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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 148. Köln, 21. November 1848. Zweite Ausgabe.

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vorgelassen. Der König ist nicht mehr frei, von einer verbrecherischen Schaar bewacht, die ihm die Erhebung des ganzen Landes geflissentlich verbirgt, um Thron und Vaterland ihren hochverrätherischen Plänen zum Opfer zu bringen. Der Sitzungssaal, die Bureaus der National-Versammlung sind zu Wachtstuben geworden, unser Archiv, die wichtigsten Dokumente, darunter 12,000 Petitionen aus allen Theilen des Landes, werden von den Soldaten, den verblendeten Söhnen des Vaterlandes, umhergeworfen; man hat die Herausgabe dieser Papiere unserm Präsidenten wiederholt verweigert. Was sind diesen Menschen die Wünsche, die Rechte und Freiheiten von 16 Millionen Preußen! Und wie man Eure Petitionen mit Füßen tritt, so dringt man mit Bajonetten in die Berathungen Eurer Vertreter, bricht ohne Scheu die vom Könige selbst publizirten Gesetze über den Schutz der persönlichen Freiheit, das Hausrecht, und verhängt Belagerungszustand und Standrecht, wo die geheiligten Personen der Abgeordneten tagen. Ein Treubruch, so scheußlich und offenbar, wie ihn die deutsche Geschichte nicht kennt!

Lügen, Verdrehungen aller Art, gehen in amtlichen Erlassen in das Land, die Zeitungen werden gezwungen, ihnen ihre Spalten zu öffnen, während man die Stimme der Wahrheit in der Presse mit drohender Gewalt erstickt. Aber es hat ihnen nicht geholfen! Die National-Versammlung harrt muthig aus, und die Plätze der Deputirten, welche pflichtwidrig und feig ihren Posten verlassen haben, füllen sich von Tag zu Tag, indem die Stellvertreter von selbst herbeieilen, um an der Ehre und an der Gefahr dieser Tage Theil zu nehmen. Wenn die über uns verhängte rohe Gewalt auch eine kostbare Zeit von Tagen und Wochen raubt, welche bei unsern dringenden Arbeiten zum Wohl des Volks hätte verwendet werden können, so hat man uns doch nicht abzuhalten vermocht, den Kampf gegen die brutale Gewalt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu führen.

Die National-Versammlung hat die Minister als Hochverräther dem Staatsanwalt überwiesen und denselben die Verwendung der Staatsgelder und die Erhebung der Steuern durch einstimmigen Beschluß vom 15. November untersagt.

So haben wir das letzte parlamentarische Mittel erschöpft.

An dem Volke ist es, unsere Beschlüsse auszuführen.

Berlin, den 18. November 1848.

Berlin.

Bericht der Kommission der preußischen National-Versammlung über die Steuerverweigerung, vorgetragen in der Sitzung vom 15. November 1848.

Die hohe Nationalversammlung hat in ihrer Sitzung vom 11. Novbr. beschlossen den Antrag, daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung von Staatsgeldern noch zur Erhebung der Steuern berechtigt ist, in die aus den unterzeichneten Mitgliedern bestehende Kommission zur schleunigen Berichterstattung zu verweisen. Nachdem die Kommission in ihrer Majorität den Antrag abgelehnt, und darüber in der Sitzung vom 13. Nov. mündlich Bericht erstattet hatte, hat die hohe Versammlung die Beschlußnahme bis dahin vertagt, bis der schriftliche Bericht vorliege. Einstweilen haben die Antragsteller ihren Antrag für jetzt indificirt und lautet danach derselbe, so wie über ihn gegenwärtig Bericht erstattet wird, dahin:

"daß kein Ministerium berechtigt sei, Steuern zu erheben, bis dieser Beschluß wieder von der Nationalversammlung aufgehoben ist."

Auch die Kommission hat bei den erneuten und fortgesetzten Gewaltmaßregeln des Ministeriums gegen die Freiheit des Volks und das Recht der Nationalversammlung einen veränderten Beschluß gefaßt und nachstehend zu begründen geglaubt.

Die Kommission hat sich zuerst die Frage der Competenz der hohen Versammlung zu solchem Beschlusse vorgelegt und diese aus folgenden Gründen bejaht.

In der Verordnung vom 6. April d. J., über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung heißt es §. 6 wörtlich:

"den künftigen Vertretern des Volks soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen, so wie zur Festsetzung des Staatshaushalts-Etats und das Steuerbewilligungsrecht zustehen."

Unzweifelhaft ist hier unter den "künftigen Vertretern des Volks" schon die gegenwärtige Nationalversammlung zu verstehen. Dies geht nicht blos aus dem übrigen Inhalt des Gesetzes hervor, dessen anderweitige Bestimmungen, obgleich in einem Gesetz: "über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung" ausgesprochen, doch ebenfalls sämmtlich, seit ihrem Erlaß, gesetzliche Anwendung gefunden haben; dies geht ferner nicht blos daraus hervor, daß die dem Propositionsdekret vom 4. April über Beschaffung außerordentlicher Geldmittel die gegenwärtige Nationalversammlung ausdrücklich als die "nächst zusammenkommende Volksvertretung" namentlich und wiederholt bezeichnet wird; sondern dies ergibt sich auch aus der Erklärung des damaligen Ministers, Grafen Schwerin, bei Berathung dieser Gesetzesstelle, in der Sitzung des letzten Vereinigten Landtags vom 4. April, wo derselbe zur Vertheidigung dieser Bestimmung wörtlich sagt:

"Es kam darauf an, einige wesentliche Momente der konstitutionellen Verfassung bereits jetzt in das Bereich der Gesetzlichkeit zu bringen."

Die Bestimmung des §. 13 des Wahlgesetzes vom 8. April d. J., nach welcher die gegenwärtige Nationalversammlung berufen ist, auch die seitherigen reichsständischen Befugnisse, namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staatsanleihen für die Dauer ihrer Versammlung interimistisch auszuüben, widerspricht dieser Auffassung nicht, da in diesen "reichsständischen Befugnissen" noch andere Rechte, als die in dem §. 6 der Verordnung vom 6. April bezeichneten, enthalten sind; aus den Berathungen des Vereinigten Landtags über die zuletzt angezogene Bestimmung, in der Sitzung vom 4. April aber klar hervorgeht, daß es die Absicht des Vereinigten Landtags war, daß der künftigen Volksvertretung noch andere, als in dem §. 6 des angezogenen Gesetzes bezeichnete, nämlich die mit dem Steuerbewilligungsrecht in Verbindurg stehenden Rechte der Kontrolle u. s. w. zustehen müßten.

Indessen, abgesehen von diesen legalen Bestimmungen, welche ausdrücklich der gegenwärtigen Nationalversammlung die Competenz der Steuerbewilligung zuwenden, geht dieselbe aus der Natur ihrer Stellung zum Lande und zur Krone hervor. Eine Nationalversammlung, die schon nach ihrem legalen Mandat Mitträgerin der Souveränität ist, vereinigt bei dem vom Könige bereits in der Antwort an die Deputation der rheinischen Städte vom 21. März ausgesprochen, dann wiederholt und endlich noch in der Proklamation vom 17. Nov. anerkannten Prinzip der Verantwortlichkeit der Minister, schon ihrer rechtlichen Natur nach das Steuerbewilligungsrecht unter die ihr übrigens zustehenden Befugnisse.

Wenn somit im Allgemeinen das Steuerbewilligungs- und also Steuerverweigerungsrecht nach Ansicht der Majorität erwiesener Maßen der Nationalversammlung zusteht, so könnte nur noch darüber ein Zweifel erhoben werden, ob dieselbe befugt ist, dies Recht augenblicklich für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahres auszuuben. Daß dies vom 1. Januar 1849 ab geschehen könne, hat die Staatsregierung selbst implicite in der Erklärung des Finanzministers v. Bonin in der Sitzung der Nationalversammlung anerkannt. Allein, daß es auch schon für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahrs rechtlich geschehen könne, geht nach Ansicht der Majorität einfach daraus hervor, daß diese Steuern noch gar nicht bis zum Schluß dieses Jahres bewilligt sind, sondern die Nationalversammlung die Steuerhebung bisher nur hat faktisch geschehen lassen. Ihr steht also jedenfalls das Recht der Inhibition zu. Ist somit die Competenz der Nationalversammlung zu einem solchen Beschlusse begründet, so ist derselbe schon dadurch, daß er gefaßt wird, formell gerechtfertigt. Seine innere Rechtfertigung liegt in den ungesetzlichen hochverrätherischen Schritten des Ministeriums, auf welche hier noch weiter zurück zu kommen, nach der von der hohen Versammlung beschlossenen Denkschrift, unnöthig erscheint.

Dennoch, wenn auch vom Standpunkt des Rechts der vorliegende Beschluß unzweifelhaft erscheint, könnte die Frage aufgeworfen werden, ob er nicht aus höhern politischen Gründen unzweckmäßig sei. Die Kommission ist den bereits in dieser Beziehung stattgehabten Diskussionen der Nationalversammlung gefolgt, hat sich aber in ihrer Majorität von der behaupteten Unzweckmäßigkeit eines solchen Beschlusses nicht überzeugen können. Alle in konstitutionellen Verfassungen lebenden Völker sehen in dem Rechte ihrer Abgeordneten, die Steuern zu bewilligen, resp. zu verweigern, den Schlußstein solcher Verfassungen, das letzte friedliche Mittel, einer ungesetzlichen Ausübung der von der Krone ausgehenden Gewalt einen passiven Widerstand entgegenzusetzen. Es wird von solchen Völkern für ihr letztes, höchstes und heiligstes Verfassungsrecht gehalten. Dies Recht würde aber in der That gar keinen Sinn haben, wenn es nicht unter angemessenen Umständen auch ausgeübt werden könnte und sollte. Es kommt also lediglich auf die Beurtheilung der Umstände an, ob die Ausübung dieses wichtigen Rechts in der Zweckmäßigkeit liegt. Da scheinen nun in der That die Umstände des gegenwärtigen Augenblicks der Art zu sein, daß sie kaum anders gedacht werden können, um die Zweckmäßigkeit des vorliegenden Beschlusses zu rechtfertigen. Ein Ministerium, das fast einstimmig von der Nationalversammlung des Hochverrachs schuldig erachtet ist, weicht nicht von seinem Platz, sondern bereitet den Bürgerkrieg, um sich darauf zu behaupten, um die fort erhobenen Steuern zur Unterhaltung des Bürgerkrieges zu verwenden. Dies scheint wesentlich zu genügen, um die Zweckmäßigkeit des Beschlusses zu rechtfertigen. Daß bisher in keinem konstitutionellen Staate, seitdem das Steuerbewilligungs- resp. Verweigerungsrecht als ein unzweifelhaftes Verfassungswerk anerkannt ist, davon Gebrauch gemacht worden, liegt einfach daran, daß es bisher auch in keinem konstitutionellen Staat so inkonstitutionelle Minister gegeben hat, die nicht sofort vor dem ausgesprochenen Mißtrauen der Volksvertretung von ihrem Platze gewichen wären, sondern den Bürgerkrieg provocirt hätten, um sich zu erhalten. -- Auch der Einwurf, daß mit der Steuerverweigerung die Anarchie in's Land getragen werde und es schwer sein würde, später das Volk wieder zur Steuerzahlung zu bewegen, scheint unhaltbar. Die Anarchie ist bereits von dem Ministerium Brandenburg in's Land geworfen und soll gerade durch ein gesetzliches Mittel bekämpft werden: auch scheint schon darin ein Widerspruch zu liegen, daß ein in allen Verfassungen anerkanntes gesetzliches Mittel, bei seiner Anwendung unter angemessenen Umständen, überhaupt die Anarchie sollte hervorrufen können. Vielmehr liegt darin, daß unter so furchtbaren Umständen, als gegenwärtig über das preußische Volk verhängt sind, seine Vertreter nur zu diesem gesetzlichen Mittel schreiten, die Bürgschaft, daß der gesetzliche Sinn des Volks bereits so erstarkt ist, daß es willig zur Steuerzahlung zurückkehren wird, wenn jene drohende Umstände beseitigt sind.

