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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 139. Köln, 10. November 1848.

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Dieselben Kommissäre haben schon am 24. Oktober eine große Depesche von Olmütz aus anher adressirt, die aus Versehen (!) erst heute hier ankommt.

Die Depesche wird dem Ausschuß für die österreichischen Angelegenheiten vorgelegt.

Diese Depesche wird die Herren Welcker, Mosle und Windisch-Grätz rechtfertigen, und beweisen, daß die Wiener an allem Schuld sind.

Welcker, der berühmte Kommissär, (große Sensation) erstattet einen Bericht. Rechtfertigt sich, oder vielmehr, wird sich nächster Tage ausführlich rechtfertigen.

Dringliche Anträge:

Reh und Genossen: Welcker und Mosle befänden sich seit 1 Uhr am 6. November in Frankfurt. (Leises Gelächter.) Die Antragsteller verlangen Mittheilungen. (Wird zurückgezogen).

Ebenso ein Antrag von Simon aus Trier und Wesendonk.

Tagesordnung.

Nro. 2. (S. oben.) Berathung über den Antrag des Abgeordneten Biedermann.

Derselbe lautet:

"Die National-Versammlung wolle beschließen:

"Durch die Centralgewalt die königlich sächsische Regierung aufzufordern, ihr Dekret vom 28. August d. J., *) *)das deutsche Verfassungswerk betreffend, zurückzunehmen, weil die demselben zu Grunde liegende Ansicht von einer Vereinbarung der deutschen Verfassung zwischen der National-Versammlung und den Gesetzgebenden Gewalten der Einzelstaaten mit dem vom Vorparlament ausgesprochenen und von der National-Versammlung anerkannten Grundsatze:

"daß die National-Versammlung einzig und allein die deutsche Verfassung zu begründen hat,"

im direkten Widerspruch steht."

Unterstützt von: Rümelin. Schneider von Lichtenfels. Pretis. Pannier. Clemens. Schreiner. Fallati. C. F. Wurm. Breuning. Kunth. Pözl. A. Sprengel. Schlör. Renger. Stenzel. Frings. Laube. Wernher aus Nierstein. Emmerling. Stahl. Burkart Barth. H. Raumer. Schierenberg. Herzog.

Schaffrath stellt ein Amendement dazu:

"Siemon von Trier habe vor langer Zeit einen ähnlichen Antrag, den preußischen Minister v. Auerswald betreffend, eingegeben. Dieser sei damals nicht als dringlich erkannt, sondern an den Ausschuß verwiesen worden, deshalb beantragt Schaffrath mit dem vorliegenden Antrag und allen in dies Fach schlagenden eben so zu verfahren."

Schaffrath erhält das Wort zur Begründung und führt an, daß viele andere Regierungen, besonders Oesterreich (durch Wessenberg und Pillersdorf), die Kompetenz der National-Versammlung angetastet hätten. Die sächsische Kammer hätte dies noch am wenigsten gethan. Er rechtfertigt die sächsische Regierung, die allwärts durch Reformen, nicht wie anderswo durch Revolutionen vorangegangen. Es seien nicht die einzelnen partikularistischen Bestrebungen der Regierung einzeln zu bekämpfen, sondern endlich einmal energisch von der National-Versammlung das Prinzip allgemein aufzustellen und überall in Deutschland zur Geltung zu bringen. (Was Schaffrath sagt, muß sehr richtig und gut sein, denn er wird einmal von der Rechten und Centren ruhig angehört). Auch werde die sächsische Kammer schon am 10. November, also übermorgen, geschlossen, und es läge kein Grund vor, den Biedermanschen Antrag als dringlich zu behandeln.

Biedermann freut sich aufrichtig, daß Schaffrath in seinem (Biedermanns) Sinne die sächsische Kammer und Regierung in Schutz genommen. Aber die Eitelkeit des Herrn Biedermann läßt es nicht zu, seinen Antrag dem Schaffrathschen unterzuordnen.

Plathner und Schwerin (die Rechte) schließen sich dem Schaffrathschen Antrage vollkommen an.

In Abstimmung durch Stimmzettel wird der Schaffratsche präjudizielle Antrag mit 255 Stimmen gegen 180 angenommen. (Das ist Schaffrath noch nicht passirt !)

Die Rechte, das rechte Centrum und ein Theil der Linken stimmten dafür, fast das ganze linke Centrum dagegen.

Zur Ausführung von Schaffraths Antrag wird nach längerer Debatte ein neuer Ausschuß erwählt werden.

Man geht demnach zu Punkt 5 der Tagesordnung über. (S oben).

Der Jordansche Antrag lautet:

"Die National-Versammlung wolle beschließen:

"Obgleich es durch den Beschluß über den Raveaux-Werner'schen Antrag bereits feststeht, daß die Beschlüsse einzelner Landesversammlungen, nur in so weit sie mit denen der Reichsversammlung übereinstimmen, Gültigkeit haben, so findet sich die Reichsversammlung, im Hinblick auf mehrere Vorgänge der jüngsten Zeit dennoch veranlaßt, nochmals ausdrücklich zu erklären:

"daß jeder, ihren Beschlüssen entgegenstehende Beschluß einer Versammlung eines Einzelstaats als an und für sich null und nichtig angesehen, und erforderlichen Falles als ungesetzliche Auflehnung energisch zurückgewiesen werden wird."

Wesendonk hat den präjudiziellen Antrag gestellt, auch diesen Antrag dem eben angenommenen Schaffrath'schen nach, an den neu zu erwählenden Ausschuß zu weisen.

Löwe von Kalbe empfiehl dies.

Jordan von Berlin besteht (natürlich!) darauf, daß sein Antrag gleich dran kommt.

Die Versammlung beschließt den Jordanschen Antrag gleich vorzunehmen. Die Linke und Vinke und Schwerin stimmten für Wesendonks Antrag. (Letztere beide Herren scheinen also gar keine Partei mehr zu haben).

Zu Jordans Antrag kommen mehrere Amendements:

1) von Reh und Genossen: einfache Tagesordnung über Jordans Antrag.

2) Beseler und Genossen, motivirte Tagesordnung.

3) Wesendonk und Genossen, dito.

4) Ziegert und Genossen, dito.

5) Vogt und Genossen: Tagesordnung.

Folgen einige erweiternde Zusätze.

Jordan von Berlin beginnt die Diskussion und empfiehlt gewohnter uninteressanter Art seinen Antrag. Er spricht in kühnen Phrasen für die deutsche Einheit; schüttet einiges Gift auf die Linke der Berliner Versammlung, und meint (zur Linken gewendet) Sie werden sich wundern, daß ich den Anlauf nehme ganz offen zu reden. (Es wundert sich aber niemand.) Während er spricht, sehe ich mir ein wenig die Damentribüne an, die sich gewaltig über die Witze des Berliner Literaten zu langweilen scheint.) Jordan bespricht den bekannten Beschluß der berliner Versammlung über Polen. Dieser Beschluß hätte bei den deutschen (Juden!) in Polen gerechte Entrüstung hervorgerufen. Er verliest zu dem Ende die Adresse der deutschen Posener an die Versammlung mit erhabener Stimme. Den Beschluß der Berliner nennt Jordan einen stiefmütterlichen, herzlos-leichtsinnigen! Wir haben, sagt er, uns diesmal nicht zu erklären gegen unten, auch nicht gegen den Widerstand von oben, sondern gegen die Mitte, nehmlich einen Theil der Kammern, der Volksvertreter. Man sucht sie ohnmächtig zu machen! ruft er den Centren zu. Dieselbe Partei ist jetzt gegen uns, die früher mit der Strenge eines Hofceremonienmeisters die Huldigungen, die Hurrahs, die Hochs für die deutsche Einheit bewachte. (Man lacht und klatscht gütigst.) Jordan witzelt weiter, erregt links furchtbaren Tumult, wird von Links zur Ordnung gerufen. (Präsident meint: "Herr Jordan möchte doch so wenig wie möglich persönlich sein.") Geschrei: gar nicht! Jordan erklärt nun, er meine die Partei die am 18. Septbr. hier hinter den Barrikaden gestanden. Er witzelt fort, und meint die Berliner Versammlung sei mehr geneigt und bewegt jener blutigen Frakturschrift (des 18. Septbr.) Folge zu geben. Venedei beantragt den Ordnungsruf wegen dieser Aeußerung. Präsident: entschuldigt Jordans Aeußerung und wird ihn nicht zur Ordnung rufen! Jordan quatscht fort. (Links: zur Sache. Präsident: Jordan sei bei der Sache.) Er entwickelt die Gefahren der Berliner Volksvertreter. Ein Theil des Berliner Gesindels (ipsissima verda) habe der Versammlung die Thüren vernagelt. Die Vertreter mit Stricken, Hanfkravatten, wiener Würsten bedroht. Unsre gemordeten Cammeraden (sagt Jordan) werden wohl bald in Berlin Gefährten finden.

Daß die Berliner Versammlung den Waldeck-D'Esterschen Antrag nicht mit furchtbarer Majorität verworfen, beweise daß die Versammlung unfrei ist. Wir ruft er aus, sind noch das einzige Vollwerk, Vollwerk der Ordnung nach unten, Vollwerk der Ordnung nach oben. (O du Vollwerk.)

Rösler verliest eine Erklärung der Linken, eine Protestation gegen die schmähliche Art mit der Jordan die Berliner Versammlung beschimpft hat. (Wird ad acta gelegt.)

Graf Reichenbach von Dametzke. (Neues Mitglied der Linken hält eine wunderbare Jungfernrede; ich gebe seine Rede [die interessanteste von heute] so gut wie möglich.) Meine Freunde von der Linken, leider habe ich bemerkt, daß Sie nicht die nöthige Ruhe gezeigt haben. Ruhe giebt Macht! Ich werde ruhig sein. Herrn Jordans Angriffe werde ich nicht widerlegen - ich bin dazu zu aristokratisch. Meine Herren, die Versammlung von Berlin und die Unsrige, beide sind auf den Boden der Revolution erwachsen - später sind sie auseinandergegangen - jetzt stehen sie im Widerspruch. Die preußischen Volksvertreter sind vom preußischen Volke mit mehr Sorgfalt erwählt worden, als die zur Nationalversammlung. Meine Herren! Sie haben die Centralgewaltspolitik d. h. die absolutistische - die habsburger Hauspolitik (Gagern unterbricht).

Reichenbach: Das Volk hat mich hierher geschickt meine Ueberzeugung zu sagen, ich werde es thun (Bravo.) Weil diese Versammlung diese Freiheit nicht mehr vertritt - deshalb sucht man die Freiheit in Berlin. Die Berliner Versammlung wird auf ihrem Beschluß beharren, den sie keineswegs unfrei gefaßt hat. Wenn Sie die Politik des Absolutismus nicht verlassen, so wird Alles was in Deutschland Freiheit athmet, der Preußischen Versammlung sich anschließen. In der Politik giebt es keinen größeren Fehler als Fehler zu begehen. Sie haben in der Posen'schen Sache geirrt, Sie müssen ihren Fehler verbesseren. (Der Eindruck dieser Rede war ein merkwürdiger - ein ganz stummmachender!)

Plathner beginnt damit, daß der heutige Tag über das Schicksal Deutschlands entscheiden wird. (Gelächter! man scheint es nicht zu glauben!) Er wirft der Linken Inconsequenz vor, und sucht dies zu erklären.

Kein Preußen, kein Oesterreich, kein Bayern bringt ihnen die Freiheit - ruft Plathner - sondern wir. Sie (links) suchen die Freiheit da, wo Sie hoffen können, bald in der Majorität zu sein, (Berliner Kammer!) Hier können Sie dies allerdings nicht hoffen! Ihr Prinzip ist, Sie setzen die Freiheit über die Einheit! (Das ist wahr!) Zur Sache kommt Plathner erst am Schluße seiner Rede.

Reh aus Darmstadt. Daß eine große Veränderung in den Meinungen der Mitglieder dieser Versammlung vorgegangenen, das ist das einzige wahre in Herrn Jordans Rede - er selbst ist das beste Beispiel. (Gelächter und Bravo.) Persönliche Angriffe wie die Seinigen sind unter meiner Würde. Sind wir denn wirklich nur hierher geschickt, giftige Partei- und Persönlichkeitskämpfe durchzuführen? Mein Herz blutet dabei, wenn ich sehe wie wir unseren Zweck verkennen. (Bravo.) Zur Sache: Es ist Sache des Ministeriums, Partikularbeschlüssen entgegenzutreten, nicht die unsrige. Des Ministers gestrige Erklärung kann uns genügen - ich beantrage Tagesordnung.

von Breuning: Für den Antrag des Ausschusses.

Vogt stellt Herrn Jordans Witze die seinigen entgegen, die allerdings besser sind. Er fällt ganz gründlich über Herrn Jordan und Plathner her. Aber auch dem Grafen Reichenbach muß er gegenübertreten (hört!); denn dieser hat geäußert, daß in der Majorität dieser Versammlung noch Weisheit zu finden sei. Graf Reichenbach ist noch zu kurze Zeit in dieser Versammlung. (Ueber diese starke Pille erhebt sich bösartiger Tumult.) Zur Sache ist Vogt für die Tagesordnung. Die Einheitskonzerte, welche mit obligater Kartätschenbegleitung aufgeführt werden, kehren mehr und mehr die Völker von ihnen zum Partikularismus. Das Ministerium aber vertritt hier die partikularistische Partei. Dem Partikularismus der Regierungen (Auerswald - Messenberg - Pillerdorf'sche Erklärungen) lassen wir seinen Lauf, aber über die Opposition der Volkskammern fallen wir her. Zum Schluß sagt Vogt, steht der Beschluß der Berliner Versammlung in keinem Widerspruch mit dem § 1. unserer Verfassung. Derselbe behält ebenfalls für die Polen'schen Verhältnisse Bestimmungen vor.

Beckerath (Minister), empfiehlt nach einigen rührenden Phrasen die motivirte Tagesordnung.

Schluß der Debatte.

Jordan von Berlin spricht noch einmal, und stellt nun (Sieg der Consequenz!!) eventuell, d. h. wenn sein Antrag verworfen, was jedenfalls geschehen wird, selbst einen Antrag auf motivirte Tagesordnung. Endlich macht er noch einige Ausfälle auf Herrn Vogt und frägt, welches Maaß der Freiheit wollen wir denn - ist es nicht der Triumph der Freiheit daß in Berlin der Demokratencongreß ruhig gelitten wurde. Aber wenn der Mord gegen uns auftritt, dann können wir nur mit Kanonen antworten. (Beifall Centren und rechts.)

Abstimmungen. Die einfache Tagesordnung wird verworfen. (Die ganze Linke wollte dieselbe). Wesenbronks, motivirte Tagesordnung wird verworfen. Kerst's motivirte Tagesordnung, ungefähr also lautend:

"Indem die National-Versammlung die Bevölkerung Polens auf den Werner-Raveaur'schen Beschluß - ferner auf den Beschluß über Polen - und auf die Erklärung des Reichsministers in dieser Sache hinweist (s. gestrige Sitzung) - geht sie zur motivirten Tagesordnung über,"

wird mit 313 Stimmen gegen 124 angenommen. (Jordan selbst stimmte dafür und verwarf somit seinen eigenen Antrag).

