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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 131. Köln, 1. November 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] später um 8 Uhr Abends genommen, ist der Sicherheits-Ausschuß im Einvernehmen mit dem Commandeure der Bürgerwehr in die Lage gebracht worden, 2 Bataillone Militär, jedoch lediglich zur Aufstellung im Königlichen Schlosse zu requiriren, welche dem Bürgerwehr-Commando zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Maaßregel wurde durch ungünstige Rapporte aus den verschiedenen Theilen der Stadt herbeigeführt, um das Commando der Bürgerwehr in den Stand zu setzen, Hülfe nach den bedrohten Punkten der Stadt aus der Bürgerwehrbesetzung des Schlosses zu entsenden. Das Millitair hatte daher nur die Bestimmung im Schloßhofe aufgestellt, durch obige Maaßregel etwa nothwendig werdende Requisition des Bürgerwehr-Commandeurs, gewärtig zu sein. Der Sicherheits-Ausschuß durfte kein Bedenken tragen, einer solchen Maaßregel zu genügen, wie er eben so wenig Bedenken trug, dieselbe auf Erfordern des Bürgerwehr-Commandos, als unmittelbar darauf die Umstände sich günstiger gestaltet hatten, rückgängig zu machen.

Um für ähnliche Fälle jede Besorgniß wegen der Stellung des Militärs zu der Bürgerwehr zu begegnen, hat der Sicherheitsausschuß von dem königl. Staatsministerio die Erklärung und resp. amtliche Zusage erbeten, daß das vom Sicherheitsausschusse und dem Bürgerwehrkommando requirirte Militär, auf Verlangen derselben jederzeit wieder zurückgezogen werden müsse. Wir haben es für nothwendig erachtet, dies zur öffentlichen Kenntniß der Bewohner Berlins zu bringen, um durch eine vollständige Darlegung der Anordnungen das Vertrauen zu denselben zu kräftigen, da die Stadtbehörden bei allen ihren Beschlüssen nur ein Interesse leiten kann, das Interesse des Vaterlandes mit dem der Stadt durch Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit, gegen jedwede widersetzliche Ueberschreitung auf das engste zu verbinden, und dadurch es möglich zu machen, daß die Bewegungen, welche die Entwickelung des Völkerlebens überall hervorgerufen haben, für unser Vaterland sich im freien Wege der geistigen Revolution auf dauernde Weise beruhigen, und zur Wohlfahrt Aller sich verwahrheiten.

Berlin, den 28. Oktober 1848

Der Magistrat und die Stadtverordneten-Versammlung.

Schönwaldau bei Schönau, 23. Oktober.

Ein hiesiger Bauer hat auf dem Kirchhofe zwei Grabsteine von zwei verstorbenen Ehefrauen. Die Wurzeln einer nahebeistehenden Pappel verrücken fortwährend diese Steine und drohen sie zuletzt umzustürzen. Die Bitten jenes Bauers: "der gnädige Herr Patron möge erlauben die revolutionäre Pappel zu fällen," blieben unerhört, bis endlich die Märztage dem Bauer den Muth einflößten, sich selbst Recht zu verschaffen, d. h. durch den Todtengräber den bewußten Baum niederhauen zu lassen. - Der Gutsherr, welchem jener Bauer ein Dorn im Auge ist, da er meist an der Spitze der Gemeinde gegen die feudalen Willkürlichkeiten operirt hat, verklagt den Bauer und Todtengräber beim Criminalgericht zu Jauer unter der Firma: "Tumultsache." (!) - Gestern nun kam von dort das Erkenntniß. Man höre: "Der Bauer ist verurtheilt zu acht Wochen Gefängniß; - Todtengräber zu acht Wochen Zuchthaus, Verlust der Nationalgarde und der Kriegsdenkmünze (!!)." Die Gemeinde ist durch diesen Akt der Gerechtigkeit furchtbar aufgeregt, um so mehr als der Gutsherr (Müller heißt er) seit Jahren schon die Kirchhofspappeln, welche von der Gemeinde zur Zierde des friedlichen Platzes gesetzt worden sind, jeden Sommer ihres Laubes berauben läßt, um Schaffutter zu gewinnen, - so daß man in der Regel keine Bäume, sondern die unheimlichen Gerüste eines Hochgerichtes vor sich zu sehen glaubt.

(O. Ztg.)
Frankfurt.

Der Ekel, den wir schon lange gegen die in der Paulskirche gepflogenen Verhandlungen empfinden, theilt sich nun endlich auch den Gemäßigteren der bei jenen Verhandlungen selbst Betheiligten, den Gemäßigteren der sogenannten Volksvertreter mit. Daß aber jetzt ein Leue, ein ehrlicher Mann der guten rechten Mitte, ein Republikanerfeind, öffentlich gegen die Versammlung auftritt, in deren Mitte ihn selbst das Vertrauen seiner Wahlmänner berufen: das ist eine Thatsache, über welche die Presse nicht schweigend hinweggehen darf. Leue, Deputirter für Salzwedel und Gardelegen, erläßt eine Erklärung von Frankfurt den 19., in der er sich über die Verhandlungen gegen Zitz, Simon und Schlöffel in offener Weise ausspricht.

"Mit der Gewißheit" - ruft Leue, der Jurist, der Oberprokurator aus - "mit der Gewißheit, daß gar keine strafbare Handlung vorliegt, daß die Freisprechung von der Anklage, wie sie formuliert ist, das unausbleibliche Resultat sein wird, sollen drei Abgeordnete des deutschen Volkes einer langwierigen Untersuchung hingegeben werden! Die es getroffen hat und deren Anhänger werden sagen, daß sie der numerischen Stärke ihrer Gegenpartei unterlegen hätten. Und wirklich würde diese Angabe in dem Umstande eine scheinbare Bestätigung finden, daß die rechte Seite und das Centrum des Hauses für die Genehmigung der Untersuchung, die linke Seite dagegen stimmte. Jener merkwürdige Beschluß erklärt sich indeß einfach daraus, daß die Versammlung in völliger Unkenntniß über den Kern der Frage geurtheilt hat, weil sie nicht ein Wort zu ihrer Belehrung darüber gehört hatte."

Und nachdem er einen kurzen Bericht von dem Inhalte der Reden gegeben hat, schließt er seine Erklärung also:

"Dieser eine Fall gibt ein Bild unserer Versammlung. Beredsamkeit findet man keine, aber eine Redseligkeit, vor der man sich nicht zu retten weiß.

Durch dieses eitle Geschwätz und so manche unverständige Beschlüsse (dessen natürliche Folge), durch das Verderben der kostbarsten Zeit haben wir das Vertrauen des Volkes verloren. Ohne den Besitz einer physischen Macht waren wir im Anfange allmächtig durch die Gewalt der öffentlichen Meinung, und wir sind nichts mehr, wenn wir von ihr nicht gehalten und getragen werden. Niemand erwarte sodann das Heil unseres Vaterlandes von Frankfurt aus; in Wien und Berlin wird es ausgemacht werden, leider vielleicht mit Kanonen!"

So der Deputirte Leu.

(A. Od.-Z.)
Thiengen, 26. Okt.

Bei der heute stattgehabten Wahl eines Deputirten zur Nationalversammlung in Frankfurt erhielten von 135 Stimmen

Dr. Friedrich Hecker von Mannheim 82 Stimmen.
Ober-Amtm. Dreyer von Blumenfeld 50 Stimmen.
Fabrikant Buhl von Ettlingen 2 Stimmen.
Frhr. v. Andlaw in Freiburg 1 Stimmen.

135 Stimmen.

(M. Abendz.)
Botzen, 21. Okt.

Der Feldmarschall Graf Radetzky hat aus dem Hauptquartier, Mailand, den 16. Oktober, an die Soldaten der Garnison von Wien folgende Worte gerichtet: "Ich bin nicht Euer kommandirender General, Ihr seid nicht gewohnt, auf meine Stimme zu hören und ihr im Kampfe zu folgen; aber als Feldmarschall und ältester Soldat der Armee steht mir das Recht zu, ein ernstes Wort an Euch zu richten. Unerhörte Dinge haben unter Euern Augen stattgefunden, Oesterreichs makellose Fahne ist durch Verrath und Blut befleckt. Zum zweiten Male hat Euer Kaiser aus seiner Hauptstadt fliehen müssen; der Kriegsminister, Feldzeugmeister Graf Latour ward grausam und schändlich ermordet, sein Leichnam entehrt. Ein tapferer General fiel, wie man sagt, durch die Hand eines Grenadiers! Ein Grenadier-Bataillon vergißt in Orgien und schändlicher Trunkenheit seine Pflicht, verweigert den Gehorsam und feuert, o ewige Schmach! auf seine eigenen Waffenbrüder. Soldaten der Wiener Garnison, sagt mir, im Namen der Armee von Italien, Eurer Waffenbrüder, frage ich Euch - habt Ihr Eure Pflicht gethan? Wo war die Wache, die den Feldzeugmeister Latour vertheidigen sollte, die eher zu seinen Füßen sterben mußte, als ihn der Wuth eines blutdürstigen aufgereizten Pöbels preisgeben? Wo weilen die Verräther, die unsere Fahne mit Schmach bedeckten? Hat sie die gerechte Strafe schon ereilt? Oder schleppen sie ihr verächtliches Dasein noch in den Reihen der Empörung fort? Soldaten! Schmerz ergriff mich, Thränen erfüllten mein altes Auge, als ich die Kunde dieser in den Annalen der österreichischen Armee unerhörten Schandthaten erfuhr. Ein Trost blieb mir noch: daß es nur ein kleiner Haufe war, der seine Ehre so schändlich vergaß, seine Pflicht so schmachvoll verletzte. An Euch, Ihr treugebliebenen wackern Männer, ist es nun, den Thron Eures Kaisers und die freisinnigen Institutionen zu schützen, die seine väterliche Güte seinen Völkern verlieh, und die eine Horde von Empörern so schändlich mißbraucht. Soldaten! öffnet die Augen vor dem Abgrunde, der sich vor Euren Füßen aufthut; Alles steht auf dem Spiele, die Grundfesten der bürgerlichen Ordnung sind erschüttert, das Besitztthum, Moral und Religion mit Untergang bedroht, Alles, was dem Menschen heilig und theuer ist, was die Reiche gründet und erhält, will man vernichten. - Das, und nicht die Freiheit ist der Zweck jener Aufwiegler, die Euch mit in Schande und Verderben reißen wollen. Soldaten! In Eurer Hand liegt jetzt der Schutz des Thrones und mit ihm die Erhaltung des Reiches. Möge Gottes Gnade mir gestatten, den Tag zu erleben, wo man sagen wird: "Die Armee hat Oesterreich gerettet," dann, erst dann wird der 6. und 7. Oktober dieses unheilschwangeren Jahres gesühnt sein und in Vergessenheit sinken, dann reicht Euch die Armee von Italien, die jetzt die Gränzmarken der Monarchie gegen äußere Feinde schützt, die Bruderhand. (Gez.) Radetzky, Feldmarschall."

Ein zweiter Armeebefehl, Hauptquartier Mailand, den 18. Okt. 1848, lautet im Wesentlichen wie folgt: "Soldaten! Ich habe Euch den Aufruf bekannt gemacht, den ich an die Garnison von Wien erließ. Ihr werdet daraus ersehen haben, daß das Grenadier-Bataillon Richter, im Rausche seine Pflicht vergaß, den Gehorsam verweigerte und auf seine Kameraden feuerte. Es ist mir die Nachricht zugekommen, daß dieses Bataillon reumüthig zu seiner Pflicht zurückgekehrt und, damit es seine Reue durch die That beweisen könne, den Kommandirenden gebeten habe, es an die Spitze der ersten Sturmkolonne zu stellen. Soldaten! Ich habe Euch mit der Schmach dieses Bataillons bekannt gemacht, ich muß Euch auch seine Reue mittheilen."

Italien.
*

Man berichtet aus Mailand, daß 1900 Ungarn, theils in der Stadt, theils in deren Umgebungen kantonnirt, in Masse nach ihrer Heimath desertirt sind.

Die Physiognomie Mailands ist ruhig; die Einwohner fürchteten jedoch, daß es im Kriegsfalle zu einer Entscheidung in und um Mailand kommen wird, und viele wandern deshalb aus. Das Gold hat einen außergewöhnlich hohen Preis erreicht. Auf jeder Ecke und fast an jedem Hause liest man die Inschriften: Nieder mit der östreichischen Regierung! Es lebe Italien! Es leben die Ungarn! Die Sterblichkeit unter den östreichischen Truppen nimmt in beunruhigender Weise zu; jede Nacht werden 60 bis 70 Soldaten begraben. Typhus, gelbes Fieber und andere akute Krankheiten raffen die meisten hin; China wird selten. Die täglichen Auslagen belaufen sich für Mailand auf 80,000, für Monza auf 7 bis 8000 Lire. Der Augenblick zur Eröffnung des Feldzuges könnte nicht günstiger sein.

