoben wurden. Und dennoch waren sie die ersten, die Widerstand leisteten, sobald die Gesetze des Maximums, die Zwangsgesetze über den Verkauf der Ackerbauprodukte u. dgl., Gesetze, welche damals die Rettung der Republik gebot, diesen undankbaren und kleinlichegoistischen Söhnen derselben einige Opfer auferlegten. Schon hieraus können Sie schließen, welche Wirkung die Zulagesteuer von 45 Ctms. in den Provinzen auf dem Lande hervorrufen mußte. Diese Steuer ist der Schlüssel der bonapartistischen und legitimistischen Bewegung auf dem Lande und drei Viertel von Frankreich ist Land.

Die Auferlegung dieser Steuer ist aber an und für sich, vom ökonomischen Gesichtspunkt aus betrachtet, ein Fehlgriff. Die 45 Ctms. sollen auf das Grundeigenthum fallen. Unser Bauer ist aber nur nomineller Grundeigenthümer. In der Wirklichkeit fließt die Grundrente in die Tasche der Hypothekenbesitzer, der Getraidehändler, der Wucherer, der Hussiers, der Advokaten und der Notare. Der Bauer selbst erhält keinen angemessenen Arbeitslohn, viel weniger Profit und Grundrente. Er befindet sich trotz seines Eigenthumstitels meist in der Lage des irischen Sklaven. Es fehlte der Regierung der Muth, die wirklichen, nicht nominellen Besitzer der Grundrente zu belasten und so hat sie die ackerbauende Bevölkerung, die zudem keine andere Richtschnur als ihr unmittelbar materielles Interesse kennt, der Republik entfremdet. Die Folge davon war nicht nur die Wahl Louis Bonapartes in den Departementen. Gefährlichere Syptome zeigten sich schon in der heutigen Sitzung der Nationalversammlung. Pierre Lerroux bestieg die Tribüne, um der Versammlung anzuzeigen, daß er so eben Privatbriefe aus dem Creuze-Departement erhalten, welche ihm anzeigen, daß in Gueret Bürgerwehr und Landbewohner wegen Zahlung der 45 Centimensteuer in fürchterlichem Kampfe gegen einander ausgebrochen seien und bereits Bruderblut geflossen sei.

12 Paris, 17. Juni.

Die reaktionäre Regierung Frankreichs ha das merkwürdige Talent, es nach und nach mit allen Parteien zu verderben. Die mächtigste Partei, an welcher sie sich jetzt vergreift, ist die der ganzen Presse, und man weiß, daß die Journalisten in Frankreich nicht mit sich spassen lassen. Ein Journal in der Provinz wurde von dem Unterkommissär des Departements aufgefordert, Kaution zu stellen, widrigenfalls es nach den „noch in Kraft stehenden Gesetzen verfolgt werden sollte.“ Nun sind aber nach der Februar-Revolution eine Menge Blätter entstanden, die alle keine Kaution zahlten. Der Volksrepräsentant Boulay forderte daher den Justizminister auf, sich über die Absichten der Regierung zu erklären. Der Erklärung dieses Ministers gemäß, beabsichtigt die Regierung den „normalen Zustand“ der Presse wieder herbeizuführen. Um allen Meinungen ihren freien Manifestationen während der Wahlen zu lassen, habe man bisheran keine Kaution gefordert. Doch jetzt beschäftige man sich damit, ein Gesetz auszuarbeiten, das die gemilderte Ausgabe der früheren Gesetze über die Presse sei, um dem Staate bei Preßvergehen eine Garantie in Händen zu geben. Der Gerant des Courrier fr. hat bereits energisch protestirt. Nach dem 24. Februar war die Kaution faktisch abgeschafft, und wenn die alten Journale ihre Kaution nicht zurückgezogen, so geschah es blos, um den Schatz nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen. Die Wiedereinführung der Kaution wäre ein neuer Sieg der großen Kapitalisten.

15Paris, 16. Juni.

Die Bauern der 4 Departements Seine, Sarthe, Yonne und Charente inférieure haben Louis Napoleon zum Volksrepräsentanten erkoren, nachdem seine Agenten ihnen versichert, der sauveur werde ohne Weitres die lästigen 45 Centimes die seit Februar von jedem Franken Abgabe mehr erhoben werden, streichen und vielleicht das bereits Gezahlte ihnen ersetzen. Die 30000 Bauern des pariser Weichbildes sind auf's höchste für den „jungen Heros“ begeistert, sie die vor 3 Wochen nur ganz dunkel von seiner Existenz etwas gewußt, haben erklärt sie würden die Waffen ergreifen, wofern die Rationalassemblee den Antrag der Regierungskommission, seine Wahl zu vernichten durchließe. Allenthalben kann man jetzt des Prätendenten Bildnisse und Biographien zu kaufen, ja geschenkt bekommen; hier und da flogen sie aus Fenstern und Kabriolets auf die erstaunden Köpfe der Pariser. Leider ist es erwiesen daß selbst nicht bestochene Ouvriers mit Chorus machten, gradehin es aussprachen: eine Bourgeoisie- und Boutiquierrepublik gewähre dem Volk noch weniger Aussichten als eine pupuläre Diktatur. Soweit geht bereits das Verzweifeln, daß die Chefs der Nationalwerkstätten und die Delegirten der ehemaligen Kommission des Luxemburg ihm durch folgende Affiche entgegentreten mußten: „An alle Arbeiter! Wir, Eure Freunde und Brüder, wir die mit Euch auf den glorreichen Barrikaden fochten und einen das Volk drückenden Thron abermals zerschmettern halfen, beschwören Euch der Vernunft und der Ehre Gehör zu geben. Leihet nicht Euren tapfern Arm den Ränkeschieden die wieder einen Thron und eine Krone verfertigen wollen; das französische Volk ist über solches gefährliche Spielzeug jetzt hinaus. Arbeiter! gedenkt der großen Leiden während 18 Jahren, und unsrer großen That im Februar; gedenkt der Hoffnungen die unsre Kinder auf uns setzen, vergeßt nicht daß das Auge Europas uns französische Arbeiter erwartungsvoll beobachtet. Brüder! Kein französischer Bürger darf einen andern Titel als den eines Bürgers beanspruchen, weiset also jeder Anmaßung den Weg. Es lebe die Republik.“ gez: P. Viucard Präsid., Blum Vicepräsid., Jullien, Lefour, Sekretäre von der Luxemburger Arbeitskommission, Bacon Präsid., Gaulin Sekretär, Ardillon, Petit-Bonnard Lieutenants von den Nationalwerkstätten. Und der energische Sibert, Brigadier der letztern, erließ folgenden Anschlag: „An alle Arbeiter im Namen Aller! Brüder, erwacht, Ihr die Ihr Euch betäubt oder betäuben lassen, erwacht und ergreift das Schild der Ehre welches eine niederträchtige Bande Euch entwinden will. Es ist hohe Zeit, eine grausige Schlinge wird uns Allen gestellt, man schleicht im Dunkeln, man drückt uns Gold in die arbeitslosen Hände, man giebt uns Wein zu trinken, um unsern Rausch auszubeuten. Ha, die Verruchten! sie wähnen, mit Wein und Gold könnten sie eine demokratische sociale Revolution zu Falle bringen! Brüder, seid wachsam, es geht um das Heil des Volkes; wenn wir uns diesmal wieder betrügen lassen, dann wehe uns, dann sind wir werth des ärgsten Fluches. Darum auf und stoßt weit, weit von Euch die Versucher! Es lebe die demokratische sociale Republik!“ Die Epoque ein kleines ironisches Blättchen die als Affische erscheint, ruft: „Der große Prinz aus dem Abendland naht! geschwind einen Thron und Champagner her, insonderheit Champagner wie in Strasbourg und Boulogne.“

Der Gamin de Paris sagt: „Franzosen, Arbeiter, Ihr deren Schweiß den Boden düngt aus dem die Staatsernte emporwächst zu Nutz und Frommen der Bourgeoisie, Ihr deren Blut und Thränen die große Maschine netzt die den s. g. Nationalreichthum producirt, Ihr deren Mütter und Töchter, Schwestern und Frauen von den Seigneurs des Mammon gemiethet und gekauft werden, Ihr die Ihr seit 1789 den Erdball erschüttert habt: Ihr wollt Euch doch wohl jetzt nicht unter den Stiefelabsatz des Däumlings bücken, der einige Phrasen seines Oheims, des verstorbenen Riesen, auswendig gelernt und nur zu intrigiren weiß mit Hülfe des Geldes und der Volksverräther? Der Oheim hat die Anarchie erstickt und der Nation Ruhm geschenkt, dafür hat sie ihn bewundert und angebetet zu seiner Zeit; heute aber sind sie beide quitt mit einander, Napoleon der Kaiser und Frankreich die Republik. Fluch dem Tollhäusler der diese alte Tragödie in einer modernen Komödie nachäffen will; Fluch und Widerstand ihm bis auf den Tod!“