Aus diesen Gründen schlägt die zur Begutachtung des vorliegenden Antrages niedergesetzte Kommission der hohen Versammlung vor:

Denselben in seiner veränderten Fassung sofort zum Beschluß erheben zu wollen.

Berlin, den 14. November 1848.

Die Kommission.

Hierauf sprach der Abgeordnete Kirchmann, als Berichterstatter der Kommission, folgendes:

Ich erlaube mir als Berichterstatter noch einige Worte mündlich hinzuzufügen. Einmal, weil es nach dem Reglement im Allgemeinen zulässig ist, daß der Berichterstatter seine persönliche Meinung ausspricht, und dann bitte ich in diesem besondern Falle um so mehr darum, als allerdings durch die Veränderung meiner Ansicht die Majorität der Kommission sich geändert hat, und es mir billig scheint, daß Sie mir einige Worte erlauben, um meine veränderte Abstimmung von dem Vorwurfe der Inkonsequenz zu reinigen. Ich habe in der Nachtsitzung am vergangenen Sonntage, wo die Frage zuerst in der hohen Versammlung zur Sprache kam, und der Bericht zunächst verlangt wurde, den Bericht mündlich erstattet, und damals wie heut ist anerkannt worden, daß die Rechtsfrage entschieden zu bejahen ist. Ich habe damals blos die Zweckmäßigkeit der Maßregel bestritten, und zwar weil die Folgen des Beschlusses nicht das gegenwärtige Ministerium träfen, sondern andere Personen, weil die Versagung der Steuern Anarchie in das Land bringen würde, und weil mir die bis dahin angewandten Mittel hinreichend erschienen, den Sturz deä Ministeriums herbeizuführen. Ich behaupte nun, daß von diesen Gründen der letztere sich geändert hat. Die außerordentlichen Umstände, die in diesen letzten drei Tagen eingetreten sind, sind meines Erachtens der Art, daß sie eine Veränderung der Meinung vollständig rechtfertigen. Was die Zweckmäßigkeit der Steuerverweigerung betrifft, so bin ich jetzt der Ansicht, daß die Handlungen und Maßregeln der Regierung zu einem solchem Extrem von Gewalt, List und Ungerechtigkeit vorgeschritten sind, daß wir mit einem solchen Netz von Gewalt und Hinterlist umstrickt sind, daß uns in diesem Augenblick nichts übrig bleibt, als zu diesem äußersten Mittel zu greifen, selbst für den Fall, daß wir die Anarchie in das Land werfen sollten.

Das Ministerium hat seit Sonntag eine noch weit größere Militär-Macht entwickelt. Damals waren nur 12 Bataillone und etwa 100 Kanonen in die Stadt gerückt. Seitdem aber haben sich die Lücken, welche dadurch in der Truppenbesetzung der Umgegend der Stadt entstanden waren, von Neuem gefullt und das Heer, welches sich jetzt in und um Berlin befindet, beläuft sich gewiß, ohne Uebertreibung, auf 40 bis 50,000 Mann. Die Macht, welche die Freiheit der Versammlung bedroht, ist gegenwärtig eine weit furchtbarere. Es kommt hinzu, daß der Belagerungszustand, der Anfangs blos über Berlin verhängt worden war, nach uns zugekommenen Nachrichten, nun auch uber Potsdam ausgesprochen sein soll. Jedenfalls sehen die Maßregeln, welche man dort getroffen hat, einem Belagerungszustande vollkommen ähnlich. Dabei sind die nach Berlin führenden Eisenbahnen überall mit Truppen besetzt und Berlin völlig cernirt. Die Macht gegen uns ist also ungeheuer vermehrt worden. Ebenso haben sich auch die Ungerechtigkeiten außerordentlich gesteigert. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die wichtige Bekanntmachung, die Ihnen theilweise bekannt sein dürfte, obgleich sie in keinem amtlichen Blatte bis jetzt gestanden, sondern nur Abends bei Trommelschlag ausgerufen worden ist. Es ist dies eine Bekanntmachung des General Wrangel, dahin lautend:

"daß Alle, welche in Berlin oder in dessen in Belagerungszustand gesetzten Umgebungen, durch eine verratherische Handlung den Truppen Gefahr oder Nachtheil bereiten, auf Grund der Vorschrift des §. 18. Th. II. des Militärstrafgesetzbuches vom 3. April 1845 sofort vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollen."

Diese Bekanntmachung ist eine durchaus ungesetzliche Maaßregel, selbst dann, wenn der Belagerungszustand an sich begründet ware; denn der Gesetzes-Artikel, der darin erwähnt worden, und auf welchen sich die Verordnung stützt, lautet wesentlich anders. Er lautet nämlich dahin, daß in Kriegszeiten Militärgerichte angeordnet werden dürfen, durch eine von dem König oder vom Feldherrn in dessen Namen erlassene Bekanntmachung, und daß diesen Gerichten alle Unterthanen des preußischen Staates unterworfen werden können, die auf dem Kriegsschauplatz durch verrätherische Handlungen den Truppen Gefahr und Nachtheil bringen. Es ist klar, daß es ein wesentlicher Unterschied ist zwischen Kriegszeit und einem Kriegsschauplatz und zwischen den über unsere friedliche Stadt verhängten Belagerungszustand! Es liegt also in dieser Bekanntmachung die höchste Gefahr für unsere Versammlung und zugleich die größte Ungerechtigkeit gegen sie. Es liegt klar vor, daß auf Grund solcher schwankenden und weitgreifenden Bestimmungen Alles das für verrätherische Handlungen, welche den Truppen Gefahr bringen können, angesehen werden kann, was nur einigermaßen von der hohen Versammlung zur Vertheidigung ihrer Rechte vorgenommen und beschlossen wird und daß die Mitglieder der hohen Versammlung sich durch jedes Mittel, welches zu diesem Zwecke angewendet wird, der Gefahr aussetzten, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Dies ist zunächst das Große und Neue, was in dieser Beziehung seit Sonntag eingetreten ist.

Eine andere Ungerechtigkeit liegt in der Verhaftung des Abgeordneten Schramm (Striegau.) Er ist, wie ihnen bekannt geworden, am Montag Nachmittag verhaftet worden, und zwar, wie er mir persönlich versichert, lediglich deßhalb, weil er eine Bekanntmachung des demokratischen Clubs in der Hand gehabt, während in der Nähe ein Militärkommando sich befand. Dem Offizier, welcher nach dem Inhalt der Druckschrift fragte, überreichte der Abgeordnete Schramm dieselbe und als jener die Unterschrift des demokratischen Clubs darunter gefunden, giebt ihm das Veranlassung zur Verhaftung. Der Abgeordnete hat bis heute Nachmittag in Verhaft sich befunden, obgleich seine Eigenschaft als Abgeordneter gleich bei seiner Festhaltung constatirt worden ist. Das Criminalgericht, welches auf Veranlassung des Herrn Präsidenten die Sache sogleich vorgenommen, hat beschlossen, daß auch nicht der mindeste Grund eines Verbrechens vorhanden sei, wodurch die Verhaftung gerechtfertigt werde und unser Mitglied sogleich auf freien Fuß gesetzt. Endlich gehört noch zu den Ungerechtigkeiten die Abnahme der Waffen, welche man heut zu vollziehen begonnen hat. Ich bemerke, daß schon in der Nacht von 3 Uhr ab die Oeffnung der Häuser durch Klopfen gefordert wurde und die Eigenthümer die gedruckten Bekanntmachungen entgegen zu nehmen hatten, denen zufolge von 9 Uhr ab Wagen auf den Straßen erscheinen sollten, um die abgenommenen Waffen darauf zu laden, und daß bei nicht genügender Abgabe die Soldaten in die Häuser dringen würden, um mit größerem Nachdruck dem Befehle Erfolg zu verschaffen. Wie vereinigt sich dies mit der Zusicherung in §. 3. des transitorischen Gesetzes zum Bürgerwehrgesetze, wonach die Gemeinden jedenfalls bis zur Vollendung der Verfassung der Gemeinde-Ordnung in Besitz der empfangenen Waffen verbleiben sollen! Aber neben diesen klaren Ungerechtigkeiten ist es das noch weit schlimmere Mittel der List, das man in einer Weise und in einem so consequenten System anwendet, daß damit für das Land und die hohe Versammlung die höchste Gefahr herbeigeführt wird. Ich führe zunächst an, daß die Person des Königs jetzt vom Volke völlig abgeschnitten ist. Es ist keiner Deputation von den vielen großen, ja von den größten Städten des Landes bis jetzt gelungen, zu Sr. Majestät zu gelangen. Man hat sie stets damit abgewiesen, daß kein Minister in Potsdam gegenwärtig sei und aus diesem Grunde haben sich die Deputationen sämmtlich wieder entfernen müssen. Es liegt aber klar vor, daß, wenn die Minister sich hier im Kriegsministerialgebäude befinden und nicht daraus weichen, es rein unmöglich ist, daß dem Könige über den Zustand des Landes die Wahrheit gesagt werden kann. Ich führe in dieser Beziehung zweitens an, daß das Ministerium ausdrücklich gegen die Deputation der Stadtverordneten Berlins erklärt hat, es könne keine Deputation bei dem Könige zulassen, da man befürchten müsse, daß das Herz des Königs gerührt werden möchte. (Pfui! Pfui!) Das Ministerium würde es bestimmen, wann die Zeit gekommen wäre, daß Deputationen wieder zu Sr. Majestät zugelassen werden könnten. Noch weit großartiger wird diese Intrigue und List durchgeführt, in Beziehung auf die Presse. Ich sehe ganz ab von der Maaßregel der Censur, die man eingeführt hat, die schon am Sonntage bekannt wurde, und die also nichts neues wäre, um mich etwa in meinem Entschlusse wankend zu machen. Aber die neuen Vornahmen seit dieser Zeit zeigen klar, mit welcher Consequenz, mit welcher Intrigue und Feinheit man ein System fortsetzt, welches uns Hindernisse aller Art in den Weg legt.

Ich habe die glaubhafte Nachricht, daß der General Wrangel sämmtliche Redaktionen der Zeitungen, welche noch erscheinen dürfen, heute vor sich kommen ließ und ihnen sagte: es solle ihnen kein Censor bestellt werden, sie sollten ihre eigenen Censoren sein, aber unter der Bedingung, daß sie von der Nationalversammlung kein Wort aufnehmen, ebenso keine Adresse, welche für die Versammlung und gegen die Regierung sich ausspräche, daß sie dagegen allein diejenigen Adressen aufnehmen müßten, welche für die Regierung sprächen. Ich bemerke ferner, daß mir von einem Mitredakteur der Spenerschen Zeitung mitgetheilt ist, wie derselben gestern Abend von dem Ministerium des Innern drei sogenannte Inserate zur Aufnahme mitgetheilt worden sind. Ich habe nur eins davon lesen können und ist dasselbe unterschrieben: "Ein Mann von der Rechten." Es enthält die bekannten Invectiven gegen die hohe Versammlung. Anfangs hat die Unterschrift gelautet: "Ein wohlwollender Gast im Konzertsaale." Diese ist aber ausgestrichen und dafür gesetzt worden: "Ein Mann von der Rechten."