Die Bewegung zeigt sich allenthalten und in aller Weise. Durch Turin passirte eine Schaar bewaffneter Lombarden, um sich nach Frankreich zu begeben. Zu Reggio, zu Lukka, überall nationale Demonstrationen. Am meisten aber ist Livorno aufgeregt. Als Montenelli, vom Großherzog nach Florenz berufen, am 21. Okt. die Stadt verließ, wurde sofort auf dem Schloßplatze eine bewaffnete Demonstration organisirt, Emissäre begaben sich nach den verschiedenen Punkten Toskana's, das Volk besetzte die Forts und die Thore, Montenelli konnte nur mit Mühe abreisen. Das neue Ministerium ist noch immer nicht definitiv gebildet.

Französische Republik.
Paris, 29. Okt.

Heute, Sonntag, weder Börse noch Nationalversammlung. Dagegen hält Cavaignac so eben (Mittags) bei ziemlich trübem Wetter über die gesammte Mobilgarde auf dem Marsfelde eine Revue ab, während Changarnier seiner Seits drei Legionen der Bürgerwehr in dem Tuilerienhofe an sich vorbeimarschiren ließ.

- Der Moniteur erfreut uns diesen Morgen mit einer bogenlangen Instruktion, des Ackerbauministers Tourret rücksichtlich der Anlage der neuen Ackerbauschulen (Aufnahme der Schüler u. s. w.) mittelst welcher die Nationalversammlung den Werth unserer Ackerbürger zu heben gedenkt.

- Der Moniteur veröffentlicht heute die amtlichen Tabellen über den maritimen Handelsverkehr während der ersten 9 Monate des Jahres 1848. Hieraus ersehen wir folgendes Sinken des maritimen Handels:

Während der ersten 9 Monate des Jahres 1846 bezog die Staatskasse blos an Zufuhrzöllen noch die Summe von 114,394,806 Fr., während derselben Frist des Jahres 1847 fielen diese Steuern auf 99,847,294 Fr. und bis zum 1. Okt. 1848 sanken sie sogar auf 62,826,100 Fr. Die Ausfuhrzölle fielen von 112,522 Fr. (1846) und 122,342 Fr. (1847) auf 96,527 Fr. bis zum 1. Okt. 1848. Hiebei ist jedoch der Spezialhandel mit und ohne Prämien nicht gerechnet. Der Spezialhandel ohne Prämien auf ausschließlich französische Waaren brachte bis zum 1. Okt. 94,240 Fr., im Jahre 1847 aber 118,140 und 1846 noch 109,716 Fr. Zölle. Die Ausfuhrzölle von reinfranzösischen Produkten mit Prämien erreichten für einzelne Posten z. B. Seide, Zucker, Baumwolle etc. auch in diesem Jahre noch die Höhe von 20-40,000 Fr.

"Aber wenn das Land meint, mich für dieses Amt bezeichnen zu müssen, so glaube ich für die Verweigerung desselben kein größeres Recht zu haben, als ich am 24. Febr. gegen den Volkswillen hatte, Paris ohne Regierung zu lassen."

Ich glaube mich keineswegs von einer solchen Gefahr bedroht und ich berichtige den Kurrier de la Gironde blos deshalb, um für die Folge jedem Mißverständniß vorzubeugen. Mich um die Präsidentschaft eifrig bewerben, wäre lächerlich; sie zu wünschen, wäre verwegen; sie zu verweigern, hieße der Republik in seinem Vaterlande widerstehen. Ich bin eines solchen Ehrgeizes unfähig, aber auch unfähig einer solchen Feigheit.

Genehmigen Sie, Herr Redakteur u. s. w.

(gez.) Lamartine.

- Gestern hörten wir ein neues Volksblatt "Les Judas de la Republique" ausrufen. Ebenso ein sozialistisch-demokratisches Programm, dessen Verfasser Jules Lechevalis ist.

- Heute Vormittag zwischen 10 und 12 Uhr fuhren abermals 800 Proletarier vom Quai de Saint-Bernard nach ihrem neuen Bestimmungsort, Algerien, ab.

- Louis Napoleon Bonaparte, unser künftiger demokratischer Kaiser, jagte vorgestern mit A. Dumas in den Forsten von St. Germain. Er konnte darum der Nationalversammlung unmöglich beiwohnen.

Ferner wird erzählt, daß sich S. kaiserl. Majestät um die Aufnahme in den Jocquey-Klub bewerben.

- Die Nationalversammlung hat gestern Abend mit 436 gegen 281 Stimmen beschlossen, daß der künftige Präsident der Republik auf Erhaltung der neuen Verfassung und der republikanischen Staatsform schwören müsse. Die moralische Sanktion im Auge des Volks!... Es handele sich um Stellung des Volksgewissens! rief die gesammte Rechte und der politische Eid wurde für den Präsidenten ausnahmsweise wieder eingeführt. Somit erlitt die provisorische Regierung in der Person des Hrn. Cremieur eine abermalige Niederlage.

- Es gibt fast keine Stadt, die nicht ihr demokratisch-sozialistisches Bankett haben wollte. Heute finden davon in den verschiedenen Städten der Republik nicht weniger als 42 statt, wie wir aus einer uns zu Gesicht gekommenen polizeilichen Notiz ersehen.

- Ledru-Rollin führte gestern den Vorsitz, sagt man, in Aubenas. Wir sahen das ehrenwerthe Glied in der That nicht in der Nationalversammlung.

- Lamartine beeilt sich, aus seinem Sommersitz bei Macon folgendes Schreiben an die hiesigen Journale zu richten, in dem er gegen die Behauptung protestirt, daß er auf den Präsidentenstuhl der Republik verzichte:

Saint-Point 26. Okt.

Herr Redakteur des Journal des Debats!

Ich lese in dem Journal des Debats einen dem Kurrier de la Gironde entnommenen Artikel, den zu berichtigen ich Sie um Erlaubniß bitte. Ich antwortete in der That einem Korrespondenten aus Bordeaux in einem Briefe folgende Worte:

"Ich trete nicht als Kandidat für die Präsidentschaft vor. Ich bitte Gott und meine Freunde, eine meinen Kräften so unangemessene Bürde fern zu halten."

- Sibour, der neue Pariser Erzbischof an Affres Stelle (der an der Barrikade erschossen wurde) hat zwei Hirtenbriefe erlassen, die nichts weniger als liberaler oder republikanischer Natur sind. Er zieht darin gegen den Sozialismus fürchterlich zu Felde und außerdem scheint ihm die Verbesserung oder Emanzipation der niederen Geistlichkeit aus dem Unterthanenzwange der Bischöfe weniger als dem Affre selbst am Herzen zu liegen.

* Paris, 29. Okt.

Bugeaud fährt fort, sich als Kandidaten zur Präsidentschaft der Republik zu geriren.

An den Redakteur des "Currier de la tomme", Hrn. Viktor de Bouvion hat er folgendes Sendschreiben erlassen.

"Sie haben die ausnehmende Güte, mir den Currier de la tomme zuzuschicken. Wem kann ich diese Galanterie, die ich unendlich schätze, zuschreiben? Nur der guten Meinung, die sie von meiner Hingebung an die wahren Interessen des Landes haben, von meiner Ordnungsliebe, von meiner energischen Mißbilligung der sogenannten socialistischen Theorien. Sie haben sich nicht getäuscht, mein Herr; es gibt kein Opfer in der Welt, das ich zu bringen nicht bereit wäre, um die Gesellschaft zu vertheidigen gegen die Barbaren, welche sie bedrohn mit einer Ausdauer und einer Kühnheit, welche die Freunde der Ordnung zur Vertheidigung der Gesellschaft nachahmen sollten. Man muß noch waghalsiger sein als die Unruhstifter, und die Gesellschaft wird gerettet sein.

Ich wünschte, es wäre mir gegeben alle wohlmeinenden Leute zu bestimmen, in der Politik eine Regel militärischer Taktik zu befolgen, die mir immer geglückt ist: es ist die, die Defensive offensiv zu machen.

Sollte es wahr sein, daß es unmöglich ist, so viel Feuereifer für das Gute zu haben, wie die Schlechten für das Böse haben?"

Trotz alledem ist Bugeaud kein ernsthafter Kandidat. Gelingt es wirklich, es bis zur Präsidentenwahl zu bringen, so fällt die Präsidentenkrone auf das Haupt eines Cretins - Louis Napoleons.

Von dem Fanatismus der Bauern an der Loire, in Burgund und Franche-Corte, in Lothringen, Champagne, Isle de France, Pikardie und Normandie für den Namen Napoleon macht man sich keine Vorstellung.

Großbritannien.
*

Die "Breslauer Zeitung", das Organ der Weinreisenden, des kein Deutsch verstehenden Engländers, genießt auch jenseits des Kanals des ihr gebührenden ausgezeichneten Rufes. Der "Standard" vom 27. Oktbr. gibt ihr, bei Gelegenheit ihrer Nachricht, die Russen würden mit 100,000 Mann auf Wien losmarschiren, sobald die Ungarn die österreichische Gränze überschritten hätten, ein glänzendes allgemeines Mißtrauensvotum.

* London, 28. Okt.

Ein Jahr ist ungefähr verflossen, seit der eiserne Herzog, der alte Wellington, eines Morgens emporfuhr aus schweren Träumen. Er zog seine Reitstiefeln an, setzte sich an sein Schreibpult und schrieb einen Brief an Sir John Bourgoyne.

Dieser Brief machte damals großes Aufsehen; er ging durch die ganze europäische Presse. Wenn nicht die Revolution dazwischen gekommen wäre, so sprächen die Engländer vielleicht noch davon. Glücklicherweise kam aber eben die Revolution.

Der alte Herzog schrieb nämlich damals an Sir John, daß sich die englischen Küsten in einem wahrhaft beunruhigenden Zustande der Vertheidigungslosigkeit befänden, und daß es den Franzosen ein Leichtes sein würde, bei Nacht und Nebel plötzlich einmal herüberzufahren und zu landen und London in Brand zu schießen und ein Unheil anzurichten, wogegen die Zerstörung Karthagos ein Kinderspiel sei.

Hübsch gedruckt stand dieser Brief in der Times, in der Morning Post, im Standard, und man kann sich denken, wie den guten Britten zu Muthe war und wie ihnen die Haare zu Berge standen, als sie von so hoher Autorität so entsetzliche Dinge hörten.

Die Franzosen in London! - John Bull entfärbte sich; er ließ die Arme sinken; er wußte nicht, ob er fluchen oder beten sollte: der Gedanke war zu schrecklich. - Aber der Herzog hatte alles auf's schönste ausgemalt. Man meinte, man sähe die kleinen Franzosen aus ihren Schiffen hüpfen, jetzt in Reihe und Glied springen und dann nach der Metropole marschieren, um im Hayde-Park Kankan zu tanzen, um im London-Kaffeehause Turtlesuppe zu essen und singend durch die City zu ziehen. Der Brief des alten Herzogs ließ das schlimmste fürchten. Männer und Weiber träumten nur von Franzosen. Wer weiß, wem diese Träume am unangenehmsten waren?

Acht oder vierzehn Tage dauerte dieser Skandal; man machte schon Pläne, wie man dem herannahenden Unglück durch die großartigsten Maßregeln steuern könne, und schon wollte sich Groß und Klein zu einer allgemeinen Befestigungswuth hinreißen lassen, als plötzlich Cobden, der Baumwollheiland Cobden, dem eisernen Herzog in die Zügel fiel und nicht nur erklärte, daß es Wahnsinn sei, die Streitkräfte des Landes zu vergrößern, sondern daß man im Gegentheil darauf bedacht sein müsse, die Armee und die Marine bis auf ein wahres Minimum zu reduziren.

Jeder andere Manchester-Mann würde sich lächerlich gemacht haben, wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, sich in kriegerischen Dingen mit dem Helden von Waterloo messen zu wollen; Cobden stand aber damals noch auf dem Gipfel seines Ruhmes; der Mann, der eben erst die alte Aristokratie in der Kornzollfrage so glänzend geschlagen hatte: er konnte Alles wagen, er durfte selbst einem Wellington feierlich entgegentreten.

Cobden war Held des Tages. Um seine niedrige Stirn grünten noch die Lorbeeren, die er auf der Reise durch Frankreich, durch Italien und durch Deutschland gepflückt hatte; die englischen Blätter brachten noch die letzten Freihandelstoaste aller großen Städte des Kontinents, Toaste auf Richard Cobdens Wohl, und auf das Wohl seiner Genossen Bright, Wilson und Thompson; dem Triumph der Freetrader daheim war der sehnlich erwünschte Beifall des Auslandes gefolgt und der Beifall des Auslandes ließ den Liebling der Mittelklasse nur um so mehr in der Gunst der

[Deutschland]

[Fortsetzung] später um 8 Uhr Abends genommen, ist der Sicherheits-Ausschuß im Einvernehmen mit dem Commandeure der Bürgerwehr in die Lage gebracht worden, 2 Bataillone Militär, jedoch lediglich zur Aufstellung im Königlichen Schlosse zu requiriren, welche dem Bürgerwehr-Commando zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Maaßregel wurde durch ungünstige Rapporte aus den verschiedenen Theilen der Stadt herbeigeführt, um das Commando der Bürgerwehr in den Stand zu setzen, Hülfe nach den bedrohten Punkten der Stadt aus der Bürgerwehrbesetzung des Schlosses zu entsenden. Das Millitair hatte daher nur die Bestimmung im Schloßhofe aufgestellt, durch obige Maaßregel etwa nothwendig werdende Requisition des Bürgerwehr-Commandeurs, gewärtig zu sein. Der Sicherheits-Ausschuß durfte kein Bedenken tragen, einer solchen Maaßregel zu genügen, wie er eben so wenig Bedenken trug, dieselbe auf Erfordern des Bürgerwehr-Commandos, als unmittelbar darauf die Umstände sich günstiger gestaltet hatten, rückgängig zu machen.