15 Paris, 17. Juni.

Das kleine Blatt: La Republique rouge spricht sich über den „Lordmayor“ der „guten“ Stadt Paris aus: ‚So seltsam stand es bei uns noch nie, die ganze Munizipaladministration resumirt sich in einem einzigen Manne. Er aspirirt offenbar nach dem Präsidentensessel. Jetzt thront er behaglich im Pallast des Hotel de Ville; wäre das Volk dabei um Rath zu fragen, er müßte bald wieder in sein Journalbüreau, gewiß sehr heilsam für dies Journal …“ Er gilt als Hauptanstifter des Gesetzes gegen die Zusammenrottirungen unter freiem Himmel; gegen dasselbe wird die Gesellschaft „der Menschen- und Bürgerrechte“ einen Protest einreichen. Das Journal „Assemblee nationale“ verlangt jetzt Herstellung des bonapartischen Throns und ersucht den Prinzen Louis, recht bald die Bourbons zurückzurufen; bei diesem Anlaß ruft die Republique rouge: „Wir alle gehen dem Abgrund zu; der Proletarier hungert, der Bourgeois bettelt; der Kredit ist erstorben; der Handel gelähmt, kann nicht mehr die Adern des Gesellschaftskörpers durchströmen. Und was das Schlimmste, selbst die großartigsten Erschütterungen bieten keine Hoffnung mehr; die Luft ist unathembar geworden; im Palast Luxemburg die fünf Männer, ängstlich nach der Macht haschend, die ihnen täglich entschlüpft; im Hotel de ville, eine Unzahl kleinlicher Komplotte unter Direktion des Lordmayor; in der Nationalassemblee bemüht man sich, die Leiche der verstorbenen Charte zu galvanisiren. Gerechter Himmel! wäre dies wirklich das Geschick des großen Volks, von Guizot auf Marrast, von Marrast auf Thiers zu kommen?“

Ein anderes Blättchen: Le Tocsin des Travailleurs sagt: „Die Deputirten fragen: bekommen wir einen Präsidenten? das Volk fragt: bekommen wir Brod? Die Deputirten: bekommen wir eine oder zwei Kammern? das Volk: bekommen wir Brod? Das ist das uralte Lied; es ähnelt ziemlich der Antwort des armen Weibes, die mit einer weiblichen Deputation zur provisorischen Regierung zog und von einem Bourgeois hören mußte: sie solle lieber daheim bleiben und Strümpfe ausbessern oder Suppen kochen; „ganz richtig, rief sie, wir Frauen hier gehen zur Regierung um Strümpfe und Suppen für die, welche beide nicht haben, zu verlangen.“ Diese echten Proletariatszeitungen sind nicht einig über das Projekt des Riesenbankets von einigen Tausend Arbeitern à 5 Sous per Kopf; der Père Duchene ist zwar noch dafür und verwahrt sich gegen das Gerücht von aristokratischen Geldzuschüssen in die Banketskasse, aber es ist mindestens auf einige Wochen ausgesetzt; die Nationalgarde scheint so erbittert zu sein, daß sie den ersten Angriff zu machen im Stande wäre. Bourgeoisartillerie ist jetzt neu einexerzirt. Freilich stehen viele Ouvriers in Reih und Glied und möglich, daß in den einzelnen Kompagnien der Bürgerwehr selber der Kampf entbrennt; möglich auch das Gegentheil; die Entwickelung geht jetzt so, daß die Pariser selbst nicht über eben Geschehenes sich Rechenschaft ablegen, noch das bald Nothwendige vorauszusehen wagen.

‒ Ein Journal: „Le Tribun du peuple“ wird erscheinen und sich speziell gegen den Favoritismus, die Aemterhäufung und dgl. wenden. Der Licentiat Laviron sagt im Programm: „Der Bürger Buchez sprach Namens der provisorischen Regierung es aus, die Republik ist verpflichtet, alle ihre Kinder zu ernähren; eine Regierung ist verantwortlich für Elend, welches nicht selbst verschuldet ist. So redete einst, daß heißt vor einigen Wochen Bürger Buchez. Wir, der Klub der Literaten, sind überzeugt, daß ein schändlicher Hochverrath darin liegt, einigen Individuen Ueberflüssiges preiszugeben während viele andere noch nicht das Nothwendige besitzen. Wir opponiren gegen die schamlose Kumulirung und Exploitation aller Art, die seit unserm Februar recht an der Tagesordnung zu sein, sich recht zu brüsten scheint. Blickt umher, überall im Dunkeln schleichende Protektion, überall hündisches Antichambriren und Kriechen. Der Faullenzer triumphirt nach wie vor dem Februar über die Arbeitenden. Die Sieger hatten die Thorheit begangen, nicht sogleich mit eignen Händen die Mißbräuche zu entwurzeln. Wir, Klub der Literaten sind entschlossen, sämmtliche öffentliche Beamten Revue zu passiren, vom obersten bis zum untersten Range; unser Blatt wird ihre Titel Ansprüche, Wirksamkeit, Arbeitszeit und Jahrgehalt unerbittlich nach der Statistik publiciren und kritisiren. Fakta sollen seine Waffe sein, nichts als Fakta um dadurch das Ungeheuer der Korruption zu schlagen.“ Allerdings sieht es ungefähr wie unter Louis Philipp aus; z. B. unser Herr Paguerre, dieser libraire democrate par excellence, dieser père de famille modèle, dieser citogen intègre wie der National ihn nannte und nennt, bekleidet fünf gut bezahlte Posten und führt dabei seinen Buchhandel fort; die Gesandtschaftsstellen werden statt an erlesene Demokraten an Legitimisten und Philippisten gegeben, und der Minister des Auswärtigen ist eher für drei supplicirende Comtessen als für einen Barrikadenmann zu sprechen. Das Blatt „Le Volcan“ geschrieben von La citoyen ne sans peur sagt in seiner letzten Nummer: „Die Exekutivkommission hat durch das Gesetz gegen die Zusammenschaarungen unter freiem Himmel eine klägliche Menschenunkenntniß verrathen; sie sollte wissen, daß in Paris ein Monument, z. B. schlecht beschützt ist durch die Aufschrift: Verunreinigung ist verboten, und hieraus konnte sie auf den Erfolg des Zusammenrottirungsverbotes schließen. Zudem sind seine Strafen so kolossal, daß sie gleichsam zum Trotzen recht herausfordern. Ihr Herren von Luxembourg, Ihr habt einen gefährlichen Gewitterableiter neben Euch aufgestellt.“

Großbritannien.
20 London, 17. Juni.

Oberhaus-Sitzung vom 16. Juni. Der Earl Fitzhardinge überreichte zwei Petitionen, die eine vom Pächter des Haymarket Theater, die andere vom gesammten Personale des Lyceum-Theaters unterschrieben. Die Petenten verlangen Schutz gegen die Konkurrenz fremder Schauspieler; mit Ausnahme der italienischen Oper soll nirgends sonst ein fremder Schauspieler geduldet werden. Obgleich sie den schmählichen Aufruhr in Drury-Lane gegen französische Schauspieler nicht billigen, so sind sie in der That doch ganz von demselben Geiste beseelt, der sich in dem Benehmen der Tumultuanten vom Drury-Láne Theater zeigte. Die Lords Beaumort, Brougham, Herz, v. Cleveland und Spencer waren einstimmig gegen die Petitionen, deren Illiberalität dem englischen Namen dem englischen Namen nirgends zur Ehre gereichen könne. Lord Stanley machte sodann einen Versuch, ob nicht ein Bischen Getraidezoll im Gegensatz zu dem früheren Parlamentsbeschluß beizubehalten wäre. Er verlange das nicht als Schutzzoll, sondern zum Zweck erhöhter Staatseinnahmen. Er wünsche daher, daß der jetzt bestehende Zoll noch auf 5-6 Monate verlängert und dann vom nächsten Parlament entschieden werde, ob es nicht vortheilhaft sei, eine kleine feste Abgabe von eingeführtem Getraide fortzuerheben. Das Haus ging auf dieses protektionistische „Wünschchen“ nicht weiter ein.

Unterhaus-Sitzung vom 16. Juni. Lord John Russel setzte seinen Plan der Aufhilfe für Westindien auseinander, der hauptsächlich darin besteht, daß den dortigen Pflanzern zu den bereits geliehenen 160,000 Pfd. Sterl. noch 1/2 Million vorgeschossen. oder eine Anleihe von diesem Betrage durch den Staat garantirt werden soll, um ihnen die Einführung „freier“ (!!) Arbeit möglich zu machen. Der zweite Theil des Planes betrifft Abänderung der jetzigen, für Zucker gesetzlich bestimmten Zollscala.

Lord J. Russel fand wenig Beifall. Die westindischen Pflanzer klagen, daß der Plan nur ihren Ruin beschleunige, die Freihandelsmänner wenden ein, daß man Jamaica auf Kosten des ohnehin durch Geschäftsstockung, Pauperismus etc. leidenden Lancashire helfen wolle. Das Haus stimmte schließlich dafür, daß es den Russel'schen Plan nächsten Montag in Comité-Berathung nehmen will. Zuletzt gaben noch die Schifffahrtsgesetze zu einer sehr heftigen, mitunter scharf persönlichen Debatte namentlich zwischen Disraeli und Hawes, Hudson und Hume etc. Veranlassung. Die Gegner der Aufhebung jener Gesetze stemmten sich mit aller Macht dawider, daß sich das Haus zur Comité bilde. Als dies bei der Abstimmung dennoch mit einer Majorität von 87 beschlossen wurde, legten sie der weitern Berathung so viele formelle Hindernisse in den Weg, daß man die Comit-Sitzung endigen und zu den übrigen Gegenständen der Tagesordnung übergehen mußte.

Schluß der Sitzung um Mitternacht.

‒In Bingley (Yorkshire) sind vorigen Donnerstag früh wiederum 5 Chartisten aus ihren Betten geholt und nach York Castle in's Gefängniß geschleppt worden.

‒ Dem progressistischen Deputirten Olozaga ist seine Flucht aus Spanien gelungen. Er langte gestern wohlbehalten in London an.