Punkt 4 der Tagesordnung (s. oben) ist ohne alles Interesse. Ein Ausschlußantrag (Zusatz zur Geschäftsordnung):

"Jeder Ausschuß ist befugt, Zeugen und Sachverständige vorzufordern, zu vernehmen, vernehmen zu lassen, so wie mit Behörden in Verbindung zu treten, "

wird angenommen.

Nauwerk hat auch eine Abänderung beantragt. Er will sprechen - man ruft Schluß - er verzichtet - man lacht höhnisch. (Das ist die Haltung der Versammlung).

Nauwerks Antrag wird verworfen.

Schluß der Sitzung 1/2 3 Uhr

Morgen um 9 Uhr ist ausnahmsweise Sitzung, weil, wie der Herr Präsident meint, zum Fortbau der Verfassung dieser Woche noch keine Sitzung verwendet worden ist.

Schleswig, den 4. November.

Die mehrerwähnte Correspodenz zwischen der gemeinsamen Regierung und dem Reichs-Commissär Stedmann ist folgende:

1. Schreiben der gemeinsamen Regierung: "Von dem Herrn Reichs-Commissär Stedmann und dem königl. dänischen Commissär Hrn. v. Needtz hat die gemeinsame Regierung zwei gleichlautende Schreiben, d. d. Kopenhagen, den 28. Oktober 1848, entgegengenommen, enthaltend eine Erklärung in Betreff einiger durch die Bekanntmachung der gemeinsamen Regierung vom 22. s. M. wieder in Kraft gesetzten Verfügungen etc. In Betracht, daß schon in der gedachten Bekanntmachung ausdrücklich die Worte vorkommen: im § 1: "den Bedingungen des definitiven Friedens unbeschadet", im § 2: "unter Vorbehalt definitiver Bestätigung durch den Frieden und ohne Präjudiz für denselben", sowie: "so weit es die während des Waffenstillstandes bestehenden Verhältnisse gestatten", und in diesen Worten bereits die erforderliche Reservation enthalten ist, glaubt die gemeinsame Regierung nur, um jedes Mißverständniß zu verhüten, noch darauf aufmerksam machen zu müssen, daß für die Dauer des Waffenstillstandes der Rechtsbestand der von ihr in Kraft gesetzten Verfügungen etc. nach Maaßgabe der Bekanntmachung, nicht als beeinträchtigt angesehen werden kann. Gottorff, den 3. Nov. 1848. Die gemeinsame Regierung. (unterz.) Th. Reventlow. Harbon. Lüders."

2. Schreiben des Reichs-Commissärs Stedmann: "Einer hohen gemeinsamen Regierung der Herzogthümer Schleswig-Holstein erwidere ich auf das so eben erhaltene verehrliche Schreiben vom Heutigen, daß nach dem Art. 7 des Waffenstillstandes sämmtliche Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln, welche seit dem 17. März, sowohl in Rendsburg und Schleswig als in Kopenhagen für die Herzogthümer erlassen worden sind, im Augenblick des Amtsantrittes der gemeinsamen Regierung ohne Ausnahme ihre Gültigkeit verloren haben, daß aber nach der Art. 7 und 11 des gedachten Staats-Vertrages durchaus keine Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln weder mit noch ohne Clauseln wieder in Kraft gesetzt werden konnten, welche irgend etwas dem Frieden Vorgreifendes enthielten. Ich kann daher nach meinem Auftrage, über die Ausführung des gedachten Vertrags zu wachen, nicht anerkennen, daß alle in der Verordnung vom 22. v. M. wieder in Kraft gesetzten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln auch mit den hinzugefügten Clauseln für die Dauer des Waffenstillstandes in ihrer Rechtsgültigkeit "nicht beeinträchtigt" sein sollen, wie der Ausdruck im heute erhaltenen verehrlichen Schreiben lautet. Ich bin aber bereit, nach der mit dem dänischen Commissarius unter dem 28. d. M. getroffenen Vereinbarung, welche ich wie alle Verträge heilig halten muß, Alles thatsächlich und unvorgreiflich als Verwaltungsmaaßregel gelten zu lassen, was die hohe Regierung anordnen wird und irgendwie als mit den Verträgen und Reichsrechten vereinbar und für das Wohl der Herzogthümer, welches der Reichsregierung und der gesammten deutschen Nation so theuer ist, nach Art. 7 des Vertrages als "unerläßlich und ersprießlich" erkannt werden kann. Es wird der hohen gemeinsamen Regierung einleuchten, daß ohne die letztgedachte Vereinbarung von 28. auch die thatsächliche Aufrechthaltung mancher Anordnungen wenigstens dänischer Seits zu Klagen hätte Veranlassung geben können, welche jetzt unzulässig sind. Der in öffentlichen Blättern erschienene Text der Vereinbarung vom 28. v. M. ist eine ungenaue deutsche Uebersetzung einer mir unbekannten dänischen Uebersetzung der nur in deutscher Sprache verfaßten Uebereinkunft. Schleswig, den 3. Nov. 1848. (gez.) Stedmann, Reichs-Commissarius."

3. Die Uebereinkunft vom 28. Okt. Lautet im Originaltext also: Am 28. Okt. 1848 haben die Herren Stedmann und Reedtz, Commissarien beziehungsweise der provisorischen deutschen Centralgewalt und Sr. Maj. des Königs von Dänemark, in Ihrer Eigenschaft als Herzog von Schleswig und Holstein, an die gemeinsame Regierung letztgedachter Herzogthümer zwei Schreiben folgenden, gleichlautenden Inhalts erlassen: Der unterzeichnete Commissarius (Tit.) in Betracht der Art. des Waffenstillstands-Vertrages vom 26. Aug. d. J., welcher bestimmt, daß die gesetzgebende Gewalt in den Herzogthümern Schleswig und Holstein während der Dauer des Waffenstillstandes ruht und des Art. 11, aus welchem hervorgeht daß den Bedingungen des definitiven Friedens in keiner Weise präjudicirt werden soll: in Betracht ferner der Bekanntmachung vom 22. d. M. der an demselben Tage installirten gemeinsamen Regierung der beiden Herzogthümer, betreffend die seit dem 17. März d. J. erlassenen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln: kann nicht umhin, der genannten Regierung - Namens (Tit.) - zu eröffnen, daß er im Geiste gewissenhafter Beobachtung des gedachten Waffenstillstands-Vertrages ausdrücklich und feierlich gegen den rechtlichen Bestand aller präjudiciellen Bestimmungen, welche durch die erwähnte Bekanntmachung wieder ins Leben gerufen worden sind, sich erklären muß, und daß als solche namentlich folgende unter den früher erlassenen bezeichnet werden müssen: 1) Das Reglement der provisorischen Regierung vom 18. April d. J., betreffend die vorzunehmenden Wahlen zur deutschen National-Versammlung, insofern dieses Reglement künftig auf Schleswig Anwendung finden könnte; 2) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 23. Sept. d. J., betreffend den unzulässigen Gebrauch dänischer Fahnen und Cocarden; 3) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 30. Sept. d. J. über die Vertretung schleswig-holsteinischer Schiffer im Auslande während des Waffenstillstandes; 4) Die Verfügung vom 21. Okt., betreffend die von den Handelsschiffen zu gebrauchende Flagge, Ein Gleiches gilt hinsichtlich des Rechtsbestandes des am 15. Sept. publicirten Staatsgrundgesetzes mit specieller Beziehung auf die staatsrechtlichen Dispositionen desselben und namentlich mit Rücksicht auf die Bestimmungen im Art. 1, 3, 55 und 140. Im Uebrigen ist der unterzeichnete Commissarius (Tit.) nicht gesonnen, den im gedachten Staatsgrundgesetze ausgesprochenen Grundsätzen bürgerlicher Freiheit, so weit sie mit wohlerworbenen Rechten vereinbarlich sind, sowie thatsächlichen Anordnungen der gemeinsamen Regierung der Herzogthümer, welche zur Wohlfahrt des Landes, sowie der einzelnen Bewohner und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beitragen könnte, irgendwie hinderlich entgegen zu treten. (Folgt die Unterschrift.)

(H. B.)
Schleswig, den 5. Nov.

Der Protest der Herren Stedmann und v. Reedtz hat große Sensation erregt. Daß der dänische Commissar seinerseits einen solchen Schritt gethan, überrascht eben nicht. Aber daß Herr Stedmann es über sich gewinnen konnte, ein Schreiben gleichen Inhalts, wie das Reedtz'sche, zu erlassen und dasselbe zugleich mit dem letzteren von Kopenhagen aus hierher zu senden, erfüllt Alle mit der größten Entrüstung. Eine gestern Abend hier abgehaltene allgemeine Bürgerversammlung machte diese Angelegenheit zum Gegenstand ihrer Berathung und beschloß eine Adresse an das Reichsministerium des Innern, welche denn auch sofort unterzeichnet wurde. Diese sehr kurz und bündig abgefaßte Adresse erklärt nach Hervorhebung dessen, was man von Hrn Stedmann als Reichskommissar erwarten zu dürfen geglaubt habe, daß die Unterzeichner zu Hrn. Stedmann durchaus kein Vertrauen mehr haben könnten, und beantragt demzufolge dessen Abberufung. Zugleich beschloß man, Hrn. Stedmann eine Abschrift der Addresse zuzustellen. Die Versammlung war von mehr als 600 Personen besucht. Interessant waren die Mittheilungen, welche der in der Versammlung anwesende Departements, chef der Justiz, Hr. Mommsen machte. Derselbe theilte nämlich mit, daß die gemeinsame Regierung bereits auf Erlassung eines entschiedenen Gegenprotestes Gedacht genommen habe und daß dieser Gegenprotest, da der Protest der Hrn. Reedtz und Stedmann veröffentlicht worden sei, nächsten Tags gleichfalls der Oeffentlichkeit übergeben werden würde; (aus anderweitiger Quelle vernimmt man, daß der erwähnte Gegenprotest schon nach Frankfurt abgegangen ist.) Als Resultat dieser Mittheilungen stellte sich klar heraus, wenn solches gleich von dem Departementchef nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß Hrn. Stedmann - eine unverzeihliche Schwäche zur Last falle.

Viele Theilnehmer der Versammlung scheinen große Lust zu haben, Hrn. Stedmann noch auf ganz andere Weise, als durch abschriftliche Mittheilung der Adresse, ihre Meinung kund zu thun, und wenn anderweitige Manifestationen unterblieben, so hat man dies nur den nachdrücklichen Ermahnungen einiger besonnenen und einflußreichen Männer zu verdanken. Es ergibt sich übrigens, daß Hr. v. Reedtz den Reichskommissar nur aus den Händen gelassen hat, um denselben einem andern zuverlässigen Mann anzuvertrauen. Denn Hr. Stedmann ist in Begleitung des Hrn. von Plessen aus Kopenhagen hier angelangt und in Begleitung eben desselben weiter nach Lauenburg gereift, um auch die dortigen Verhältnisse zu ordnen.

Polen.
Krakau, 4. Nov.

Der k. k. Infanterie-Hauptmann Hr. Baron Ruistel, der als Kurrier als kommandirenden Generals Hrn. Barons Hammerstein nach Olmütz gesandt wurde, brachte mir folgende Nachrichten:

Am 1. Nov. bot Lemberg den Schauplatz trauriger Ereignisse dar. - Ein zwischen den Soldaten und den Nationalgardisten entstandener Streit war die Ursache eines großen Aufruhrs, der den kommandirenden General veranlaßte, das Militär in die Kasernen zu konfigniren. Die Nationalgarde griff zu den Waffen, zwei Kompagnien derselben stellten sich bei dem Artilleriepark auf, der auf diese Weise bedroht wurde - man gab durch drei Kanonenschüsse das Zeichen zum Alarm an und so entstanden sogleich auf vielen Punkten der Stadt Barrikaden.

Der Platz-Hauptmann Heinmerle wurde angehalten, entwaffnet und auf die Wache der Nationalgarde geführt, und auf die demselben nacheilende Ordonnanz wurde geschossen. Die auf dem Markte versammelte Volksmenge bedrohte die Wache der Art, daß dieselbe durch eine Division von Grenadieren gedeckt werden mußte; gerade zu derselben Zeit wurden viele Militärpersonen angefallen und verwundet - endlich erschienen einige Deputationen, welche die Entfernung des Militärs verlangten und für die Herstellung der Ruhe bürgten. Der General forderte die sofortige Räumung der Barrikaden.

Diese Sachlage dauerte bis zum 2. Nov. des Morgens 7 Uhr Während der kommandirende General die Bedingungen stellte, die angenommen werden sollten, entstand zwischen den Soldaten und der berittenen Nationalgarde eine Reibung, die die Verwundung vieler Personen zur Folge hatte. Man stellte die Barrikaden wieder her und berief die ganze Stadtbevölkerung durch das Läuten zum Kampfe. - Einige, aus den Fenstern gefallene Schüsse, in Folge deren zwei Artilleristen hinstürzten, gaben das Zeichen zu den beginnenden Feindseligkeiten. Die Artillerie bemühte sich, die Barrikaden zu zerschmettern, das bewaffnete Volk concentrirte sich in der Universität und steckte auf einer der Barrikaden die rothe Fahne auf. Der Universitäts-Stadttheil, insbesondere die Universität und das erhabene Rathhaus, ist durch Raketen angezündet.

Gegen Mittag erschien die Deputation des Sicherheitskomite, welches den kommandirenden General die Uebergabe der Stadt unter folgenden Bedingungen zusicherte:

1) Die Auflösung und Entwaffnung der akademischen Legion.

2) Die Reorganisation der Nationalgarde unter dem Einflusse des Generals Cesarski.

(Hierzu eine Beilage.)

*) Die einschlägige stelle lautet wörtlich so: "Aber auch zwischen den gesetzgegebenen Organen des Bundesstaates und der Einzelstaaten wird eine Einigung für die Feststellung der neuen Verfassung Deutschlands erforderlich sein, wenn diese auf eine Grundlage gebaut werden soll, welche die Bürgschaft der Dauer giebt. Die Regierung geht dabei von der Ansicht aus, daß der § 2 der Verfassungsurkunde und die darin festgestellten Rechte der Stände (nach diesem § dürfen Rechte der Krone, Hoheitsrechte, nicht ohne Zustimmung der Stände veräußert werden) für sie maßgebend sind, wird jedoch immer eingedenk sein, daß der ersehnten Gestaltung eines kräftigen Bundesstaats Opfer zu bringen sind, und daß, ohne dringende Gründe den Beschlüssen der National-Versammlung die Anerkennung nicht zu versagen, Regierung und Stände in gleicher Weise für ihre Aufgabe erachten müssen."

Dieselben Kommissäre haben schon am 24. Oktober eine große Depesche von Olmütz aus anher adressirt, die aus Versehen (!) erst heute hier ankommt.

Die Depesche wird dem Ausschuß für die österreichischen Angelegenheiten vorgelegt.

Diese Depesche wird die Herren Welcker, Mosle und Windisch-Grätz rechtfertigen, und beweisen, daß die Wiener an allem Schuld sind.

Welcker, der berühmte Kommissär, (große Sensation) erstattet einen Bericht. Rechtfertigt sich, oder vielmehr, wird sich nächster Tage ausführlich rechtfertigen.