Um für ähnliche Fälle jede Besorgniß wegen der Stellung des Militärs zu der Bürgerwehr zu begegnen, hat der Sicherheitsausschuß von dem königl. Staatsministerio die Erklärung und resp. amtliche Zusage erbeten, daß das vom Sicherheitsausschusse und dem Bürgerwehrkommando requirirte Militär, auf Verlangen derselben jederzeit wieder zurückgezogen werden müsse. Wir haben es für nothwendig erachtet, dies zur öffentlichen Kenntniß der Bewohner Berlins zu bringen, um durch eine vollständige Darlegung der Anordnungen das Vertrauen zu denselben zu kräftigen, da die Stadtbehörden bei allen ihren Beschlüssen nur ein Interesse leiten kann, das Interesse des Vaterlandes mit dem der Stadt durch Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit, gegen jedwede widersetzliche Ueberschreitung auf das engste zu verbinden, und dadurch es möglich zu machen, daß die Bewegungen, welche die Entwickelung des Völkerlebens überall hervorgerufen haben, für unser Vaterland sich im freien Wege der geistigen Revolution auf dauernde Weise beruhigen, und zur Wohlfahrt Aller sich verwahrheiten.

Berlin, den 28. Oktober 1848

Der Magistrat und die Stadtverordneten-Versammlung.

Schönwaldau bei Schönau, 23. Oktober.

Ein hiesiger Bauer hat auf dem Kirchhofe zwei Grabsteine von zwei verstorbenen Ehefrauen. Die Wurzeln einer nahebeistehenden Pappel verrücken fortwährend diese Steine und drohen sie zuletzt umzustürzen. Die Bitten jenes Bauers: „der gnädige Herr Patron möge erlauben die revolutionäre Pappel zu fällen,“ blieben unerhört, bis endlich die Märztage dem Bauer den Muth einflößten, sich selbst Recht zu verschaffen, d. h. durch den Todtengräber den bewußten Baum niederhauen zu lassen. ‒ Der Gutsherr, welchem jener Bauer ein Dorn im Auge ist, da er meist an der Spitze der Gemeinde gegen die feudalen Willkürlichkeiten operirt hat, verklagt den Bauer und Todtengräber beim Criminalgericht zu Jauer unter der Firma: „Tumultsache.“ (!) ‒ Gestern nun kam von dort das Erkenntniß. Man höre: „Der Bauer ist verurtheilt zu acht Wochen Gefängniß; ‒ Todtengräber zu acht Wochen Zuchthaus, Verlust der Nationalgarde und der Kriegsdenkmünze (!!).“ Die Gemeinde ist durch diesen Akt der Gerechtigkeit furchtbar aufgeregt, um so mehr als der Gutsherr (Müller heißt er) seit Jahren schon die Kirchhofspappeln, welche von der Gemeinde zur Zierde des friedlichen Platzes gesetzt worden sind, jeden Sommer ihres Laubes berauben läßt, um Schaffutter zu gewinnen, ‒ so daß man in der Regel keine Bäume, sondern die unheimlichen Gerüste eines Hochgerichtes vor sich zu sehen glaubt.

(O. Ztg.)
Frankfurt.

Der Ekel, den wir schon lange gegen die in der Paulskirche gepflogenen Verhandlungen empfinden, theilt sich nun endlich auch den Gemäßigteren der bei jenen Verhandlungen selbst Betheiligten, den Gemäßigteren der sogenannten Volksvertreter mit. Daß aber jetzt ein Leue, ein ehrlicher Mann der guten rechten Mitte, ein Republikanerfeind, öffentlich gegen die Versammlung auftritt, in deren Mitte ihn selbst das Vertrauen seiner Wahlmänner berufen: das ist eine Thatsache, über welche die Presse nicht schweigend hinweggehen darf. Leue, Deputirter für Salzwedel und Gardelegen, erläßt eine Erklärung von Frankfurt den 19., in der er sich über die Verhandlungen gegen Zitz, Simon und Schlöffel in offener Weise ausspricht.

„Mit der Gewißheit“ ‒ ruft Leue, der Jurist, der Oberprokurator aus ‒ „mit der Gewißheit, daß gar keine strafbare Handlung vorliegt, daß die Freisprechung von der Anklage, wie sie formuliert ist, das unausbleibliche Resultat sein wird, sollen drei Abgeordnete des deutschen Volkes einer langwierigen Untersuchung hingegeben werden! Die es getroffen hat und deren Anhänger werden sagen, daß sie der numerischen Stärke ihrer Gegenpartei unterlegen hätten. Und wirklich würde diese Angabe in dem Umstande eine scheinbare Bestätigung finden, daß die rechte Seite und das Centrum des Hauses für die Genehmigung der Untersuchung, die linke Seite dagegen stimmte. Jener merkwürdige Beschluß erklärt sich indeß einfach daraus, daß die Versammlung in völliger Unkenntniß über den Kern der Frage geurtheilt hat, weil sie nicht ein Wort zu ihrer Belehrung darüber gehört hatte.“

Und nachdem er einen kurzen Bericht von dem Inhalte der Reden gegeben hat, schließt er seine Erklärung also:

„Dieser eine Fall gibt ein Bild unserer Versammlung. Beredsamkeit findet man keine, aber eine Redseligkeit, vor der man sich nicht zu retten weiß.

Durch dieses eitle Geschwätz und so manche unverständige Beschlüsse (dessen natürliche Folge), durch das Verderben der kostbarsten Zeit haben wir das Vertrauen des Volkes verloren. Ohne den Besitz einer physischen Macht waren wir im Anfange allmächtig durch die Gewalt der öffentlichen Meinung, und wir sind nichts mehr, wenn wir von ihr nicht gehalten und getragen werden. Niemand erwarte sodann das Heil unseres Vaterlandes von Frankfurt aus; in Wien und Berlin wird es ausgemacht werden, leider vielleicht mit Kanonen!“

So der Deputirte Leu.

(A. Od.-Z.)
Thiengen, 26. Okt.

Bei der heute stattgehabten Wahl eines Deputirten zur Nationalversammlung in Frankfurt erhielten von 135 Stimmen

Dr. Friedrich Hecker von Mannheim 82 Stimmen.
Ober-Amtm. Dreyer von Blumenfeld 50 Stimmen.
Fabrikant Buhl von Ettlingen 2 Stimmen.
Frhr. v. Andlaw in Freiburg 1 Stimmen.

135 Stimmen.

(M. Abendz.)
Botzen, 21. Okt.

Der Feldmarschall Graf Radetzky hat aus dem Hauptquartier, Mailand, den 16. Oktober, an die Soldaten der Garnison von Wien folgende Worte gerichtet: „Ich bin nicht Euer kommandirender General, Ihr seid nicht gewohnt, auf meine Stimme zu hören und ihr im Kampfe zu folgen; aber als Feldmarschall und ältester Soldat der Armee steht mir das Recht zu, ein ernstes Wort an Euch zu richten. Unerhörte Dinge haben unter Euern Augen stattgefunden, Oesterreichs makellose Fahne ist durch Verrath und Blut befleckt. Zum zweiten Male hat Euer Kaiser aus seiner Hauptstadt fliehen müssen; der Kriegsminister, Feldzeugmeister Graf Latour ward grausam und schändlich ermordet, sein Leichnam entehrt. Ein tapferer General fiel, wie man sagt, durch die Hand eines Grenadiers! Ein Grenadier-Bataillon vergißt in Orgien und schändlicher Trunkenheit seine Pflicht, verweigert den Gehorsam und feuert, o ewige Schmach! auf seine eigenen Waffenbrüder. Soldaten der Wiener Garnison, sagt mir, im Namen der Armee von Italien, Eurer Waffenbrüder, frage ich Euch ‒ habt Ihr Eure Pflicht gethan? Wo war die Wache, die den Feldzeugmeister Latour vertheidigen sollte, die eher zu seinen Füßen sterben mußte, als ihn der Wuth eines blutdürstigen aufgereizten Pöbels preisgeben? Wo weilen die Verräther, die unsere Fahne mit Schmach bedeckten? Hat sie die gerechte Strafe schon ereilt? Oder schleppen sie ihr verächtliches Dasein noch in den Reihen der Empörung fort? Soldaten! Schmerz ergriff mich, Thränen erfüllten mein altes Auge, als ich die Kunde dieser in den Annalen der österreichischen Armee unerhörten Schandthaten erfuhr. Ein Trost blieb mir noch: daß es nur ein kleiner Haufe war, der seine Ehre so schändlich vergaß, seine Pflicht so schmachvoll verletzte. An Euch, Ihr treugebliebenen wackern Männer, ist es nun, den Thron Eures Kaisers und die freisinnigen Institutionen zu schützen, die seine väterliche Güte seinen Völkern verlieh, und die eine Horde von Empörern so schändlich mißbraucht. Soldaten! öffnet die Augen vor dem Abgrunde, der sich vor Euren Füßen aufthut; Alles steht auf dem Spiele, die Grundfesten der bürgerlichen Ordnung sind erschüttert, das Besitztthum, Moral und Religion mit Untergang bedroht, Alles, was dem Menschen heilig und theuer ist, was die Reiche gründet und erhält, will man vernichten. ‒ Das, und nicht die Freiheit ist der Zweck jener Aufwiegler, die Euch mit in Schande und Verderben reißen wollen. Soldaten! In Eurer Hand liegt jetzt der Schutz des Thrones und mit ihm die Erhaltung des Reiches. Möge Gottes Gnade mir gestatten, den Tag zu erleben, wo man sagen wird: „Die Armee hat Oesterreich gerettet,“ dann, erst dann wird der 6. und 7. Oktober dieses unheilschwangeren Jahres gesühnt sein und in Vergessenheit sinken, dann reicht Euch die Armee von Italien, die jetzt die Gränzmarken der Monarchie gegen äußere Feinde schützt, die Bruderhand. (Gez.) Radetzky, Feldmarschall.“

Ein zweiter Armeebefehl, Hauptquartier Mailand, den 18. Okt. 1848, lautet im Wesentlichen wie folgt: „Soldaten! Ich habe Euch den Aufruf bekannt gemacht, den ich an die Garnison von Wien erließ. Ihr werdet daraus ersehen haben, daß das Grenadier-Bataillon Richter, im Rausche seine Pflicht vergaß, den Gehorsam verweigerte und auf seine Kameraden feuerte. Es ist mir die Nachricht zugekommen, daß dieses Bataillon reumüthig zu seiner Pflicht zurückgekehrt und, damit es seine Reue durch die That beweisen könne, den Kommandirenden gebeten habe, es an die Spitze der ersten Sturmkolonne zu stellen. Soldaten! Ich habe Euch mit der Schmach dieses Bataillons bekannt gemacht, ich muß Euch auch seine Reue mittheilen.“

Italien.
*

Man berichtet aus Mailand, daß 1900 Ungarn, theils in der Stadt, theils in deren Umgebungen kantonnirt, in Masse nach ihrer Heimath desertirt sind.

Die Physiognomie Mailands ist ruhig; die Einwohner fürchteten jedoch, daß es im Kriegsfalle zu einer Entscheidung in und um Mailand kommen wird, und viele wandern deshalb aus. Das Gold hat einen außergewöhnlich hohen Preis erreicht. Auf jeder Ecke und fast an jedem Hause liest man die Inschriften: Nieder mit der östreichischen Regierung! Es lebe Italien! Es leben die Ungarn! Die Sterblichkeit unter den östreichischen Truppen nimmt in beunruhigender Weise zu; jede Nacht werden 60 bis 70 Soldaten begraben. Typhus, gelbes Fieber und andere akute Krankheiten raffen die meisten hin; China wird selten. Die täglichen Auslagen belaufen sich für Mailand auf 80,000, für Monza auf 7 bis 8000 Lire. Der Augenblick zur Eröffnung des Feldzuges könnte nicht günstiger sein.

Die Bewegung zeigt sich allenthalten und in aller Weise. Durch Turin passirte eine Schaar bewaffneter Lombarden, um sich nach Frankreich zu begeben. Zu Reggio, zu Lukka, überall nationale Demonstrationen. Am meisten aber ist Livorno aufgeregt. Als Montenelli, vom Großherzog nach Florenz berufen, am 21. Okt. die Stadt verließ, wurde sofort auf dem Schloßplatze eine bewaffnete Demonstration organisirt, Emissäre begaben sich nach den verschiedenen Punkten Toskana's, das Volk besetzte die Forts und die Thore, Montenelli konnte nur mit Mühe abreisen. Das neue Ministerium ist noch immer nicht definitiv gebildet.