‒Tom Steele, der mit O'Connell so lange für Repeal kämpfte, es aber, ungleich O'Connell, mit Irland aufrichtig und ehrlich meinte und die Repealfrage nicht als Milchkuh zur Befriedigung seiner Selbstsucht benutzte, ist dieser Tage in einem Wirthshaus zu London als ‒ Pauper (hilfloser Proletarier) gestorben.

‒Consols schlossen zu 831/2, 5/8 für Rechnung. ‒ Der Colonialmarkt befand sich während dieser Woche für die meisten Artikel in großer Flauheit.

Pfuel nach Berlin berufen.

Hommes lettrés (Nro. 5 rue de I'lale), das französische Wort hat nicht die schlechte Bedeutung, die sich an das deutsche knüpft.
<TEI>
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          <p><pb facs="#f0003" n="0087"/>
fühlen dies zu verlassen und mit Weib und Kindern die                         bequemere Erdschaufel zu ergreifen.</p>
          <bibl>(J. d. Oest. L.)</bibl>
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        <head>Ungarn.</head>
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          <head>Pesth, 12. Juni.</head>
          <p>Eine schreckliche Militär-Revolte fand in der verflossenen Nacht in der                         großen Invaliden-Kaserne Statt. Schon längst ist es der Camarilla ein Dorn                         im Auge, daß die Ungarn und die Italiener so sehr sympathisiren, und sie                         suchte schon seit mehreren Wochen einen blutigen Zusammenstoß zwischen den                         Bürgern und gerade den italienischen Soldaten des hier garnisonirden                         Regiments Ceccopieri, bei welchem die Offiziere meist eingefleischte Illirer                         sind, herbeizuführen. Diese Offiziere hetzten die Italiener gegen die                         Freiwilligen der mobilen Nationalgarde auf, welche bisher noch keine Waffen                         haben, aber zum Theil mit den Italienern in der genannten Kaserne wohnen.                         Einmal kam es schon zu einem einzelnen bluigen Handeln welches einen                         Volksauflauf veranlaßte, der aber ohne weitere Folgen ablief, Gestern sollte                         es nun aber losgehen. Ein italienischer Soldat fing mit einem. Freiwilligen                         Händel an, stach zwei dazugekommene Freiwillige durch den Arm, und als er                         verhaftet in die Invalidenkaserne eingebracht ward, stürzten die Italiener                         über die Freiwilligen her und feuerten sogar aus den Fenstern auf dieselben.                         Dies geschah gegen 9 Uhr Abends. Auf den Lärm sammelte sich bald vieles                         Volk, die Sturmglocken wurden gegen 10 Uhr gezogen, die Trommeln allamirte                         die Nationalgarde. Aber die Thore der Kaserne waren gesperrt, im Innern                         dauerte der Kampf fort und die niederträchtigen Italiener feuerten sogar aus                         den Fenstern auf die wehrlose Volksmasse, welche vor der Kaserne                         zusammenströmte und vor Entsetzen wüthete. Unterdessen wurde der größte                         Theil des italienischen Regiments Ceccopieri, welches in den Ofener Kasernen                         lag entwaffnet. Die ungarischen Regimenter Wasa und Turßky rückten aus der                         Festung mit Kanonen gegen die Invalidenkaserne. Von dem Hauptthore derselben                         stürzten ein Adjutant und 2 Mann todt nieder, von Kugeln durchbohrt, welche                         aus den Fenstern fielen. Das Thor war bald geöffnet und das ungarische                         Militär wurde Meister der ganzen Kaserne. Der Kriegsminister, L. Meßaros,                         wäre dabei beinah von 2 Kugeln getroffen worden. Die Untersuchung nahm                         sofort ihren Anfang; die Hälfte der Italiener ergab sich augenblicklich, 2                         Kompagnien wollen aber bis jetzt (10 Uhr Morgens) die Waffen nicht abgeben,                         was sie aber thun müssen, wenn sie nicht über den Haufen geschossen werden                         wollen. Die Nationalgarde war auf verschiedenen Plätzen aufgestellt, die                         angränzenden Straßen waren erleuchtet, das wüthende Volk wollte Barrikaden                         gegen die Invalidenkaserne aufführen, einige itaiienische Soldaten, welche                         ihm zufällig in die Hände geriethen, wurden gräßlich zugerichtet. Gegen 1                         Uhr in der Nacht waren indeß alle Straßen geräumt und das Militär wachte                         über die Ruhe der so aufgeregten Stadt. Das Unglück ist zufälligerweise                         nicht so groß, als es hätte werden können. Im Innern der Kaserne war es                         finster und die Flintenschüsse trafen daher selten. Doch liegen 20                         Freiwillige schwer verwunde darnieder, unter denen drei bereits den Geist                         aufgegeben haben sollen. Auch an zwei Mauerecken der Heerenstraße sah man                         heute früh viel Blut. Die Invaliden-Kaserne ist gegenwärtig von Militär                         umringt und Kanonen vor derselben aufgefahren. Auch die Nationalgarde rückt                         aus. Es cirkulirt ein Gerücht, nach welchem das Ministerium gestern Nacht                         von einer hochgestellten Person in Wien die Anzeige erhalten, daß es noch an                         demselben Tage losgehen werde. Einige versichern sogar, daß man bereits                         einem Komplott auf der Spur sei, dessen Fäden sich bis zur Camarilla nach                         Innsbruck ziehen. Wir wissen nicht, ob etwas Wahres daran ist. Aber darin                         konzentrirt sich die allgemeine Ueberzeugung, daß die reaktionäre Camarilla                         schon seit Wochen das italienische Regiment Ceccopieri durch die illirischen                         Offiziere bearbeiten läßt. Diese Italiener wollten, von den Offizieren                         verleitet, anfangs auf die ungarische Verfassung nicht schwören. Mehrere                         Gemeine vom Regiment haben im Radilkalkör auf's Feierlichste betheuert, daß                         die Offiziere es immerfort aufzuwiegeln suchen.</p>
          <bibl>(Bresl. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar020_018" type="jArticle">
          <head>Neapel, 5. Juni.</head>
          <p>Es bestätigt sich, daß in Folge der königlichen Schreckensherrschaft die                         Provinzen eine Absperrung der Hauptstadt beginnen. In Oberitalien erklären                         sich die neapolitanischen Truppen für unmittelbaren <hi rendition="#g">Anschluß an Karl Albert.</hi> Römische Blätter melden als verbürgte                         Nachricht: &#x201E;Cosenza hat eine Provinzialversammlung von Deputirten zur                         Bildung einer festen provisorischen Regierung berufen; in Basilicat besteht                         bereits eine solche, und man gießt Glocken in Kanonen um, während 12,000                         Bewaffnete nach Calabrien gegangen sind. Am 2. Juni kam in Neapel ein                         Courier von Karl Albert an, der schleunige Bezahlung der Ausgaben für die                         neapolitanischen Freiwilligen und Truppen in der Lombardei und neuen                         Truppenzuzug der Neapolitaner verlangte, sonst würde der Sardinierkönig,                         wenn er ohne neapolitanische Beihülfe Italien befreit hätte, vor den Thoren                         Neapels erscheinen; Pepe endlich hat dem König von Neapel sagen lassen, wenn                         er nicht zum Kriege beitrage, werde er sicherlich <hi rendition="#g">durch                             Karl Albert vom Throne gestürzt werden.</hi>&#x201C;</p>
        </div>
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          <head>Mailand, 14. Juni.</head>
          <p>Man erwartet nächstens einen Angriff der Piemontesen auf Verona.</p>
          <bibl>(Z. Z.)</bibl>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>15</author></bibl> Paris, 17. Juni.</head>
          <p>Die Zulagesteuer von 15 Ctms. auf das Grundeigenthum war eine der unklügsten                         Maßregeln. Es ist bekannt, daß die <hi rendition="#g">Bauern</hi> in der                         ersten französischen Revolution die einzigen waren, deren materielle                         Interessen unmittelbar gehoben wurden. Und dennoch waren sie die ersten, die                         Widerstand leisteten, sobald die Gesetze des Maximums, die Zwangsgesetze                         über den Verkauf der Ackerbauprodukte u. dgl., Gesetze, welche damals die                         Rettung der Republik gebot, diesen undankbaren und kleinlichegoistischen                         Söhnen derselben einige Opfer auferlegten. Schon hieraus können Sie                         schließen, welche Wirkung die Zulagesteuer von 45 Ctms. in den Provinzen auf                         dem Lande hervorrufen mußte. Diese Steuer ist der Schlüssel der                         bonapartistischen und legitimistischen Bewegung auf dem Lande und drei                         Viertel von Frankreich ist Land.</p>