Dringliche Anträge:

Reh und Genossen: Welcker und Mosle befänden sich seit 1 Uhr am 6. November in Frankfurt. (Leises Gelächter.) Die Antragsteller verlangen Mittheilungen. (Wird zurückgezogen).

Ebenso ein Antrag von Simon aus Trier und Wesendonk.

Tagesordnung.

Nro. 2. (S. oben.) Berathung über den Antrag des Abgeordneten Biedermann.

Derselbe lautet:

„Die National-Versammlung wolle beschließen:

„Durch die Centralgewalt die königlich sächsische Regierung aufzufordern, ihr Dekret vom 28. August d. J., *) *)das deutsche Verfassungswerk betreffend, zurückzunehmen, weil die demselben zu Grunde liegende Ansicht von einer Vereinbarung der deutschen Verfassung zwischen der National-Versammlung und den Gesetzgebenden Gewalten der Einzelstaaten mit dem vom Vorparlament ausgesprochenen und von der National-Versammlung anerkannten Grundsatze:

„daß die National-Versammlung einzig und allein die deutsche Verfassung zu begründen hat,“

im direkten Widerspruch steht.“

Unterstützt von: Rümelin. Schneider von Lichtenfels. Pretis. Pannier. Clemens. Schreiner. Fallati. C. F. Wurm. Breuning. Kunth. Pözl. A. Sprengel. Schlör. Renger. Stenzel. Frings. Laube. Wernher aus Nierstein. Emmerling. Stahl. Burkart Barth. H. Raumer. Schierenberg. Herzog.

Schaffrath stellt ein Amendement dazu:

„Siemon von Trier habe vor langer Zeit einen ähnlichen Antrag, den preußischen Minister v. Auerswald betreffend, eingegeben. Dieser sei damals nicht als dringlich erkannt, sondern an den Ausschuß verwiesen worden, deshalb beantragt Schaffrath mit dem vorliegenden Antrag und allen in dies Fach schlagenden eben so zu verfahren.“

Schaffrath erhält das Wort zur Begründung und führt an, daß viele andere Regierungen, besonders Oesterreich (durch Wessenberg und Pillersdorf), die Kompetenz der National-Versammlung angetastet hätten. Die sächsische Kammer hätte dies noch am wenigsten gethan. Er rechtfertigt die sächsische Regierung, die allwärts durch Reformen, nicht wie anderswo durch Revolutionen vorangegangen. Es seien nicht die einzelnen partikularistischen Bestrebungen der Regierung einzeln zu bekämpfen, sondern endlich einmal energisch von der National-Versammlung das Prinzip allgemein aufzustellen und überall in Deutschland zur Geltung zu bringen. (Was Schaffrath sagt, muß sehr richtig und gut sein, denn er wird einmal von der Rechten und Centren ruhig angehört). Auch werde die sächsische Kammer schon am 10. November, also übermorgen, geschlossen, und es läge kein Grund vor, den Biedermanschen Antrag als dringlich zu behandeln.

Biedermann freut sich aufrichtig, daß Schaffrath in seinem (Biedermanns) Sinne die sächsische Kammer und Regierung in Schutz genommen. Aber die Eitelkeit des Herrn Biedermann läßt es nicht zu, seinen Antrag dem Schaffrathschen unterzuordnen.

Plathner und Schwerin (die Rechte) schließen sich dem Schaffrathschen Antrage vollkommen an.

In Abstimmung durch Stimmzettel wird der Schaffratsche präjudizielle Antrag mit 255 Stimmen gegen 180 angenommen. (Das ist Schaffrath noch nicht passirt !)

Die Rechte, das rechte Centrum und ein Theil der Linken stimmten dafür, fast das ganze linke Centrum dagegen.

Zur Ausführung von Schaffraths Antrag wird nach längerer Debatte ein neuer Ausschuß erwählt werden.

Man geht demnach zu Punkt 5 der Tagesordnung über. (S oben).

Der Jordansche Antrag lautet:

„Die National-Versammlung wolle beschließen:

„Obgleich es durch den Beschluß über den Raveaux-Werner'schen Antrag bereits feststeht, daß die Beschlüsse einzelner Landesversammlungen, nur in so weit sie mit denen der Reichsversammlung übereinstimmen, Gültigkeit haben, so findet sich die Reichsversammlung, im Hinblick auf mehrere Vorgänge der jüngsten Zeit dennoch veranlaßt, nochmals ausdrücklich zu erklären:

„daß jeder, ihren Beschlüssen entgegenstehende Beschluß einer Versammlung eines Einzelstaats als an und für sich null und nichtig angesehen, und erforderlichen Falles als ungesetzliche Auflehnung energisch zurückgewiesen werden wird.“

Wesendonk hat den präjudiziellen Antrag gestellt, auch diesen Antrag dem eben angenommenen Schaffrath'schen nach, an den neu zu erwählenden Ausschuß zu weisen.

Löwe von Kalbe empfiehl dies.

Jordan von Berlin besteht (natürlich!) darauf, daß sein Antrag gleich dran kommt.

Die Versammlung beschließt den Jordanschen Antrag gleich vorzunehmen. Die Linke und Vinke und Schwerin stimmten für Wesendonks Antrag. (Letztere beide Herren scheinen also gar keine Partei mehr zu haben).

Zu Jordans Antrag kommen mehrere Amendements:

1) von Reh und Genossen: einfache Tagesordnung über Jordans Antrag.

2) Beseler und Genossen, motivirte Tagesordnung.

3) Wesendonk und Genossen, dito.

4) Ziegert und Genossen, dito.

5) Vogt und Genossen: Tagesordnung.

Folgen einige erweiternde Zusätze.

Jordan von Berlin beginnt die Diskussion und empfiehlt gewohnter uninteressanter Art seinen Antrag. Er spricht in kühnen Phrasen für die deutsche Einheit; schüttet einiges Gift auf die Linke der Berliner Versammlung, und meint (zur Linken gewendet) Sie werden sich wundern, daß ich den Anlauf nehme ganz offen zu reden. (Es wundert sich aber niemand.) Während er spricht, sehe ich mir ein wenig die Damentribüne an, die sich gewaltig über die Witze des Berliner Literaten zu langweilen scheint.) Jordan bespricht den bekannten Beschluß der berliner Versammlung über Polen. Dieser Beschluß hätte bei den deutschen (Juden!) in Polen gerechte Entrüstung hervorgerufen. Er verliest zu dem Ende die Adresse der deutschen Posener an die Versammlung mit erhabener Stimme. Den Beschluß der Berliner nennt Jordan einen stiefmütterlichen, herzlos-leichtsinnigen! Wir haben, sagt er, uns diesmal nicht zu erklären gegen unten, auch nicht gegen den Widerstand von oben, sondern gegen die Mitte, nehmlich einen Theil der Kammern, der Volksvertreter. Man sucht sie ohnmächtig zu machen! ruft er den Centren zu. Dieselbe Partei ist jetzt gegen uns, die früher mit der Strenge eines Hofceremonienmeisters die Huldigungen, die Hurrahs, die Hochs für die deutsche Einheit bewachte. (Man lacht und klatscht gütigst.) Jordan witzelt weiter, erregt links furchtbaren Tumult, wird von Links zur Ordnung gerufen. (Präsident meint: „Herr Jordan möchte doch so wenig wie möglich persönlich sein.“) Geschrei: gar nicht! Jordan erklärt nun, er meine die Partei die am 18. Septbr. hier hinter den Barrikaden gestanden. Er witzelt fort, und meint die Berliner Versammlung sei mehr geneigt und bewegt jener blutigen Frakturschrift (des 18. Septbr.) Folge zu geben. Venedei beantragt den Ordnungsruf wegen dieser Aeußerung. Präsident: entschuldigt Jordans Aeußerung und wird ihn nicht zur Ordnung rufen! Jordan quatscht fort. (Links: zur Sache. Präsident: Jordan sei bei der Sache.) Er entwickelt die Gefahren der Berliner Volksvertreter. Ein Theil des Berliner Gesindels (ipsissima verda) habe der Versammlung die Thüren vernagelt. Die Vertreter mit Stricken, Hanfkravatten, wiener Würsten bedroht. Unsre gemordeten Cammeraden (sagt Jordan) werden wohl bald in Berlin Gefährten finden.

Daß die Berliner Versammlung den Waldeck-D'Esterschen Antrag nicht mit furchtbarer Majorität verworfen, beweise daß die Versammlung unfrei ist. Wir ruft er aus, sind noch das einzige Vollwerk, Vollwerk der Ordnung nach unten, Vollwerk der Ordnung nach oben. (O du Vollwerk.)

Rösler verliest eine Erklärung der Linken, eine Protestation gegen die schmähliche Art mit der Jordan die Berliner Versammlung beschimpft hat. (Wird ad acta gelegt.)

Graf Reichenbach von Dametzke. (Neues Mitglied der Linken hält eine wunderbare Jungfernrede; ich gebe seine Rede [die interessanteste von heute] so gut wie möglich.) Meine Freunde von der Linken, leider habe ich bemerkt, daß Sie nicht die nöthige Ruhe gezeigt haben. Ruhe giebt Macht! Ich werde ruhig sein. Herrn Jordans Angriffe werde ich nicht widerlegen ‒ ich bin dazu zu aristokratisch. Meine Herren, die Versammlung von Berlin und die Unsrige, beide sind auf den Boden der Revolution erwachsen ‒ später sind sie auseinandergegangen ‒ jetzt stehen sie im Widerspruch. Die preußischen Volksvertreter sind vom preußischen Volke mit mehr Sorgfalt erwählt worden, als die zur Nationalversammlung. Meine Herren! Sie haben die Centralgewaltspolitik d. h. die absolutistische ‒ die habsburger Hauspolitik (Gagern unterbricht).

Reichenbach: Das Volk hat mich hierher geschickt meine Ueberzeugung zu sagen, ich werde es thun (Bravo.) Weil diese Versammlung diese Freiheit nicht mehr vertritt ‒ deshalb sucht man die Freiheit in Berlin. Die Berliner Versammlung wird auf ihrem Beschluß beharren, den sie keineswegs unfrei gefaßt hat. Wenn Sie die Politik des Absolutismus nicht verlassen, so wird Alles was in Deutschland Freiheit athmet, der Preußischen Versammlung sich anschließen. In der Politik giebt es keinen größeren Fehler als Fehler zu begehen. Sie haben in der Posen'schen Sache geirrt, Sie müssen ihren Fehler verbesseren. (Der Eindruck dieser Rede war ein merkwürdiger ‒ ein ganz stummmachender!)

Plathner beginnt damit, daß der heutige Tag über das Schicksal Deutschlands entscheiden wird. (Gelächter! man scheint es nicht zu glauben!) Er wirft der Linken Inconsequenz vor, und sucht dies zu erklären.

Kein Preußen, kein Oesterreich, kein Bayern bringt ihnen die Freiheit ‒ ruft Plathner ‒ sondern wir. Sie (links) suchen die Freiheit da, wo Sie hoffen können, bald in der Majorität zu sein, (Berliner Kammer!) Hier können Sie dies allerdings nicht hoffen! Ihr Prinzip ist, Sie setzen die Freiheit über die Einheit! (Das ist wahr!) Zur Sache kommt Plathner erst am Schluße seiner Rede.

Reh aus Darmstadt. Daß eine große Veränderung in den Meinungen der Mitglieder dieser Versammlung vorgegangenen, das ist das einzige wahre in Herrn Jordans Rede ‒ er selbst ist das beste Beispiel. (Gelächter und Bravo.) Persönliche Angriffe wie die Seinigen sind unter meiner Würde. Sind wir denn wirklich nur hierher geschickt, giftige Partei- und Persönlichkeitskämpfe durchzuführen? Mein Herz blutet dabei, wenn ich sehe wie wir unseren Zweck verkennen. (Bravo.) Zur Sache: Es ist Sache des Ministeriums, Partikularbeschlüssen entgegenzutreten, nicht die unsrige. Des Ministers gestrige Erklärung kann uns genügen ‒ ich beantrage Tagesordnung.

von Breuning: Für den Antrag des Ausschusses.

Vogt stellt Herrn Jordans Witze die seinigen entgegen, die allerdings besser sind. Er fällt ganz gründlich über Herrn Jordan und Plathner her. Aber auch dem Grafen Reichenbach muß er gegenübertreten (hört!); denn dieser hat geäußert, daß in der Majorität dieser Versammlung noch Weisheit zu finden sei. Graf Reichenbach ist noch zu kurze Zeit in dieser Versammlung. (Ueber diese starke Pille erhebt sich bösartiger Tumult.) Zur Sache ist Vogt für die Tagesordnung. Die Einheitskonzerte, welche mit obligater Kartätschenbegleitung aufgeführt werden, kehren mehr und mehr die Völker von ihnen zum Partikularismus. Das Ministerium aber vertritt hier die partikularistische Partei. Dem Partikularismus der Regierungen (Auerswald ‒ Messenberg ‒ Pillerdorf'sche Erklärungen) lassen wir seinen Lauf, aber über die Opposition der Volkskammern fallen wir her. Zum Schluß sagt Vogt, steht der Beschluß der Berliner Versammlung in keinem Widerspruch mit dem § 1. unserer Verfassung. Derselbe behält ebenfalls für die Polen'schen Verhältnisse Bestimmungen vor.

Beckerath (Minister), empfiehlt nach einigen rührenden Phrasen die motivirte Tagesordnung.

Schluß der Debatte.

Jordan von Berlin spricht noch einmal, und stellt nun (Sieg der Consequenz!!) eventuell, d. h. wenn sein Antrag verworfen, was jedenfalls geschehen wird, selbst einen Antrag auf motivirte Tagesordnung. Endlich macht er noch einige Ausfälle auf Herrn Vogt und frägt, welches Maaß der Freiheit wollen wir denn ‒ ist es nicht der Triumph der Freiheit daß in Berlin der Demokratencongreß ruhig gelitten wurde. Aber wenn der Mord gegen uns auftritt, dann können wir nur mit Kanonen antworten. (Beifall Centren und rechts.)

Abstimmungen. Die einfache Tagesordnung wird verworfen. (Die ganze Linke wollte dieselbe). Wesenbronks, motivirte Tagesordnung wird verworfen. Kerst's motivirte Tagesordnung, ungefähr also lautend:

„Indem die National-Versammlung die Bevölkerung Polens auf den Werner-Raveaur'schen Beschluß ‒ ferner auf den Beschluß über Polen ‒ und auf die Erklärung des Reichsministers in dieser Sache hinweist (s. gestrige Sitzung) ‒ geht sie zur motivirten Tagesordnung über,“

wird mit 313 Stimmen gegen 124 angenommen. (Jordan selbst stimmte dafür und verwarf somit seinen eigenen Antrag).

Punkt 4 der Tagesordnung (s. oben) ist ohne alles Interesse. Ein Ausschlußantrag (Zusatz zur Geschäftsordnung):

„Jeder Ausschuß ist befugt, Zeugen und Sachverständige vorzufordern, zu vernehmen, vernehmen zu lassen, so wie mit Behörden in Verbindung zu treten, “

wird angenommen.

Nauwerk hat auch eine Abänderung beantragt. Er will sprechen ‒ man ruft Schluß ‒ er verzichtet ‒ man lacht höhnisch. (Das ist die Haltung der Versammlung).

Nauwerks Antrag wird verworfen.