Französische Republik.
Paris, 29. Okt.

Heute, Sonntag, weder Börse noch Nationalversammlung. Dagegen hält Cavaignac so eben (Mittags) bei ziemlich trübem Wetter über die gesammte Mobilgarde auf dem Marsfelde eine Revue ab, während Changarnier seiner Seits drei Legionen der Bürgerwehr in dem Tuilerienhofe an sich vorbeimarschiren ließ.

‒ Der Moniteur erfreut uns diesen Morgen mit einer bogenlangen Instruktion, des Ackerbauministers Tourret rücksichtlich der Anlage der neuen Ackerbauschulen (Aufnahme der Schüler u. s. w.) mittelst welcher die Nationalversammlung den Werth unserer Ackerbürger zu heben gedenkt.

‒ Der Moniteur veröffentlicht heute die amtlichen Tabellen über den maritimen Handelsverkehr während der ersten 9 Monate des Jahres 1848. Hieraus ersehen wir folgendes Sinken des maritimen Handels:

Während der ersten 9 Monate des Jahres 1846 bezog die Staatskasse blos an Zufuhrzöllen noch die Summe von 114,394,806 Fr., während derselben Frist des Jahres 1847 fielen diese Steuern auf 99,847,294 Fr. und bis zum 1. Okt. 1848 sanken sie sogar auf 62,826,100 Fr. Die Ausfuhrzölle fielen von 112,522 Fr. (1846) und 122,342 Fr. (1847) auf 96,527 Fr. bis zum 1. Okt. 1848. Hiebei ist jedoch der Spezialhandel mit und ohne Prämien nicht gerechnet. Der Spezialhandel ohne Prämien auf ausschließlich französische Waaren brachte bis zum 1. Okt. 94,240 Fr., im Jahre 1847 aber 118,140 und 1846 noch 109,716 Fr. Zölle. Die Ausfuhrzölle von reinfranzösischen Produkten mit Prämien erreichten für einzelne Posten z. B. Seide, Zucker, Baumwolle etc. auch in diesem Jahre noch die Höhe von 20-40,000 Fr.

„Aber wenn das Land meint, mich für dieses Amt bezeichnen zu müssen, so glaube ich für die Verweigerung desselben kein größeres Recht zu haben, als ich am 24. Febr. gegen den Volkswillen hatte, Paris ohne Regierung zu lassen.“

Ich glaube mich keineswegs von einer solchen Gefahr bedroht und ich berichtige den Kurrier de la Gironde blos deshalb, um für die Folge jedem Mißverständniß vorzubeugen. Mich um die Präsidentschaft eifrig bewerben, wäre lächerlich; sie zu wünschen, wäre verwegen; sie zu verweigern, hieße der Republik in seinem Vaterlande widerstehen. Ich bin eines solchen Ehrgeizes unfähig, aber auch unfähig einer solchen Feigheit.

Genehmigen Sie, Herr Redakteur u. s. w.

(gez.) Lamartine.

‒ Gestern hörten wir ein neues Volksblatt „Les Judas de la République“ ausrufen. Ebenso ein sozialistisch-demokratisches Programm, dessen Verfasser Jules Lechevalis ist.

‒ Heute Vormittag zwischen 10 und 12 Uhr fuhren abermals 800 Proletarier vom Quai de Saint-Bernard nach ihrem neuen Bestimmungsort, Algerien, ab.

‒ Louis Napoleon Bonaparte, unser künftiger demokratischer Kaiser, jagte vorgestern mit A. Dumas in den Forsten von St. Germain. Er konnte darum der Nationalversammlung unmöglich beiwohnen.

Ferner wird erzählt, daß sich S. kaiserl. Majestät um die Aufnahme in den Jocquey-Klub bewerben.

‒ Die Nationalversammlung hat gestern Abend mit 436 gegen 281 Stimmen beschlossen, daß der künftige Präsident der Republik auf Erhaltung der neuen Verfassung und der republikanischen Staatsform schwören müsse. Die moralische Sanktion im Auge des Volks!… Es handele sich um Stellung des Volksgewissens! rief die gesammte Rechte und der politische Eid wurde für den Präsidenten ausnahmsweise wieder eingeführt. Somit erlitt die provisorische Regierung in der Person des Hrn. Cremieur eine abermalige Niederlage.

‒ Es gibt fast keine Stadt, die nicht ihr demokratisch-sozialistisches Bankett haben wollte. Heute finden davon in den verschiedenen Städten der Republik nicht weniger als 42 statt, wie wir aus einer uns zu Gesicht gekommenen polizeilichen Notiz ersehen.

‒ Ledru-Rollin führte gestern den Vorsitz, sagt man, in Aubenas. Wir sahen das ehrenwerthe Glied in der That nicht in der Nationalversammlung.

‒ Lamartine beeilt sich, aus seinem Sommersitz bei Macon folgendes Schreiben an die hiesigen Journale zu richten, in dem er gegen die Behauptung protestirt, daß er auf den Präsidentenstuhl der Republik verzichte:

Saint-Point 26. Okt.

Herr Redakteur des Journal des Debats!

Ich lese in dem Journal des Debats einen dem Kurrier de la Gironde entnommenen Artikel, den zu berichtigen ich Sie um Erlaubniß bitte. Ich antwortete in der That einem Korrespondenten aus Bordeaux in einem Briefe folgende Worte:

„Ich trete nicht als Kandidat für die Präsidentschaft vor. Ich bitte Gott und meine Freunde, eine meinen Kräften so unangemessene Bürde fern zu halten.“

‒ Sibour, der neue Pariser Erzbischof an Affres Stelle (der an der Barrikade erschossen wurde) hat zwei Hirtenbriefe erlassen, die nichts weniger als liberaler oder republikanischer Natur sind. Er zieht darin gegen den Sozialismus fürchterlich zu Felde und außerdem scheint ihm die Verbesserung oder Emanzipation der niederen Geistlichkeit aus dem Unterthanenzwange der Bischöfe weniger als dem Affre selbst am Herzen zu liegen.

* Paris, 29. Okt.

Bugeaud fährt fort, sich als Kandidaten zur Präsidentschaft der Republik zu geriren.

An den Redakteur des „Currier de la tomme“, Hrn. Viktor de Bouvion hat er folgendes Sendschreiben erlassen.

„Sie haben die ausnehmende Güte, mir den Currier de la tomme zuzuschicken. Wem kann ich diese Galanterie, die ich unendlich schätze, zuschreiben? Nur der guten Meinung, die sie von meiner Hingebung an die wahren Interessen des Landes haben, von meiner Ordnungsliebe, von meiner energischen Mißbilligung der sogenannten socialistischen Theorien. Sie haben sich nicht getäuscht, mein Herr; es gibt kein Opfer in der Welt, das ich zu bringen nicht bereit wäre, um die Gesellschaft zu vertheidigen gegen die Barbaren, welche sie bedrohn mit einer Ausdauer und einer Kühnheit, welche die Freunde der Ordnung zur Vertheidigung der Gesellschaft nachahmen sollten. Man muß noch waghalsiger sein als die Unruhstifter, und die Gesellschaft wird gerettet sein.

Ich wünschte, es wäre mir gegeben alle wohlmeinenden Leute zu bestimmen, in der Politik eine Regel militärischer Taktik zu befolgen, die mir immer geglückt ist: es ist die, die Defensive offensiv zu machen.

Sollte es wahr sein, daß es unmöglich ist, so viel Feuereifer für das Gute zu haben, wie die Schlechten für das Böse haben?“

Trotz alledem ist Bugeaud kein ernsthafter Kandidat. Gelingt es wirklich, es bis zur Präsidentenwahl zu bringen, so fällt die Präsidentenkrone auf das Haupt eines Cretins ‒ Louis Napoleons.

Von dem Fanatismus der Bauern an der Loire, in Burgund und Franche-Corte, in Lothringen, Champagne, Isle de France, Pikardie und Normandie für den Namen Napoleon macht man sich keine Vorstellung.

Großbritannien.
*

Die „Breslauer Zeitung“, das Organ der Weinreisenden, des kein Deutsch verstehenden Engländers, genießt auch jenseits des Kanals des ihr gebührenden ausgezeichneten Rufes. Der „Standard“ vom 27. Oktbr. gibt ihr, bei Gelegenheit ihrer Nachricht, die Russen würden mit 100,000 Mann auf Wien losmarschiren, sobald die Ungarn die österreichische Gränze überschritten hätten, ein glänzendes allgemeines Mißtrauensvotum.

* London, 28. Okt.

Ein Jahr ist ungefähr verflossen, seit der eiserne Herzog, der alte Wellington, eines Morgens emporfuhr aus schweren Träumen. Er zog seine Reitstiefeln an, setzte sich an sein Schreibpult und schrieb einen Brief an Sir John Bourgoyne.

Dieser Brief machte damals großes Aufsehen; er ging durch die ganze europäische Presse. Wenn nicht die Revolution dazwischen gekommen wäre, so sprächen die Engländer vielleicht noch davon. Glücklicherweise kam aber eben die Revolution.

Der alte Herzog schrieb nämlich damals an Sir John, daß sich die englischen Küsten in einem wahrhaft beunruhigenden Zustande der Vertheidigungslosigkeit befänden, und daß es den Franzosen ein Leichtes sein würde, bei Nacht und Nebel plötzlich einmal herüberzufahren und zu landen und London in Brand zu schießen und ein Unheil anzurichten, wogegen die Zerstörung Karthagos ein Kinderspiel sei.

Hübsch gedruckt stand dieser Brief in der Times, in der Morning Post, im Standard, und man kann sich denken, wie den guten Britten zu Muthe war und wie ihnen die Haare zu Berge standen, als sie von so hoher Autorität so entsetzliche Dinge hörten.

Die Franzosen in London! ‒ John Bull entfärbte sich; er ließ die Arme sinken; er wußte nicht, ob er fluchen oder beten sollte: der Gedanke war zu schrecklich. ‒ Aber der Herzog hatte alles auf's schönste ausgemalt. Man meinte, man sähe die kleinen Franzosen aus ihren Schiffen hüpfen, jetzt in Reihe und Glied springen und dann nach der Metropole marschieren, um im Hayde-Park Kankan zu tanzen, um im London-Kaffeehause Turtlesuppe zu essen und singend durch die City zu ziehen. Der Brief des alten Herzogs ließ das schlimmste fürchten. Männer und Weiber träumten nur von Franzosen. Wer weiß, wem diese Träume am unangenehmsten waren?

Acht oder vierzehn Tage dauerte dieser Skandal; man machte schon Pläne, wie man dem herannahenden Unglück durch die großartigsten Maßregeln steuern könne, und schon wollte sich Groß und Klein zu einer allgemeinen Befestigungswuth hinreißen lassen, als plötzlich Cobden, der Baumwollheiland Cobden, dem eisernen Herzog in die Zügel fiel und nicht nur erklärte, daß es Wahnsinn sei, die Streitkräfte des Landes zu vergrößern, sondern daß man im Gegentheil darauf bedacht sein müsse, die Armee und die Marine bis auf ein wahres Minimum zu reduziren.

Jeder andere Manchester-Mann würde sich lächerlich gemacht haben, wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, sich in kriegerischen Dingen mit dem Helden von Waterloo messen zu wollen; Cobden stand aber damals noch auf dem Gipfel seines Ruhmes; der Mann, der eben erst die alte Aristokratie in der Kornzollfrage so glänzend geschlagen hatte: er konnte Alles wagen, er durfte selbst einem Wellington feierlich entgegentreten.