Sie sehen auf diese Weise, mit welcher Hinterlist die Stimme des Landes verfälscht wird. Noch bemerke ich, daß Einer unserer Kollegen heut aus Krossen einen Brief bekommen hat, worin Klage geführt wird, daß seit gestern früh kein Exemplar der Vosstschen Zeitung angekommen sei. Um so mehr ist man dort darüber verwundert gewesen, als man weiß, daß die Vossische Zeitung eben nicht sehr geneigt ist, demokratische Tendenzen zu verfolgen. Wenn Sie aber die Vossische Zeitung von gestern gelesen haben, so werden Sie finden, daß allerdings darin ein großer und wichtiger Artikel enthalten ist, in welchem selbst diese Zeitung der Wahrheit getreu, sich nicht entbrechen kann, Partei für diese Versammlung zu nehmen. Es muß also auch hier vermuthet werden, daß Mittel angewendet sind, um die Verbreitung dieser weit und breit gelesenen Zeitung, die an 20,000 Exemplare in's Land schickt, mit diesem Artikel zu verhindern. Ich bemerke ferner, daß gerade die erwähnte Wrangel'sche Bekanntmachung, wonach er Allen denen mit einem Kriegsgericht droht, die den Truppen Gefahr bringen, also diese, durchaus mit den Worten des Gesetzes in Widerspruch stehende Bekanntmachung, die alleinige ist, welche nicht in dem Staatsanzeiger bis jetzt aufgenommen worden ist, und daß sie bis jetzt nur dadurch zur Kenntniß der Bevölkerung gekommen ist, daß sie am Abend des gestrigen Tages durch Trommelschlag verkündet wurde, aber mit so leiser Stimme, daß, obgleich ich mein Fenster aufmachte und Leute hinunterschickte, dennoch Niemand im Stande gewesen ist, die Bekanntmachung zu verstehen.

Es soll zwar diese Bekanntmachung auch gedruckt vertheilt worden sein, aber trotz aller Mühe bin ich nicht im Stande gewesen ein Exemplar zu lesen, und was ich Ihnen darüber so eben mitgetheilt habe, beruht auf dem Abdruck in der National-Zeitung. Es ist also diese ungesetzliche Bekanntmachung in der offiziellen

vorgelassen. Der König ist nicht mehr frei, von einer verbrecherischen Schaar bewacht, die ihm die Erhebung des ganzen Landes geflissentlich verbirgt, um Thron und Vaterland ihren hochverrätherischen Plänen zum Opfer zu bringen. Der Sitzungssaal, die Bureaus der National-Versammlung sind zu Wachtstuben geworden, unser Archiv, die wichtigsten Dokumente, darunter 12,000 Petitionen aus allen Theilen des Landes, werden von den Soldaten, den verblendeten Söhnen des Vaterlandes, umhergeworfen; man hat die Herausgabe dieser Papiere unserm Präsidenten wiederholt verweigert. Was sind diesen Menschen die Wünsche, die Rechte und Freiheiten von 16 Millionen Preußen! Und wie man Eure Petitionen mit Füßen tritt, so dringt man mit Bajonetten in die Berathungen Eurer Vertreter, bricht ohne Scheu die vom Könige selbst publizirten Gesetze über den Schutz der persönlichen Freiheit, das Hausrecht, und verhängt Belagerungszustand und Standrecht, wo die geheiligten Personen der Abgeordneten tagen. Ein Treubruch, so scheußlich und offenbar, wie ihn die deutsche Geschichte nicht kennt!

Lügen, Verdrehungen aller Art, gehen in amtlichen Erlassen in das Land, die Zeitungen werden gezwungen, ihnen ihre Spalten zu öffnen, während man die Stimme der Wahrheit in der Presse mit drohender Gewalt erstickt. Aber es hat ihnen nicht geholfen! Die National-Versammlung harrt muthig aus, und die Plätze der Deputirten, welche pflichtwidrig und feig ihren Posten verlassen haben, füllen sich von Tag zu Tag, indem die Stellvertreter von selbst herbeieilen, um an der Ehre und an der Gefahr dieser Tage Theil zu nehmen. Wenn die über uns verhängte rohe Gewalt auch eine kostbare Zeit von Tagen und Wochen raubt, welche bei unsern dringenden Arbeiten zum Wohl des Volks hätte verwendet werden können, so hat man uns doch nicht abzuhalten vermocht, den Kampf gegen die brutale Gewalt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu führen.

Die National-Versammlung hat die Minister als Hochverräther dem Staatsanwalt überwiesen und denselben die Verwendung der Staatsgelder und die Erhebung der Steuern durch einstimmigen Beschluß vom 15. November untersagt.

So haben wir das letzte parlamentarische Mittel erschöpft.

An dem Volke ist es, unsere Beschlüsse auszuführen.

Berlin, den 18. November 1848.

Berlin.

Bericht der Kommission der preußischen National-Versammlung über die Steuerverweigerung, vorgetragen in der Sitzung vom 15. November 1848.

Die hohe Nationalversammlung hat in ihrer Sitzung vom 11. Novbr. beschlossen den Antrag, daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung von Staatsgeldern noch zur Erhebung der Steuern berechtigt ist, in die aus den unterzeichneten Mitgliedern bestehende Kommission zur schleunigen Berichterstattung zu verweisen. Nachdem die Kommission in ihrer Majorität den Antrag abgelehnt, und darüber in der Sitzung vom 13. Nov. mündlich Bericht erstattet hatte, hat die hohe Versammlung die Beschlußnahme bis dahin vertagt, bis der schriftliche Bericht vorliege. Einstweilen haben die Antragsteller ihren Antrag für jetzt indificirt und lautet danach derselbe, so wie über ihn gegenwärtig Bericht erstattet wird, dahin:

„daß kein Ministerium berechtigt sei, Steuern zu erheben, bis dieser Beschluß wieder von der Nationalversammlung aufgehoben ist.“

Auch die Kommission hat bei den erneuten und fortgesetzten Gewaltmaßregeln des Ministeriums gegen die Freiheit des Volks und das Recht der Nationalversammlung einen veränderten Beschluß gefaßt und nachstehend zu begründen geglaubt.

Die Kommission hat sich zuerst die Frage der Competenz der hohen Versammlung zu solchem Beschlusse vorgelegt und diese aus folgenden Gründen bejaht.

In der Verordnung vom 6. April d. J., über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung heißt es §. 6 wörtlich:

„den künftigen Vertretern des Volks soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen, so wie zur Festsetzung des Staatshaushalts-Etats und das Steuerbewilligungsrecht zustehen.“

Unzweifelhaft ist hier unter den „künftigen Vertretern des Volks“ schon die gegenwärtige Nationalversammlung zu verstehen. Dies geht nicht blos aus dem übrigen Inhalt des Gesetzes hervor, dessen anderweitige Bestimmungen, obgleich in einem Gesetz: „über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung“ ausgesprochen, doch ebenfalls sämmtlich, seit ihrem Erlaß, gesetzliche Anwendung gefunden haben; dies geht ferner nicht blos daraus hervor, daß die dem Propositionsdekret vom 4. April über Beschaffung außerordentlicher Geldmittel die gegenwärtige Nationalversammlung ausdrücklich als die „nächst zusammenkommende Volksvertretung“ namentlich und wiederholt bezeichnet wird; sondern dies ergibt sich auch aus der Erklärung des damaligen Ministers, Grafen Schwerin, bei Berathung dieser Gesetzesstelle, in der Sitzung des letzten Vereinigten Landtags vom 4. April, wo derselbe zur Vertheidigung dieser Bestimmung wörtlich sagt:

„Es kam darauf an, einige wesentliche Momente der konstitutionellen Verfassung bereits jetzt in das Bereich der Gesetzlichkeit zu bringen.“

Die Bestimmung des §. 13 des Wahlgesetzes vom 8. April d. J., nach welcher die gegenwärtige Nationalversammlung berufen ist, auch die seitherigen reichsständischen Befugnisse, namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staatsanleihen für die Dauer ihrer Versammlung interimistisch auszuüben, widerspricht dieser Auffassung nicht, da in diesen „reichsständischen Befugnissen“ noch andere Rechte, als die in dem §. 6 der Verordnung vom 6. April bezeichneten, enthalten sind; aus den Berathungen des Vereinigten Landtags über die zuletzt angezogene Bestimmung, in der Sitzung vom 4. April aber klar hervorgeht, daß es die Absicht des Vereinigten Landtags war, daß der künftigen Volksvertretung noch andere, als in dem §. 6 des angezogenen Gesetzes bezeichnete, nämlich die mit dem Steuerbewilligungsrecht in Verbindurg stehenden Rechte der Kontrolle u. s. w. zustehen müßten.

Indessen, abgesehen von diesen legalen Bestimmungen, welche ausdrücklich der gegenwärtigen Nationalversammlung die Competenz der Steuerbewilligung zuwenden, geht dieselbe aus der Natur ihrer Stellung zum Lande und zur Krone hervor. Eine Nationalversammlung, die schon nach ihrem legalen Mandat Mitträgerin der Souveränität ist, vereinigt bei dem vom Könige bereits in der Antwort an die Deputation der rheinischen Städte vom 21. März ausgesprochen, dann wiederholt und endlich noch in der Proklamation vom 17. Nov. anerkannten Prinzip der Verantwortlichkeit der Minister, schon ihrer rechtlichen Natur nach das Steuerbewilligungsrecht unter die ihr übrigens zustehenden Befugnisse.

Wenn somit im Allgemeinen das Steuerbewilligungs- und also Steuerverweigerungsrecht nach Ansicht der Majorität erwiesener Maßen der Nationalversammlung zusteht, so könnte nur noch darüber ein Zweifel erhoben werden, ob dieselbe befugt ist, dies Recht augenblicklich für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahres auszuuben. Daß dies vom 1. Januar 1849 ab geschehen könne, hat die Staatsregierung selbst implicite in der Erklärung des Finanzministers v. Bonin in der Sitzung der Nationalversammlung anerkannt. Allein, daß es auch schon für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahrs rechtlich geschehen könne, geht nach Ansicht der Majorität einfach daraus hervor, daß diese Steuern noch gar nicht bis zum Schluß dieses Jahres bewilligt sind, sondern die Nationalversammlung die Steuerhebung bisher nur hat faktisch geschehen lassen. Ihr steht also jedenfalls das Recht der Inhibition zu. Ist somit die Competenz der Nationalversammlung zu einem solchen Beschlusse begründet, so ist derselbe schon dadurch, daß er gefaßt wird, formell gerechtfertigt. Seine innere Rechtfertigung liegt in den ungesetzlichen hochverrätherischen Schritten des Ministeriums, auf welche hier noch weiter zurück zu kommen, nach der von der hohen Versammlung beschlossenen Denkschrift, unnöthig erscheint.