          <p>Die Auferlegung dieser Steuer ist aber an und für sich, vom ökonomischen                         Gesichtspunkt aus betrachtet, ein Fehlgriff. Die 45 Ctms. sollen auf das <hi rendition="#g">Grundeigenthum</hi> fallen. Unser Bauer ist aber nur <hi rendition="#g">nomineller</hi> Grundeigenthümer. In der Wirklichkeit                         fließt die Grundrente in die Tasche der Hypothekenbesitzer, der                         Getraidehändler, der Wucherer, der Hussiers, der Advokaten und der Notare.                         Der Bauer selbst erhält keinen angemessenen Arbeitslohn, viel weniger Profit                         und Grundrente. Er befindet sich trotz seines <hi rendition="#g">Eigenthumstitels</hi> meist in der Lage des irischen Sklaven. Es fehlte                         der Regierung der Muth, die <hi rendition="#g">wirklichen,</hi> nicht                         nominellen Besitzer der Grundrente zu belasten und so hat sie die                         ackerbauende Bevölkerung, die zudem keine andere Richtschnur als ihr <hi rendition="#g">unmittelbar materielles Interesse</hi> kennt, der                         Republik entfremdet. Die Folge davon war nicht nur die Wahl Louis Bonapartes                         in den Departementen. Gefährlichere Syptome zeigten sich schon in der                         heutigen Sitzung der Nationalversammlung. Pierre Lerroux bestieg die                         Tribüne, um der Versammlung anzuzeigen, daß er so eben Privatbriefe aus dem                         Creuze-Departement erhalten, welche ihm anzeigen, daß in Gueret Bürgerwehr                         und Landbewohner wegen Zahlung der 45 Centimensteuer in fürchterlichem                         Kampfe gegen einander ausgebrochen seien und bereits Bruderblut geflossen                         sei.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar020_021" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 17. Juni.</head>
          <p>Die reaktionäre Regierung Frankreichs ha das merkwürdige Talent, es nach und                         nach mit allen Parteien zu verderben. Die mächtigste Partei, an welcher sie                         sich jetzt vergreift, ist die der ganzen Presse, und man weiß, daß die                         Journalisten in Frankreich nicht mit sich spassen lassen. Ein Journal in der                         Provinz wurde von dem Unterkommissär des Departements aufgefordert, Kaution                         zu stellen, widrigenfalls es nach den &#x201E;noch in Kraft stehenden Gesetzen                         verfolgt werden sollte.&#x201C; Nun sind aber nach der Februar-Revolution eine                         Menge Blätter entstanden, die alle keine Kaution zahlten. Der                         Volksrepräsentant Boulay forderte daher den Justizminister auf, sich über                         die Absichten der Regierung zu erklären. Der Erklärung dieses Ministers                         gemäß, beabsichtigt die Regierung den &#x201E;normalen Zustand&#x201C; der Presse wieder                         herbeizuführen. Um allen Meinungen ihren freien Manifestationen während der                         Wahlen zu lassen, habe man bisheran keine Kaution gefordert. Doch jetzt                         beschäftige man sich damit, ein Gesetz auszuarbeiten, das die gemilderte                         Ausgabe der früheren Gesetze über die Presse sei, um dem Staate bei                         Preßvergehen eine Garantie in Händen zu geben. Der Gerant des Courrier fr.                         hat bereits energisch protestirt. Nach dem 24. Februar war die Kaution                         faktisch abgeschafft, und wenn die alten Journale ihre Kaution nicht                         zurückgezogen, so geschah es blos, um den Schatz nicht noch mehr in                         Verlegenheit zu bringen. Die Wiedereinführung der Kaution wäre ein neuer                         Sieg der großen Kapitalisten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar020_022" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl>Paris, 16. Juni.</head>
          <p>Die Bauern der 4 Departements Seine, Sarthe, Yonne und Charente inférieure                         haben Louis Napoleon zum Volksrepräsentanten erkoren, nachdem seine Agenten                         ihnen versichert, der sauveur werde ohne Weitres die lästigen 45 Centimes                         die seit Februar von jedem Franken Abgabe mehr erhoben werden, streichen und                         vielleicht das bereits Gezahlte ihnen ersetzen. Die 30000 Bauern des pariser                         Weichbildes sind auf's höchste für den &#x201E;jungen Heros&#x201C; begeistert, sie die                         vor 3 Wochen nur ganz dunkel von seiner Existenz etwas gewußt, haben erklärt                         sie würden die Waffen ergreifen, wofern die Rationalassemblee den Antrag der                         Regierungskommission, seine Wahl zu vernichten durchließe. Allenthalben kann                         man jetzt des Prätendenten Bildnisse und Biographien zu kaufen, ja <hi rendition="#g">geschenkt</hi> bekommen; hier und da flogen sie aus                         Fenstern und Kabriolets auf die erstaunden Köpfe der Pariser. Leider ist es                         erwiesen daß selbst <hi rendition="#g">nicht bestochene</hi> Ouvriers mit                         Chorus machten, gradehin es aussprachen: eine Bourgeoisie- und                         Boutiquierrepublik gewähre dem Volk noch weniger Aussichten als eine                         pupuläre Diktatur. Soweit geht bereits das Verzweifeln, daß die Chefs der                         Nationalwerkstätten und die Delegirten der ehemaligen Kommission des                         Luxemburg ihm durch folgende Affiche entgegentreten mußten: &#x201E;An alle                         Arbeiter! Wir, Eure Freunde und Brüder, wir die mit Euch auf den glorreichen                         Barrikaden fochten und einen das Volk drückenden Thron abermals                         zerschmettern halfen, beschwören Euch der Vernunft und der Ehre Gehör zu                         geben. Leihet nicht Euren tapfern Arm den Ränkeschieden die wieder einen                         Thron und eine Krone verfertigen wollen; das französische Volk ist über                         solches gefährliche Spielzeug jetzt hinaus. Arbeiter! gedenkt der großen                         Leiden während 18 Jahren, und unsrer großen That im Februar; gedenkt der                         Hoffnungen die unsre Kinder auf uns setzen, vergeßt nicht daß das Auge                         Europas uns französische Arbeiter erwartungsvoll beobachtet. Brüder! Kein                         französischer Bürger darf einen andern Titel als den eines <hi rendition="#g">Bürgers</hi> beanspruchen, weiset also jeder Anmaßung den                         Weg. Es lebe die Republik.&#x201C; gez: <hi rendition="#g">P. Viucard</hi> Präsid., <hi rendition="#g">Blum</hi> Vicepräsid., <hi rendition="#g">Jullien,                             Lefour,</hi> Sekretäre von der Luxemburger Arbeitskommission, <hi rendition="#g">Bacon</hi> Präsid., <hi rendition="#g">Gaulin</hi> Sekretär, <hi rendition="#g">Ardillon, Petit-Bonnard</hi> Lieutenants von                         den Nationalwerkstätten. Und der energische <hi rendition="#g">Sibert,</hi> Brigadier der letztern, erließ folgenden Anschlag: &#x201E;An alle Arbeiter im                         Namen Aller! Brüder, erwacht, Ihr die Ihr Euch betäubt oder betäuben lassen,                         erwacht und ergreift das Schild der Ehre welches eine niederträchtige Bande                         Euch entwinden will. Es ist hohe Zeit, eine grausige Schlinge wird uns Allen                         gestellt, man schleicht im Dunkeln, man drückt uns <hi rendition="#g">Gold</hi> in die arbeitslosen Hände, man giebt uns <hi rendition="#g">Wein</hi> zu trinken, um unsern Rausch auszubeuten. Ha, die Verruchten!                         sie wähnen, mit Wein und Gold könnten sie eine demokratische sociale                         Revolution zu Falle bringen! Brüder, seid wachsam, es geht um das Heil des                         Volkes; wenn wir uns diesmal wieder betrügen lassen, dann wehe uns, dann                         sind wir werth des ärgsten Fluches. Darum auf und stoßt weit, weit von Euch                         die Versucher! Es lebe die demokratische sociale Republik!&#x201C; Die <hi rendition="#g">Epoque</hi> ein kleines ironisches Blättchen die als                         Affische erscheint, ruft: &#x201E;Der große Prinz aus dem Abendland naht! geschwind                         einen Thron und Champagner her, insonderheit Champagner wie in Strasbourg                         und Boulogne.&#x201C;</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Gamin de Paris</hi> sagt: &#x201E;Franzosen, Arbeiter, Ihr                         deren Schweiß den Boden düngt aus dem die Staatsernte emporwächst zu Nutz                         und Frommen der Bourgeoisie, Ihr deren Blut und Thränen die große Maschine                         netzt die den s. g. Nationalreichthum producirt, Ihr deren Mütter und                         Töchter, Schwestern und Frauen von den Seigneurs des Mammon gemiethet und                         gekauft werden, Ihr die Ihr seit 1789 den Erdball erschüttert habt: Ihr                         wollt Euch doch wohl jetzt nicht unter den Stiefelabsatz des Däumlings                         bücken, der einige Phrasen seines Oheims, des verstorbenen Riesen, auswendig                         gelernt und nur zu intrigiren weiß mit Hülfe des Geldes und der                         Volksverräther? Der Oheim hat die Anarchie erstickt und der Nation Ruhm                         geschenkt, dafür hat sie ihn bewundert und angebetet zu seiner Zeit; heute                         aber sind sie beide quitt mit einander, Napoleon der Kaiser und Frankreich                         die Republik. Fluch dem Tollhäusler der diese alte Tragödie in einer                         modernen Komödie nachäffen will; Fluch und Widerstand ihm bis auf den                         Tod!&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar020_023" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Paris, 17. Juni.</head>