Cobden war Held des Tages. Um seine niedrige Stirn grünten noch die Lorbeeren, die er auf der Reise durch Frankreich, durch Italien und durch Deutschland gepflückt hatte; die englischen Blätter brachten noch die letzten Freihandelstoaste aller großen Städte des Kontinents, Toaste auf Richard Cobdens Wohl, und auf das Wohl seiner Genossen Bright, Wilson und Thompson; dem Triumph der Freetrader daheim war der sehnlich erwünschte Beifall des Auslandes gefolgt und der Beifall des Auslandes ließ den Liebling der Mittelklasse nur um so mehr in der Gunst der

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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> später um 8 Uhr Abends genommen, ist der Sicherheits-Ausschuß im Einvernehmen mit dem Commandeure der Bürgerwehr in die Lage gebracht worden, 2 Bataillone Militär, jedoch lediglich zur Aufstellung im Königlichen Schlosse zu requiriren, welche dem Bürgerwehr-Commando zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Maaßregel wurde durch ungünstige Rapporte aus den verschiedenen Theilen der Stadt herbeigeführt, um das Commando der Bürgerwehr in den Stand zu setzen, Hülfe nach den bedrohten Punkten der Stadt aus der Bürgerwehrbesetzung des Schlosses zu entsenden. Das Millitair hatte daher nur die Bestimmung im Schloßhofe aufgestellt, durch obige Maaßregel etwa nothwendig werdende Requisition des Bürgerwehr-Commandeurs, gewärtig zu sein. Der Sicherheits-Ausschuß durfte kein Bedenken tragen, einer solchen Maaßregel zu genügen, wie er eben so wenig Bedenken trug, dieselbe auf Erfordern des Bürgerwehr-Commandos, als unmittelbar darauf die Umstände sich günstiger gestaltet hatten, rückgängig zu machen.</p>
          <p>Um für ähnliche Fälle jede Besorgniß wegen der Stellung des Militärs zu der Bürgerwehr zu begegnen, hat der Sicherheitsausschuß von dem königl. Staatsministerio die Erklärung und resp. amtliche Zusage erbeten, daß das vom Sicherheitsausschusse und dem Bürgerwehrkommando requirirte Militär, auf Verlangen derselben jederzeit wieder zurückgezogen werden müsse. Wir haben es für nothwendig erachtet, dies zur öffentlichen Kenntniß der Bewohner Berlins zu bringen, um durch eine vollständige Darlegung der Anordnungen das Vertrauen zu denselben zu kräftigen, da die Stadtbehörden bei allen ihren Beschlüssen nur ein Interesse leiten kann, das Interesse des Vaterlandes mit dem der Stadt durch Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit, gegen jedwede widersetzliche Ueberschreitung auf das engste zu verbinden, und dadurch es möglich zu machen, daß die Bewegungen, welche die Entwickelung des Völkerlebens überall hervorgerufen haben, für unser Vaterland sich im freien Wege der geistigen Revolution auf dauernde Weise beruhigen, und zur Wohlfahrt Aller sich verwahrheiten.</p>
          <p>Berlin, den 28. Oktober 1848</p>
          <p>Der Magistrat und die Stadtverordneten-Versammlung.</p>
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          <head>Schönwaldau bei Schönau, 23. Oktober.</head>
          <p>Ein hiesiger Bauer hat auf dem Kirchhofe zwei Grabsteine von zwei verstorbenen Ehefrauen. Die Wurzeln einer nahebeistehenden Pappel verrücken fortwährend diese Steine und drohen sie zuletzt umzustürzen. Die Bitten jenes Bauers: &#x201E;der gnädige Herr Patron möge erlauben die revolutionäre Pappel zu fällen,&#x201C; blieben unerhört, bis endlich die Märztage dem Bauer den Muth einflößten, sich selbst Recht zu verschaffen, d. h. durch den Todtengräber den bewußten Baum niederhauen zu lassen. &#x2012; Der Gutsherr, welchem jener Bauer ein Dorn im Auge ist, da er meist an der Spitze der Gemeinde gegen die feudalen Willkürlichkeiten operirt hat, verklagt den Bauer und Todtengräber beim Criminalgericht zu Jauer unter der Firma: &#x201E;Tumultsache.&#x201C; (!) &#x2012; Gestern nun kam von dort das Erkenntniß. Man höre: &#x201E;Der Bauer ist verurtheilt zu acht Wochen Gefängniß; &#x2012; Todtengräber zu acht Wochen Zuchthaus, Verlust der Nationalgarde und der Kriegsdenkmünze (!!).&#x201C; Die Gemeinde ist durch diesen Akt der Gerechtigkeit furchtbar aufgeregt, um so mehr als der Gutsherr (Müller heißt er) seit Jahren schon die Kirchhofspappeln, welche von der Gemeinde zur Zierde des friedlichen Platzes gesetzt worden sind, jeden Sommer ihres Laubes berauben läßt, um Schaffutter zu gewinnen, &#x2012; so daß man in der Regel keine Bäume, sondern die unheimlichen Gerüste eines Hochgerichtes vor sich zu sehen glaubt.</p>
          <bibl>(O. Ztg.)</bibl>
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          <head>Frankfurt.</head>
          <p>Der Ekel, den wir schon lange gegen die in der Paulskirche gepflogenen Verhandlungen empfinden, theilt sich nun endlich auch den Gemäßigteren der bei jenen Verhandlungen selbst Betheiligten, den Gemäßigteren der sogenannten Volksvertreter mit. Daß aber jetzt ein Leue, ein ehrlicher Mann der guten rechten Mitte, ein Republikanerfeind, öffentlich gegen die Versammlung auftritt, in deren Mitte ihn selbst das Vertrauen seiner Wahlmänner berufen: das ist eine Thatsache, über welche die Presse nicht schweigend hinweggehen darf. Leue, Deputirter für Salzwedel und Gardelegen, erläßt eine Erklärung von Frankfurt den 19., in der er sich über die Verhandlungen gegen Zitz, Simon und Schlöffel in offener Weise ausspricht.</p>
          <p>&#x201E;Mit der Gewißheit&#x201C; &#x2012; ruft Leue, der Jurist, der Oberprokurator aus &#x2012; &#x201E;mit der Gewißheit, daß gar keine strafbare Handlung vorliegt, daß die Freisprechung von der Anklage, wie sie formuliert ist, das unausbleibliche Resultat sein wird, sollen drei Abgeordnete des deutschen Volkes einer langwierigen Untersuchung hingegeben werden! Die es getroffen hat und deren Anhänger werden sagen, daß sie der numerischen Stärke ihrer Gegenpartei unterlegen hätten. Und wirklich würde diese Angabe in dem Umstande eine scheinbare Bestätigung finden, daß die rechte Seite und das Centrum des Hauses für die Genehmigung der Untersuchung, die linke Seite dagegen stimmte. Jener merkwürdige Beschluß erklärt sich indeß einfach daraus, daß die Versammlung in völliger Unkenntniß über den Kern der Frage geurtheilt hat, weil sie nicht ein Wort zu ihrer Belehrung darüber gehört hatte.&#x201C;</p>
          <p>Und nachdem er einen kurzen Bericht von dem Inhalte der Reden gegeben hat, schließt er seine Erklärung also:</p>
          <p>&#x201E;Dieser eine Fall gibt ein Bild unserer Versammlung. Beredsamkeit findet man keine, aber eine Redseligkeit, vor der man sich nicht zu retten weiß.</p>
          <p>Durch dieses eitle Geschwätz und so manche unverständige Beschlüsse (dessen natürliche Folge), durch das Verderben der kostbarsten Zeit haben wir das Vertrauen des Volkes verloren. Ohne den Besitz einer physischen Macht waren wir im Anfange allmächtig durch die Gewalt der öffentlichen Meinung, und wir sind nichts mehr, wenn wir von ihr nicht gehalten und getragen werden. Niemand erwarte sodann das Heil unseres Vaterlandes von Frankfurt aus; in Wien und Berlin wird es ausgemacht werden, leider vielleicht mit Kanonen!&#x201C;</p>
          <p>So der Deputirte Leu.</p>
          <bibl>(A. Od.-Z.)</bibl>
        </div>
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          <head>Thiengen, 26. Okt.</head>
          <p>Bei der heute stattgehabten Wahl eines Deputirten zur Nationalversammlung in Frankfurt erhielten von 135 Stimmen</p>
          <p>Dr. Friedrich Hecker von Mannheim 82 Stimmen.<lb/>
Ober-Amtm. Dreyer von Blumenfeld 50 Stimmen.<lb/>
Fabrikant Buhl von Ettlingen 2 Stimmen.<lb/>
Frhr. v. Andlaw in Freiburg 1 Stimmen.</p>
          <p>135 Stimmen.</p>
          <bibl>(M. Abendz.)</bibl>
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          <head>Botzen, 21. Okt.</head>
          <p>Der Feldmarschall Graf Radetzky hat aus dem Hauptquartier, Mailand, den 16. Oktober, an die Soldaten der Garnison von Wien folgende Worte gerichtet: &#x201E;Ich bin nicht Euer kommandirender General, Ihr seid nicht gewohnt, auf meine Stimme zu hören und ihr im Kampfe zu folgen; aber als Feldmarschall und ältester Soldat der Armee steht mir das Recht zu, ein ernstes Wort an Euch zu richten. Unerhörte Dinge haben unter Euern Augen stattgefunden, Oesterreichs makellose Fahne ist durch Verrath und Blut befleckt. Zum zweiten Male hat Euer Kaiser aus seiner Hauptstadt fliehen müssen; der Kriegsminister, Feldzeugmeister Graf Latour ward grausam und schändlich ermordet, sein Leichnam entehrt. Ein tapferer General fiel, wie man sagt, durch die Hand eines Grenadiers! Ein Grenadier-Bataillon vergißt in Orgien und schändlicher Trunkenheit seine Pflicht, verweigert den Gehorsam und feuert, o ewige Schmach! auf seine eigenen Waffenbrüder. Soldaten der Wiener Garnison, sagt mir, im Namen der Armee von Italien, Eurer Waffenbrüder, frage ich Euch &#x2012; habt Ihr Eure Pflicht gethan? Wo war die Wache, die den Feldzeugmeister Latour vertheidigen sollte, die eher zu seinen Füßen sterben mußte, als ihn der Wuth eines blutdürstigen aufgereizten Pöbels preisgeben? Wo weilen die Verräther, die unsere Fahne mit Schmach bedeckten? Hat sie die gerechte Strafe schon ereilt? Oder schleppen sie ihr verächtliches Dasein noch in den Reihen der Empörung fort? Soldaten! Schmerz ergriff mich, Thränen erfüllten mein altes Auge, als ich die Kunde dieser in den Annalen der österreichischen Armee unerhörten Schandthaten erfuhr. Ein Trost blieb mir noch: daß es nur ein kleiner Haufe war, der seine Ehre so schändlich vergaß, seine Pflicht so schmachvoll verletzte. An Euch, Ihr treugebliebenen wackern Männer, ist es nun, den Thron Eures Kaisers und die freisinnigen Institutionen zu schützen, die seine väterliche Güte seinen Völkern verlieh, und die eine Horde von Empörern so schändlich mißbraucht. Soldaten! öffnet die Augen vor dem Abgrunde, der sich vor Euren Füßen aufthut; Alles steht auf dem Spiele, die Grundfesten der bürgerlichen Ordnung sind erschüttert, das Besitztthum, Moral und Religion mit Untergang bedroht, Alles, was dem Menschen heilig und theuer ist, was die Reiche gründet und erhält, will man vernichten. &#x2012; Das, und nicht die Freiheit ist der Zweck jener Aufwiegler, die Euch mit in Schande und Verderben reißen wollen. Soldaten! In Eurer Hand liegt jetzt der Schutz des Thrones und mit ihm die Erhaltung des Reiches. Möge Gottes Gnade mir gestatten, den Tag zu erleben, wo man sagen wird: &#x201E;Die Armee hat Oesterreich gerettet,&#x201C; dann, erst dann wird der 6. und 7. Oktober dieses unheilschwangeren Jahres gesühnt sein und in Vergessenheit sinken, dann reicht Euch die Armee von Italien, die jetzt die Gränzmarken der Monarchie gegen äußere Feinde schützt, die Bruderhand. (Gez.) Radetzky, Feldmarschall.&#x201C;</p>
          <p>Ein zweiter Armeebefehl, Hauptquartier Mailand, den 18. Okt. 1848, lautet im Wesentlichen wie folgt: &#x201E;Soldaten! Ich habe Euch den Aufruf bekannt gemacht, den ich an die Garnison von Wien erließ. Ihr werdet daraus ersehen haben, daß das Grenadier-Bataillon Richter, im Rausche seine Pflicht vergaß, den Gehorsam verweigerte und auf seine Kameraden feuerte. Es ist mir die Nachricht zugekommen, daß dieses Bataillon reumüthig zu seiner Pflicht zurückgekehrt und, damit es seine Reue durch die That beweisen könne, den Kommandirenden gebeten habe, es an die Spitze der ersten Sturmkolonne zu stellen. Soldaten! Ich habe Euch mit der Schmach dieses Bataillons bekannt gemacht, ich muß Euch auch seine Reue mittheilen.&#x201C;</p>
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        <head>Italien.</head>
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            <author>*</author>