Schluß der Sitzung 1/2 3 Uhr

Morgen um 9 Uhr ist ausnahmsweise Sitzung, weil, wie der Herr Präsident meint, zum Fortbau der Verfassung dieser Woche noch keine Sitzung verwendet worden ist.

Schleswig, den 4. November.

Die mehrerwähnte Correspodenz zwischen der gemeinsamen Regierung und dem Reichs-Commissär Stedmann ist folgende:

1. Schreiben der gemeinsamen Regierung: „Von dem Herrn Reichs-Commissär Stedmann und dem königl. dänischen Commissär Hrn. v. Needtz hat die gemeinsame Regierung zwei gleichlautende Schreiben, d. d. Kopenhagen, den 28. Oktober 1848, entgegengenommen, enthaltend eine Erklärung in Betreff einiger durch die Bekanntmachung der gemeinsamen Regierung vom 22. s. M. wieder in Kraft gesetzten Verfügungen etc. In Betracht, daß schon in der gedachten Bekanntmachung ausdrücklich die Worte vorkommen: im § 1: „den Bedingungen des definitiven Friedens unbeschadet“, im § 2: „unter Vorbehalt definitiver Bestätigung durch den Frieden und ohne Präjudiz für denselben“, sowie: „so weit es die während des Waffenstillstandes bestehenden Verhältnisse gestatten“, und in diesen Worten bereits die erforderliche Reservation enthalten ist, glaubt die gemeinsame Regierung nur, um jedes Mißverständniß zu verhüten, noch darauf aufmerksam machen zu müssen, daß für die Dauer des Waffenstillstandes der Rechtsbestand der von ihr in Kraft gesetzten Verfügungen etc. nach Maaßgabe der Bekanntmachung, nicht als beeinträchtigt angesehen werden kann. Gottorff, den 3. Nov. 1848. Die gemeinsame Regierung. (unterz.) Th. Reventlow. Harbon. Lüders.“

2. Schreiben des Reichs-Commissärs Stedmann: „Einer hohen gemeinsamen Regierung der Herzogthümer Schleswig-Holstein erwidere ich auf das so eben erhaltene verehrliche Schreiben vom Heutigen, daß nach dem Art. 7 des Waffenstillstandes sämmtliche Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln, welche seit dem 17. März, sowohl in Rendsburg und Schleswig als in Kopenhagen für die Herzogthümer erlassen worden sind, im Augenblick des Amtsantrittes der gemeinsamen Regierung ohne Ausnahme ihre Gültigkeit verloren haben, daß aber nach der Art. 7 und 11 des gedachten Staats-Vertrages durchaus keine Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln weder mit noch ohne Clauseln wieder in Kraft gesetzt werden konnten, welche irgend etwas dem Frieden Vorgreifendes enthielten. Ich kann daher nach meinem Auftrage, über die Ausführung des gedachten Vertrags zu wachen, nicht anerkennen, daß alle in der Verordnung vom 22. v. M. wieder in Kraft gesetzten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln auch mit den hinzugefügten Clauseln für die Dauer des Waffenstillstandes in ihrer Rechtsgültigkeit „nicht beeinträchtigt“ sein sollen, wie der Ausdruck im heute erhaltenen verehrlichen Schreiben lautet. Ich bin aber bereit, nach der mit dem dänischen Commissarius unter dem 28. d. M. getroffenen Vereinbarung, welche ich wie alle Verträge heilig halten muß, Alles thatsächlich und unvorgreiflich als Verwaltungsmaaßregel gelten zu lassen, was die hohe Regierung anordnen wird und irgendwie als mit den Verträgen und Reichsrechten vereinbar und für das Wohl der Herzogthümer, welches der Reichsregierung und der gesammten deutschen Nation so theuer ist, nach Art. 7 des Vertrages als „unerläßlich und ersprießlich“ erkannt werden kann. Es wird der hohen gemeinsamen Regierung einleuchten, daß ohne die letztgedachte Vereinbarung von 28. auch die thatsächliche Aufrechthaltung mancher Anordnungen wenigstens dänischer Seits zu Klagen hätte Veranlassung geben können, welche jetzt unzulässig sind. Der in öffentlichen Blättern erschienene Text der Vereinbarung vom 28. v. M. ist eine ungenaue deutsche Uebersetzung einer mir unbekannten dänischen Uebersetzung der nur in deutscher Sprache verfaßten Uebereinkunft. Schleswig, den 3. Nov. 1848. (gez.) Stedmann, Reichs-Commissarius.“

3. Die Uebereinkunft vom 28. Okt. Lautet im Originaltext also: Am 28. Okt. 1848 haben die Herren Stedmann und Reedtz, Commissarien beziehungsweise der provisorischen deutschen Centralgewalt und Sr. Maj. des Königs von Dänemark, in Ihrer Eigenschaft als Herzog von Schleswig und Holstein, an die gemeinsame Regierung letztgedachter Herzogthümer zwei Schreiben folgenden, gleichlautenden Inhalts erlassen: Der unterzeichnete Commissarius (Tit.) in Betracht der Art. des Waffenstillstands-Vertrages vom 26. Aug. d. J., welcher bestimmt, daß die gesetzgebende Gewalt in den Herzogthümern Schleswig und Holstein während der Dauer des Waffenstillstandes ruht und des Art. 11, aus welchem hervorgeht daß den Bedingungen des definitiven Friedens in keiner Weise präjudicirt werden soll: in Betracht ferner der Bekanntmachung vom 22. d. M. der an demselben Tage installirten gemeinsamen Regierung der beiden Herzogthümer, betreffend die seit dem 17. März d. J. erlassenen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln: kann nicht umhin, der genannten Regierung ‒ Namens (Tit.) ‒ zu eröffnen, daß er im Geiste gewissenhafter Beobachtung des gedachten Waffenstillstands-Vertrages ausdrücklich und feierlich gegen den rechtlichen Bestand aller präjudiciellen Bestimmungen, welche durch die erwähnte Bekanntmachung wieder ins Leben gerufen worden sind, sich erklären muß, und daß als solche namentlich folgende unter den früher erlassenen bezeichnet werden müssen: 1) Das Reglement der provisorischen Regierung vom 18. April d. J., betreffend die vorzunehmenden Wahlen zur deutschen National-Versammlung, insofern dieses Reglement künftig auf Schleswig Anwendung finden könnte; 2) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 23. Sept. d. J., betreffend den unzulässigen Gebrauch dänischer Fahnen und Cocarden; 3) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 30. Sept. d. J. über die Vertretung schleswig-holsteinischer Schiffer im Auslande während des Waffenstillstandes; 4) Die Verfügung vom 21. Okt., betreffend die von den Handelsschiffen zu gebrauchende Flagge, Ein Gleiches gilt hinsichtlich des Rechtsbestandes des am 15. Sept. publicirten Staatsgrundgesetzes mit specieller Beziehung auf die staatsrechtlichen Dispositionen desselben und namentlich mit Rücksicht auf die Bestimmungen im Art. 1, 3, 55 und 140. Im Uebrigen ist der unterzeichnete Commissarius (Tit.) nicht gesonnen, den im gedachten Staatsgrundgesetze ausgesprochenen Grundsätzen bürgerlicher Freiheit, so weit sie mit wohlerworbenen Rechten vereinbarlich sind, sowie thatsächlichen Anordnungen der gemeinsamen Regierung der Herzogthümer, welche zur Wohlfahrt des Landes, sowie der einzelnen Bewohner und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beitragen könnte, irgendwie hinderlich entgegen zu treten. (Folgt die Unterschrift.)

(H. B.)
Schleswig, den 5. Nov.

Der Protest der Herren Stedmann und v. Reedtz hat große Sensation erregt. Daß der dänische Commissar seinerseits einen solchen Schritt gethan, überrascht eben nicht. Aber daß Herr Stedmann es über sich gewinnen konnte, ein Schreiben gleichen Inhalts, wie das Reedtz'sche, zu erlassen und dasselbe zugleich mit dem letzteren von Kopenhagen aus hierher zu senden, erfüllt Alle mit der größten Entrüstung. Eine gestern Abend hier abgehaltene allgemeine Bürgerversammlung machte diese Angelegenheit zum Gegenstand ihrer Berathung und beschloß eine Adresse an das Reichsministerium des Innern, welche denn auch sofort unterzeichnet wurde. Diese sehr kurz und bündig abgefaßte Adresse erklärt nach Hervorhebung dessen, was man von Hrn Stedmann als Reichskommissar erwarten zu dürfen geglaubt habe, daß die Unterzeichner zu Hrn. Stedmann durchaus kein Vertrauen mehr haben könnten, und beantragt demzufolge dessen Abberufung. Zugleich beschloß man, Hrn. Stedmann eine Abschrift der Addresse zuzustellen. Die Versammlung war von mehr als 600 Personen besucht. Interessant waren die Mittheilungen, welche der in der Versammlung anwesende Departements, chef der Justiz, Hr. Mommsen machte. Derselbe theilte nämlich mit, daß die gemeinsame Regierung bereits auf Erlassung eines entschiedenen Gegenprotestes Gedacht genommen habe und daß dieser Gegenprotest, da der Protest der Hrn. Reedtz und Stedmann veröffentlicht worden sei, nächsten Tags gleichfalls der Oeffentlichkeit übergeben werden würde; (aus anderweitiger Quelle vernimmt man, daß der erwähnte Gegenprotest schon nach Frankfurt abgegangen ist.) Als Resultat dieser Mittheilungen stellte sich klar heraus, wenn solches gleich von dem Departementchef nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß Hrn. Stedmann ‒ eine unverzeihliche Schwäche zur Last falle.

Viele Theilnehmer der Versammlung scheinen große Lust zu haben, Hrn. Stedmann noch auf ganz andere Weise, als durch abschriftliche Mittheilung der Adresse, ihre Meinung kund zu thun, und wenn anderweitige Manifestationen unterblieben, so hat man dies nur den nachdrücklichen Ermahnungen einiger besonnenen und einflußreichen Männer zu verdanken. Es ergibt sich übrigens, daß Hr. v. Reedtz den Reichskommissar nur aus den Händen gelassen hat, um denselben einem andern zuverlässigen Mann anzuvertrauen. Denn Hr. Stedmann ist in Begleitung des Hrn. von Plessen aus Kopenhagen hier angelangt und in Begleitung eben desselben weiter nach Lauenburg gereift, um auch die dortigen Verhältnisse zu ordnen.

Polen.
Krakau, 4. Nov.

Der k. k. Infanterie-Hauptmann Hr. Baron Ruistel, der als Kurrier als kommandirenden Generals Hrn. Barons Hammerstein nach Olmütz gesandt wurde, brachte mir folgende Nachrichten:

Am 1. Nov. bot Lemberg den Schauplatz trauriger Ereignisse dar. ‒ Ein zwischen den Soldaten und den Nationalgardisten entstandener Streit war die Ursache eines großen Aufruhrs, der den kommandirenden General veranlaßte, das Militär in die Kasernen zu konfigniren. Die Nationalgarde griff zu den Waffen, zwei Kompagnien derselben stellten sich bei dem Artilleriepark auf, der auf diese Weise bedroht wurde ‒ man gab durch drei Kanonenschüsse das Zeichen zum Alarm an und so entstanden sogleich auf vielen Punkten der Stadt Barrikaden.

Der Platz-Hauptmann Heinmerle wurde angehalten, entwaffnet und auf die Wache der Nationalgarde geführt, und auf die demselben nacheilende Ordonnanz wurde geschossen. Die auf dem Markte versammelte Volksmenge bedrohte die Wache der Art, daß dieselbe durch eine Division von Grenadieren gedeckt werden mußte; gerade zu derselben Zeit wurden viele Militärpersonen angefallen und verwundet ‒ endlich erschienen einige Deputationen, welche die Entfernung des Militärs verlangten und für die Herstellung der Ruhe bürgten. Der General forderte die sofortige Räumung der Barrikaden.

Diese Sachlage dauerte bis zum 2. Nov. des Morgens 7 Uhr Während der kommandirende General die Bedingungen stellte, die angenommen werden sollten, entstand zwischen den Soldaten und der berittenen Nationalgarde eine Reibung, die die Verwundung vieler Personen zur Folge hatte. Man stellte die Barrikaden wieder her und berief die ganze Stadtbevölkerung durch das Läuten zum Kampfe. ‒ Einige, aus den Fenstern gefallene Schüsse, in Folge deren zwei Artilleristen hinstürzten, gaben das Zeichen zu den beginnenden Feindseligkeiten. Die Artillerie bemühte sich, die Barrikaden zu zerschmettern, das bewaffnete Volk concentrirte sich in der Universität und steckte auf einer der Barrikaden die rothe Fahne auf. Der Universitäts-Stadttheil, insbesondere die Universität und das erhabene Rathhaus, ist durch Raketen angezündet.

Gegen Mittag erschien die Deputation des Sicherheitskomite, welches den kommandirenden General die Uebergabe der Stadt unter folgenden Bedingungen zusicherte:

1) Die Auflösung und Entwaffnung der akademischen Legion.

2) Die Reorganisation der Nationalgarde unter dem Einflusse des Generals Cesarski.

(Hierzu eine Beilage.)