          <p>Das kleine Blatt: <hi rendition="#g">La Republique rouge</hi> spricht sich                         über den <hi rendition="#g">&#x201E;Lordmayor&#x201C;</hi> der &#x201E;guten&#x201C; Stadt Paris aus:                         &#x201A;So seltsam stand es bei uns noch nie, die ganze Munizipaladministration                         resumirt sich in einem einzigen Manne. Er aspirirt offenbar nach dem                         Präsidentensessel. Jetzt thront er behaglich im Pallast des Hotel de Ville;                         wäre das Volk dabei um Rath zu fragen, er müßte bald wieder in sein                         Journalbüreau, gewiß sehr heilsam für dies Journal &#x2026;&#x201C; Er gilt als                         Hauptanstifter des Gesetzes gegen die Zusammenrottirungen unter freiem                         Himmel; gegen dasselbe wird die Gesellschaft &#x201E;der Menschen- und                         Bürgerrechte&#x201C; einen Protest einreichen. Das Journal &#x201E;Assemblee nationale&#x201C;                         verlangt jetzt Herstellung des bonapartischen Throns und ersucht den Prinzen                         Louis, recht bald die <hi rendition="#g">Bourbons</hi> zurückzurufen; bei                         diesem Anlaß ruft die <hi rendition="#g">Republique rouge:</hi> &#x201E;Wir alle                         gehen dem Abgrund zu; der Proletarier hungert, der Bourgeois bettelt; der                         Kredit ist erstorben; der Handel gelähmt, kann nicht mehr die Adern des                         Gesellschaftskörpers durchströmen. Und was das Schlimmste, selbst die                         großartigsten Erschütterungen bieten keine Hoffnung mehr; die Luft ist                         unathembar geworden; im Palast Luxemburg die fünf Männer, ängstlich nach der                         Macht haschend, die ihnen täglich entschlüpft; im Hotel de ville, eine                         Unzahl kleinlicher Komplotte unter Direktion des Lordmayor; in der                         Nationalassemblee bemüht man sich, die Leiche der verstorbenen Charte zu                         galvanisiren. Gerechter Himmel! wäre dies wirklich das Geschick des großen                         Volks, von Guizot auf Marrast, von Marrast auf Thiers zu kommen?&#x201C;</p>
          <p>Ein anderes Blättchen: <hi rendition="#g">Le Tocsin des Travailleurs</hi> sagt: &#x201E;Die Deputirten fragen: bekommen wir einen Präsidenten? das Volk                         fragt: bekommen wir Brod? Die Deputirten: bekommen wir eine oder zwei                         Kammern? das Volk: bekommen wir Brod? Das ist das uralte Lied; es ähnelt                         ziemlich der Antwort des armen Weibes, die mit einer weiblichen Deputation                         zur provisorischen Regierung zog und von einem Bourgeois hören mußte: sie                         solle lieber daheim bleiben und Strümpfe ausbessern oder Suppen kochen;                         &#x201E;ganz richtig, rief sie, wir Frauen hier gehen zur Regierung um Strümpfe und                         Suppen für die, welche beide nicht haben, zu verlangen.&#x201C; Diese echten                         Proletariatszeitungen sind nicht einig über das Projekt des Riesenbankets                         von einigen Tausend Arbeitern à 5 Sous per Kopf; der <hi rendition="#g">Père                             Duchene</hi> ist zwar noch dafür und verwahrt sich gegen das Gerücht von                         aristokratischen Geldzuschüssen in die Banketskasse, aber es ist mindestens                         auf einige Wochen ausgesetzt; die Nationalgarde scheint so erbittert zu                         sein, daß sie den ersten Angriff zu machen im Stande wäre.                         Bourgeoisartillerie ist jetzt neu einexerzirt. Freilich stehen viele                         Ouvriers in Reih und Glied und möglich, daß in den einzelnen Kompagnien der                         Bürgerwehr selber der Kampf entbrennt; möglich auch das Gegentheil; die                         Entwickelung geht jetzt so, daß die Pariser selbst nicht über eben                         Geschehenes sich Rechenschaft ablegen, noch das bald Nothwendige                         vorauszusehen wagen.</p>
          <p>&#x2012; Ein Journal: &#x201E;<hi rendition="#g">Le Tribun du peuple</hi>&#x201C; wird erscheinen                         und sich speziell gegen den Favoritismus, die Aemterhäufung und dgl. wenden.                         Der Licentiat Laviron sagt im Programm: &#x201E;Der Bürger Buchez sprach Namens der                         provisorischen Regierung es aus, die Republik ist verpflichtet, alle ihre                         Kinder zu ernähren; eine Regierung ist verantwortlich für Elend, welches                         nicht selbst verschuldet ist. So redete einst, daß heißt vor einigen Wochen                         Bürger Buchez. Wir, der Klub der Literaten, sind überzeugt, daß ein                         schändlicher Hochverrath darin liegt, einigen Individuen Ueberflüssiges                         preiszugeben während viele andere noch nicht das Nothwendige besitzen. Wir                         opponiren gegen die schamlose Kumulirung und Exploitation aller Art, die                         seit unserm Februar recht an der Tagesordnung zu sein, sich recht zu brüsten                         scheint. Blickt umher, überall im Dunkeln schleichende Protektion, überall                         hündisches Antichambriren und Kriechen. Der Faullenzer triumphirt nach wie                         vor dem Februar über die Arbeitenden. Die Sieger hatten die Thorheit                         begangen, nicht sogleich mit <hi rendition="#g">eignen Händen</hi> die                         Mißbräuche zu entwurzeln. Wir, Klub der Literaten <note place="foot">Hommes                             lettrés (Nro. 5 rue de I'lale), das französische Wort hat nicht die                             schlechte Bedeutung, die sich an das deutsche knüpft.</note> sind                         entschlossen, sämmtliche öffentliche Beamten Revue zu passiren, vom obersten                         bis zum untersten Range; unser Blatt wird ihre Titel Ansprüche, Wirksamkeit,                         Arbeitszeit und Jahrgehalt unerbittlich nach der Statistik publiciren und                         kritisiren. Fakta sollen seine Waffe sein, nichts als Fakta um dadurch das                         Ungeheuer der Korruption zu schlagen.&#x201C; Allerdings sieht es ungefähr wie                         unter Louis Philipp aus; z. B. unser Herr Paguerre, dieser libraire                         democrate par excellence, dieser père de famille modèle, dieser citogen                         intègre wie der National ihn nannte und nennt, bekleidet fünf gut bezahlte                         Posten und führt dabei seinen Buchhandel fort; die Gesandtschaftsstellen                         werden statt an erlesene Demokraten an Legitimisten und Philippisten                         gegeben, und der Minister des Auswärtigen ist eher für drei supplicirende                         Comtessen als für einen Barrikadenmann zu sprechen. Das Blatt &#x201E;Le Volcan&#x201C;                         geschrieben von La citoyen ne sans peur sagt in seiner letzten Nummer: &#x201E;Die                         Exekutivkommission hat durch das Gesetz gegen die Zusammenschaarungen unter                         freiem Himmel eine klägliche Menschenunkenntniß verrathen; sie sollte                         wissen, daß in Paris ein Monument, z. B. schlecht beschützt ist durch die                         Aufschrift: Verunreinigung ist verboten, und hieraus konnte sie auf den                         Erfolg des Zusammenrottirungsverbotes schließen. Zudem sind seine Strafen so                         kolossal, daß sie gleichsam zum Trotzen recht herausfordern. Ihr Herren von                         Luxembourg, Ihr habt einen gefährlichen Gewitterableiter neben Euch                         aufgestellt.&#x201C;</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar020_024" type="jArticle">
          <head><bibl><author>20</author></bibl> London, 17. Juni.</head>