Dennoch, wenn auch vom Standpunkt des Rechts der vorliegende Beschluß unzweifelhaft erscheint, könnte die Frage aufgeworfen werden, ob er nicht aus höhern politischen Gründen unzweckmäßig sei. Die Kommission ist den bereits in dieser Beziehung stattgehabten Diskussionen der Nationalversammlung gefolgt, hat sich aber in ihrer Majorität von der behaupteten Unzweckmäßigkeit eines solchen Beschlusses nicht überzeugen können. Alle in konstitutionellen Verfassungen lebenden Völker sehen in dem Rechte ihrer Abgeordneten, die Steuern zu bewilligen, resp. zu verweigern, den Schlußstein solcher Verfassungen, das letzte friedliche Mittel, einer ungesetzlichen Ausübung der von der Krone ausgehenden Gewalt einen passiven Widerstand entgegenzusetzen. Es wird von solchen Völkern für ihr letztes, höchstes und heiligstes Verfassungsrecht gehalten. Dies Recht würde aber in der That gar keinen Sinn haben, wenn es nicht unter angemessenen Umständen auch ausgeübt werden könnte und sollte. Es kommt also lediglich auf die Beurtheilung der Umstände an, ob die Ausübung dieses wichtigen Rechts in der Zweckmäßigkeit liegt. Da scheinen nun in der That die Umstände des gegenwärtigen Augenblicks der Art zu sein, daß sie kaum anders gedacht werden können, um die Zweckmäßigkeit des vorliegenden Beschlusses zu rechtfertigen. Ein Ministerium, das fast einstimmig von der Nationalversammlung des Hochverrachs schuldig erachtet ist, weicht nicht von seinem Platz, sondern bereitet den Bürgerkrieg, um sich darauf zu behaupten, um die fort erhobenen Steuern zur Unterhaltung des Bürgerkrieges zu verwenden. Dies scheint wesentlich zu genügen, um die Zweckmäßigkeit des Beschlusses zu rechtfertigen. Daß bisher in keinem konstitutionellen Staate, seitdem das Steuerbewilligungs- resp. Verweigerungsrecht als ein unzweifelhaftes Verfassungswerk anerkannt ist, davon Gebrauch gemacht worden, liegt einfach daran, daß es bisher auch in keinem konstitutionellen Staat so inkonstitutionelle Minister gegeben hat, die nicht sofort vor dem ausgesprochenen Mißtrauen der Volksvertretung von ihrem Platze gewichen wären, sondern den Bürgerkrieg provocirt hätten, um sich zu erhalten. — Auch der Einwurf, daß mit der Steuerverweigerung die Anarchie in's Land getragen werde und es schwer sein würde, später das Volk wieder zur Steuerzahlung zu bewegen, scheint unhaltbar. Die Anarchie ist bereits von dem Ministerium Brandenburg in's Land geworfen und soll gerade durch ein gesetzliches Mittel bekämpft werden: auch scheint schon darin ein Widerspruch zu liegen, daß ein in allen Verfassungen anerkanntes gesetzliches Mittel, bei seiner Anwendung unter angemessenen Umständen, überhaupt die Anarchie sollte hervorrufen können. Vielmehr liegt darin, daß unter so furchtbaren Umständen, als gegenwärtig über das preußische Volk verhängt sind, seine Vertreter nur zu diesem gesetzlichen Mittel schreiten, die Bürgschaft, daß der gesetzliche Sinn des Volks bereits so erstarkt ist, daß es willig zur Steuerzahlung zurückkehren wird, wenn jene drohende Umstände beseitigt sind.

Aus diesen Gründen schlägt die zur Begutachtung des vorliegenden Antrages niedergesetzte Kommission der hohen Versammlung vor:

Denselben in seiner veränderten Fassung sofort zum Beschluß erheben zu wollen.

Berlin, den 14. November 1848.

Die Kommission.

Hierauf sprach der Abgeordnete Kirchmann, als Berichterstatter der Kommission, folgendes:

Ich erlaube mir als Berichterstatter noch einige Worte mündlich hinzuzufügen. Einmal, weil es nach dem Reglement im Allgemeinen zulässig ist, daß der Berichterstatter seine persönliche Meinung ausspricht, und dann bitte ich in diesem besondern Falle um so mehr darum, als allerdings durch die Veränderung meiner Ansicht die Majorität der Kommission sich geändert hat, und es mir billig scheint, daß Sie mir einige Worte erlauben, um meine veränderte Abstimmung von dem Vorwurfe der Inkonsequenz zu reinigen. Ich habe in der Nachtsitzung am vergangenen Sonntage, wo die Frage zuerst in der hohen Versammlung zur Sprache kam, und der Bericht zunächst verlangt wurde, den Bericht mündlich erstattet, und damals wie heut ist anerkannt worden, daß die Rechtsfrage entschieden zu bejahen ist. Ich habe damals blos die Zweckmäßigkeit der Maßregel bestritten, und zwar weil die Folgen des Beschlusses nicht das gegenwärtige Ministerium träfen, sondern andere Personen, weil die Versagung der Steuern Anarchie in das Land bringen würde, und weil mir die bis dahin angewandten Mittel hinreichend erschienen, den Sturz deä Ministeriums herbeizuführen. Ich behaupte nun, daß von diesen Gründen der letztere sich geändert hat. Die außerordentlichen Umstände, die in diesen letzten drei Tagen eingetreten sind, sind meines Erachtens der Art, daß sie eine Veränderung der Meinung vollständig rechtfertigen. Was die Zweckmäßigkeit der Steuerverweigerung betrifft, so bin ich jetzt der Ansicht, daß die Handlungen und Maßregeln der Regierung zu einem solchem Extrem von Gewalt, List und Ungerechtigkeit vorgeschritten sind, daß wir mit einem solchen Netz von Gewalt und Hinterlist umstrickt sind, daß uns in diesem Augenblick nichts übrig bleibt, als zu diesem äußersten Mittel zu greifen, selbst für den Fall, daß wir die Anarchie in das Land werfen sollten.

Das Ministerium hat seit Sonntag eine noch weit größere Militär-Macht entwickelt. Damals waren nur 12 Bataillone und etwa 100 Kanonen in die Stadt gerückt. Seitdem aber haben sich die Lücken, welche dadurch in der Truppenbesetzung der Umgegend der Stadt entstanden waren, von Neuem gefullt und das Heer, welches sich jetzt in und um Berlin befindet, beläuft sich gewiß, ohne Uebertreibung, auf 40 bis 50,000 Mann. Die Macht, welche die Freiheit der Versammlung bedroht, ist gegenwärtig eine weit furchtbarere. Es kommt hinzu, daß der Belagerungszustand, der Anfangs blos über Berlin verhängt worden war, nach uns zugekommenen Nachrichten, nun auch uber Potsdam ausgesprochen sein soll. Jedenfalls sehen die Maßregeln, welche man dort getroffen hat, einem Belagerungszustande vollkommen ähnlich. Dabei sind die nach Berlin führenden Eisenbahnen überall mit Truppen besetzt und Berlin völlig cernirt. Die Macht gegen uns ist also ungeheuer vermehrt worden. Ebenso haben sich auch die Ungerechtigkeiten außerordentlich gesteigert. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die wichtige Bekanntmachung, die Ihnen theilweise bekannt sein dürfte, obgleich sie in keinem amtlichen Blatte bis jetzt gestanden, sondern nur Abends bei Trommelschlag ausgerufen worden ist. Es ist dies eine Bekanntmachung des General Wrangel, dahin lautend:

„daß Alle, welche in Berlin oder in dessen in Belagerungszustand gesetzten Umgebungen, durch eine verratherische Handlung den Truppen Gefahr oder Nachtheil bereiten, auf Grund der Vorschrift des §. 18. Th. II. des Militärstrafgesetzbuches vom 3. April 1845 sofort vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollen.“

Diese Bekanntmachung ist eine durchaus ungesetzliche Maaßregel, selbst dann, wenn der Belagerungszustand an sich begründet ware; denn der Gesetzes-Artikel, der darin erwähnt worden, und auf welchen sich die Verordnung stützt, lautet wesentlich anders. Er lautet nämlich dahin, daß in Kriegszeiten Militärgerichte angeordnet werden dürfen, durch eine von dem König oder vom Feldherrn in dessen Namen erlassene Bekanntmachung, und daß diesen Gerichten alle Unterthanen des preußischen Staates unterworfen werden können, die auf dem Kriegsschauplatz durch verrätherische Handlungen den Truppen Gefahr und Nachtheil bringen. Es ist klar, daß es ein wesentlicher Unterschied ist zwischen Kriegszeit und einem Kriegsschauplatz und zwischen den über unsere friedliche Stadt verhängten Belagerungszustand! Es liegt also in dieser Bekanntmachung die höchste Gefahr für unsere Versammlung und zugleich die größte Ungerechtigkeit gegen sie. Es liegt klar vor, daß auf Grund solcher schwankenden und weitgreifenden Bestimmungen Alles das für verrätherische Handlungen, welche den Truppen Gefahr bringen können, angesehen werden kann, was nur einigermaßen von der hohen Versammlung zur Vertheidigung ihrer Rechte vorgenommen und beschlossen wird und daß die Mitglieder der hohen Versammlung sich durch jedes Mittel, welches zu diesem Zwecke angewendet wird, der Gefahr aussetzten, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Dies ist zunächst das Große und Neue, was in dieser Beziehung seit Sonntag eingetreten ist.