*) Die einschlägige stelle lautet wörtlich so: „Aber auch zwischen den gesetzgegebenen Organen des Bundesstaates und der Einzelstaaten wird eine Einigung für die Feststellung der neuen Verfassung Deutschlands erforderlich sein, wenn diese auf eine Grundlage gebaut werden soll, welche die Bürgschaft der Dauer giebt. Die Regierung geht dabei von der Ansicht aus, daß der § 2 der Verfassungsurkunde und die darin festgestellten Rechte der Stände (nach diesem § dürfen Rechte der Krone, Hoheitsrechte, nicht ohne Zustimmung der Stände veräußert werden) für sie maßgebend sind, wird jedoch immer eingedenk sein, daß der ersehnten Gestaltung eines kräftigen Bundesstaats Opfer zu bringen sind, und daß, ohne dringende Gründe den Beschlüssen der National-Versammlung die Anerkennung nicht zu versagen, Regierung und Stände in gleicher Weise für ihre Aufgabe erachten müssen.“
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          <p>Dieselben Kommissäre haben schon am 24. Oktober eine große Depesche von Olmütz aus anher adressirt, die aus Versehen (!) erst heute hier ankommt.</p>
          <p>Die Depesche wird dem Ausschuß für die österreichischen Angelegenheiten vorgelegt.</p>
          <p>Diese Depesche wird die Herren Welcker, Mosle und Windisch-Grätz rechtfertigen, und beweisen, daß die Wiener an allem Schuld sind.</p>
          <p><hi rendition="#g">Welcker,</hi> der berühmte Kommissär, (große Sensation) erstattet einen Bericht. Rechtfertigt sich, oder vielmehr, wird sich nächster Tage ausführlich rechtfertigen.</p>
          <p>Dringliche Anträge:</p>
          <p><hi rendition="#g">Reh</hi> und Genossen: Welcker und Mosle befänden sich seit 1 Uhr am 6. November in Frankfurt. (Leises Gelächter.) Die Antragsteller verlangen Mittheilungen. (Wird zurückgezogen).</p>
          <p>Ebenso ein Antrag von Simon aus Trier und Wesendonk.</p>
          <p>Tagesordnung.</p>
          <p>Nro. 2. (S. oben.) Berathung über den Antrag des Abgeordneten Biedermann.</p>
          <p>Derselbe lautet:</p>
          <p>&#x201E;Die National-Versammlung wolle beschließen:</p>
          <p>&#x201E;Durch die Centralgewalt die königlich sächsische Regierung aufzufordern, ihr Dekret vom 28. August d. J., *)  <note place="foot" n="*)"><p>Die einschlägige stelle lautet wörtlich so:</p><p>&#x201E;Aber auch zwischen den gesetzgegebenen Organen des Bundesstaates und der Einzelstaaten wird eine Einigung für die Feststellung der neuen Verfassung Deutschlands erforderlich sein, wenn diese auf eine Grundlage gebaut werden soll, welche die Bürgschaft der Dauer giebt. Die Regierung geht dabei von der Ansicht aus, daß der § 2 der Verfassungsurkunde und die darin festgestellten Rechte der Stände (nach diesem § dürfen Rechte der Krone, Hoheitsrechte, nicht ohne Zustimmung der Stände veräußert werden) für sie maßgebend sind, wird jedoch immer eingedenk sein, daß der ersehnten Gestaltung eines kräftigen Bundesstaats Opfer zu bringen sind, und daß, ohne dringende Gründe den Beschlüssen der National-Versammlung die Anerkennung nicht zu versagen, Regierung und Stände in gleicher Weise für ihre Aufgabe erachten müssen.&#x201C;</p></note>das deutsche Verfassungswerk betreffend, zurückzunehmen, weil die demselben zu Grunde liegende Ansicht von einer Vereinbarung der deutschen Verfassung zwischen der National-Versammlung und den Gesetzgebenden Gewalten der Einzelstaaten mit dem vom Vorparlament ausgesprochenen und von der National-Versammlung anerkannten Grundsatze:</p>
          <p>&#x201E;daß die National-Versammlung einzig und allein die deutsche Verfassung zu begründen hat,&#x201C;</p>
          <p>im direkten Widerspruch steht.&#x201C;</p>
          <p>Unterstützt von: Rümelin. Schneider von Lichtenfels. Pretis. Pannier. Clemens. Schreiner. Fallati. C. F. Wurm. Breuning. Kunth. Pözl. A. Sprengel. Schlör. Renger. Stenzel. Frings. Laube. Wernher aus Nierstein. Emmerling. Stahl. Burkart Barth. H. Raumer. Schierenberg. Herzog.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath</hi> stellt ein Amendement dazu:</p>
          <p>&#x201E;Siemon von Trier habe vor langer Zeit einen ähnlichen Antrag, den preußischen Minister v. Auerswald betreffend, eingegeben. Dieser sei damals nicht als dringlich erkannt, sondern an den Ausschuß verwiesen worden, deshalb beantragt Schaffrath mit dem vorliegenden Antrag und allen in dies Fach schlagenden eben so zu verfahren.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath</hi> erhält das Wort zur Begründung und führt an, daß viele andere Regierungen, besonders Oesterreich (durch Wessenberg und Pillersdorf), die Kompetenz der National-Versammlung angetastet hätten. Die sächsische Kammer hätte dies noch am wenigsten gethan. Er rechtfertigt die sächsische Regierung, die allwärts durch Reformen, nicht wie anderswo durch Revolutionen vorangegangen. Es seien nicht die einzelnen partikularistischen Bestrebungen der Regierung einzeln zu bekämpfen, sondern endlich einmal energisch von der National-Versammlung das Prinzip allgemein aufzustellen und überall in Deutschland zur Geltung zu bringen. (Was Schaffrath sagt, muß sehr richtig und gut sein, denn er wird einmal von der Rechten und Centren ruhig angehört). Auch werde die sächsische Kammer schon am 10. November, also übermorgen, geschlossen, und es läge kein Grund vor, den Biedermanschen Antrag als dringlich zu behandeln.</p>
          <p><hi rendition="#g">Biedermann</hi> freut sich aufrichtig, daß Schaffrath in seinem (Biedermanns) Sinne die sächsische Kammer und Regierung in Schutz genommen. Aber die Eitelkeit des Herrn Biedermann läßt es nicht zu, seinen Antrag dem Schaffrathschen unterzuordnen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> und <hi rendition="#g">Schwerin</hi> (die Rechte) schließen sich dem Schaffrathschen Antrage vollkommen an.</p>
          <p>In Abstimmung durch Stimmzettel wird der Schaffratsche präjudizielle Antrag mit 255 Stimmen gegen 180 angenommen. (Das ist Schaffrath noch nicht passirt !)</p>
          <p>Die Rechte, das rechte Centrum und ein Theil der Linken stimmten dafür, fast das ganze linke Centrum dagegen.</p>
          <p>Zur Ausführung von Schaffraths Antrag wird nach längerer Debatte ein neuer Ausschuß erwählt werden.</p>
          <p>Man geht demnach zu Punkt 5 der Tagesordnung über. (S oben).</p>
          <p>Der Jordansche Antrag lautet:</p>
          <p>&#x201E;Die National-Versammlung wolle beschließen:</p>
          <p>&#x201E;Obgleich es durch den Beschluß über den Raveaux-Werner'schen Antrag bereits feststeht, daß die Beschlüsse einzelner Landesversammlungen, nur in so weit sie mit denen der Reichsversammlung übereinstimmen, Gültigkeit haben, so findet sich die Reichsversammlung, im Hinblick auf mehrere Vorgänge der jüngsten Zeit dennoch veranlaßt, nochmals ausdrücklich zu erklären:</p>
          <p>&#x201E;daß jeder, ihren Beschlüssen entgegenstehende Beschluß einer Versammlung eines Einzelstaats als an und für sich null und nichtig angesehen, und erforderlichen Falles als ungesetzliche Auflehnung energisch zurückgewiesen werden wird.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk</hi> hat den präjudiziellen Antrag gestellt, auch diesen Antrag dem eben angenommenen Schaffrath'schen nach, an den neu zu erwählenden Ausschuß zu weisen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Löwe</hi> von Kalbe empfiehl dies.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jordan</hi> von Berlin besteht (natürlich!) darauf, daß sein Antrag gleich dran kommt.</p>
          <p>Die Versammlung beschließt den Jordanschen Antrag gleich vorzunehmen. Die Linke und Vinke und Schwerin stimmten für Wesendonks Antrag. (Letztere beide Herren scheinen also gar keine Partei mehr zu haben).</p>
          <p>Zu Jordans Antrag kommen mehrere Amendements:</p>
          <p>1) von Reh und Genossen: einfache Tagesordnung über Jordans Antrag.</p>
          <p>2) Beseler und Genossen, motivirte Tagesordnung.</p>
          <p>3) Wesendonk und Genossen, dito.</p>
          <p>4) Ziegert und Genossen, dito.</p>
          <p>5) Vogt und Genossen: Tagesordnung.</p>
          <p>Folgen einige erweiternde Zusätze.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jordan</hi> von Berlin beginnt die Diskussion und empfiehlt gewohnter uninteressanter Art seinen Antrag. Er spricht in kühnen Phrasen für die deutsche Einheit; schüttet einiges Gift auf die Linke der Berliner Versammlung, und meint (zur Linken gewendet) Sie werden sich wundern, daß ich den Anlauf nehme ganz offen zu reden. (Es wundert sich aber niemand.) Während er spricht, sehe ich mir ein wenig die Damentribüne an, die sich gewaltig über die Witze des Berliner Literaten zu langweilen scheint.) Jordan bespricht den bekannten Beschluß der berliner Versammlung über Polen. Dieser Beschluß hätte bei den deutschen (Juden!) in Polen gerechte Entrüstung hervorgerufen. Er verliest zu dem Ende die Adresse der deutschen Posener an die Versammlung mit erhabener Stimme. Den Beschluß der Berliner nennt Jordan einen stiefmütterlichen, herzlos-leichtsinnigen! Wir haben, sagt er, uns diesmal nicht zu erklären gegen unten, auch nicht gegen den Widerstand von oben, sondern gegen die Mitte, nehmlich einen Theil der Kammern, der Volksvertreter. Man sucht sie ohnmächtig zu machen! ruft er den Centren zu. Dieselbe Partei ist jetzt gegen uns, die früher mit der Strenge eines Hofceremonienmeisters die Huldigungen, die Hurrahs, die Hochs für die deutsche Einheit bewachte. (Man lacht und klatscht gütigst.) Jordan witzelt weiter, erregt links furchtbaren Tumult, wird von Links zur Ordnung gerufen. (Präsident meint: &#x201E;Herr Jordan möchte doch so wenig wie möglich persönlich sein.&#x201C;) Geschrei: gar nicht! Jordan erklärt nun, er meine die Partei die am 18. Septbr. hier hinter den Barrikaden gestanden. Er witzelt fort, und meint die Berliner Versammlung sei mehr geneigt und bewegt jener blutigen Frakturschrift (des 18. Septbr.) Folge zu geben. Venedei beantragt den Ordnungsruf wegen dieser Aeußerung. Präsident: entschuldigt Jordans Aeußerung und wird ihn nicht zur Ordnung rufen! Jordan quatscht fort. (Links: zur Sache. Präsident: Jordan sei bei der Sache.) Er entwickelt die Gefahren der Berliner Volksvertreter. Ein Theil des Berliner Gesindels (ipsissima verda) habe der Versammlung die Thüren vernagelt. Die Vertreter mit Stricken, Hanfkravatten, wiener Würsten bedroht. Unsre gemordeten Cammeraden (sagt Jordan) werden wohl bald in Berlin Gefährten finden.</p>
          <p>Daß die Berliner Versammlung den Waldeck-D'Esterschen Antrag nicht mit furchtbarer Majorität verworfen, beweise daß die Versammlung unfrei ist. Wir ruft er aus, sind noch das einzige Vollwerk, Vollwerk der Ordnung nach unten, Vollwerk der Ordnung nach oben. (O du Vollwerk.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Rösler</hi> verliest eine Erklärung der Linken, eine Protestation gegen die schmähliche Art mit der Jordan die Berliner Versammlung beschimpft hat. (Wird ad acta gelegt.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Graf Reichenbach</hi> von Dametzke. (Neues Mitglied der Linken hält eine wunderbare Jungfernrede; ich gebe seine Rede [die interessanteste von heute] so gut wie möglich.) Meine Freunde von der Linken, leider habe ich bemerkt, daß Sie nicht die nöthige Ruhe gezeigt haben. Ruhe giebt Macht! Ich werde ruhig sein. Herrn Jordans Angriffe werde ich nicht widerlegen &#x2012; ich bin <hi rendition="#g">dazu</hi> zu aristokratisch. Meine Herren, die Versammlung von Berlin und die Unsrige, beide sind auf den Boden der Revolution erwachsen &#x2012; später sind sie auseinandergegangen &#x2012; jetzt stehen sie im Widerspruch. Die preußischen Volksvertreter sind vom preußischen Volke mit mehr Sorgfalt erwählt worden, als die zur Nationalversammlung. Meine Herren! Sie haben die Centralgewaltspolitik d. h. die absolutistische &#x2012; die habsburger Hauspolitik (Gagern unterbricht).</p>
          <p><hi rendition="#g">Reichenbach:</hi> Das Volk hat mich hierher geschickt meine Ueberzeugung zu sagen, ich werde es thun (Bravo.) Weil diese Versammlung diese Freiheit nicht mehr vertritt &#x2012; deshalb sucht man die Freiheit in Berlin. Die Berliner Versammlung wird auf ihrem Beschluß beharren, den sie keineswegs unfrei gefaßt hat. Wenn Sie die Politik des Absolutismus nicht verlassen, so wird Alles was in Deutschland Freiheit athmet, der Preußischen Versammlung sich anschließen. In der Politik giebt es keinen größeren Fehler als Fehler zu begehen. Sie haben in der Posen'schen Sache geirrt, Sie müssen ihren Fehler verbesseren. (Der Eindruck dieser Rede war ein merkwürdiger &#x2012; ein ganz stummmachender!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> beginnt damit, daß der heutige Tag über das Schicksal Deutschlands entscheiden wird. (Gelächter! man scheint es nicht zu glauben!) Er wirft der Linken Inconsequenz vor, und sucht dies zu erklären.</p>
          <p>Kein Preußen, kein Oesterreich, kein Bayern bringt ihnen die Freiheit &#x2012; ruft Plathner &#x2012; sondern wir. Sie (links) suchen die Freiheit da, wo Sie hoffen können, bald in der Majorität zu sein, (Berliner Kammer!) Hier können Sie dies allerdings nicht hoffen! Ihr Prinzip ist, Sie setzen die Freiheit über die Einheit! (Das ist wahr!) Zur Sache kommt Plathner erst am Schluße seiner Rede.</p>
          <p><hi rendition="#g">Reh</hi> aus Darmstadt. Daß eine große Veränderung in den Meinungen der Mitglieder dieser Versammlung vorgegangenen, das ist das einzige wahre in Herrn Jordans Rede &#x2012; er selbst ist das beste Beispiel. (Gelächter und Bravo.) Persönliche Angriffe wie die Seinigen sind unter meiner Würde. Sind wir denn wirklich nur hierher geschickt, giftige Partei- und Persönlichkeitskämpfe durchzuführen? Mein Herz blutet dabei, wenn ich sehe wie wir unseren Zweck verkennen. (Bravo.) Zur Sache: Es ist Sache des Ministeriums, Partikularbeschlüssen entgegenzutreten, nicht die unsrige. Des Ministers gestrige Erklärung kann uns genügen &#x2012; ich beantrage Tagesordnung.</p>