          <p><hi rendition="#g">Oberhaus</hi>-Sitzung vom 16. Juni. Der Earl Fitzhardinge                         überreichte zwei Petitionen, die eine vom Pächter des Haymarket Theater, die                         andere vom gesammten Personale des Lyceum-Theaters unterschrieben. Die                         Petenten verlangen Schutz gegen die Konkurrenz fremder Schauspieler; mit                         Ausnahme der italienischen Oper soll nirgends sonst ein fremder Schauspieler                         geduldet werden. Obgleich sie den schmählichen Aufruhr in Drury-Lane gegen                         französische Schauspieler nicht billigen, so sind sie in der That doch ganz                         von demselben Geiste beseelt, der sich in dem Benehmen der Tumultuanten vom                         Drury-Láne Theater zeigte. Die Lords Beaumort, Brougham, Herz, v. Cleveland                         und Spencer waren einstimmig gegen die Petitionen, deren Illiberalität dem                         englischen Namen dem englischen Namen nirgends zur Ehre gereichen könne.                         Lord <hi rendition="#g">Stanley</hi> machte sodann einen Versuch, ob nicht                         ein Bischen Getraidezoll im Gegensatz zu dem früheren Parlamentsbeschluß                         beizubehalten wäre. Er verlange das nicht als Schutzzoll, sondern zum Zweck                         erhöhter Staatseinnahmen. Er wünsche daher, daß der jetzt bestehende Zoll                         noch auf 5-6 Monate verlängert und dann vom nächsten Parlament entschieden                         werde, ob es nicht vortheilhaft sei, eine kleine feste Abgabe von                         eingeführtem Getraide fortzuerheben. Das Haus ging auf dieses                         protektionistische &#x201E;Wünschchen&#x201C; nicht weiter ein.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">Unterhaus</hi>-Sitzung vom 16. Juni. Lord <hi rendition="#g">John Russel</hi> setzte seinen Plan der Aufhilfe für                         Westindien auseinander, der hauptsächlich darin besteht, daß den dortigen                         Pflanzern zu den bereits geliehenen 160,000 Pfd. Sterl. noch 1/2 Million                         vorgeschossen. oder eine Anleihe von diesem Betrage durch den Staat                         garantirt werden soll, um ihnen die Einführung &#x201E;freier&#x201C; (!!) Arbeit möglich                         zu machen. Der zweite Theil des Planes betrifft Abänderung der jetzigen, für                         Zucker gesetzlich bestimmten Zollscala.</p>
          <p>Lord <hi rendition="#g">J. Russel</hi> fand wenig Beifall. Die westindischen                         Pflanzer klagen, daß der Plan nur ihren Ruin beschleunige, die                         Freihandelsmänner wenden ein, daß man Jamaica auf Kosten des ohnehin durch                         Geschäftsstockung, Pauperismus etc. leidenden Lancashire helfen wolle. Das                         Haus stimmte schließlich dafür, daß es den Russel'schen Plan nächsten Montag                         in Comité-Berathung nehmen will. Zuletzt gaben noch die Schifffahrtsgesetze                         zu einer sehr heftigen, mitunter scharf persönlichen Debatte namentlich                         zwischen Disraeli und Hawes, Hudson und Hume etc. Veranlassung. Die Gegner                         der Aufhebung jener Gesetze stemmten sich mit aller Macht dawider, daß sich                         das Haus zur Comité bilde. Als dies bei der Abstimmung dennoch mit einer                         Majorität von 87 beschlossen wurde, legten sie der weitern Berathung so                         viele formelle Hindernisse in den Weg, daß man die Comit-Sitzung endigen und                         zu den übrigen Gegenständen der Tagesordnung übergehen mußte.</p>
          <p>Schluß der Sitzung um Mitternacht.</p>
          <p>&#x2012;In Bingley (Yorkshire) sind vorigen Donnerstag früh wiederum 5 Chartisten                         aus ihren Betten geholt und nach York Castle in's Gefängniß geschleppt                         worden.</p>
          <p>&#x2012; Dem progressistischen Deputirten Olozaga ist seine Flucht aus Spanien                         gelungen. Er langte gestern wohlbehalten in London an.</p>
          <p>&#x2012;Tom Steele, der mit O'Connell so lange für Repeal kämpfte, es aber, ungleich                         O'Connell, mit Irland aufrichtig und ehrlich meinte und die Repealfrage                         nicht als Milchkuh zur Befriedigung seiner Selbstsucht benutzte, ist dieser                         Tage in einem Wirthshaus zu London als &#x2012; Pauper (hilfloser Proletarier)                         gestorben.</p>
          <p>&#x2012;Consols schlossen zu 831/2, 5/8 für Rechnung. &#x2012; Der Colonialmarkt befand                         sich während dieser Woche für die meisten Artikel in großer Flauheit.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar020_025" type="jArticle">
          <p><hi rendition="#g">Pfuel</hi> nach Berlin berufen.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0087/0003] fühlen dies zu verlassen und mit Weib und Kindern die bequemere Erdschaufel zu ergreifen. (J. d. Oest. L.) Ungarn. Pesth, 12. Juni. Eine schreckliche Militär-Revolte fand in der verflossenen Nacht in der großen Invaliden-Kaserne Statt. Schon längst ist es der Camarilla ein Dorn im Auge, daß die Ungarn und die Italiener so sehr sympathisiren, und sie suchte schon seit mehreren Wochen einen blutigen Zusammenstoß zwischen den Bürgern und gerade den italienischen Soldaten des hier garnisonirden Regiments Ceccopieri, bei welchem die Offiziere meist eingefleischte Illirer sind, herbeizuführen. Diese Offiziere hetzten die Italiener gegen die Freiwilligen der mobilen Nationalgarde auf, welche bisher noch keine Waffen haben, aber zum Theil mit den Italienern in der genannten Kaserne wohnen. Einmal kam es schon zu einem einzelnen bluigen Handeln welches einen Volksauflauf veranlaßte, der aber ohne weitere Folgen ablief, Gestern sollte es nun aber losgehen. Ein italienischer Soldat fing mit einem. Freiwilligen Händel an, stach zwei dazugekommene Freiwillige durch den Arm, und als er verhaftet in die Invalidenkaserne eingebracht ward, stürzten die Italiener über die Freiwilligen her und feuerten sogar aus den Fenstern auf dieselben. Dies geschah gegen 9 Uhr Abends. Auf den Lärm sammelte sich bald vieles Volk, die Sturmglocken wurden gegen 10 Uhr gezogen, die Trommeln allamirte die Nationalgarde. Aber die Thore der Kaserne waren gesperrt, im Innern dauerte der Kampf fort und die niederträchtigen Italiener feuerten sogar aus den Fenstern auf die wehrlose Volksmasse, welche vor der Kaserne zusammenströmte und vor Entsetzen wüthete. Unterdessen wurde der größte Theil des italienischen Regiments Ceccopieri, welches in den Ofener Kasernen lag entwaffnet. Die ungarischen Regimenter Wasa und Turßky rückten aus der Festung mit Kanonen gegen die Invalidenkaserne. Von dem Hauptthore derselben stürzten ein Adjutant und 2 Mann todt nieder, von Kugeln durchbohrt, welche aus den Fenstern fielen. Das Thor war bald geöffnet und das ungarische Militär wurde Meister der ganzen Kaserne. Der Kriegsminister, L. Meßaros, wäre dabei beinah von 2 Kugeln getroffen worden. Die Untersuchung nahm sofort ihren Anfang; die Hälfte der Italiener ergab sich augenblicklich, 2 Kompagnien wollen aber bis jetzt (10 Uhr Morgens) die Waffen nicht abgeben, was sie aber thun müssen, wenn sie nicht über den Haufen geschossen werden wollen. Die Nationalgarde war auf verschiedenen Plätzen aufgestellt, die angränzenden Straßen waren erleuchtet, das wüthende Volk wollte Barrikaden gegen die Invalidenkaserne aufführen, einige itaiienische Soldaten, welche ihm zufällig in die Hände geriethen, wurden gräßlich zugerichtet. Gegen 1 Uhr in der Nacht waren indeß alle Straßen geräumt und das Militär wachte über die Ruhe der so aufgeregten Stadt. Das Unglück ist zufälligerweise nicht so groß, als es hätte werden können. Im Innern der Kaserne war es finster und die Flintenschüsse trafen daher selten. Doch liegen 20 Freiwillige schwer verwunde darnieder, unter denen drei bereits den Geist aufgegeben haben sollen. Auch an zwei Mauerecken der Heerenstraße sah man heute früh viel Blut. Die Invaliden-Kaserne ist gegenwärtig von Militär umringt und Kanonen vor derselben aufgefahren. Auch die Nationalgarde rückt aus. Es cirkulirt ein Gerücht, nach welchem das Ministerium gestern Nacht von einer hochgestellten Person in Wien die Anzeige erhalten, daß es noch an demselben Tage losgehen werde. Einige versichern sogar, daß man bereits einem Komplott auf der Spur sei, dessen Fäden sich bis zur Camarilla nach Innsbruck ziehen. Wir wissen nicht, ob etwas Wahres daran ist. Aber darin konzentrirt sich die allgemeine Ueberzeugung, daß die reaktionäre Camarilla schon seit Wochen das italienische Regiment Ceccopieri durch die illirischen Offiziere bearbeiten läßt. Diese Italiener wollten, von den Offizieren verleitet, anfangs auf die ungarische Verfassung nicht schwören. Mehrere Gemeine vom Regiment haben im Radilkalkör auf's Feierlichste betheuert, daß die Offiziere es immerfort aufzuwiegeln suchen. (Bresl. Z.) Italien. Neapel, 5. Juni. Es bestätigt sich, daß in Folge der königlichen Schreckensherrschaft die Provinzen eine Absperrung der Hauptstadt beginnen. In Oberitalien erklären sich die neapolitanischen Truppen für unmittelbaren Anschluß an Karl Albert. Römische Blätter melden als verbürgte Nachricht: „Cosenza hat eine Provinzialversammlung von Deputirten zur Bildung einer festen provisorischen Regierung berufen; in Basilicat besteht bereits eine solche, und man gießt Glocken in Kanonen um, während 12,000 Bewaffnete nach Calabrien gegangen sind. Am 2. Juni kam in Neapel ein Courier von Karl Albert an, der schleunige Bezahlung der Ausgaben für die neapolitanischen Freiwilligen und Truppen in der Lombardei und neuen Truppenzuzug der Neapolitaner verlangte, sonst würde der Sardinierkönig, wenn er ohne neapolitanische Beihülfe Italien befreit hätte, vor den Thoren Neapels erscheinen; Pepe endlich hat dem König von Neapel sagen lassen, wenn er nicht zum Kriege beitrage, werde er sicherlich durch Karl Albert vom Throne gestürzt werden.