Eine andere Ungerechtigkeit liegt in der Verhaftung des Abgeordneten Schramm (Striegau.) Er ist, wie ihnen bekannt geworden, am Montag Nachmittag verhaftet worden, und zwar, wie er mir persönlich versichert, lediglich deßhalb, weil er eine Bekanntmachung des demokratischen Clubs in der Hand gehabt, während in der Nähe ein Militärkommando sich befand. Dem Offizier, welcher nach dem Inhalt der Druckschrift fragte, überreichte der Abgeordnete Schramm dieselbe und als jener die Unterschrift des demokratischen Clubs darunter gefunden, giebt ihm das Veranlassung zur Verhaftung. Der Abgeordnete hat bis heute Nachmittag in Verhaft sich befunden, obgleich seine Eigenschaft als Abgeordneter gleich bei seiner Festhaltung constatirt worden ist. Das Criminalgericht, welches auf Veranlassung des Herrn Präsidenten die Sache sogleich vorgenommen, hat beschlossen, daß auch nicht der mindeste Grund eines Verbrechens vorhanden sei, wodurch die Verhaftung gerechtfertigt werde und unser Mitglied sogleich auf freien Fuß gesetzt. Endlich gehört noch zu den Ungerechtigkeiten die Abnahme der Waffen, welche man heut zu vollziehen begonnen hat. Ich bemerke, daß schon in der Nacht von 3 Uhr ab die Oeffnung der Häuser durch Klopfen gefordert wurde und die Eigenthümer die gedruckten Bekanntmachungen entgegen zu nehmen hatten, denen zufolge von 9 Uhr ab Wagen auf den Straßen erscheinen sollten, um die abgenommenen Waffen darauf zu laden, und daß bei nicht genügender Abgabe die Soldaten in die Häuser dringen würden, um mit größerem Nachdruck dem Befehle Erfolg zu verschaffen. Wie vereinigt sich dies mit der Zusicherung in §. 3. des transitorischen Gesetzes zum Bürgerwehrgesetze, wonach die Gemeinden jedenfalls bis zur Vollendung der Verfassung der Gemeinde-Ordnung in Besitz der empfangenen Waffen verbleiben sollen! Aber neben diesen klaren Ungerechtigkeiten ist es das noch weit schlimmere Mittel der List, das man in einer Weise und in einem so consequenten System anwendet, daß damit für das Land und die hohe Versammlung die höchste Gefahr herbeigeführt wird. Ich führe zunächst an, daß die Person des Königs jetzt vom Volke völlig abgeschnitten ist. Es ist keiner Deputation von den vielen großen, ja von den größten Städten des Landes bis jetzt gelungen, zu Sr. Majestät zu gelangen. Man hat sie stets damit abgewiesen, daß kein Minister in Potsdam gegenwärtig sei und aus diesem Grunde haben sich die Deputationen sämmtlich wieder entfernen müssen. Es liegt aber klar vor, daß, wenn die Minister sich hier im Kriegsministerialgebäude befinden und nicht daraus weichen, es rein unmöglich ist, daß dem Könige über den Zustand des Landes die Wahrheit gesagt werden kann. Ich führe in dieser Beziehung zweitens an, daß das Ministerium ausdrücklich gegen die Deputation der Stadtverordneten Berlins erklärt hat, es könne keine Deputation bei dem Könige zulassen, da man befürchten müsse, daß das Herz des Königs gerührt werden möchte. (Pfui! Pfui!) Das Ministerium würde es bestimmen, wann die Zeit gekommen wäre, daß Deputationen wieder zu Sr. Majestät zugelassen werden könnten. Noch weit großartiger wird diese Intrigue und List durchgeführt, in Beziehung auf die Presse. Ich sehe ganz ab von der Maaßregel der Censur, die man eingeführt hat, die schon am Sonntage bekannt wurde, und die also nichts neues wäre, um mich etwa in meinem Entschlusse wankend zu machen. Aber die neuen Vornahmen seit dieser Zeit zeigen klar, mit welcher Consequenz, mit welcher Intrigue und Feinheit man ein System fortsetzt, welches uns Hindernisse aller Art in den Weg legt.

Ich habe die glaubhafte Nachricht, daß der General Wrangel sämmtliche Redaktionen der Zeitungen, welche noch erscheinen dürfen, heute vor sich kommen ließ und ihnen sagte: es solle ihnen kein Censor bestellt werden, sie sollten ihre eigenen Censoren sein, aber unter der Bedingung, daß sie von der Nationalversammlung kein Wort aufnehmen, ebenso keine Adresse, welche für die Versammlung und gegen die Regierung sich ausspräche, daß sie dagegen allein diejenigen Adressen aufnehmen müßten, welche für die Regierung sprächen. Ich bemerke ferner, daß mir von einem Mitredakteur der Spenerschen Zeitung mitgetheilt ist, wie derselben gestern Abend von dem Ministerium des Innern drei sogenannte Inserate zur Aufnahme mitgetheilt worden sind. Ich habe nur eins davon lesen können und ist dasselbe unterschrieben: „Ein Mann von der Rechten.“ Es enthält die bekannten Invectiven gegen die hohe Versammlung. Anfangs hat die Unterschrift gelautet: „Ein wohlwollender Gast im Konzertsaale.“ Diese ist aber ausgestrichen und dafür gesetzt worden: „Ein Mann von der Rechten.“

Sie sehen auf diese Weise, mit welcher Hinterlist die Stimme des Landes verfälscht wird. Noch bemerke ich, daß Einer unserer Kollegen heut aus Krossen einen Brief bekommen hat, worin Klage geführt wird, daß seit gestern früh kein Exemplar der Vosstschen Zeitung angekommen sei. Um so mehr ist man dort darüber verwundert gewesen, als man weiß, daß die Vossische Zeitung eben nicht sehr geneigt ist, demokratische Tendenzen zu verfolgen. Wenn Sie aber die Vossische Zeitung von gestern gelesen haben, so werden Sie finden, daß allerdings darin ein großer und wichtiger Artikel enthalten ist, in welchem selbst diese Zeitung der Wahrheit getreu, sich nicht entbrechen kann, Partei für diese Versammlung zu nehmen. Es muß also auch hier vermuthet werden, daß Mittel angewendet sind, um die Verbreitung dieser weit und breit gelesenen Zeitung, die an 20,000 Exemplare in's Land schickt, mit diesem Artikel zu verhindern. Ich bemerke ferner, daß gerade die erwähnte Wrangel'sche Bekanntmachung, wonach er Allen denen mit einem Kriegsgericht droht, die den Truppen Gefahr bringen, also diese, durchaus mit den Worten des Gesetzes in Widerspruch stehende Bekanntmachung, die alleinige ist, welche nicht in dem Staatsanzeiger bis jetzt aufgenommen worden ist, und daß sie bis jetzt nur dadurch zur Kenntniß der Bevölkerung gekommen ist, daß sie am Abend des gestrigen Tages durch Trommelschlag verkündet wurde, aber mit so leiser Stimme, daß, obgleich ich mein Fenster aufmachte und Leute hinunterschickte, dennoch Niemand im Stande gewesen ist, die Bekanntmachung zu verstehen.

Es soll zwar diese Bekanntmachung auch gedruckt vertheilt worden sein, aber trotz aller Mühe bin ich nicht im Stande gewesen ein Exemplar zu lesen, und was ich Ihnen darüber so eben mitgetheilt habe, beruht auf dem Abdruck in der National-Zeitung. Es ist also diese ungesetzliche Bekanntmachung in der offiziellen