          <p><hi rendition="#g">von Breuning:</hi> Für den Antrag des Ausschusses.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> stellt Herrn Jordans Witze die seinigen entgegen, die allerdings besser sind. Er fällt ganz gründlich über Herrn Jordan und Plathner her. Aber auch dem Grafen Reichenbach muß er gegenübertreten (hört!); denn dieser hat geäußert, daß in der Majorität dieser Versammlung noch Weisheit zu finden sei. Graf Reichenbach ist noch zu kurze Zeit in dieser Versammlung. (Ueber diese starke Pille erhebt sich bösartiger Tumult.) Zur Sache ist Vogt für die Tagesordnung. Die Einheitskonzerte, welche mit obligater Kartätschenbegleitung aufgeführt werden, kehren mehr und mehr die Völker von ihnen zum Partikularismus. Das Ministerium aber vertritt hier die partikularistische Partei. Dem Partikularismus der Regierungen (Auerswald &#x2012; Messenberg &#x2012; Pillerdorf'sche Erklärungen) lassen wir seinen Lauf, aber über die Opposition der Volkskammern fallen wir her. Zum Schluß sagt Vogt, steht der Beschluß der Berliner Versammlung in keinem Widerspruch mit dem § 1. unserer Verfassung. Derselbe behält ebenfalls für die Polen'schen Verhältnisse Bestimmungen vor.</p>
          <p><hi rendition="#g">Beckerath</hi> (Minister), empfiehlt nach einigen rührenden Phrasen die motivirte Tagesordnung.</p>
          <p>Schluß der Debatte.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jordan</hi> von Berlin spricht noch einmal, und stellt nun (Sieg der Consequenz!!) eventuell, d. h. wenn sein Antrag verworfen, was jedenfalls geschehen wird, selbst einen Antrag auf motivirte Tagesordnung. Endlich macht er noch einige Ausfälle auf Herrn Vogt und frägt, welches Maaß der Freiheit wollen wir denn &#x2012; ist es nicht der Triumph der Freiheit daß in Berlin der Demokratencongreß ruhig gelitten wurde. Aber wenn der Mord gegen uns auftritt, dann können wir nur mit Kanonen antworten. (Beifall Centren und rechts.)</p>
          <p>Abstimmungen. Die einfache Tagesordnung wird verworfen. (Die ganze Linke wollte dieselbe). Wesenbronks, motivirte Tagesordnung wird verworfen. Kerst's motivirte Tagesordnung, ungefähr also lautend:</p>
          <p>&#x201E;Indem die National-Versammlung die Bevölkerung Polens auf den Werner-Raveaur'schen Beschluß &#x2012; ferner auf den Beschluß über Polen &#x2012; und auf die Erklärung des Reichsministers in dieser Sache hinweist (s. gestrige Sitzung) &#x2012; geht sie zur motivirten Tagesordnung über,&#x201C;</p>
          <p>wird mit 313 Stimmen gegen 124 angenommen. (Jordan selbst stimmte dafür und verwarf somit seinen eigenen Antrag).</p>
          <p>Punkt 4 der Tagesordnung (s. oben) ist ohne alles Interesse. Ein Ausschlußantrag (Zusatz zur Geschäftsordnung):</p>
          <p>&#x201E;Jeder Ausschuß ist befugt, Zeugen und Sachverständige vorzufordern, zu vernehmen, vernehmen zu lassen, so wie mit Behörden in Verbindung zu treten, &#x201C;</p>
          <p>wird angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nauwerk</hi> hat auch eine Abänderung beantragt. Er will sprechen &#x2012; man ruft Schluß &#x2012; er verzichtet &#x2012; man lacht höhnisch. (Das ist die Haltung der Versammlung).</p>
          <p>Nauwerks Antrag wird verworfen.</p>
          <p>Schluß der Sitzung 1/2 3 Uhr</p>
          <p>Morgen um 9 Uhr ist ausnahmsweise Sitzung, weil, wie der Herr Präsident meint, zum Fortbau der Verfassung dieser Woche noch keine Sitzung verwendet worden ist.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar139_022" type="jArticle">
          <head>Schleswig, den 4. November.</head>
          <p>Die mehrerwähnte Correspodenz zwischen der gemeinsamen Regierung und dem Reichs-Commissär Stedmann ist folgende:</p>
          <p>1. Schreiben der gemeinsamen Regierung: &#x201E;Von dem Herrn Reichs-Commissär Stedmann und dem königl. dänischen Commissär Hrn. v. Needtz hat die gemeinsame Regierung zwei gleichlautende Schreiben, d. d. Kopenhagen, den 28. Oktober 1848, entgegengenommen, enthaltend eine Erklärung in Betreff einiger durch die Bekanntmachung der gemeinsamen Regierung vom 22. s. M. wieder in Kraft gesetzten Verfügungen etc. In Betracht, daß schon in der gedachten Bekanntmachung ausdrücklich die Worte vorkommen: im § 1: &#x201E;den Bedingungen des definitiven Friedens unbeschadet&#x201C;, im § 2: &#x201E;unter Vorbehalt definitiver Bestätigung durch den Frieden und ohne Präjudiz für denselben&#x201C;, sowie: &#x201E;so weit es die während des Waffenstillstandes bestehenden Verhältnisse gestatten&#x201C;, und in diesen Worten bereits die erforderliche Reservation enthalten ist, glaubt die gemeinsame Regierung nur, um jedes Mißverständniß zu verhüten, noch darauf aufmerksam machen zu müssen, daß für die Dauer des Waffenstillstandes der Rechtsbestand der von ihr in Kraft gesetzten Verfügungen etc. nach Maaßgabe der Bekanntmachung, nicht als beeinträchtigt angesehen werden kann. Gottorff, den 3. Nov. 1848. Die gemeinsame Regierung. (unterz.) Th. Reventlow. Harbon. Lüders.&#x201C;</p>
          <p>2. Schreiben des Reichs-Commissärs Stedmann: &#x201E;Einer hohen gemeinsamen Regierung der Herzogthümer Schleswig-Holstein erwidere ich auf das so eben erhaltene verehrliche Schreiben vom Heutigen, daß nach dem Art. 7 des Waffenstillstandes sämmtliche Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln, welche seit dem 17. März, sowohl in Rendsburg und Schleswig als in Kopenhagen für die Herzogthümer erlassen worden sind, im Augenblick des Amtsantrittes der gemeinsamen Regierung ohne Ausnahme ihre Gültigkeit verloren haben, daß aber nach der Art. 7 und 11 des gedachten Staats-Vertrages durchaus keine Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln weder mit noch ohne Clauseln wieder in Kraft gesetzt werden konnten, welche irgend etwas dem Frieden Vorgreifendes enthielten. Ich kann daher nach meinem Auftrage, über die Ausführung des gedachten Vertrags zu wachen, nicht anerkennen, daß alle in der Verordnung vom 22. v. M. wieder in Kraft gesetzten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln auch mit den hinzugefügten Clauseln für die Dauer des Waffenstillstandes in ihrer Rechtsgültigkeit &#x201E;nicht beeinträchtigt&#x201C; sein sollen, wie der Ausdruck im heute erhaltenen verehrlichen Schreiben lautet. Ich bin aber bereit, nach der mit dem dänischen Commissarius unter dem 28. d. M. getroffenen Vereinbarung, welche ich wie alle Verträge heilig halten muß, Alles thatsächlich und unvorgreiflich als Verwaltungsmaaßregel gelten zu lassen, was die hohe Regierung anordnen wird und irgendwie als mit den Verträgen und Reichsrechten vereinbar und für das Wohl der Herzogthümer, welches der Reichsregierung und der gesammten deutschen Nation so theuer ist, nach Art. 7 des Vertrages als &#x201E;unerläßlich und ersprießlich&#x201C; erkannt werden kann. Es wird der hohen gemeinsamen Regierung einleuchten, daß ohne die letztgedachte Vereinbarung von 28. auch die thatsächliche Aufrechthaltung mancher Anordnungen wenigstens dänischer Seits zu Klagen hätte Veranlassung geben können, welche jetzt unzulässig sind. Der in öffentlichen Blättern erschienene Text der Vereinbarung vom 28. v. M. ist eine ungenaue deutsche Uebersetzung einer mir unbekannten dänischen Uebersetzung der nur in deutscher Sprache verfaßten Uebereinkunft. Schleswig, den 3. Nov. 1848. (gez.) Stedmann, Reichs-Commissarius.&#x201C;</p>
          <p>3. Die Uebereinkunft vom 28. Okt. Lautet im Originaltext also: Am 28. Okt. 1848 haben die Herren Stedmann und Reedtz, Commissarien beziehungsweise der provisorischen deutschen Centralgewalt und Sr. Maj. des Königs von Dänemark, in Ihrer Eigenschaft als Herzog von Schleswig und Holstein, an die gemeinsame Regierung letztgedachter Herzogthümer zwei Schreiben folgenden, gleichlautenden Inhalts erlassen: Der unterzeichnete Commissarius (Tit.) in Betracht der Art. des Waffenstillstands-Vertrages vom 26. Aug. d. J., welcher bestimmt, daß die gesetzgebende Gewalt in den Herzogthümern Schleswig und Holstein während der Dauer des Waffenstillstandes ruht und des Art. 11, aus welchem hervorgeht daß den Bedingungen des definitiven Friedens in keiner Weise präjudicirt werden soll: in Betracht ferner der Bekanntmachung vom 22. d. M. der an demselben Tage installirten gemeinsamen Regierung der beiden Herzogthümer, betreffend die seit dem 17. März d. J. erlassenen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln: kann nicht umhin, der genannten Regierung &#x2012; Namens (Tit.) &#x2012; zu eröffnen, daß er im Geiste gewissenhafter Beobachtung des gedachten Waffenstillstands-Vertrages ausdrücklich und feierlich gegen den rechtlichen Bestand aller präjudiciellen Bestimmungen, welche durch die erwähnte Bekanntmachung wieder ins Leben gerufen worden sind, sich erklären muß, und daß als solche namentlich folgende unter den früher erlassenen bezeichnet werden müssen: 1) Das Reglement der provisorischen Regierung vom 18. April d. J., betreffend die vorzunehmenden Wahlen zur deutschen National-Versammlung, insofern dieses Reglement künftig auf Schleswig Anwendung finden könnte; 2) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 23. Sept. d. J., betreffend den unzulässigen Gebrauch dänischer Fahnen und Cocarden; 3) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 30. Sept. d. J. über die Vertretung schleswig-holsteinischer Schiffer im Auslande während des Waffenstillstandes; 4) Die Verfügung vom 21. Okt., betreffend die von den Handelsschiffen zu gebrauchende Flagge, Ein Gleiches gilt hinsichtlich des Rechtsbestandes des am 15. Sept. publicirten Staatsgrundgesetzes mit specieller Beziehung auf die staatsrechtlichen Dispositionen desselben und namentlich mit Rücksicht auf die Bestimmungen im Art. 1, 3, 55 und 140. Im Uebrigen ist der unterzeichnete Commissarius (Tit.) nicht gesonnen, den im gedachten Staatsgrundgesetze ausgesprochenen Grundsätzen bürgerlicher Freiheit, so weit sie mit wohlerworbenen Rechten vereinbarlich sind, sowie thatsächlichen Anordnungen der gemeinsamen Regierung der Herzogthümer, welche zur Wohlfahrt des Landes, sowie der einzelnen Bewohner und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beitragen könnte, irgendwie hinderlich entgegen zu treten. (Folgt die Unterschrift.)</p>
          <bibl>(H. B.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar139_023" type="jArticle">
          <head>Schleswig, den 5. Nov.</head>
          <p>Der Protest der Herren Stedmann und v. Reedtz hat große Sensation erregt. Daß der dänische Commissar seinerseits einen solchen Schritt gethan, überrascht eben nicht. Aber daß Herr Stedmann es über sich gewinnen konnte, ein Schreiben gleichen Inhalts, wie das Reedtz'sche, zu erlassen und dasselbe zugleich mit dem letzteren von Kopenhagen aus hierher zu senden, erfüllt Alle mit der größten Entrüstung. Eine gestern Abend hier abgehaltene allgemeine Bürgerversammlung machte diese Angelegenheit zum Gegenstand ihrer Berathung und beschloß eine Adresse an das Reichsministerium des Innern, welche denn auch sofort unterzeichnet wurde. Diese sehr kurz und bündig abgefaßte Adresse erklärt nach Hervorhebung dessen, was man von Hrn Stedmann als Reichskommissar erwarten zu dürfen geglaubt habe, daß die Unterzeichner zu Hrn. Stedmann durchaus kein Vertrauen mehr haben könnten, und beantragt demzufolge dessen Abberufung. Zugleich beschloß man, Hrn. Stedmann eine Abschrift der Addresse zuzustellen. Die Versammlung war von mehr als 600 Personen besucht. Interessant waren die Mittheilungen, welche der in der Versammlung anwesende Departements, chef der Justiz, Hr. Mommsen machte. Derselbe theilte nämlich mit, daß die gemeinsame Regierung bereits auf Erlassung eines entschiedenen Gegenprotestes Gedacht genommen habe und daß dieser Gegenprotest, da der Protest der Hrn. Reedtz und Stedmann veröffentlicht worden sei, nächsten Tags gleichfalls der Oeffentlichkeit übergeben werden würde; (aus anderweitiger Quelle vernimmt man, daß der erwähnte Gegenprotest schon nach Frankfurt abgegangen ist.) Als Resultat dieser Mittheilungen stellte sich klar heraus, wenn solches gleich von dem Departementchef nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß Hrn. Stedmann &#x2012; eine unverzeihliche Schwäche zur Last falle.</p>
          <p>Viele Theilnehmer der Versammlung scheinen große Lust zu haben, Hrn. Stedmann noch auf ganz andere Weise, als durch abschriftliche Mittheilung der Adresse, ihre Meinung kund zu thun, und wenn anderweitige Manifestationen unterblieben, so hat man dies nur den nachdrücklichen Ermahnungen einiger besonnenen und einflußreichen Männer zu verdanken. Es ergibt sich übrigens, daß Hr. v. Reedtz den Reichskommissar nur aus den Händen gelassen hat, um denselben einem andern zuverlässigen Mann anzuvertrauen. Denn Hr. Stedmann ist in Begleitung des Hrn. von Plessen aus Kopenhagen hier angelangt und in Begleitung eben desselben weiter nach Lauenburg gereift, um auch die dortigen Verhältnisse zu ordnen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Polen.</head>
        <div xml:id="ar139_024" type="jArticle">
          <head>Krakau, 4. Nov.</head>
          <p>Der k. k. Infanterie-Hauptmann Hr. Baron Ruistel, der als Kurrier als kommandirenden Generals Hrn. Barons Hammerstein nach Olmütz gesandt wurde, brachte mir folgende Nachrichten:</p>
          <p>Am 1. Nov. bot Lemberg den Schauplatz trauriger Ereignisse dar. &#x2012; Ein zwischen den Soldaten und den Nationalgardisten entstandener Streit war die Ursache eines großen Aufruhrs, der den kommandirenden General veranlaßte, das Militär in die Kasernen zu konfigniren. Die Nationalgarde griff zu den Waffen, zwei Kompagnien derselben stellten sich bei dem Artilleriepark auf, der auf diese Weise bedroht wurde &#x2012; man gab durch drei Kanonenschüsse das Zeichen zum Alarm an und so entstanden sogleich auf vielen Punkten der Stadt Barrikaden.</p>