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          <p>Die Physiognomie Mailands ist ruhig; die Einwohner fürchteten jedoch, daß es im Kriegsfalle zu einer Entscheidung in und um Mailand kommen wird, und viele wandern deshalb aus. Das Gold hat einen außergewöhnlich hohen Preis erreicht. Auf jeder Ecke und fast an jedem Hause liest man die Inschriften: Nieder mit der östreichischen Regierung! Es lebe Italien! Es leben die Ungarn! Die Sterblichkeit unter den östreichischen Truppen nimmt in beunruhigender Weise zu; jede Nacht werden 60 bis 70 Soldaten begraben. Typhus, gelbes Fieber und andere akute Krankheiten raffen die meisten hin; China wird selten. Die täglichen Auslagen belaufen sich für Mailand auf 80,000, für Monza auf 7 bis 8000 Lire. Der Augenblick zur Eröffnung des Feldzuges könnte nicht günstiger sein.</p>
          <p>Die Bewegung zeigt sich allenthalten und in aller Weise. Durch Turin passirte eine Schaar bewaffneter Lombarden, um sich nach Frankreich zu begeben. Zu Reggio, zu Lukka, überall nationale Demonstrationen. Am meisten aber ist Livorno aufgeregt. Als Montenelli, vom Großherzog nach Florenz berufen, am 21. Okt. die Stadt verließ, wurde sofort auf dem Schloßplatze eine bewaffnete Demonstration organisirt, Emissäre begaben sich nach den verschiedenen Punkten Toskana's, das Volk besetzte die Forts und die Thore, Montenelli konnte nur mit Mühe abreisen. Das neue Ministerium ist noch immer nicht definitiv gebildet.</p>
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          <p>&#x2012; Der Moniteur erfreut uns diesen Morgen mit einer bogenlangen Instruktion, des Ackerbauministers Tourret rücksichtlich der Anlage der neuen Ackerbauschulen (Aufnahme der Schüler u. s. w.) mittelst welcher die Nationalversammlung den Werth unserer Ackerbürger zu heben gedenkt.</p>
          <p>&#x2012; Der Moniteur veröffentlicht heute die amtlichen Tabellen über den maritimen Handelsverkehr während der ersten 9 Monate des Jahres 1848. Hieraus ersehen wir folgendes Sinken des maritimen Handels:</p>
          <p>Während der ersten 9 Monate des Jahres 1846 bezog die Staatskasse blos an Zufuhrzöllen noch die Summe von 114,394,806 Fr., während derselben Frist des Jahres 1847 fielen diese Steuern auf 99,847,294 Fr. und bis zum 1. Okt. 1848 sanken sie sogar auf 62,826,100 Fr. Die Ausfuhrzölle fielen von 112,522 Fr. (1846) und 122,342 Fr. (1847) auf 96,527 Fr. bis zum 1. Okt. 1848. Hiebei ist jedoch der Spezialhandel mit und ohne Prämien nicht gerechnet. Der Spezialhandel ohne Prämien auf ausschließlich französische Waaren brachte bis zum 1. Okt. 94,240 Fr., im Jahre 1847 aber 118,140 und 1846 noch 109,716 Fr. Zölle. Die Ausfuhrzölle von reinfranzösischen Produkten mit Prämien erreichten für einzelne Posten z. B. Seide, Zucker, Baumwolle etc. auch in diesem Jahre noch die Höhe von 20-40,000 Fr.</p>
          <p>&#x201E;Aber wenn das Land meint, mich für dieses Amt bezeichnen zu müssen, so glaube ich für die Verweigerung desselben kein größeres Recht zu haben, als ich am 24. Febr. gegen den Volkswillen hatte, Paris ohne Regierung zu lassen.&#x201C;</p>
          <p>Ich glaube mich keineswegs von einer solchen Gefahr bedroht und ich berichtige den Kurrier de la Gironde blos deshalb, um für die Folge jedem Mißverständniß vorzubeugen. Mich um die Präsidentschaft eifrig bewerben, wäre lächerlich; sie zu wünschen, wäre verwegen; sie zu verweigern, hieße der Republik in seinem Vaterlande widerstehen. Ich bin eines solchen Ehrgeizes unfähig, aber auch unfähig einer solchen Feigheit.</p>
          <p>Genehmigen Sie, Herr Redakteur u. s. w.</p>
          <p>(gez.) <hi rendition="#g">Lamartine.</hi> </p>
          <p>&#x2012; Gestern hörten wir ein neues Volksblatt &#x201E;Les Judas de la République&#x201C; ausrufen. Ebenso ein sozialistisch-demokratisches Programm, dessen Verfasser Jules Lechevalis ist.</p>
          <p>&#x2012; Heute Vormittag zwischen 10 und 12 Uhr fuhren abermals 800 Proletarier vom Quai de Saint-Bernard nach ihrem neuen Bestimmungsort, Algerien, ab.</p>
          <p>&#x2012; Louis Napoleon Bonaparte, unser künftiger demokratischer Kaiser, jagte vorgestern mit A. Dumas in den Forsten von St. Germain. Er konnte darum der Nationalversammlung unmöglich beiwohnen.</p>
          <p>Ferner wird erzählt, daß sich S. kaiserl. Majestät um die Aufnahme in den Jocquey-Klub bewerben.</p>
          <p>&#x2012; Die Nationalversammlung hat gestern Abend mit 436 gegen 281 Stimmen beschlossen, daß der künftige Präsident der Republik auf Erhaltung der neuen Verfassung und der republikanischen Staatsform schwören müsse. Die moralische Sanktion im Auge des Volks!&#x2026; Es handele sich um Stellung des Volksgewissens! rief die gesammte Rechte und der politische Eid wurde für den Präsidenten ausnahmsweise wieder eingeführt. Somit erlitt die provisorische Regierung in der Person des Hrn. Cremieur eine abermalige Niederlage.</p>
          <p>&#x2012; Es gibt fast keine Stadt, die nicht ihr demokratisch-sozialistisches Bankett haben wollte. Heute finden davon in den verschiedenen Städten der Republik nicht weniger als 42 statt, wie wir aus einer uns zu Gesicht gekommenen polizeilichen Notiz ersehen.</p>
          <p>&#x2012; Ledru-Rollin führte gestern den Vorsitz, sagt man, in Aubenas. Wir sahen das ehrenwerthe Glied in der That nicht in der Nationalversammlung.</p>
          <p>&#x2012; Lamartine beeilt sich, aus seinem Sommersitz bei Macon folgendes Schreiben an die hiesigen Journale zu richten, in dem er gegen die Behauptung protestirt, daß er auf den Präsidentenstuhl der Republik verzichte:</p>
          <p>Saint-Point 26. Okt.</p>
          <p>Herr Redakteur des Journal des Debats!</p>
          <p>Ich lese in dem Journal des Debats einen dem Kurrier de la Gironde entnommenen Artikel, den zu berichtigen ich Sie um Erlaubniß bitte. Ich antwortete in der That einem Korrespondenten aus Bordeaux in einem Briefe folgende Worte:</p>
          <p>&#x201E;Ich trete nicht als Kandidat für die Präsidentschaft vor. Ich bitte Gott und meine Freunde, eine meinen Kräften so unangemessene Bürde fern zu halten.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Sibour, der neue Pariser Erzbischof an Affres Stelle (der an der Barrikade erschossen wurde) hat zwei Hirtenbriefe erlassen, die nichts weniger als liberaler oder republikanischer Natur sind. Er zieht darin gegen den Sozialismus fürchterlich zu Felde und außerdem scheint ihm die Verbesserung oder Emanzipation der niederen Geistlichkeit aus dem Unterthanenzwange der Bischöfe weniger als dem Affre selbst am Herzen zu liegen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar131_021" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 29. Okt.</head>
          <p><hi rendition="#g">Bugeaud</hi> fährt fort, sich als Kandidaten zur Präsidentschaft der Republik zu geriren.</p>
          <p>An den Redakteur des &#x201E;Currier de la tomme&#x201C;, Hrn. <hi rendition="#g">Viktor de Bouvion</hi> hat er folgendes Sendschreiben erlassen.</p>
          <p>&#x201E;Sie haben die ausnehmende Güte, mir den Currier de la tomme zuzuschicken. Wem kann ich diese Galanterie, die ich unendlich schätze, zuschreiben? Nur der guten Meinung, die sie von meiner Hingebung an die wahren Interessen des Landes haben, von meiner Ordnungsliebe, von meiner energischen Mißbilligung der sogenannten <hi rendition="#g">socialistischen</hi> Theorien. Sie haben sich nicht getäuscht, mein Herr; es gibt kein Opfer in der Welt, das ich zu bringen nicht bereit wäre, um die Gesellschaft zu vertheidigen gegen die <hi rendition="#g">Barbaren,</hi> welche sie bedrohn mit einer Ausdauer und einer Kühnheit, welche die Freunde der Ordnung zur Vertheidigung der Gesellschaft nachahmen sollten. Man muß noch <hi rendition="#g">waghalsiger</hi> sein als die <hi rendition="#g">Unruhstifter,</hi> und die Gesellschaft wird gerettet sein.</p>
          <p>Ich wünschte, es wäre mir gegeben alle wohlmeinenden Leute zu bestimmen, in der Politik eine Regel militärischer Taktik zu befolgen, die mir immer geglückt ist: es ist die, die <hi rendition="#g">Defensive offensiv</hi> zu machen.</p>
          <p>Sollte es wahr sein, daß es unmöglich ist, so viel Feuereifer für das Gute zu haben, wie die Schlechten für das Böse haben?&#x201C;</p>
          <p>Trotz alledem ist Bugeaud kein ernsthafter Kandidat. Gelingt es wirklich, es bis zur Präsidentenwahl zu bringen, so fällt die Präsidentenkrone auf das Haupt eines Cretins &#x2012; Louis Napoleons.</p>
          <p>Von dem Fanatismus der Bauern an der Loire, in Burgund und Franche-Corte, in Lothringen, Champagne, Isle de France, Pikardie und Normandie für den Namen <hi rendition="#g">Napoleon</hi> macht man sich keine Vorstellung.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar131_022" type="jArticle">
          <bibl>
            <author>*</author>
          </bibl>
          <p>Die &#x201E;Breslauer Zeitung&#x201C;, das Organ der Weinreisenden, des kein Deutsch verstehenden Engländers, genießt auch jenseits des Kanals des ihr gebührenden ausgezeichneten Rufes. Der &#x201E;Standard&#x201C; vom 27. Oktbr. gibt ihr, bei Gelegenheit ihrer Nachricht, die Russen würden mit 100,000 Mann auf Wien losmarschiren, sobald die Ungarn die österreichische Gränze überschritten hätten, ein glänzendes allgemeines Mißtrauensvotum.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar131_023" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 28. Okt.</head>
          <p>Ein Jahr ist ungefähr verflossen, seit der eiserne Herzog, der alte Wellington, eines Morgens emporfuhr aus schweren Träumen. Er zog seine Reitstiefeln an, setzte sich an sein Schreibpult und schrieb einen Brief an Sir John Bourgoyne.</p>
          <p>Dieser Brief machte damals großes Aufsehen; er ging durch die ganze europäische Presse. Wenn nicht die Revolution dazwischen gekommen wäre, so sprächen die Engländer vielleicht noch davon. Glücklicherweise kam aber eben die Revolution.</p>
          <p>Der alte Herzog schrieb nämlich damals an Sir John, daß sich die englischen Küsten in einem wahrhaft beunruhigenden Zustande der Vertheidigungslosigkeit befänden, und daß es den Franzosen ein Leichtes sein würde, bei Nacht und Nebel plötzlich einmal herüberzufahren und zu landen und London in Brand zu schießen und ein Unheil anzurichten, wogegen die Zerstörung Karthagos ein Kinderspiel sei.</p>
          <p>Hübsch gedruckt stand dieser Brief in der Times, in der Morning Post, im Standard, und man kann sich denken, wie den guten Britten zu Muthe war und wie ihnen die Haare zu Berge standen, als sie von so hoher Autorität so entsetzliche Dinge hörten.</p>
          <p>Die Franzosen in London! &#x2012; John Bull entfärbte sich; er ließ die Arme sinken; er wußte nicht, ob er fluchen oder beten sollte: der Gedanke war zu schrecklich. &#x2012; Aber der Herzog hatte alles auf's schönste ausgemalt. Man meinte, man sähe die kleinen Franzosen aus ihren Schiffen hüpfen, jetzt in Reihe und Glied springen und dann nach der Metropole marschieren, um im Hayde-Park Kankan zu tanzen, um im London-Kaffeehause Turtlesuppe zu essen und singend durch die City zu ziehen. Der Brief des alten Herzogs ließ das schlimmste fürchten. Männer und Weiber träumten nur von Franzosen. Wer weiß, wem diese Träume am unangenehmsten waren?</p>
          <p>Acht oder vierzehn Tage dauerte dieser Skandal; man machte schon Pläne, wie man dem herannahenden Unglück durch die großartigsten Maßregeln steuern könne, und schon wollte sich Groß und Klein zu einer allgemeinen Befestigungswuth hinreißen lassen, als plötzlich Cobden, der Baumwollheiland Cobden, dem eisernen Herzog in die Zügel fiel und nicht nur erklärte, daß es Wahnsinn sei, die Streitkräfte des Landes zu vergrößern, sondern daß man im Gegentheil darauf bedacht sein müsse, die Armee und die Marine bis auf ein wahres Minimum zu reduziren.</p>