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vorgelassen. Der König ist nicht mehr frei, von einer verbrecherischen Schaar bewacht, die ihm die Erhebung des ganzen Landes geflissentlich verbirgt, um Thron und Vaterland ihren hochverrätherischen Plänen zum Opfer zu bringen. Der Sitzungssaal, die Bureaus der National-Versammlung sind zu Wachtstuben geworden, unser Archiv, die wichtigsten Dokumente, darunter 12,000 Petitionen aus allen Theilen des Landes, werden von den Soldaten, den verblendeten Söhnen des Vaterlandes, umhergeworfen; man hat die Herausgabe dieser Papiere unserm Präsidenten wiederholt verweigert. Was sind diesen Menschen die Wünsche, die Rechte und Freiheiten von 16 Millionen Preußen! Und wie man Eure Petitionen mit Füßen tritt, so dringt man mit Bajonetten in die Berathungen Eurer Vertreter, bricht ohne Scheu die vom Könige selbst publizirten Gesetze über den Schutz der persönlichen Freiheit, das Hausrecht, und verhängt Belagerungszustand und Standrecht, wo die geheiligten Personen der Abgeordneten tagen. Ein Treubruch, so scheußlich und offenbar, wie ihn die deutsche Geschichte nicht kennt!</p>
          <p>Lügen, Verdrehungen aller Art, gehen in amtlichen Erlassen in das Land, die Zeitungen werden gezwungen, ihnen ihre Spalten zu öffnen, während man die Stimme der Wahrheit in der Presse mit drohender Gewalt erstickt. Aber es hat ihnen nicht geholfen! Die National-Versammlung harrt muthig aus, und die Plätze der Deputirten, welche pflichtwidrig und feig ihren Posten verlassen haben, füllen sich von Tag zu Tag, indem die Stellvertreter von selbst herbeieilen, um an der Ehre und an der Gefahr dieser Tage Theil zu nehmen. Wenn die über uns verhängte rohe Gewalt auch eine kostbare Zeit von Tagen und Wochen raubt, welche bei unsern dringenden Arbeiten zum Wohl des Volks hätte verwendet werden können, so hat man uns doch nicht abzuhalten vermocht, den Kampf gegen die brutale Gewalt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu führen.</p>
          <p>Die National-Versammlung hat die Minister als Hochverräther dem Staatsanwalt überwiesen und denselben die Verwendung der Staatsgelder und die Erhebung der Steuern durch einstimmigen Beschluß vom 15. November untersagt.</p>
          <p>So haben wir das letzte parlamentarische Mittel erschöpft.</p>
          <p> <hi rendition="#b">An dem Volke ist es, unsere Beschlüsse auszuführen.</hi> </p>
          <p>Berlin, den 18. November 1848.</p>
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          <head>Berlin.</head>
          <p><hi rendition="#g">Bericht der Kommission der preußischen National-Versammlung über die Steuerverweigerung,</hi> vorgetragen in der Sitzung vom 15. November 1848.</p>
          <p>Die hohe Nationalversammlung hat in ihrer Sitzung vom 11. Novbr. beschlossen den Antrag, <hi rendition="#et">daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung von Staatsgeldern noch zur Erhebung der Steuern berechtigt ist,</hi> in die aus den unterzeichneten Mitgliedern bestehende Kommission zur schleunigen Berichterstattung zu verweisen. Nachdem die Kommission in ihrer Majorität den Antrag abgelehnt, und darüber in der Sitzung vom 13. Nov. mündlich Bericht erstattet hatte, hat die hohe Versammlung die Beschlußnahme bis dahin vertagt, bis der schriftliche Bericht vorliege. Einstweilen haben die Antragsteller ihren Antrag für jetzt indificirt und lautet danach derselbe, so wie über ihn gegenwärtig Bericht erstattet wird, dahin:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;daß kein Ministerium berechtigt sei, Steuern zu erheben, bis dieser Beschluß wieder von der Nationalversammlung aufgehoben ist.&#x201C;</p>
          <p>Auch die Kommission hat bei den erneuten und fortgesetzten Gewaltmaßregeln des Ministeriums gegen die Freiheit des Volks und das Recht der Nationalversammlung einen veränderten Beschluß gefaßt und nachstehend zu begründen geglaubt.</p>
          <p>Die Kommission hat sich zuerst die Frage der Competenz der hohen Versammlung zu solchem Beschlusse vorgelegt und diese aus folgenden Gründen bejaht.</p>
          <p>In der Verordnung vom 6. April d. J., über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung heißt es §. 6 wörtlich:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;den künftigen Vertretern des Volks soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen, so wie zur Festsetzung des Staatshaushalts-Etats und das Steuerbewilligungsrecht zustehen.&#x201C;</p>
          <p>Unzweifelhaft ist hier unter den &#x201E;künftigen Vertretern des Volks&#x201C; schon die gegenwärtige Nationalversammlung zu verstehen. Dies geht nicht blos aus dem übrigen Inhalt des Gesetzes hervor, dessen anderweitige Bestimmungen, obgleich in einem Gesetz: &#x201E;über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung&#x201C; ausgesprochen, doch ebenfalls sämmtlich, seit ihrem Erlaß, gesetzliche Anwendung gefunden haben; dies geht ferner nicht blos daraus hervor, daß die dem Propositionsdekret vom 4. April über Beschaffung außerordentlicher Geldmittel die gegenwärtige Nationalversammlung ausdrücklich als die &#x201E;nächst zusammenkommende Volksvertretung&#x201C; namentlich und wiederholt bezeichnet wird; sondern dies ergibt sich auch aus der Erklärung des damaligen Ministers, Grafen Schwerin, bei Berathung dieser Gesetzesstelle, in der Sitzung des letzten Vereinigten Landtags vom 4. April, wo derselbe zur Vertheidigung dieser Bestimmung wörtlich sagt:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Es kam darauf an, einige wesentliche Momente der konstitutionellen Verfassung bereits jetzt in das Bereich der Gesetzlichkeit zu bringen.&#x201C;</p>
          <p>Die Bestimmung des §. 13 des Wahlgesetzes vom 8. April d. J., nach welcher die gegenwärtige Nationalversammlung berufen ist, auch die seitherigen reichsständischen Befugnisse, namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staatsanleihen für die Dauer ihrer Versammlung interimistisch auszuüben, widerspricht dieser Auffassung nicht, da in diesen &#x201E;reichsständischen Befugnissen&#x201C; noch andere Rechte, als die in dem §. 6 der Verordnung vom 6. April bezeichneten, enthalten sind; aus den Berathungen des Vereinigten Landtags über die zuletzt angezogene Bestimmung, in der Sitzung vom 4. April aber klar hervorgeht, daß es die Absicht des Vereinigten Landtags war, daß der künftigen Volksvertretung noch andere, als in dem §. 6 des angezogenen Gesetzes bezeichnete, nämlich die mit dem Steuerbewilligungsrecht in Verbindurg stehenden Rechte der Kontrolle u. s. w. zustehen müßten.</p>
          <p>Indessen, abgesehen von diesen legalen Bestimmungen, welche ausdrücklich der gegenwärtigen Nationalversammlung die Competenz der Steuerbewilligung zuwenden, geht dieselbe aus der Natur ihrer Stellung zum Lande und zur Krone hervor. Eine Nationalversammlung, die schon nach ihrem legalen Mandat Mitträgerin der Souveränität ist, vereinigt bei dem vom Könige bereits in der Antwort an die Deputation der rheinischen Städte vom 21. März ausgesprochen, dann wiederholt und endlich noch in der Proklamation vom 17. Nov. anerkannten Prinzip der Verantwortlichkeit der Minister, schon ihrer rechtlichen Natur nach das Steuerbewilligungsrecht unter die ihr übrigens zustehenden Befugnisse.</p>
          <p>Wenn somit im Allgemeinen das Steuerbewilligungs- und also Steuerverweigerungsrecht nach Ansicht der Majorität erwiesener Maßen der Nationalversammlung zusteht, so könnte nur noch darüber ein Zweifel erhoben werden, ob dieselbe befugt ist, dies Recht augenblicklich für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahres auszuuben. Daß dies vom 1. Januar 1849 ab geschehen könne, hat die Staatsregierung selbst implicite in der Erklärung des Finanzministers v. Bonin in der Sitzung der Nationalversammlung anerkannt. Allein, daß es auch schon für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahrs rechtlich geschehen könne, geht nach Ansicht der Majorität einfach daraus hervor, daß diese Steuern noch gar nicht bis zum Schluß dieses Jahres bewilligt sind, sondern die Nationalversammlung die Steuerhebung bisher nur hat faktisch geschehen lassen. Ihr steht also jedenfalls das Recht der Inhibition zu. Ist somit die Competenz der Nationalversammlung zu einem solchen Beschlusse begründet, so ist derselbe schon dadurch, daß er gefaßt wird, formell gerechtfertigt. Seine innere Rechtfertigung liegt in den ungesetzlichen hochverrätherischen Schritten des Ministeriums, auf welche hier noch weiter zurück zu kommen, nach der von der hohen Versammlung beschlossenen Denkschrift, unnöthig erscheint.</p>
          <p>Dennoch, wenn auch vom Standpunkt des Rechts der vorliegende Beschluß unzweifelhaft erscheint, könnte die Frage aufgeworfen werden, ob er nicht aus höhern politischen Gründen unzweckmäßig sei. Die Kommission ist den bereits in dieser Beziehung stattgehabten Diskussionen der Nationalversammlung gefolgt, hat sich aber in ihrer Majorität von der behaupteten Unzweckmäßigkeit eines solchen Beschlusses nicht überzeugen können. Alle in konstitutionellen Verfassungen lebenden Völker sehen in dem Rechte ihrer Abgeordneten, die Steuern zu bewilligen, resp. zu verweigern, den Schlußstein solcher Verfassungen, das letzte friedliche Mittel, einer ungesetzlichen Ausübung der von der Krone ausgehenden Gewalt einen passiven Widerstand entgegenzusetzen. Es wird von solchen Völkern für ihr letztes, höchstes und heiligstes Verfassungsrecht gehalten. Dies Recht würde aber in der That gar keinen Sinn haben, wenn es nicht unter angemessenen Umständen auch ausgeübt werden könnte und sollte. Es kommt also lediglich auf die Beurtheilung der Umstände an, ob die Ausübung dieses wichtigen Rechts in der Zweckmäßigkeit liegt. Da scheinen nun in der That die Umstände des gegenwärtigen Augenblicks der Art zu sein, daß sie kaum anders gedacht werden können, um die Zweckmäßigkeit des vorliegenden Beschlusses zu rechtfertigen. Ein Ministerium, das fast einstimmig von der Nationalversammlung des Hochverrachs schuldig erachtet ist, weicht nicht von seinem Platz, sondern bereitet den Bürgerkrieg, um sich darauf zu behaupten, um die fort erhobenen Steuern zur Unterhaltung des Bürgerkrieges zu verwenden. Dies scheint wesentlich zu genügen, um die Zweckmäßigkeit des Beschlusses zu rechtfertigen. Daß bisher in keinem konstitutionellen Staate, seitdem das Steuerbewilligungs- resp. Verweigerungsrecht als ein unzweifelhaftes Verfassungswerk anerkannt ist, davon Gebrauch gemacht worden, liegt einfach daran, daß es bisher auch in keinem konstitutionellen Staat so inkonstitutionelle Minister gegeben hat, die nicht sofort vor dem ausgesprochenen Mißtrauen der Volksvertretung von ihrem Platze gewichen wären, sondern den Bürgerkrieg provocirt hätten, um sich zu erhalten. &#x2014; Auch der Einwurf, daß mit der Steuerverweigerung die Anarchie in's Land getragen werde und es schwer sein würde, später das Volk wieder zur Steuerzahlung zu bewegen, scheint unhaltbar. Die Anarchie ist bereits von dem Ministerium Brandenburg in's Land geworfen und soll gerade durch ein gesetzliches Mittel bekämpft werden: auch scheint schon darin ein Widerspruch zu liegen, daß ein in allen Verfassungen anerkanntes gesetzliches Mittel, bei seiner Anwendung unter angemessenen Umständen, überhaupt die Anarchie sollte hervorrufen können. Vielmehr liegt darin, daß unter so furchtbaren Umständen, als gegenwärtig über das preußische Volk verhängt sind, seine Vertreter nur zu diesem gesetzlichen Mittel schreiten, die Bürgschaft, daß der gesetzliche Sinn des Volks bereits so erstarkt ist, daß es willig zur Steuerzahlung zurückkehren wird, wenn jene drohende Umstände beseitigt sind.</p>
          <p>Aus diesen Gründen schlägt die zur Begutachtung des vorliegenden Antrages niedergesetzte Kommission der hohen Versammlung vor:</p>
          <p rendition="#et">Denselben in seiner veränderten Fassung sofort zum Beschluß erheben zu wollen.</p>
          <p>Berlin, den 14. November 1848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Die Kommission</hi>.</p>
          <p>Hierauf sprach der Abgeordnete Kirchmann, als Berichterstatter der Kommission, folgendes:</p>