          <p>Der Platz-Hauptmann Heinmerle wurde angehalten, entwaffnet und auf die Wache der Nationalgarde geführt, und auf die demselben nacheilende Ordonnanz wurde geschossen. Die auf dem Markte versammelte Volksmenge bedrohte die Wache der Art, daß dieselbe durch eine Division von Grenadieren gedeckt werden mußte; gerade zu derselben Zeit wurden viele Militärpersonen angefallen und verwundet &#x2012; endlich erschienen einige Deputationen, welche die Entfernung des Militärs verlangten und für die Herstellung der Ruhe bürgten. Der General forderte die sofortige Räumung der Barrikaden.</p>
          <p>Diese Sachlage dauerte bis zum 2. Nov. des Morgens 7 Uhr Während der kommandirende General die Bedingungen stellte, die angenommen werden sollten, entstand zwischen den Soldaten und der berittenen Nationalgarde eine Reibung, die die Verwundung vieler Personen zur Folge hatte. Man stellte die Barrikaden wieder her und berief die ganze Stadtbevölkerung durch das Läuten zum Kampfe. &#x2012; Einige, aus den Fenstern gefallene Schüsse, in Folge deren zwei Artilleristen hinstürzten, gaben das Zeichen zu den beginnenden Feindseligkeiten. Die Artillerie bemühte sich, die Barrikaden zu zerschmettern, das bewaffnete Volk concentrirte sich in der Universität und steckte auf einer der Barrikaden die rothe Fahne auf. Der Universitäts-Stadttheil, insbesondere die Universität und das erhabene Rathhaus, ist durch Raketen angezündet.</p>
          <p>Gegen Mittag erschien die Deputation des Sicherheitskomite, welches den kommandirenden General die Uebergabe der Stadt unter folgenden Bedingungen zusicherte:</p>
          <p>1) Die Auflösung und Entwaffnung der akademischen Legion.</p>
          <p>2) Die Reorganisation der Nationalgarde unter dem Einflusse des Generals Cesarski.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Hierzu eine Beilage.)</ref>
          </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0710/0004] Dieselben Kommissäre haben schon am 24. Oktober eine große Depesche von Olmütz aus anher adressirt, die aus Versehen (!) erst heute hier ankommt. Die Depesche wird dem Ausschuß für die österreichischen Angelegenheiten vorgelegt. Diese Depesche wird die Herren Welcker, Mosle und Windisch-Grätz rechtfertigen, und beweisen, daß die Wiener an allem Schuld sind. Welcker, der berühmte Kommissär, (große Sensation) erstattet einen Bericht. Rechtfertigt sich, oder vielmehr, wird sich nächster Tage ausführlich rechtfertigen. Dringliche Anträge: Reh und Genossen: Welcker und Mosle befänden sich seit 1 Uhr am 6. November in Frankfurt. (Leises Gelächter.) Die Antragsteller verlangen Mittheilungen. (Wird zurückgezogen). Ebenso ein Antrag von Simon aus Trier und Wesendonk. Tagesordnung. Nro. 2. (S. oben.) Berathung über den Antrag des Abgeordneten Biedermann. Derselbe lautet: „Die National-Versammlung wolle beschließen: „Durch die Centralgewalt die königlich sächsische Regierung aufzufordern, ihr Dekret vom 28. August d. J., *) *)das deutsche Verfassungswerk betreffend, zurückzunehmen, weil die demselben zu Grunde liegende Ansicht von einer Vereinbarung der deutschen Verfassung zwischen der National-Versammlung und den Gesetzgebenden Gewalten der Einzelstaaten mit dem vom Vorparlament ausgesprochenen und von der National-Versammlung anerkannten Grundsatze: „daß die National-Versammlung einzig und allein die deutsche Verfassung zu begründen hat,“ im direkten Widerspruch steht.“ Unterstützt von: Rümelin. Schneider von Lichtenfels. Pretis. Pannier. Clemens. Schreiner. Fallati. C. F. Wurm. Breuning. Kunth. Pözl. A. Sprengel. Schlör. Renger. Stenzel. Frings. Laube. Wernher aus Nierstein. Emmerling. Stahl. Burkart Barth. H. Raumer. Schierenberg. Herzog. Schaffrath stellt ein Amendement dazu: „Siemon von Trier habe vor langer Zeit einen ähnlichen Antrag, den preußischen Minister v. Auerswald betreffend, eingegeben. Dieser sei damals nicht als dringlich erkannt, sondern an den Ausschuß verwiesen worden, deshalb beantragt Schaffrath mit dem vorliegenden Antrag und allen in dies Fach schlagenden eben so zu verfahren.“ Schaffrath erhält das Wort zur Begründung und führt an, daß viele andere Regierungen, besonders Oesterreich (durch Wessenberg und Pillersdorf), die Kompetenz der National-Versammlung angetastet hätten. Die sächsische Kammer hätte dies noch am wenigsten gethan. Er rechtfertigt die sächsische Regierung, die allwärts durch Reformen, nicht wie anderswo durch Revolutionen vorangegangen. Es seien nicht die einzelnen partikularistischen Bestrebungen der Regierung einzeln zu bekämpfen, sondern endlich einmal energisch von der National-Versammlung das Prinzip allgemein aufzustellen und überall in Deutschland zur Geltung zu bringen. (Was Schaffrath sagt, muß sehr richtig und gut sein, denn er wird einmal von der Rechten und Centren ruhig angehört). Auch werde die sächsische Kammer schon am 10. November, also übermorgen, geschlossen, und es läge kein Grund vor, den Biedermanschen Antrag als dringlich zu behandeln. Biedermann freut sich aufrichtig, daß Schaffrath in seinem (Biedermanns) Sinne die sächsische Kammer und Regierung in Schutz genommen. Aber die Eitelkeit des Herrn Biedermann läßt es nicht zu, seinen Antrag dem Schaffrathschen unterzuordnen. Plathner und Schwerin (die Rechte) schließen sich dem Schaffrathschen Antrage vollkommen an. In Abstimmung durch Stimmzettel wird der Schaffratsche präjudizielle Antrag mit 255 Stimmen gegen 180 angenommen. (Das ist Schaffrath noch nicht passirt !) Die Rechte, das rechte Centrum und ein Theil der Linken stimmten dafür, fast das ganze linke Centrum dagegen. Zur Ausführung von Schaffraths Antrag wird nach längerer Debatte ein neuer Ausschuß erwählt werden. Man geht demnach zu Punkt 5 der Tagesordnung über. (S oben). Der Jordansche Antrag lautet: „Die National-Versammlung wolle beschließen: „Obgleich es durch den Beschluß über den Raveaux-Werner'schen Antrag bereits feststeht, daß die Beschlüsse einzelner Landesversammlungen, nur in so weit sie mit denen der Reichsversammlung übereinstimmen, Gültigkeit haben, so findet sich die Reichsversammlung, im Hinblick auf mehrere Vorgänge der jüngsten Zeit dennoch veranlaßt, nochmals ausdrücklich zu erklären: „daß jeder, ihren Beschlüssen entgegenstehende Beschluß einer Versammlung eines Einzelstaats als an und für sich null und nichtig angesehen, und erforderlichen Falles als ungesetzliche Auflehnung energisch zurückgewiesen werden wird.“ Wesendonk hat den präjudiziellen Antrag gestellt, auch diesen Antrag dem eben angenommenen Schaffrath'schen nach, an den neu zu erwählenden Ausschuß zu weisen. Löwe von Kalbe empfiehl dies. Jordan von Berlin besteht (natürlich!) darauf, daß sein Antrag gleich dran kommt. Die Versammlung beschließt den Jordanschen Antrag gleich vorzunehmen. Die Linke und Vinke und Schwerin stimmten für Wesendonks Antrag. (Letztere beide Herren scheinen also gar keine Partei mehr zu haben). Zu Jordans Antrag kommen mehrere Amendements: 1) von Reh und Genossen: einfache Tagesordnung über Jordans Antrag. 2) Beseler und Genossen, motivirte Tagesordnung. 3) Wesendonk und Genossen, dito. 4) Ziegert und Genossen, dito. 5) Vogt und Genossen: Tagesordnung. Folgen einige erweiternde Zusätze. Jordan von Berlin beginnt die Diskussion und empfiehlt gewohnter uninteressanter Art seinen Antrag. Er spricht in kühnen Phrasen für die deutsche Einheit; schüttet einiges Gift auf die Linke der Berliner Versammlung, und meint (zur Linken gewendet) Sie werden sich wundern, daß ich den Anlauf nehme ganz offen zu reden. (Es wundert sich aber niemand.) Während er spricht, sehe ich mir ein wenig die Damentribüne an, die sich gewaltig über die Witze des Berliner Literaten zu langweilen scheint.) Jordan bespricht den bekannten Beschluß der berliner Versammlung über Polen. Dieser Beschluß hätte bei den deutschen (Juden!) in Polen gerechte Entrüstung hervorgerufen. Er verliest zu dem Ende die Adresse der deutschen Posener an die Versammlung mit erhabener Stimme. Den Beschluß der Berliner nennt Jordan einen stiefmütterlichen, herzlos-leichtsinnigen! Wir haben, sagt er, uns diesmal nicht zu erklären gegen unten, auch nicht gegen den Widerstand von oben, sondern gegen die Mitte, nehmlich einen Theil der Kammern, der Volksvertreter. Man sucht sie ohnmächtig zu machen! ruft er den Centren zu. Dieselbe Partei ist jetzt gegen uns, die früher mit der Strenge eines Hofceremonienmeisters die Huldigungen, die Hurrahs, die Hochs für die deutsche Einheit bewachte. (Man lacht und klatscht gütigst.) Jordan witzelt weiter, erregt links furchtbaren Tumult, wird von Links zur Ordnung gerufen. (Präsident meint: „Herr Jordan möchte doch so wenig wie möglich persönlich sein.“) Geschrei: gar nicht! Jordan erklärt nun, er meine die Partei die am 18. Septbr. hier hinter den Barrikaden gestanden. Er witzelt fort, und meint die Berliner Versammlung sei mehr geneigt und bewegt jener blutigen Frakturschrift (des 18. Septbr.) Folge zu geben. Venedei beantragt den Ordnungsruf wegen dieser Aeußerung. Präsident: entschuldigt Jordans Aeußerung und wird ihn nicht zur Ordnung rufen! Jordan quatscht fort. (Links: zur Sache. Präsident: Jordan sei bei der Sache.) Er entwickelt die Gefahren der Berliner Volksvertreter. Ein Theil des Berliner Gesindels (ipsissima verda) habe der Versammlung die Thüren vernagelt. Die Vertreter mit Stricken, Hanfkravatten, wiener Würsten bedroht. Unsre gemordeten Cammeraden (sagt Jordan) werden wohl bald in Berlin Gefährten finden. Daß die Berliner Versammlung den Waldeck-D'Esterschen Antrag nicht mit furchtbarer Majorität verworfen, beweise daß die Versammlung unfrei ist. Wir ruft er aus, sind noch das einzige Vollwerk, Vollwerk der Ordnung nach unten, Vollwerk der Ordnung nach oben. (O du Vollwerk.) Rösler verliest eine Erklärung der Linken, eine Protestation gegen die schmähliche Art mit der Jordan die Berliner Versammlung beschimpft hat. (Wird ad acta gelegt.) Graf Reichenbach von Dametzke. (Neues Mitglied der Linken hält eine wunderbare Jungfernrede; ich gebe seine Rede [die interessanteste von heute] so gut wie möglich.) Meine Freunde von der Linken, leider habe ich bemerkt, daß Sie nicht die nöthige Ruhe gezeigt haben. Ruhe giebt Macht! Ich werde ruhig sein. Herrn Jordans Angriffe werde ich nicht widerlegen ‒ ich bin dazu zu aristokratisch. Meine Herren, die Versammlung von Berlin und die Unsrige, beide sind auf den Boden der Revolution erwachsen ‒ später sind sie auseinandergegangen ‒ jetzt stehen sie im Widerspruch. Die preußischen Volksvertreter sind vom preußischen Volke mit mehr Sorgfalt erwählt worden, als die zur Nationalversammlung. Meine Herren! Sie haben die Centralgewaltspolitik d. h. die absolutistische ‒ die habsburger Hauspolitik (Gagern unterbricht). Reichenbach: Das Volk hat mich hierher geschickt meine Ueberzeugung zu sagen, ich werde es thun (Bravo.) Weil diese Versammlung diese Freiheit nicht mehr vertritt ‒ deshalb sucht man die Freiheit in Berlin. Die Berliner Versammlung wird auf ihrem Beschluß beharren, den sie keineswegs unfrei gefaßt hat. Wenn Sie die Politik des Absolutismus nicht verlassen, so wird Alles was in Deutschland Freiheit athmet, der Preußischen Versammlung sich anschließen. In der Politik giebt es keinen größeren Fehler als Fehler zu begehen. Sie haben in der Posen'schen Sache geirrt, Sie müssen ihren Fehler verbesseren. (Der Eindruck dieser Rede war ein merkwürdiger ‒ ein ganz stummmachender!) Plathner beginnt damit, daß der heutige Tag über das Schicksal Deutschlands entscheiden wird. (Gelächter! man scheint es nicht zu glauben!) Er wirft der Linken Inconsequenz vor, und sucht dies zu erklären. Kein Preußen, kein Oesterreich, kein Bayern bringt ihnen die Freiheit ‒ ruft Plathner ‒ sondern wir. Sie (links) suchen die Freiheit da, wo Sie hoffen können, bald in der Majorität zu sein, (Berliner Kammer!) Hier können Sie dies allerdings nicht hoffen! Ihr Prinzip ist, Sie setzen die Freiheit über die Einheit! (Das ist wahr!) Zur Sache kommt Plathner erst am Schluße seiner Rede. Reh aus Darmstadt. Daß eine große Veränderung in den Meinungen der Mitglieder dieser Versammlung vorgegangenen, das ist das einzige wahre in Herrn Jordans Rede ‒ er selbst ist das beste Beispiel. (Gelächter und Bravo.) Persönliche Angriffe wie die Seinigen sind unter meiner Würde. Sind wir denn wirklich nur hierher geschickt, giftige Partei- und Persönlichkeitskämpfe durchzuführen? Mein Herz blutet dabei, wenn ich sehe wie wir unseren Zweck verkennen. (Bravo.) Zur Sache: Es ist Sache des Ministeriums, Partikularbeschlüssen entgegenzutreten, nicht die unsrige. Des Ministers gestrige Erklärung kann uns genügen ‒ ich beantrage Tagesordnung. von Breuning: Für den Antrag des Ausschusses. Vogt stellt Herrn Jordans Witze die seinigen entgegen, die allerdings besser sind. Er fällt ganz gründlich über Herrn Jordan und Plathner her. Aber auch dem Grafen Reichenbach muß er gegenübertreten (hört!); denn dieser hat geäußert, daß in der Majorität dieser Versammlung noch Weisheit zu finden sei. Graf Reichenbach ist noch zu kurze Zeit in dieser Versammlung. (Ueber diese starke Pille erhebt sich bösartiger Tumult.) Zur Sache ist Vogt für die Tagesordnung. Die Einheitskonzerte, welche mit obligater Kartätschenbegleitung aufgeführt werden, kehren mehr und mehr die Völker von ihnen zum Partikularismus. Das Ministerium aber vertritt hier die partikularistische Partei. Dem Partikularismus der Regierungen (Auerswald ‒ Messenberg ‒ Pillerdorf'sche Erklärungen) lassen wir seinen Lauf, aber über die Opposition der Volkskammern fallen wir her. Zum Schluß sagt Vogt, steht der Beschluß der Berliner Versammlung in keinem Widerspruch mit dem § 1. unserer Verfassung. Derselbe behält ebenfalls für die Polen'schen Verhältnisse Bestimmungen vor. Beckerath (Minister), empfiehlt nach einigen rührenden Phrasen die motivirte Tagesordnung. Schluß der Debatte. Jordan von Berlin spricht noch einmal, und stellt nun (Sieg der Consequenz!!) eventuell, d. h. wenn sein Antrag verworfen, was jedenfalls geschehen wird, selbst einen Antrag auf motivirte Tagesordnung. Endlich macht er noch einige Ausfälle auf Herrn Vogt und frägt, welches Maaß der Freiheit wollen wir