          <p>Jeder andere Manchester-Mann würde sich lächerlich gemacht haben, wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, sich in kriegerischen Dingen mit dem Helden von Waterloo messen zu wollen; Cobden stand aber damals noch auf dem Gipfel seines Ruhmes; der Mann, der eben erst die alte Aristokratie in der Kornzollfrage so glänzend geschlagen hatte: er konnte Alles wagen, er durfte selbst einem Wellington feierlich entgegentreten.</p>
          <p>Cobden war Held des Tages. Um seine niedrige Stirn grünten noch die Lorbeeren, die er auf der Reise durch Frankreich, durch Italien und durch Deutschland gepflückt hatte; die englischen Blätter brachten noch die letzten Freihandelstoaste aller großen Städte des Kontinents, Toaste auf Richard Cobdens Wohl, und auf das Wohl seiner Genossen Bright, Wilson und Thompson; dem Triumph der Freetrader daheim war der sehnlich erwünschte Beifall des Auslandes gefolgt und der Beifall des Auslandes ließ den Liebling der Mittelklasse nur um so mehr in der Gunst der
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[0663/0003] [Deutschland] [Fortsetzung] später um 8 Uhr Abends genommen, ist der Sicherheits-Ausschuß im Einvernehmen mit dem Commandeure der Bürgerwehr in die Lage gebracht worden, 2 Bataillone Militär, jedoch lediglich zur Aufstellung im Königlichen Schlosse zu requiriren, welche dem Bürgerwehr-Commando zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Maaßregel wurde durch ungünstige Rapporte aus den verschiedenen Theilen der Stadt herbeigeführt, um das Commando der Bürgerwehr in den Stand zu setzen, Hülfe nach den bedrohten Punkten der Stadt aus der Bürgerwehrbesetzung des Schlosses zu entsenden. Das Millitair hatte daher nur die Bestimmung im Schloßhofe aufgestellt, durch obige Maaßregel etwa nothwendig werdende Requisition des Bürgerwehr-Commandeurs, gewärtig zu sein. Der Sicherheits-Ausschuß durfte kein Bedenken tragen, einer solchen Maaßregel zu genügen, wie er eben so wenig Bedenken trug, dieselbe auf Erfordern des Bürgerwehr-Commandos, als unmittelbar darauf die Umstände sich günstiger gestaltet hatten, rückgängig zu machen. Um für ähnliche Fälle jede Besorgniß wegen der Stellung des Militärs zu der Bürgerwehr zu begegnen, hat der Sicherheitsausschuß von dem königl. Staatsministerio die Erklärung und resp. amtliche Zusage erbeten, daß das vom Sicherheitsausschusse und dem Bürgerwehrkommando requirirte Militär, auf Verlangen derselben jederzeit wieder zurückgezogen werden müsse. Wir haben es für nothwendig erachtet, dies zur öffentlichen Kenntniß der Bewohner Berlins zu bringen, um durch eine vollständige Darlegung der Anordnungen das Vertrauen zu denselben zu kräftigen, da die Stadtbehörden bei allen ihren Beschlüssen nur ein Interesse leiten kann, das Interesse des Vaterlandes mit dem der Stadt durch Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit, gegen jedwede widersetzliche Ueberschreitung auf das engste zu verbinden, und dadurch es möglich zu machen, daß die Bewegungen, welche die Entwickelung des Völkerlebens überall hervorgerufen haben, für unser Vaterland sich im freien Wege der geistigen Revolution auf dauernde Weise beruhigen, und zur Wohlfahrt Aller sich verwahrheiten. Berlin, den 28. Oktober 1848 Der Magistrat und die Stadtverordneten-Versammlung. Schönwaldau bei Schönau, 23. Oktober. Ein hiesiger Bauer hat auf dem Kirchhofe zwei Grabsteine von zwei verstorbenen Ehefrauen. Die Wurzeln einer nahebeistehenden Pappel verrücken fortwährend diese Steine und drohen sie zuletzt umzustürzen. Die Bitten jenes Bauers: „der gnädige Herr Patron möge erlauben die revolutionäre Pappel zu fällen,“ blieben unerhört, bis endlich die Märztage dem Bauer den Muth einflößten, sich selbst Recht zu verschaffen, d. h. durch den Todtengräber den bewußten Baum niederhauen zu lassen. ‒ Der Gutsherr, welchem jener Bauer ein Dorn im Auge ist, da er meist an der Spitze der Gemeinde gegen die feudalen Willkürlichkeiten operirt hat, verklagt den Bauer und Todtengräber beim Criminalgericht zu Jauer unter der Firma: „Tumultsache.“ (!) ‒ Gestern nun kam von dort das Erkenntniß. Man höre: „Der Bauer ist verurtheilt zu acht Wochen Gefängniß; ‒ Todtengräber zu acht Wochen Zuchthaus, Verlust der Nationalgarde und der Kriegsdenkmünze (!!).“ Die Gemeinde ist durch diesen Akt der Gerechtigkeit furchtbar aufgeregt, um so mehr als der Gutsherr (Müller heißt er) seit Jahren schon die Kirchhofspappeln, welche von der Gemeinde zur Zierde des friedlichen Platzes gesetzt worden sind, jeden Sommer ihres Laubes berauben läßt, um Schaffutter zu gewinnen, ‒ so daß man in der Regel keine Bäume, sondern die unheimlichen Gerüste eines Hochgerichtes vor sich zu sehen glaubt. (O. Ztg.) Frankfurt. Der Ekel, den wir schon lange gegen die in der Paulskirche gepflogenen Verhandlungen empfinden, theilt sich nun endlich auch den Gemäßigteren der bei jenen Verhandlungen selbst Betheiligten, den Gemäßigteren der sogenannten Volksvertreter mit. Daß aber jetzt ein Leue, ein ehrlicher Mann der guten rechten Mitte, ein Republikanerfeind, öffentlich gegen die Versammlung auftritt, in deren Mitte ihn selbst das Vertrauen seiner Wahlmänner berufen: das ist eine Thatsache, über welche die Presse nicht schweigend hinweggehen darf. Leue, Deputirter für Salzwedel und Gardelegen, erläßt eine Erklärung von Frankfurt den 19., in der er sich über die Verhandlungen gegen Zitz, Simon und Schlöffel in offener Weise ausspricht. „Mit der Gewißheit“ ‒ ruft Leue, der Jurist, der Oberprokurator aus ‒ „mit der Gewißheit, daß gar keine strafbare Handlung vorliegt, daß die Freisprechung von der Anklage, wie sie formuliert ist, das unausbleibliche Resultat sein wird, sollen drei Abgeordnete des deutschen Volkes einer langwierigen Untersuchung hingegeben werden! Die es getroffen hat und deren Anhänger werden sagen, daß sie der numerischen Stärke ihrer Gegenpartei unterlegen hätten. Und wirklich würde diese Angabe in dem Umstande eine scheinbare Bestätigung finden, daß die rechte Seite und das Centrum des Hauses für die Genehmigung der Untersuchung, die linke Seite dagegen stimmte. Jener merkwürdige Beschluß erklärt sich indeß einfach daraus, daß die Versammlung in völliger Unkenntniß über den Kern der Frage geurtheilt hat, weil sie nicht ein Wort zu ihrer Belehrung darüber gehört hatte.“ Und nachdem er einen kurzen Bericht von dem Inhalte der Reden gegeben hat, schließt er seine Erklärung also: „Dieser eine Fall gibt ein Bild unserer Versammlung. Beredsamkeit findet man keine, aber eine Redseligkeit, vor der man sich nicht zu retten weiß. Durch dieses eitle Geschwätz und so manche unverständige Beschlüsse (dessen natürliche Folge), durch das Verderben der kostbarsten Zeit haben wir das Vertrauen des Volkes verloren. Ohne den Besitz einer physischen Macht waren wir im Anfange allmächtig durch die Gewalt der öffentlichen Meinung, und wir sind nichts mehr, wenn wir von ihr nicht gehalten und getragen werden. Niemand erwarte sodann das Heil unseres Vaterlandes von Frankfurt aus; in Wien und Berlin wird es ausgemacht werden, leider vielleicht mit Kanonen!“ So der Deputirte Leu. (A. Od.-Z.) Thiengen, 26. Okt. Bei der heute stattgehabten Wahl eines Deputirten zur Nationalversammlung in Frankfurt erhielten von 135 Stimmen Dr. Friedrich Hecker von Mannheim 82 Stimmen. Ober-Amtm. Dreyer von Blumenfeld 50 Stimmen. Fabrikant Buhl von Ettlingen 2 Stimmen. Frhr. v. Andlaw in Freiburg 1 Stimmen. 135 Stimmen. (M. Abendz.) Botzen, 21. Okt. Der Feldmarschall Graf Radetzky hat aus dem Hauptquartier, Mailand, den 16. Oktober, an die Soldaten der Garnison von Wien folgende Worte gerichtet: „Ich bin nicht Euer kommandirender General, Ihr seid nicht gewohnt, auf meine Stimme zu hören und ihr im Kampfe zu folgen; aber als Feldmarschall und ältester Soldat der Armee steht mir das Recht zu, ein ernstes Wort an Euch zu richten. Unerhörte Dinge haben unter Euern Augen stattgefunden, Oesterreichs makellose Fahne ist durch Verrath und Blut befleckt. Zum zweiten Male hat Euer Kaiser aus seiner Hauptstadt fliehen müssen; der Kriegsminister, Feldzeugmeister Graf Latour ward grausam und schändlich ermordet, sein Leichnam entehrt. Ein tapferer General fiel, wie man sagt, durch die Hand eines Grenadiers! Ein Grenadier-Bataillon vergißt in Orgien und schändlicher Trunkenheit seine Pflicht, verweigert den Gehorsam und feuert, o ewige Schmach! auf seine eigenen Waffenbrüder. Soldaten der Wiener Garnison, sagt mir, im Namen der Armee von Italien, Eurer Waffenbrüder, frage ich Euch ‒ habt Ihr Eure Pflicht gethan? Wo war die Wache, die den Feldzeugmeister Latour vertheidigen sollte, die eher zu seinen Füßen sterben mußte, als ihn der Wuth eines blutdürstigen aufgereizten Pöbels preisgeben? Wo weilen die Verräther, die unsere Fahne mit Schmach bedeckten? Hat sie die gerechte Strafe schon ereilt? Oder schleppen sie ihr verächtliches Dasein noch in den Reihen der Empörung fort? Soldaten! Schmerz ergriff mich, Thränen erfüllten mein altes Auge, als ich die Kunde dieser in den Annalen der österreichischen Armee unerhörten Schandthaten erfuhr. Ein Trost blieb mir noch: daß es nur ein kleiner Haufe war, der seine Ehre so schändlich vergaß, seine Pflicht so schmachvoll verletzte. An Euch, Ihr treugebliebenen wackern Männer, ist es nun, den Thron Eures Kaisers und die freisinnigen Institutionen zu schützen, die seine väterliche Güte seinen Völkern verlieh, und die eine Horde von Empörern so schändlich mißbraucht. Soldaten! öffnet die Augen vor dem Abgrunde, der sich vor Euren Füßen aufthut; Alles steht auf dem Spiele, die Grundfesten der bürgerlichen Ordnung sind erschüttert, das Besitztthum, Moral und Religion mit Untergang bedroht, Alles, was dem Menschen heilig und theuer ist, was die Reiche gründet und erhält, will man vernichten. ‒ Das, und nicht die Freiheit ist der Zweck jener Aufwiegler, die Euch mit in Schande und Verderben reißen wollen. Soldaten! In Eurer Hand liegt jetzt der Schutz des Thrones und mit ihm die Erhaltung des Reiches. Möge Gottes Gnade mir gestatten, den Tag zu erleben, wo man sagen wird: „Die Armee hat Oesterreich gerettet,“ dann, erst dann wird der 6. und 7. Oktober dieses unheilschwangeren Jahres gesühnt sein und in Vergessenheit sinken, dann reicht Euch die Armee von Italien, die jetzt die Gränzmarken der Monarchie gegen äußere Feinde schützt, die Bruderhand. (Gez.) Radetzky, Feldmarschall.“ Ein zweiter Armeebefehl, Hauptquartier Mailand, den 18. Okt. 1848, lautet im Wesentlichen wie folgt: „Soldaten! Ich habe Euch den Aufruf bekannt gemacht, den ich an die Garnison von Wien erließ. Ihr werdet daraus ersehen haben, daß das Grenadier-Bataillon Richter, im Rausche seine Pflicht vergaß, den Gehorsam verweigerte und auf seine Kameraden feuerte. Es ist mir die Nachricht zugekommen, daß dieses Bataillon reumüthig zu seiner Pflicht zurückgekehrt und, damit es seine Reue durch die That beweisen könne, den Kommandirenden gebeten habe, es an die Spitze der ersten Sturmkolonne zu stellen. Soldaten! Ich habe Euch mit der Schmach dieses Bataillons bekannt gemacht, ich muß Euch auch seine Reue mittheilen.