          <p>Ich erlaube mir als Berichterstatter noch einige Worte mündlich hinzuzufügen. Einmal, weil es nach dem Reglement im Allgemeinen zulässig ist, daß der Berichterstatter seine persönliche Meinung ausspricht, und dann bitte ich in diesem besondern Falle um so mehr darum, als allerdings durch die Veränderung meiner Ansicht die Majorität der Kommission sich geändert hat, und es mir billig scheint, daß Sie mir einige Worte erlauben, um meine veränderte Abstimmung von dem Vorwurfe der Inkonsequenz zu reinigen. Ich habe in der Nachtsitzung am vergangenen Sonntage, wo die Frage zuerst in der hohen Versammlung zur Sprache kam, und der Bericht zunächst verlangt wurde, den Bericht mündlich erstattet, und damals wie heut ist anerkannt worden, daß die Rechtsfrage entschieden zu bejahen ist. Ich habe damals blos die Zweckmäßigkeit der Maßregel bestritten, und zwar weil die Folgen des Beschlusses nicht das gegenwärtige Ministerium träfen, sondern andere Personen, weil die Versagung der Steuern Anarchie in das Land bringen würde, und weil mir die bis dahin angewandten Mittel hinreichend erschienen, den Sturz deä Ministeriums herbeizuführen. Ich behaupte nun, daß von diesen Gründen der letztere sich geändert hat. Die außerordentlichen Umstände, die in diesen letzten drei Tagen eingetreten sind, sind meines Erachtens der Art, daß sie eine Veränderung der Meinung vollständig rechtfertigen. Was die Zweckmäßigkeit der Steuerverweigerung betrifft, so bin ich jetzt der Ansicht, daß die Handlungen und Maßregeln der Regierung zu einem solchem Extrem von Gewalt, List und Ungerechtigkeit vorgeschritten sind, daß wir mit einem solchen Netz von Gewalt und Hinterlist umstrickt sind, daß uns in diesem Augenblick nichts übrig bleibt, als zu diesem äußersten Mittel zu greifen, selbst für den Fall, daß wir die Anarchie in das Land werfen sollten.</p>
          <p>Das Ministerium hat seit Sonntag eine noch weit größere Militär-Macht entwickelt. Damals waren nur 12 Bataillone und etwa 100 Kanonen in die Stadt gerückt. Seitdem aber haben sich die Lücken, welche dadurch in der Truppenbesetzung der Umgegend der Stadt entstanden waren, von Neuem gefullt und das Heer, welches sich jetzt in und um Berlin befindet, beläuft sich gewiß, ohne Uebertreibung, auf 40 bis 50,000 Mann. Die Macht, welche die Freiheit der Versammlung bedroht, ist gegenwärtig eine weit furchtbarere. Es kommt hinzu, daß der Belagerungszustand, der Anfangs blos über Berlin verhängt worden war, nach uns zugekommenen Nachrichten, nun auch uber Potsdam ausgesprochen sein soll. Jedenfalls sehen die Maßregeln, welche man dort getroffen hat, einem Belagerungszustande vollkommen ähnlich. Dabei sind die nach Berlin führenden Eisenbahnen überall mit Truppen besetzt und Berlin völlig cernirt. Die Macht gegen uns ist also ungeheuer vermehrt worden. Ebenso haben sich auch die Ungerechtigkeiten außerordentlich gesteigert. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die wichtige Bekanntmachung, die Ihnen theilweise bekannt sein dürfte, obgleich sie in keinem amtlichen Blatte bis jetzt gestanden, sondern nur Abends bei Trommelschlag ausgerufen worden ist. Es ist dies eine Bekanntmachung des General Wrangel, dahin lautend:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;daß Alle, welche in Berlin oder in dessen in Belagerungszustand gesetzten Umgebungen, durch eine verratherische Handlung den Truppen Gefahr oder Nachtheil bereiten, auf Grund der Vorschrift des §. 18. Th. II. des Militärstrafgesetzbuches vom 3. April 1845 sofort vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollen.&#x201C;</p>
          <p>Diese Bekanntmachung ist eine durchaus ungesetzliche Maaßregel, selbst dann, wenn der Belagerungszustand an sich begründet ware; denn der Gesetzes-Artikel, der darin erwähnt worden, und auf welchen sich die Verordnung stützt, lautet wesentlich anders. Er lautet nämlich dahin, daß in Kriegszeiten Militärgerichte angeordnet werden dürfen, durch eine von dem König oder vom Feldherrn in dessen Namen erlassene Bekanntmachung, und daß diesen Gerichten alle Unterthanen des preußischen Staates unterworfen werden können, die auf dem Kriegsschauplatz durch verrätherische Handlungen den Truppen Gefahr und Nachtheil bringen. Es ist klar, daß es ein wesentlicher Unterschied ist zwischen Kriegszeit und einem Kriegsschauplatz und zwischen den über unsere friedliche Stadt verhängten Belagerungszustand! Es liegt also in dieser Bekanntmachung die höchste Gefahr für unsere Versammlung und zugleich die größte Ungerechtigkeit gegen sie. Es liegt klar vor, daß auf Grund solcher schwankenden und weitgreifenden Bestimmungen Alles das für verrätherische Handlungen, welche den Truppen Gefahr bringen können, angesehen werden kann, was nur einigermaßen von der hohen Versammlung zur Vertheidigung ihrer Rechte vorgenommen und beschlossen wird und daß die Mitglieder der hohen Versammlung sich durch jedes Mittel, welches zu diesem Zwecke angewendet wird, der Gefahr aussetzten, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Dies ist zunächst das Große und Neue, was in dieser Beziehung seit Sonntag eingetreten ist.</p>
          <p>Eine andere Ungerechtigkeit liegt in der Verhaftung des Abgeordneten Schramm (Striegau.) Er ist, wie ihnen bekannt geworden, am Montag Nachmittag verhaftet worden, und zwar, wie er mir persönlich versichert, lediglich deßhalb, weil er eine Bekanntmachung des demokratischen Clubs in der Hand gehabt, während in der Nähe ein Militärkommando sich befand. Dem Offizier, welcher nach dem Inhalt der Druckschrift fragte, überreichte der Abgeordnete Schramm dieselbe und als jener die Unterschrift des demokratischen Clubs darunter gefunden, giebt ihm das Veranlassung zur Verhaftung. Der Abgeordnete hat bis heute Nachmittag in Verhaft sich befunden, obgleich seine Eigenschaft als Abgeordneter gleich bei seiner Festhaltung constatirt worden ist. Das Criminalgericht, welches auf Veranlassung des Herrn Präsidenten die Sache sogleich vorgenommen, hat beschlossen, daß auch nicht der mindeste Grund eines Verbrechens vorhanden sei, wodurch die Verhaftung gerechtfertigt werde und unser Mitglied sogleich auf freien Fuß gesetzt. Endlich gehört noch zu den Ungerechtigkeiten die Abnahme der Waffen, welche man heut zu vollziehen begonnen hat. Ich bemerke, daß schon in der Nacht von 3 Uhr ab die Oeffnung der Häuser durch Klopfen gefordert wurde und die Eigenthümer die gedruckten Bekanntmachungen entgegen zu nehmen hatten, denen zufolge von 9 Uhr ab Wagen auf den Straßen erscheinen sollten, um die abgenommenen Waffen darauf zu laden, und daß bei nicht genügender Abgabe die Soldaten in die Häuser dringen würden, um mit größerem Nachdruck dem Befehle Erfolg zu verschaffen. Wie vereinigt sich dies mit der Zusicherung in §. 3. des transitorischen Gesetzes zum Bürgerwehrgesetze, wonach die Gemeinden jedenfalls bis zur Vollendung der Verfassung der Gemeinde-Ordnung in Besitz der empfangenen Waffen verbleiben sollen! Aber neben diesen klaren Ungerechtigkeiten ist es das noch weit schlimmere Mittel der List, das man in einer Weise und in einem so consequenten System anwendet, daß damit für das Land und die hohe Versammlung die höchste Gefahr herbeigeführt wird. Ich führe zunächst an, daß die Person des Königs jetzt vom Volke völlig abgeschnitten ist. Es ist keiner Deputation von den vielen großen, ja von den größten Städten des Landes bis jetzt gelungen, zu Sr. Majestät zu gelangen. Man hat sie stets damit abgewiesen, daß kein Minister in Potsdam gegenwärtig sei und aus diesem Grunde haben sich die Deputationen sämmtlich wieder entfernen müssen. Es liegt aber klar vor, daß, wenn die Minister sich hier im Kriegsministerialgebäude befinden und nicht daraus weichen, es rein unmöglich ist, daß dem Könige über den Zustand des Landes die Wahrheit gesagt werden kann. Ich führe in dieser Beziehung zweitens an, daß das Ministerium ausdrücklich gegen die Deputation der Stadtverordneten Berlins erklärt hat, es könne keine Deputation bei dem Könige zulassen, da man befürchten müsse, daß das Herz des Königs gerührt werden möchte. (Pfui! Pfui!) Das Ministerium würde es bestimmen, wann die Zeit gekommen wäre, daß Deputationen wieder zu Sr. Majestät zugelassen werden könnten. Noch weit großartiger wird diese Intrigue und List durchgeführt, in Beziehung auf die Presse. Ich sehe ganz ab von der Maaßregel der Censur, die man eingeführt hat, die schon am Sonntage bekannt wurde, und die also nichts neues wäre, um mich etwa in meinem Entschlusse wankend zu machen. Aber die neuen Vornahmen seit dieser Zeit zeigen klar, mit welcher Consequenz, mit welcher Intrigue und Feinheit man ein System fortsetzt, welches uns Hindernisse aller Art in den Weg legt.</p>
          <p>Ich habe die glaubhafte Nachricht, daß der General Wrangel sämmtliche Redaktionen der Zeitungen, welche noch erscheinen dürfen, heute vor sich kommen ließ und ihnen sagte: es solle ihnen kein Censor bestellt werden, sie sollten ihre eigenen Censoren sein, aber unter der Bedingung, daß sie von der Nationalversammlung kein Wort aufnehmen, ebenso keine Adresse, welche für die Versammlung und gegen die Regierung sich ausspräche, daß sie dagegen allein diejenigen Adressen aufnehmen müßten, welche für die Regierung sprächen. Ich bemerke ferner, daß mir von einem Mitredakteur der Spenerschen Zeitung mitgetheilt ist, wie derselben gestern Abend von dem Ministerium des Innern drei sogenannte Inserate zur Aufnahme mitgetheilt worden sind. Ich habe nur eins davon lesen können und ist dasselbe unterschrieben: &#x201E;Ein Mann von der Rechten.&#x201C; Es enthält die bekannten Invectiven gegen die hohe Versammlung. Anfangs hat die Unterschrift gelautet: &#x201E;Ein wohlwollender Gast im Konzertsaale.&#x201C; Diese ist aber ausgestrichen und dafür gesetzt worden: &#x201E;Ein Mann von der Rechten.&#x201C;</p>
          <p>Sie sehen auf diese Weise, mit welcher Hinterlist die Stimme des Landes verfälscht wird. Noch bemerke ich, daß Einer unserer Kollegen heut aus Krossen einen Brief bekommen hat, worin Klage geführt wird, daß seit gestern früh kein Exemplar der Vosstschen Zeitung angekommen sei. Um so mehr ist man dort darüber verwundert gewesen, als man weiß, daß die Vossische Zeitung eben nicht sehr geneigt ist, demokratische Tendenzen zu verfolgen. Wenn Sie aber die Vossische Zeitung von gestern gelesen haben, so werden Sie finden, daß allerdings darin ein großer und wichtiger Artikel enthalten ist, in welchem selbst diese Zeitung der Wahrheit getreu, sich nicht entbrechen kann, Partei für diese Versammlung zu nehmen. Es muß also auch hier vermuthet werden, daß Mittel angewendet sind, um die Verbreitung dieser weit und breit gelesenen Zeitung, die an 20,000 Exemplare in's Land schickt, mit diesem Artikel zu verhindern. Ich bemerke ferner, daß gerade die erwähnte <hi rendition="#g">Wrangel</hi>'sche Bekanntmachung, wonach er Allen denen mit einem Kriegsgericht droht, die den Truppen Gefahr bringen, also diese, durchaus mit den Worten des Gesetzes in Widerspruch stehende Bekanntmachung, die alleinige ist, welche nicht in dem Staatsanzeiger bis jetzt aufgenommen worden ist, und daß sie bis jetzt nur dadurch zur Kenntniß der Bevölkerung gekommen ist, daß sie am Abend des gestrigen Tages durch Trommelschlag verkündet wurde, aber mit so leiser Stimme, daß, obgleich ich mein Fenster aufmachte und Leute hinunterschickte, dennoch Niemand im Stande gewesen ist, die Bekanntmachung zu verstehen.</p>
          <p>Es soll zwar diese Bekanntmachung auch gedruckt vertheilt worden sein, aber trotz aller Mühe bin ich nicht im Stande gewesen ein Exemplar zu lesen, und was ich Ihnen darüber so eben mitgetheilt habe, beruht auf dem Abdruck in der National-Zeitung. Es ist also diese ungesetzliche Bekanntmachung in der offiziellen