denn ‒ ist es nicht der Triumph der Freiheit daß in Berlin der Demokratencongreß ruhig gelitten wurde. Aber wenn der Mord gegen uns auftritt, dann können wir nur mit Kanonen antworten. (Beifall Centren und rechts.) Abstimmungen. Die einfache Tagesordnung wird verworfen. (Die ganze Linke wollte dieselbe). Wesenbronks, motivirte Tagesordnung wird verworfen. Kerst's motivirte Tagesordnung, ungefähr also lautend: „Indem die National-Versammlung die Bevölkerung Polens auf den Werner-Raveaur'schen Beschluß ‒ ferner auf den Beschluß über Polen ‒ und auf die Erklärung des Reichsministers in dieser Sache hinweist (s. gestrige Sitzung) ‒ geht sie zur motivirten Tagesordnung über,“ wird mit 313 Stimmen gegen 124 angenommen. (Jordan selbst stimmte dafür und verwarf somit seinen eigenen Antrag). Punkt 4 der Tagesordnung (s. oben) ist ohne alles Interesse. Ein Ausschlußantrag (Zusatz zur Geschäftsordnung): „Jeder Ausschuß ist befugt, Zeugen und Sachverständige vorzufordern, zu vernehmen, vernehmen zu lassen, so wie mit Behörden in Verbindung zu treten, “ wird angenommen. Nauwerk hat auch eine Abänderung beantragt. Er will sprechen ‒ man ruft Schluß ‒ er verzichtet ‒ man lacht höhnisch. (Das ist die Haltung der Versammlung). Nauwerks Antrag wird verworfen. Schluß der Sitzung 1/2 3 Uhr Morgen um 9 Uhr ist ausnahmsweise Sitzung, weil, wie der Herr Präsident meint, zum Fortbau der Verfassung dieser Woche noch keine Sitzung verwendet worden ist. Schleswig, den 4. November. Die mehrerwähnte Correspodenz zwischen der gemeinsamen Regierung und dem Reichs-Commissär Stedmann ist folgende: 1. Schreiben der gemeinsamen Regierung: „Von dem Herrn Reichs-Commissär Stedmann und dem königl. dänischen Commissär Hrn. v. Needtz hat die gemeinsame Regierung zwei gleichlautende Schreiben, d. d. Kopenhagen, den 28. Oktober 1848, entgegengenommen, enthaltend eine Erklärung in Betreff einiger durch die Bekanntmachung der gemeinsamen Regierung vom 22. s. M. wieder in Kraft gesetzten Verfügungen etc. In Betracht, daß schon in der gedachten Bekanntmachung ausdrücklich die Worte vorkommen: im § 1: „den Bedingungen des definitiven Friedens unbeschadet“, im § 2: „unter Vorbehalt definitiver Bestätigung durch den Frieden und ohne Präjudiz für denselben“, sowie: „so weit es die während des Waffenstillstandes bestehenden Verhältnisse gestatten“, und in diesen Worten bereits die erforderliche Reservation enthalten ist, glaubt die gemeinsame Regierung nur, um jedes Mißverständniß zu verhüten, noch darauf aufmerksam machen zu müssen, daß für die Dauer des Waffenstillstandes der Rechtsbestand der von ihr in Kraft gesetzten Verfügungen etc. nach Maaßgabe der Bekanntmachung, nicht als beeinträchtigt angesehen werden kann. Gottorff, den 3. Nov. 1848. Die gemeinsame Regierung. (unterz.) Th. Reventlow. Harbon. Lüders.“ 2. Schreiben des Reichs-Commissärs Stedmann: „Einer hohen gemeinsamen Regierung der Herzogthümer Schleswig-Holstein erwidere ich auf das so eben erhaltene verehrliche Schreiben vom Heutigen, daß nach dem Art. 7 des Waffenstillstandes sämmtliche Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln, welche seit dem 17. März, sowohl in Rendsburg und Schleswig als in Kopenhagen für die Herzogthümer erlassen worden sind, im Augenblick des Amtsantrittes der gemeinsamen Regierung ohne Ausnahme ihre Gültigkeit verloren haben, daß aber nach der Art. 7 und 11 des gedachten Staats-Vertrages durchaus keine Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln weder mit noch ohne Clauseln wieder in Kraft gesetzt werden konnten, welche irgend etwas dem Frieden Vorgreifendes enthielten. Ich kann daher nach meinem Auftrage, über die Ausführung des gedachten Vertrags zu wachen, nicht anerkennen, daß alle in der Verordnung vom 22. v. M. wieder in Kraft gesetzten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln auch mit den hinzugefügten Clauseln für die Dauer des Waffenstillstandes in ihrer Rechtsgültigkeit „nicht beeinträchtigt“ sein sollen, wie der Ausdruck im heute erhaltenen verehrlichen Schreiben lautet. Ich bin aber bereit, nach der mit dem dänischen Commissarius unter dem 28. d. M. getroffenen Vereinbarung, welche ich wie alle Verträge heilig halten muß, Alles thatsächlich und unvorgreiflich als Verwaltungsmaaßregel gelten zu lassen, was die hohe Regierung anordnen wird und irgendwie als mit den Verträgen und Reichsrechten vereinbar und für das Wohl der Herzogthümer, welches der Reichsregierung und der gesammten deutschen Nation so theuer ist, nach Art. 7 des Vertrages als „unerläßlich und ersprießlich“ erkannt werden kann. Es wird der hohen gemeinsamen Regierung einleuchten, daß ohne die letztgedachte Vereinbarung von 28. auch die thatsächliche Aufrechthaltung mancher Anordnungen wenigstens dänischer Seits zu Klagen hätte Veranlassung geben können, welche jetzt unzulässig sind. Der in öffentlichen Blättern erschienene Text der Vereinbarung vom 28. v. M. ist eine ungenaue deutsche Uebersetzung einer mir unbekannten dänischen Uebersetzung der nur in deutscher Sprache verfaßten Uebereinkunft. Schleswig, den 3. Nov. 1848. (gez.) Stedmann, Reichs-Commissarius.“ 3. Die Uebereinkunft vom 28. Okt. Lautet im Originaltext also: Am 28. Okt. 1848 haben die Herren Stedmann und Reedtz, Commissarien beziehungsweise der provisorischen deutschen Centralgewalt und Sr. Maj. des Königs von Dänemark, in Ihrer Eigenschaft als Herzog von Schleswig und Holstein, an die gemeinsame Regierung letztgedachter Herzogthümer zwei Schreiben folgenden, gleichlautenden Inhalts erlassen: Der unterzeichnete Commissarius (Tit.) in Betracht der Art. des Waffenstillstands-Vertrages vom 26. Aug. d. J., welcher bestimmt, daß die gesetzgebende Gewalt in den Herzogthümern Schleswig und Holstein während der Dauer des Waffenstillstandes ruht und des Art. 11, aus welchem hervorgeht daß den Bedingungen des definitiven Friedens in keiner Weise präjudicirt werden soll: in Betracht ferner der Bekanntmachung vom 22. d. M. der an demselben Tage installirten gemeinsamen Regierung der beiden Herzogthümer, betreffend die seit dem 17. März d. J. erlassenen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaaßregeln: kann nicht umhin, der genannten Regierung ‒ Namens (Tit.) ‒ zu eröffnen, daß er im Geiste gewissenhafter Beobachtung des gedachten Waffenstillstands-Vertrages ausdrücklich und feierlich gegen den rechtlichen Bestand aller präjudiciellen Bestimmungen, welche durch die erwähnte Bekanntmachung wieder ins Leben gerufen worden sind, sich erklären muß, und daß als solche namentlich folgende unter den früher erlassenen bezeichnet werden müssen: 1) Das Reglement der provisorischen Regierung vom 18. April d. J., betreffend die vorzunehmenden Wahlen zur deutschen National-Versammlung, insofern dieses Reglement künftig auf Schleswig Anwendung finden könnte; 2) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 23. Sept. d. J., betreffend den unzulässigen Gebrauch dänischer Fahnen und Cocarden; 3) Die Bekanntmachung der provisorischen Regierung vom 30. Sept. d. J. über die Vertretung schleswig-holsteinischer Schiffer im Auslande während des Waffenstillstandes; 4) Die Verfügung vom 21. Okt., betreffend die von den Handelsschiffen zu gebrauchende Flagge, Ein Gleiches gilt hinsichtlich des Rechtsbestandes des am 15. Sept. publicirten Staatsgrundgesetzes mit specieller Beziehung auf die staatsrechtlichen Dispositionen desselben und namentlich mit Rücksicht auf die Bestimmungen im Art. 1, 3, 55 und 140. Im Uebrigen ist der unterzeichnete Commissarius (Tit.) nicht gesonnen, den im gedachten Staatsgrundgesetze ausgesprochenen Grundsätzen bürgerlicher Freiheit, so weit sie mit wohlerworbenen Rechten vereinbarlich sind, sowie thatsächlichen Anordnungen der gemeinsamen Regierung der Herzogthümer, welche zur Wohlfahrt des Landes, sowie der einzelnen Bewohner und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beitragen könnte, irgendwie hinderlich entgegen zu treten. (Folgt die Unterschrift.) (H. B.) Schleswig, den 5. Nov. Der Protest der Herren Stedmann und v. Reedtz hat große Sensation erregt. Daß der dänische Commissar seinerseits einen solchen Schritt gethan, überrascht eben nicht. Aber daß Herr Stedmann es über sich gewinnen konnte, ein Schreiben gleichen Inhalts, wie das Reedtz'sche, zu erlassen und dasselbe zugleich mit dem letzteren von Kopenhagen aus hierher zu senden, erfüllt Alle mit der größten Entrüstung. Eine gestern Abend hier abgehaltene allgemeine Bürgerversammlung machte diese Angelegenheit zum Gegenstand ihrer Berathung und beschloß eine Adresse an das Reichsministerium des Innern, welche denn auch sofort unterzeichnet wurde. Diese sehr kurz und bündig abgefaßte Adresse erklärt nach Hervorhebung dessen, was man von Hrn Stedmann als Reichskommissar erwarten zu dürfen geglaubt habe, daß die Unterzeichner zu Hrn. Stedmann durchaus kein Vertrauen mehr haben könnten, und beantragt demzufolge dessen Abberufung. Zugleich beschloß man, Hrn. Stedmann eine Abschrift der Addresse zuzustellen. Die Versammlung war von mehr als 600 Personen besucht. Interessant waren die Mittheilungen, welche der in der Versammlung anwesende Departements, chef der Justiz, Hr. Mommsen machte. Derselbe theilte nämlich mit, daß die gemeinsame Regierung bereits auf Erlassung eines entschiedenen Gegenprotestes Gedacht genommen habe und daß dieser Gegenprotest, da der Protest der Hrn. Reedtz und Stedmann veröffentlicht worden sei, nächsten Tags gleichfalls der Oeffentlichkeit übergeben werden würde; (aus anderweitiger Quelle vernimmt man, daß der erwähnte Gegenprotest schon nach Frankfurt abgegangen ist.) Als Resultat dieser Mittheilungen stellte sich klar heraus, wenn solches gleich von dem Departementchef nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß Hrn. Stedmann ‒ eine unverzeihliche Schwäche zur Last falle. Viele Theilnehmer der Versammlung scheinen große Lust zu haben, Hrn. Stedmann noch auf ganz andere Weise, als durch abschriftliche Mittheilung der Adresse, ihre Meinung kund zu thun, und wenn anderweitige Manifestationen unterblieben, so hat man dies nur den nachdrücklichen Ermahnungen einiger besonnenen und einflußreichen Männer zu verdanken. Es ergibt sich übrigens, daß Hr. v. Reedtz den Reichskommissar nur aus den Händen gelassen hat, um denselben einem andern zuverlässigen Mann anzuvertrauen. Denn Hr. Stedmann ist in Begleitung des Hrn. von Plessen aus Kopenhagen hier angelangt und in Begleitung eben desselben weiter nach Lauenburg gereift, um auch die dortigen Verhältnisse zu ordnen. Polen. Krakau, 4. Nov. Der k. k. Infanterie-Hauptmann Hr. Baron Ruistel, der als Kurrier als kommandirenden Generals Hrn. Barons Hammerstein nach Olmütz gesandt wurde, brachte mir folgende Nachrichten: Am 1. Nov. bot Lemberg den Schauplatz trauriger Ereignisse dar. ‒ Ein zwischen den Soldaten und den Nationalgardisten entstandener Streit war die Ursache eines großen Aufruhrs, der den kommandirenden General veranlaßte, das Militär in die Kasernen zu konfigniren. Die Nationalgarde griff zu den Waffen, zwei Kompagnien derselben stellten sich bei dem Artilleriepark auf, der auf diese Weise bedroht wurde ‒ man gab durch drei Kanonenschüsse das Zeichen zum Alarm an und so entstanden sogleich auf vielen Punkten der Stadt Barrikaden. Der Platz-Hauptmann Heinmerle wurde angehalten, entwaffnet und auf die Wache der Nationalgarde geführt, und auf die demselben nacheilende Ordonnanz wurde geschossen. Die auf dem Markte versammelte Volksmenge bedrohte die Wache der Art, daß dieselbe durch eine Division von Grenadieren gedeckt werden mußte; gerade zu derselben Zeit wurden viele Militärpersonen angefallen und verwundet ‒ endlich erschienen einige Deputationen, welche die Entfernung des Militärs verlangten und für die Herstellung der Ruhe bürgten. Der General forderte die sofortige Räumung der Barrikaden. Diese Sachlage dauerte bis zum 2. Nov. des Morgens 7 Uhr Während der kommandirende General die Bedingungen stellte, die angenommen werden sollten, entstand zwischen den Soldaten und der berittenen Nationalgarde eine Reibung, die die Verwundung vieler Personen zur Folge hatte. Man stellte die Barrikaden wieder her und berief die ganze Stadtbevölkerung durch das Läuten zum Kampfe. ‒ Einige, aus den Fenstern gefallene Schüsse, in Folge deren zwei Artilleristen hinstürzten, gaben das Zeichen zu den beginnenden Feindseligkeiten. Die Artillerie bemühte sich, die Barrikaden zu zerschmettern, das bewaffnete Volk concentrirte sich in der Universität und steckte auf einer der Barrikaden die rothe Fahne auf. Der Universitäts-Stadttheil, insbesondere die Universität und das erhabene Rathhaus, ist durch Raketen angezündet. Gegen Mittag erschien die Deputation des Sicherheitskomite, welches den kommandirenden General die Uebergabe der Stadt unter folgenden Bedingungen zusicherte: 1) Die Auflösung und Entwaffnung der akademischen Legion. 2) Die Reorganisation der Nationalgarde unter dem Einflusse des Generals Cesarski. (Hierzu eine Beilage.) *) Die einschlägige stelle lautet wörtlich so: „Aber auch zwischen den gesetzgegebenen Organen des Bundesstaates und der Einzelstaaten wird eine Einigung für die Feststellung der neuen Verfassung Deutschlands erforderlich sein, wenn diese auf eine Grundlage gebaut werden soll, welche die Bürgschaft der Dauer giebt. Die Regierung geht dabei von der Ansicht aus, daß der § 2 der Verfassungsurkunde und die darin festgestellten Rechte der Stände (nach diesem § dürfen Rechte der Krone, Hoheitsrechte, nicht ohne Zustimmung der Stände veräußert werden) für sie maßgebend sind, wird jedoch immer eingedenk sein, daß der ersehnten Gestaltung eines kräftigen Bundesstaats Opfer zu bringen sind, und daß, ohne dringende Gründe den Beschlüssen der National-Versammlung die Anerkennung nicht zu versagen, Regierung und Stände in gleicher Weise für ihre Aufgabe erachten müssen.“

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 139. Köln, 10. November 1848, S. 0710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz139_1848/4>, abgerufen am 28.04.2024.