“ Mailand, 14. Juni. Man erwartet nächstens einen Angriff der Piemontesen auf Verona. (Z. Z.) Französische Republik. 15 Paris, 17. Juni. Die Zulagesteuer von 15 Ctms. auf das Grundeigenthum war eine der unklügsten Maßregeln. Es ist bekannt, daß die Bauern in der ersten französischen Revolution die einzigen waren, deren materielle Interessen unmittelbar gehoben wurden. Und dennoch waren sie die ersten, die Widerstand leisteten, sobald die Gesetze des Maximums, die Zwangsgesetze über den Verkauf der Ackerbauprodukte u. dgl., Gesetze, welche damals die Rettung der Republik gebot, diesen undankbaren und kleinlichegoistischen Söhnen derselben einige Opfer auferlegten. Schon hieraus können Sie schließen, welche Wirkung die Zulagesteuer von 45 Ctms. in den Provinzen auf dem Lande hervorrufen mußte. Diese Steuer ist der Schlüssel der bonapartistischen und legitimistischen Bewegung auf dem Lande und drei Viertel von Frankreich ist Land. Die Auferlegung dieser Steuer ist aber an und für sich, vom ökonomischen Gesichtspunkt aus betrachtet, ein Fehlgriff. Die 45 Ctms. sollen auf das Grundeigenthum fallen. Unser Bauer ist aber nur nomineller Grundeigenthümer. In der Wirklichkeit fließt die Grundrente in die Tasche der Hypothekenbesitzer, der Getraidehändler, der Wucherer, der Hussiers, der Advokaten und der Notare. Der Bauer selbst erhält keinen angemessenen Arbeitslohn, viel weniger Profit und Grundrente. Er befindet sich trotz seines Eigenthumstitels meist in der Lage des irischen Sklaven. Es fehlte der Regierung der Muth, die wirklichen, nicht nominellen Besitzer der Grundrente zu belasten und so hat sie die ackerbauende Bevölkerung, die zudem keine andere Richtschnur als ihr unmittelbar materielles Interesse kennt, der Republik entfremdet. Die Folge davon war nicht nur die Wahl Louis Bonapartes in den Departementen. Gefährlichere Syptome zeigten sich schon in der heutigen Sitzung der Nationalversammlung. Pierre Lerroux bestieg die Tribüne, um der Versammlung anzuzeigen, daß er so eben Privatbriefe aus dem Creuze-Departement erhalten, welche ihm anzeigen, daß in Gueret Bürgerwehr und Landbewohner wegen Zahlung der 45 Centimensteuer in fürchterlichem Kampfe gegen einander ausgebrochen seien und bereits Bruderblut geflossen sei. 12 Paris, 17. Juni. Die reaktionäre Regierung Frankreichs ha das merkwürdige Talent, es nach und nach mit allen Parteien zu verderben. Die mächtigste Partei, an welcher sie sich jetzt vergreift, ist die der ganzen Presse, und man weiß, daß die Journalisten in Frankreich nicht mit sich spassen lassen. Ein Journal in der Provinz wurde von dem Unterkommissär des Departements aufgefordert, Kaution zu stellen, widrigenfalls es nach den „noch in Kraft stehenden Gesetzen verfolgt werden sollte.“ Nun sind aber nach der Februar-Revolution eine Menge Blätter entstanden, die alle keine Kaution zahlten. Der Volksrepräsentant Boulay forderte daher den Justizminister auf, sich über die Absichten der Regierung zu erklären. Der Erklärung dieses Ministers gemäß, beabsichtigt die Regierung den „normalen Zustand“ der Presse wieder herbeizuführen. Um allen Meinungen ihren freien Manifestationen während der Wahlen zu lassen, habe man bisheran keine Kaution gefordert. Doch jetzt beschäftige man sich damit, ein Gesetz auszuarbeiten, das die gemilderte Ausgabe der früheren Gesetze über die Presse sei, um dem Staate bei Preßvergehen eine Garantie in Händen zu geben. Der Gerant des Courrier fr. hat bereits energisch protestirt. Nach dem 24. Februar war die Kaution faktisch abgeschafft, und wenn die alten Journale ihre Kaution nicht zurückgezogen, so geschah es blos, um den Schatz nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen. Die Wiedereinführung der Kaution wäre ein neuer Sieg der großen Kapitalisten. 15Paris, 16. Juni. Die Bauern der 4 Departements Seine, Sarthe, Yonne und Charente inférieure haben Louis Napoleon zum Volksrepräsentanten erkoren, nachdem seine Agenten ihnen versichert, der sauveur werde ohne Weitres die lästigen 45 Centimes die seit Februar von jedem Franken Abgabe mehr erhoben werden, streichen und vielleicht das bereits Gezahlte ihnen ersetzen. Die 30000 Bauern des pariser Weichbildes sind auf's höchste für den „jungen Heros“ begeistert, sie die vor 3 Wochen nur ganz dunkel von seiner Existenz etwas gewußt, haben erklärt sie würden die Waffen ergreifen, wofern die Rationalassemblee den Antrag der Regierungskommission, seine Wahl zu vernichten durchließe. Allenthalben kann man jetzt des Prätendenten Bildnisse und Biographien zu kaufen, ja geschenkt bekommen; hier und da flogen sie aus Fenstern und Kabriolets auf die erstaunden Köpfe der Pariser. Leider ist es erwiesen daß selbst nicht bestochene Ouvriers mit Chorus machten, gradehin es aussprachen: eine Bourgeoisie- und Boutiquierrepublik gewähre dem Volk noch weniger Aussichten als eine pupuläre Diktatur. Soweit geht bereits das Verzweifeln, daß die Chefs der Nationalwerkstätten und die Delegirten der ehemaligen Kommission des Luxemburg ihm durch folgende Affiche entgegentreten mußten: „An alle Arbeiter! Wir, Eure Freunde und Brüder, wir die mit Euch auf den glorreichen Barrikaden fochten und einen das Volk drückenden Thron abermals zerschmettern halfen, beschwören Euch der Vernunft und der Ehre Gehör zu geben. Leihet nicht Euren tapfern Arm den Ränkeschieden die wieder einen Thron und eine Krone verfertigen wollen; das französische Volk ist über solches gefährliche Spielzeug jetzt hinaus. Arbeiter! gedenkt der großen Leiden während 18 Jahren, und unsrer großen That im Februar; gedenkt der Hoffnungen die unsre Kinder auf uns setzen, vergeßt nicht daß das Auge Europas uns französische Arbeiter erwartungsvoll beobachtet. Brüder! Kein französischer Bürger darf einen andern Titel als den eines Bürgers beanspruchen, weiset also jeder Anmaßung den Weg. Es lebe die Republik.“ gez: P. Viucard Präsid., Blum Vicepräsid., Jullien, Lefour, Sekretäre von der Luxemburger Arbeitskommission, Bacon Präsid., Gaulin Sekretär, Ardillon, Petit-Bonnard Lieutenants von den Nationalwerkstätten. Und der energische Sibert, Brigadier der letztern, erließ folgenden Anschlag: „An alle Arbeiter im Namen Aller! Brüder, erwacht, Ihr die Ihr Euch betäubt oder betäuben lassen, erwacht und ergreift das Schild der Ehre welches eine niederträchtige Bande Euch entwinden will. Es ist hohe Zeit, eine grausige Schlinge wird uns Allen gestellt, man schleicht im Dunkeln, man drückt uns Gold in die arbeitslosen Hände, man giebt uns Wein zu trinken, um unsern Rausch auszubeuten. Ha, die Verruchten! sie wähnen, mit Wein und Gold könnten sie eine demokratische sociale Revolution zu Falle bringen! Brüder, seid wachsam, es geht um das Heil des Volkes; wenn wir uns diesmal wieder betrügen lassen, dann wehe uns, dann sind wir werth des ärgsten Fluches. Darum auf und stoßt weit, weit von Euch die Versucher! Es lebe die demokratische sociale Republik!“ Die Epoque ein kleines ironisches Blättchen die als Affische erscheint, ruft: „Der große Prinz aus dem Abendland naht! geschwind einen Thron und Champagner her, insonderheit Champagner wie in Strasbourg und Boulogne.“ Der Gamin de Paris sagt: „Franzosen, Arbeiter, Ihr deren Schweiß den Boden düngt aus dem die Staatsernte emporwächst zu Nutz und Frommen der Bourgeoisie, Ihr deren Blut und Thränen die große Maschine netzt die den s. g. Nationalreichthum producirt, Ihr deren Mütter und Töchter, Schwestern und Frauen von den Seigneurs des Mammon gemiethet und gekauft werden, Ihr die Ihr seit 1789 den Erdball erschüttert habt: Ihr wollt Euch doch wohl jetzt nicht unter den Stiefelabsatz des Däumlings bücken, der einige Phrasen seines Oheims, des verstorbenen Riesen, auswendig gelernt und nur zu intrigiren weiß mit Hülfe des Geldes und der Volksverräther? Der Oheim hat die Anarchie erstickt und der Nation Ruhm geschenkt, dafür hat sie ihn bewundert und angebetet zu seiner Zeit; heute aber sind sie beide quitt mit einander, Napoleon der Kaiser und Frankreich die Republik. Fluch dem Tollhäusler der diese alte Tragödie in einer modernen Komödie nachäffen will; Fluch und Widerstand ihm bis auf den Tod!