“ Italien. * Man berichtet aus Mailand, daß 1900 Ungarn, theils in der Stadt, theils in deren Umgebungen kantonnirt, in Masse nach ihrer Heimath desertirt sind. Die Physiognomie Mailands ist ruhig; die Einwohner fürchteten jedoch, daß es im Kriegsfalle zu einer Entscheidung in und um Mailand kommen wird, und viele wandern deshalb aus. Das Gold hat einen außergewöhnlich hohen Preis erreicht. Auf jeder Ecke und fast an jedem Hause liest man die Inschriften: Nieder mit der östreichischen Regierung! Es lebe Italien! Es leben die Ungarn! Die Sterblichkeit unter den östreichischen Truppen nimmt in beunruhigender Weise zu; jede Nacht werden 60 bis 70 Soldaten begraben. Typhus, gelbes Fieber und andere akute Krankheiten raffen die meisten hin; China wird selten. Die täglichen Auslagen belaufen sich für Mailand auf 80,000, für Monza auf 7 bis 8000 Lire. Der Augenblick zur Eröffnung des Feldzuges könnte nicht günstiger sein. Die Bewegung zeigt sich allenthalten und in aller Weise. Durch Turin passirte eine Schaar bewaffneter Lombarden, um sich nach Frankreich zu begeben. Zu Reggio, zu Lukka, überall nationale Demonstrationen. Am meisten aber ist Livorno aufgeregt. Als Montenelli, vom Großherzog nach Florenz berufen, am 21. Okt. die Stadt verließ, wurde sofort auf dem Schloßplatze eine bewaffnete Demonstration organisirt, Emissäre begaben sich nach den verschiedenen Punkten Toskana's, das Volk besetzte die Forts und die Thore, Montenelli konnte nur mit Mühe abreisen. Das neue Ministerium ist noch immer nicht definitiv gebildet. Französische Republik. Paris, 29. Okt. Heute, Sonntag, weder Börse noch Nationalversammlung. Dagegen hält Cavaignac so eben (Mittags) bei ziemlich trübem Wetter über die gesammte Mobilgarde auf dem Marsfelde eine Revue ab, während Changarnier seiner Seits drei Legionen der Bürgerwehr in dem Tuilerienhofe an sich vorbeimarschiren ließ. ‒ Der Moniteur erfreut uns diesen Morgen mit einer bogenlangen Instruktion, des Ackerbauministers Tourret rücksichtlich der Anlage der neuen Ackerbauschulen (Aufnahme der Schüler u. s. w.) mittelst welcher die Nationalversammlung den Werth unserer Ackerbürger zu heben gedenkt. ‒ Der Moniteur veröffentlicht heute die amtlichen Tabellen über den maritimen Handelsverkehr während der ersten 9 Monate des Jahres 1848. Hieraus ersehen wir folgendes Sinken des maritimen Handels: Während der ersten 9 Monate des Jahres 1846 bezog die Staatskasse blos an Zufuhrzöllen noch die Summe von 114,394,806 Fr., während derselben Frist des Jahres 1847 fielen diese Steuern auf 99,847,294 Fr. und bis zum 1. Okt. 1848 sanken sie sogar auf 62,826,100 Fr. Die Ausfuhrzölle fielen von 112,522 Fr. (1846) und 122,342 Fr. (1847) auf 96,527 Fr. bis zum 1. Okt. 1848. Hiebei ist jedoch der Spezialhandel mit und ohne Prämien nicht gerechnet. Der Spezialhandel ohne Prämien auf ausschließlich französische Waaren brachte bis zum 1. Okt. 94,240 Fr., im Jahre 1847 aber 118,140 und 1846 noch 109,716 Fr. Zölle. Die Ausfuhrzölle von reinfranzösischen Produkten mit Prämien erreichten für einzelne Posten z. B. Seide, Zucker, Baumwolle etc. auch in diesem Jahre noch die Höhe von 20-40,000 Fr. „Aber wenn das Land meint, mich für dieses Amt bezeichnen zu müssen, so glaube ich für die Verweigerung desselben kein größeres Recht zu haben, als ich am 24. Febr. gegen den Volkswillen hatte, Paris ohne Regierung zu lassen.“ Ich glaube mich keineswegs von einer solchen Gefahr bedroht und ich berichtige den Kurrier de la Gironde blos deshalb, um für die Folge jedem Mißverständniß vorzubeugen. Mich um die Präsidentschaft eifrig bewerben, wäre lächerlich; sie zu wünschen, wäre verwegen; sie zu verweigern, hieße der Republik in seinem Vaterlande widerstehen. Ich bin eines solchen Ehrgeizes unfähig, aber auch unfähig einer solchen Feigheit. Genehmigen Sie, Herr Redakteur u. s. w. (gez.) Lamartine. ‒ Gestern hörten wir ein neues Volksblatt „Les Judas de la République“ ausrufen. Ebenso ein sozialistisch-demokratisches Programm, dessen Verfasser Jules Lechevalis ist. ‒ Heute Vormittag zwischen 10 und 12 Uhr fuhren abermals 800 Proletarier vom Quai de Saint-Bernard nach ihrem neuen Bestimmungsort, Algerien, ab. ‒ Louis Napoleon Bonaparte, unser künftiger demokratischer Kaiser, jagte vorgestern mit A. Dumas in den Forsten von St. Germain. Er konnte darum der Nationalversammlung unmöglich beiwohnen. Ferner wird erzählt, daß sich S. kaiserl. Majestät um die Aufnahme in den Jocquey-Klub bewerben. ‒ Die Nationalversammlung hat gestern Abend mit 436 gegen 281 Stimmen beschlossen, daß der künftige Präsident der Republik auf Erhaltung der neuen Verfassung und der republikanischen Staatsform schwören müsse. Die moralische Sanktion im Auge des Volks!… Es handele sich um Stellung des Volksgewissens! rief die gesammte Rechte und der politische Eid wurde für den Präsidenten ausnahmsweise wieder eingeführt. Somit erlitt die provisorische Regierung in der Person des Hrn. Cremieur eine abermalige Niederlage. ‒ Es gibt fast keine Stadt, die nicht ihr demokratisch-sozialistisches Bankett haben wollte. Heute finden davon in den verschiedenen Städten der Republik nicht weniger als 42 statt, wie wir aus einer uns zu Gesicht gekommenen polizeilichen Notiz ersehen. ‒ Ledru-Rollin führte gestern den Vorsitz, sagt man, in Aubenas. Wir sahen das ehrenwerthe Glied in der That nicht in der Nationalversammlung. ‒ Lamartine beeilt sich, aus seinem Sommersitz bei Macon folgendes Schreiben an die hiesigen Journale zu richten, in dem er gegen die Behauptung protestirt, daß er auf den Präsidentenstuhl der Republik verzichte: Saint-Point 26. Okt. Herr Redakteur des Journal des Debats! Ich lese in dem Journal des Debats einen dem Kurrier de la Gironde entnommenen Artikel, den zu berichtigen ich Sie um Erlaubniß bitte. Ich antwortete in der That einem Korrespondenten aus Bordeaux in einem Briefe folgende Worte: „Ich trete nicht als Kandidat für die Präsidentschaft vor. Ich bitte Gott und meine Freunde, eine meinen Kräften so unangemessene Bürde fern zu halten.“ ‒ Sibour, der neue Pariser Erzbischof an Affres Stelle (der an der Barrikade erschossen wurde) hat zwei Hirtenbriefe erlassen, die nichts weniger als liberaler oder republikanischer Natur sind. Er zieht darin gegen den Sozialismus fürchterlich zu Felde und außerdem scheint ihm die Verbesserung oder Emanzipation der niederen Geistlichkeit aus dem Unterthanenzwange der Bischöfe weniger als dem Affre selbst am Herzen zu liegen. * Paris, 29. Okt. Bugeaud fährt fort, sich als Kandidaten zur Präsidentschaft der Republik zu geriren. An den Redakteur des „Currier de la tomme“, Hrn. Viktor de Bouvion hat er folgendes Sendschreiben erlassen. „Sie haben die ausnehmende Güte, mir den Currier de la tomme zuzuschicken. Wem kann ich diese Galanterie, die ich unendlich schätze, zuschreiben? Nur der guten Meinung, die sie von meiner Hingebung an die wahren Interessen des Landes haben, von meiner Ordnungsliebe, von meiner energischen Mißbilligung der sogenannten socialistischen Theorien. Sie haben sich nicht getäuscht, mein Herr; es gibt kein Opfer in der Welt, das ich zu bringen nicht bereit wäre, um die Gesellschaft zu vertheidigen gegen die Barbaren, welche sie bedrohn mit einer Ausdauer und einer Kühnheit, welche die Freunde der Ordnung zur Vertheidigung der Gesellschaft nachahmen sollten. Man muß noch waghalsiger sein als die Unruhstifter, und die Gesellschaft wird gerettet sein. Ich wünschte, es wäre mir gegeben alle wohlmeinenden Leute zu bestimmen, in der Politik eine Regel militärischer Taktik zu befolgen, die mir immer geglückt ist: es ist die, die Defensive offensiv zu machen. Sollte es wahr sein, daß es unmöglich ist, so viel Feuereifer für das Gute zu haben, wie die Schlechten für das Böse haben?“ Trotz alledem ist Bugeaud kein ernsthafter Kandidat. Gelingt es wirklich, es bis zur Präsidentenwahl zu bringen, so fällt die Präsidentenkrone auf das Haupt eines Cretins ‒ Louis Napoleons. Von dem Fanatismus der Bauern an der Loire, in Burgund und Franche-Corte, in Lothringen, Champagne, Isle de France, Pikardie und Normandie für den Namen Napoleon macht man sich keine Vorstellung. Großbritannien. * Die „Breslauer Zeitung“, das Organ der Weinreisenden, des kein Deutsch verstehenden Engländers, genießt auch jenseits des Kanals des ihr gebührenden ausgezeichneten Rufes. Der „Standard“ vom 27. Oktbr. gibt ihr, bei Gelegenheit ihrer Nachricht, die Russen würden mit 100,000 Mann auf Wien losmarschiren, sobald die Ungarn die österreichische Gränze überschritten hätten, ein glänzendes allgemeines Mißtrauensvotum. * London, 28. Okt. Ein Jahr ist ungefähr verflossen, seit der eiserne Herzog, der alte Wellington, eines Morgens emporfuhr aus schweren Träumen. Er zog seine Reitstiefeln an, setzte sich an sein Schreibpult und schrieb einen Brief an Sir John Bourgoyne. Dieser Brief machte damals großes Aufsehen; er ging durch die ganze europäische Presse. Wenn nicht die Revolution dazwischen gekommen wäre, so sprächen die Engländer vielleicht noch davon. Glücklicherweise kam aber eben die Revolution. Der alte Herzog schrieb nämlich damals an Sir John, daß sich die englischen Küsten in einem wahrhaft beunruhigenden Zustande der Vertheidigungslosigkeit befänden, und daß es den Franzosen ein Leichtes sein würde, bei Nacht und Nebel plötzlich einmal herüberzufahren und zu landen und London in Brand zu schießen und ein Unheil anzurichten, wogegen die Zerstörung Karthagos ein Kinderspiel sei. Hübsch gedruckt stand dieser Brief in der Times, in der Morning Post, im Standard, und man kann sich denken, wie den guten Britten zu Muthe war und wie ihnen die Haare zu Berge standen, als sie von so hoher Autorität so entsetzliche Dinge hörten. Die Franzosen in London! ‒ John Bull entfärbte sich; er ließ die Arme sinken; er wußte nicht, ob er fluchen oder beten sollte: der Gedanke war zu schrecklich. ‒ Aber der Herzog hatte alles auf's schönste ausgemalt. Man meinte, man sähe die kleinen Franzosen aus ihren Schiffen hüpfen, jetzt in Reihe und Glied springen und dann nach der Metropole marschieren, um im Hayde-Park Kankan zu tanzen, um im London-Kaffeehause Turtlesuppe zu essen und singend durch die City zu ziehen. Der Brief des alten Herzogs ließ das schlimmste fürchten. Männer und Weiber träumten nur von Franzosen. Wer weiß, wem diese Träume am unangenehmsten waren? Acht oder vierzehn Tage dauerte dieser Skandal; man machte schon Pläne, wie man dem herannahenden Unglück durch die großartigsten Maßregeln steuern könne, und schon wollte sich Groß und Klein zu einer allgemeinen Befestigungswuth hinreißen lassen, als plötzlich Cobden, der Baumwollheiland Cobden, dem eisernen Herzog in die Zügel fiel und nicht nur erklärte, daß es Wahnsinn sei, die Streitkräfte des Landes zu vergrößern, sondern daß man im Gegentheil darauf bedacht sein müsse, die Armee und die Marine bis auf ein wahres Minimum zu reduziren. Jeder andere Manchester-Mann würde sich lächerlich gemacht haben, wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, sich in kriegerischen Dingen mit dem Helden von Waterloo messen zu wollen; Cobden stand aber damals noch auf dem Gipfel seines Ruhmes; der Mann, der eben erst die alte Aristokratie in der Kornzollfrage so glänzend geschlagen hatte: er konnte Alles wagen, er durfte selbst einem Wellington feierlich entgegentreten. Cobden war Held des Tages. Um seine niedrige Stirn grünten noch die Lorbeeren, die er auf der Reise durch Frankreich, durch Italien und durch Deutschland gepflückt hatte; die englischen Blätter brachten noch die letzten Freihandelstoaste aller großen Städte des Kontinents, Toaste auf Richard Cobdens Wohl, und auf das Wohl seiner Genossen Bright, Wilson und Thompson; dem Triumph der Freetrader daheim war der sehnlich erwünschte Beifall des Auslandes gefolgt und der Beifall des Auslandes ließ den Liebling der Mittelklasse nur um so mehr in der Gunst der

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 131. Köln, 1. November 1848, S. 0663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz131_1848/3>, abgerufen am 27.04.2024.