“ 15 Paris, 17. Juni. Das kleine Blatt: La Republique rouge spricht sich über den „Lordmayor“ der „guten“ Stadt Paris aus: ‚So seltsam stand es bei uns noch nie, die ganze Munizipaladministration resumirt sich in einem einzigen Manne. Er aspirirt offenbar nach dem Präsidentensessel. Jetzt thront er behaglich im Pallast des Hotel de Ville; wäre das Volk dabei um Rath zu fragen, er müßte bald wieder in sein Journalbüreau, gewiß sehr heilsam für dies Journal …“ Er gilt als Hauptanstifter des Gesetzes gegen die Zusammenrottirungen unter freiem Himmel; gegen dasselbe wird die Gesellschaft „der Menschen- und Bürgerrechte“ einen Protest einreichen. Das Journal „Assemblee nationale“ verlangt jetzt Herstellung des bonapartischen Throns und ersucht den Prinzen Louis, recht bald die Bourbons zurückzurufen; bei diesem Anlaß ruft die Republique rouge: „Wir alle gehen dem Abgrund zu; der Proletarier hungert, der Bourgeois bettelt; der Kredit ist erstorben; der Handel gelähmt, kann nicht mehr die Adern des Gesellschaftskörpers durchströmen. Und was das Schlimmste, selbst die großartigsten Erschütterungen bieten keine Hoffnung mehr; die Luft ist unathembar geworden; im Palast Luxemburg die fünf Männer, ängstlich nach der Macht haschend, die ihnen täglich entschlüpft; im Hotel de ville, eine Unzahl kleinlicher Komplotte unter Direktion des Lordmayor; in der Nationalassemblee bemüht man sich, die Leiche der verstorbenen Charte zu galvanisiren. Gerechter Himmel! wäre dies wirklich das Geschick des großen Volks, von Guizot auf Marrast, von Marrast auf Thiers zu kommen?“ Ein anderes Blättchen: Le Tocsin des Travailleurs sagt: „Die Deputirten fragen: bekommen wir einen Präsidenten? das Volk fragt: bekommen wir Brod? Die Deputirten: bekommen wir eine oder zwei Kammern? das Volk: bekommen wir Brod? Das ist das uralte Lied; es ähnelt ziemlich der Antwort des armen Weibes, die mit einer weiblichen Deputation zur provisorischen Regierung zog und von einem Bourgeois hören mußte: sie solle lieber daheim bleiben und Strümpfe ausbessern oder Suppen kochen; „ganz richtig, rief sie, wir Frauen hier gehen zur Regierung um Strümpfe und Suppen für die, welche beide nicht haben, zu verlangen.“ Diese echten Proletariatszeitungen sind nicht einig über das Projekt des Riesenbankets von einigen Tausend Arbeitern à 5 Sous per Kopf; der Père Duchene ist zwar noch dafür und verwahrt sich gegen das Gerücht von aristokratischen Geldzuschüssen in die Banketskasse, aber es ist mindestens auf einige Wochen ausgesetzt; die Nationalgarde scheint so erbittert zu sein, daß sie den ersten Angriff zu machen im Stande wäre. Bourgeoisartillerie ist jetzt neu einexerzirt. Freilich stehen viele Ouvriers in Reih und Glied und möglich, daß in den einzelnen Kompagnien der Bürgerwehr selber der Kampf entbrennt; möglich auch das Gegentheil; die Entwickelung geht jetzt so, daß die Pariser selbst nicht über eben Geschehenes sich Rechenschaft ablegen, noch das bald Nothwendige vorauszusehen wagen. ‒ Ein Journal: „Le Tribun du peuple“ wird erscheinen und sich speziell gegen den Favoritismus, die Aemterhäufung und dgl. wenden. Der Licentiat Laviron sagt im Programm: „Der Bürger Buchez sprach Namens der provisorischen Regierung es aus, die Republik ist verpflichtet, alle ihre Kinder zu ernähren; eine Regierung ist verantwortlich für Elend, welches nicht selbst verschuldet ist. So redete einst, daß heißt vor einigen Wochen Bürger Buchez. Wir, der Klub der Literaten, sind überzeugt, daß ein schändlicher Hochverrath darin liegt, einigen Individuen Ueberflüssiges preiszugeben während viele andere noch nicht das Nothwendige besitzen. Wir opponiren gegen die schamlose Kumulirung und Exploitation aller Art, die seit unserm Februar recht an der Tagesordnung zu sein, sich recht zu brüsten scheint. Blickt umher, überall im Dunkeln schleichende Protektion, überall hündisches Antichambriren und Kriechen. Der Faullenzer triumphirt nach wie vor dem Februar über die Arbeitenden. Die Sieger hatten die Thorheit begangen, nicht sogleich mit eignen Händen die Mißbräuche zu entwurzeln. Wir, Klub der Literaten sind entschlossen, sämmtliche öffentliche Beamten Revue zu passiren, vom obersten bis zum untersten Range; unser Blatt wird ihre Titel Ansprüche, Wirksamkeit, Arbeitszeit und Jahrgehalt unerbittlich nach der Statistik publiciren und kritisiren. Fakta sollen seine Waffe sein, nichts als Fakta um dadurch das Ungeheuer der Korruption zu schlagen.“ Allerdings sieht es ungefähr wie unter Louis Philipp aus; z. B. unser Herr Paguerre, dieser libraire democrate par excellence, dieser père de famille modèle, dieser citogen intègre wie der National ihn nannte und nennt, bekleidet fünf gut bezahlte Posten und führt dabei seinen Buchhandel fort; die Gesandtschaftsstellen werden statt an erlesene Demokraten an Legitimisten und Philippisten gegeben, und der Minister des Auswärtigen ist eher für drei supplicirende Comtessen als für einen Barrikadenmann zu sprechen. Das Blatt „Le Volcan“ geschrieben von La citoyen ne sans peur sagt in seiner letzten Nummer: „Die Exekutivkommission hat durch das Gesetz gegen die Zusammenschaarungen unter freiem Himmel eine klägliche Menschenunkenntniß verrathen; sie sollte wissen, daß in Paris ein Monument, z. B. schlecht beschützt ist durch die Aufschrift: Verunreinigung ist verboten, und hieraus konnte sie auf den Erfolg des Zusammenrottirungsverbotes schließen. Zudem sind seine Strafen so kolossal, daß sie gleichsam zum Trotzen recht herausfordern. Ihr Herren von Luxembourg, Ihr habt einen gefährlichen Gewitterableiter neben Euch aufgestellt.“ Großbritannien. 20 London, 17. Juni. Oberhaus-Sitzung vom 16. Juni. Der Earl Fitzhardinge überreichte zwei Petitionen, die eine vom Pächter des Haymarket Theater, die andere vom gesammten Personale des Lyceum-Theaters unterschrieben. Die Petenten verlangen Schutz gegen die Konkurrenz fremder Schauspieler; mit Ausnahme der italienischen Oper soll nirgends sonst ein fremder Schauspieler geduldet werden. Obgleich sie den schmählichen Aufruhr in Drury-Lane gegen französische Schauspieler nicht billigen, so sind sie in der That doch ganz von demselben Geiste beseelt, der sich in dem Benehmen der Tumultuanten vom Drury-Láne Theater zeigte. Die Lords Beaumort, Brougham, Herz, v. Cleveland und Spencer waren einstimmig gegen die Petitionen, deren Illiberalität dem englischen Namen dem englischen Namen nirgends zur Ehre gereichen könne. Lord Stanley machte sodann einen Versuch, ob nicht ein Bischen Getraidezoll im Gegensatz zu dem früheren Parlamentsbeschluß beizubehalten wäre. Er verlange das nicht als Schutzzoll, sondern zum Zweck erhöhter Staatseinnahmen. Er wünsche daher, daß der jetzt bestehende Zoll noch auf 5-6 Monate verlängert und dann vom nächsten Parlament entschieden werde, ob es nicht vortheilhaft sei, eine kleine feste Abgabe von eingeführtem Getraide fortzuerheben. Das Haus ging auf dieses protektionistische „Wünschchen“ nicht weiter ein. ‒ Unterhaus-Sitzung vom 16. Juni. Lord John Russel setzte seinen Plan der Aufhilfe für Westindien auseinander, der hauptsächlich darin besteht, daß den dortigen Pflanzern zu den bereits geliehenen 160,000 Pfd. Sterl. noch 1/2 Million vorgeschossen. oder eine Anleihe von diesem Betrage durch den Staat garantirt werden soll, um ihnen die Einführung „freier“ (!!) Arbeit möglich zu machen. Der zweite Theil des Planes betrifft Abänderung der jetzigen, für Zucker gesetzlich bestimmten Zollscala. Lord J. Russel fand wenig Beifall. Die westindischen Pflanzer klagen, daß der Plan nur ihren Ruin beschleunige, die Freihandelsmänner wenden ein, daß man Jamaica auf Kosten des ohnehin durch Geschäftsstockung, Pauperismus etc. leidenden Lancashire helfen wolle. Das Haus stimmte schließlich dafür, daß es den Russel'schen Plan nächsten Montag in Comité-Berathung nehmen will. Zuletzt gaben noch die Schifffahrtsgesetze zu einer sehr heftigen, mitunter scharf persönlichen Debatte namentlich zwischen Disraeli und Hawes, Hudson und Hume etc. Veranlassung. Die Gegner der Aufhebung jener Gesetze stemmten sich mit aller Macht dawider, daß sich das Haus zur Comité bilde. Als dies bei der Abstimmung dennoch mit einer Majorität von 87 beschlossen wurde, legten sie der weitern Berathung so viele formelle Hindernisse in den Weg, daß man die Comit-Sitzung endigen und zu den übrigen Gegenständen der Tagesordnung übergehen mußte. Schluß der Sitzung um Mitternacht. ‒In Bingley (Yorkshire) sind vorigen Donnerstag früh wiederum 5 Chartisten aus ihren Betten geholt und nach York Castle in's Gefängniß geschleppt worden. ‒ Dem progressistischen Deputirten Olozaga ist seine Flucht aus Spanien gelungen. Er langte gestern wohlbehalten in London an. ‒Tom Steele, der mit O'Connell so lange für Repeal kämpfte, es aber, ungleich O'Connell, mit Irland aufrichtig und ehrlich meinte und die Repealfrage nicht als Milchkuh zur Befriedigung seiner Selbstsucht benutzte, ist dieser Tage in einem Wirthshaus zu London als ‒ Pauper (hilfloser Proletarier) gestorben. ‒Consols schlossen zu 831/2, 5/8 für Rechnung. ‒ Der Colonialmarkt befand sich während dieser Woche für die meisten Artikel in großer Flauheit. Pfuel nach Berlin berufen. Hommes lettrés (Nro. 5 rue de I'lale), das französische Wort hat nicht die schlechte Bedeutung, die sich an das deutsche knüpft.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 20. Köln, 20. Juni 1848, S. 0087. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz020_1848/3>, abgerufen am 26.04.2024.