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[0778/0002] vorgelassen. Der König ist nicht mehr frei, von einer verbrecherischen Schaar bewacht, die ihm die Erhebung des ganzen Landes geflissentlich verbirgt, um Thron und Vaterland ihren hochverrätherischen Plänen zum Opfer zu bringen. Der Sitzungssaal, die Bureaus der National-Versammlung sind zu Wachtstuben geworden, unser Archiv, die wichtigsten Dokumente, darunter 12,000 Petitionen aus allen Theilen des Landes, werden von den Soldaten, den verblendeten Söhnen des Vaterlandes, umhergeworfen; man hat die Herausgabe dieser Papiere unserm Präsidenten wiederholt verweigert. Was sind diesen Menschen die Wünsche, die Rechte und Freiheiten von 16 Millionen Preußen! Und wie man Eure Petitionen mit Füßen tritt, so dringt man mit Bajonetten in die Berathungen Eurer Vertreter, bricht ohne Scheu die vom Könige selbst publizirten Gesetze über den Schutz der persönlichen Freiheit, das Hausrecht, und verhängt Belagerungszustand und Standrecht, wo die geheiligten Personen der Abgeordneten tagen. Ein Treubruch, so scheußlich und offenbar, wie ihn die deutsche Geschichte nicht kennt! Lügen, Verdrehungen aller Art, gehen in amtlichen Erlassen in das Land, die Zeitungen werden gezwungen, ihnen ihre Spalten zu öffnen, während man die Stimme der Wahrheit in der Presse mit drohender Gewalt erstickt. Aber es hat ihnen nicht geholfen! Die National-Versammlung harrt muthig aus, und die Plätze der Deputirten, welche pflichtwidrig und feig ihren Posten verlassen haben, füllen sich von Tag zu Tag, indem die Stellvertreter von selbst herbeieilen, um an der Ehre und an der Gefahr dieser Tage Theil zu nehmen. Wenn die über uns verhängte rohe Gewalt auch eine kostbare Zeit von Tagen und Wochen raubt, welche bei unsern dringenden Arbeiten zum Wohl des Volks hätte verwendet werden können, so hat man uns doch nicht abzuhalten vermocht, den Kampf gegen die brutale Gewalt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu führen. Die National-Versammlung hat die Minister als Hochverräther dem Staatsanwalt überwiesen und denselben die Verwendung der Staatsgelder und die Erhebung der Steuern durch einstimmigen Beschluß vom 15. November untersagt. So haben wir das letzte parlamentarische Mittel erschöpft. An dem Volke ist es, unsere Beschlüsse auszuführen. Berlin, den 18. November 1848. Berlin. Bericht der Kommission der preußischen National-Versammlung über die Steuerverweigerung, vorgetragen in der Sitzung vom 15. November 1848. Die hohe Nationalversammlung hat in ihrer Sitzung vom 11. Novbr. beschlossen den Antrag, daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung von Staatsgeldern noch zur Erhebung der Steuern berechtigt ist, in die aus den unterzeichneten Mitgliedern bestehende Kommission zur schleunigen Berichterstattung zu verweisen. Nachdem die Kommission in ihrer Majorität den Antrag abgelehnt, und darüber in der Sitzung vom 13. Nov. mündlich Bericht erstattet hatte, hat die hohe Versammlung die Beschlußnahme bis dahin vertagt, bis der schriftliche Bericht vorliege. Einstweilen haben die Antragsteller ihren Antrag für jetzt indificirt und lautet danach derselbe, so wie über ihn gegenwärtig Bericht erstattet wird, dahin: „daß kein Ministerium berechtigt sei, Steuern zu erheben, bis dieser Beschluß wieder von der Nationalversammlung aufgehoben ist.“ Auch die Kommission hat bei den erneuten und fortgesetzten Gewaltmaßregeln des Ministeriums gegen die Freiheit des Volks und das Recht der Nationalversammlung einen veränderten Beschluß gefaßt und nachstehend zu begründen geglaubt. Die Kommission hat sich zuerst die Frage der Competenz der hohen Versammlung zu solchem Beschlusse vorgelegt und diese aus folgenden Gründen bejaht. In der Verordnung vom 6. April d. J., über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung heißt es §. 6 wörtlich: „den künftigen Vertretern des Volks soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen, so wie zur Festsetzung des Staatshaushalts-Etats und das Steuerbewilligungsrecht zustehen.“ Unzweifelhaft ist hier unter den „künftigen Vertretern des Volks“ schon die gegenwärtige Nationalversammlung zu verstehen. Dies geht nicht blos aus dem übrigen Inhalt des Gesetzes hervor, dessen anderweitige Bestimmungen, obgleich in einem Gesetz: „über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung“ ausgesprochen, doch ebenfalls sämmtlich, seit ihrem Erlaß, gesetzliche Anwendung gefunden haben; dies geht ferner nicht blos daraus hervor, daß die dem Propositionsdekret vom 4. April über Beschaffung außerordentlicher Geldmittel die gegenwärtige Nationalversammlung ausdrücklich als die „nächst zusammenkommende Volksvertretung“ namentlich und wiederholt bezeichnet wird; sondern dies ergibt sich auch aus der Erklärung des damaligen Ministers, Grafen Schwerin, bei Berathung dieser Gesetzesstelle, in der Sitzung des letzten Vereinigten Landtags vom 4. April, wo derselbe zur Vertheidigung dieser Bestimmung wörtlich sagt: „Es kam darauf an, einige wesentliche Momente der konstitutionellen Verfassung bereits jetzt in das Bereich der Gesetzlichkeit zu bringen.“ Die Bestimmung des §. 13 des Wahlgesetzes vom 8. April d. J., nach welcher die gegenwärtige Nationalversammlung berufen ist, auch die seitherigen reichsständischen Befugnisse, namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staatsanleihen für die Dauer ihrer Versammlung interimistisch auszuüben, widerspricht dieser Auffassung nicht, da in diesen „reichsständischen Befugnissen“ noch andere Rechte, als die in dem §. 6 der Verordnung vom 6. April bezeichneten, enthalten sind; aus den Berathungen des Vereinigten Landtags über die zuletzt angezogene Bestimmung, in der Sitzung vom 4. April aber klar hervorgeht, daß es die Absicht des Vereinigten Landtags war, daß der künftigen Volksvertretung noch andere, als in dem §. 6 des angezogenen Gesetzes bezeichnete, nämlich die mit dem Steuerbewilligungsrecht in Verbindurg stehenden Rechte der Kontrolle u. s. w. zustehen müßten. Indessen, abgesehen von diesen legalen Bestimmungen, welche ausdrücklich der gegenwärtigen Nationalversammlung die Competenz der Steuerbewilligung zuwenden, geht dieselbe aus der Natur ihrer Stellung zum Lande und zur Krone hervor. Eine Nationalversammlung, die schon nach ihrem legalen Mandat Mitträgerin der Souveränität ist, vereinigt bei dem vom Könige bereits in der Antwort an die Deputation der rheinischen Städte vom 21. März ausgesprochen, dann wiederholt und endlich noch in der Proklamation vom 17. Nov. anerkannten Prinzip der Verantwortlichkeit der Minister, schon ihrer rechtlichen Natur nach das Steuerbewilligungsrecht unter die ihr übrigens zustehenden Befugnisse. Wenn somit im Allgemeinen das Steuerbewilligungs- und also Steuerverweigerungsrecht nach Ansicht der Majorität erwiesener Maßen der Nationalversammlung zusteht, so könnte nur noch darüber ein Zweifel erhoben werden, ob dieselbe befugt ist, dies Recht augenblicklich für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahres auszuuben. Daß dies vom 1. Januar 1849 ab geschehen könne, hat die Staatsregierung selbst implicite in der Erklärung des Finanzministers v. Bonin in der Sitzung der Nationalversammlung anerkannt. Allein, daß es auch schon für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahrs rechtlich geschehen könne, geht nach Ansicht der Majorität einfach daraus hervor, daß diese Steuern noch gar nicht bis zum Schluß dieses Jahres bewilligt sind, sondern die Nationalversammlung die Steuerhebung bisher nur hat faktisch geschehen lassen. Ihr steht also jedenfalls das Recht der Inhibition zu. Ist somit die Competenz der Nationalversammlung zu einem solchen Beschlusse begründet, so ist derselbe schon dadurch, daß er gefaßt wird, formell gerechtfertigt. Seine innere Rechtfertigung liegt in den ungesetzlichen hochverrätherischen Schritten des Ministeriums, auf welche hier noch weiter zurück zu kommen, nach der von der hohen Versammlung beschlossenen Denkschrift, unnöthig erscheint. Dennoch, wenn auch vom Standpunkt des Rechts der vorliegende Beschluß unzweifelhaft erscheint, könnte die Frage aufgeworfen werden, ob er nicht aus höhern politischen Gründen unzweckmäßig sei. Die Kommission ist den bereits in dieser Beziehung stattgehabten Diskussionen der Nationalversammlung gefolgt, hat sich aber in ihrer Majorität von der behaupteten Unzweckmäßigkeit eines solchen Beschlusses nicht überzeugen können. Alle in konstitutionellen Verfassungen lebenden Völker sehen in dem Rechte ihrer Abgeordneten, die Steuern zu bewilligen, resp. zu verweigern, den Schlußstein solcher Verfassungen, das letzte friedliche Mittel, einer ungesetzlichen Ausübung der von der Krone ausgehenden Gewalt einen passiven Widerstand entgegenzusetzen. Es wird von solchen Völkern für ihr letztes, höchstes und heiligstes Verfassungsrecht gehalten. Dies Recht würde aber in der That gar keinen Sinn haben, wenn es nicht unter angemessenen Umständen auch ausgeübt werden könnte und sollte. Es kommt also lediglich auf die Beurtheilung der Umstände an, ob die Ausübung dieses wichtigen Rechts in der Zweckmäßigkeit liegt. Da scheinen nun in der That die Umstände des gegenwärtigen Augenblicks der Art zu sein, daß sie kaum anders gedacht werden können, um die Zweckmäßigkeit des vorliegenden Beschlusses zu rechtfertigen. Ein Ministerium, das fast einstimmig von der Nationalversammlung des Hochverrachs schuldig erachtet ist, weicht nicht von seinem Platz, sondern bereitet den Bürgerkrieg, um sich darauf zu behaupten, um die fort erhobenen Steuern zur Unterhaltung des Bürgerkrieges zu verwenden. Dies scheint wesentlich zu genügen, um die Zweckmäßigkeit des Beschlusses zu rechtfertigen. Daß bisher in keinem konstitutionellen Staate, seitdem das Steuerbewilligungs- resp. Verweigerungsrecht als ein unzweifelhaftes Verfassungswerk anerkannt ist, davon Gebrauch gemacht worden, liegt einfach daran, daß es bisher auch in keinem konstitutionellen Staat so inkonstitutionelle Minister gegeben hat, die nicht sofort vor dem ausgesprochenen Mißtrauen der Volksvertretung von ihrem Platze gewichen wären, sondern den Bürgerkrieg provocirt hätten, um sich zu erhalten. — Auch der Einwurf, daß mit der Steuerverweigerung die Anarchie in's Land getragen werde und es schwer sein würde, später das Volk wieder zur Steuerzahlung zu bewegen, scheint unhaltbar. Die Anarchie ist bereits von dem Ministerium Brandenburg in's Land geworfen und soll gerade durch ein gesetzliches Mittel bekämpft werden: auch scheint schon darin ein Widerspruch zu liegen, daß ein in allen Verfassungen anerkanntes gesetzliches Mittel, bei seiner Anwendung unter angemessenen Umständen, überhaupt die Anarchie sollte hervorrufen können. Vielmehr liegt darin, daß unter so furchtbaren Umständen, als gegenwärtig über das preußische Volk verhängt sind, seine Vertreter nur zu diesem gesetzlichen Mittel schreiten, die Bürgschaft, daß der gesetzliche Sinn des Volks bereits so erstarkt ist, daß es willig zur Steuerzahlung zurückkehren wird, wenn jene drohende Umstände beseitigt sind. Aus diesen Gründen schlägt die zur Begutachtung des vorliegenden Antrages niedergesetzte Kommission der hohen Versammlung vor: Denselben in seiner veränderten Fassung sofort zum Beschluß erheben zu wollen. Berlin, den 14. November 1848. Die Kommission. Hierauf sprach der Abgeordnete Kirchmann, als Berichterstatter der Kommission, folgendes: Ich erlaube mir als Berichterstatter noch einige Worte mündlich hinzuzufügen. Einmal, weil es nach dem Reglement im Allgemeinen zulässig ist, daß der Berichterstatter seine persönliche Meinung ausspricht, und dann bitte ich in diesem besondern Falle um so mehr darum, als allerdings durch die Veränderung meiner Ansicht die Majorität der Kommission sich geändert hat, und es mir billig scheint, daß Sie mir einige Worte erlauben, um meine veränderte Abstimmung von dem Vorwurfe der Inkonsequenz zu reinigen. Ich habe in der Nachtsitzung am vergangenen Sonntage, wo die Frage zuerst in der hohen Versammlung zur Sprache kam, und der Bericht zunächst verlangt wurde, den Bericht mündlich erstattet, und damals wie heut ist anerkannt worden, daß die Rechtsfrage entschieden zu bejahen ist. Ich habe damals blos die Zweckmäßigkeit der Maßregel bestritten, und zwar weil die Folgen des Beschlusses nicht das gegenwärtige Ministerium träfen, sondern andere Personen, weil die Versagung der Steuern Anarchie in das Land bringen würde, und weil mir die bis dahin angewandten Mittel hinreichend erschienen, den Sturz deä Ministeriums herbeizuführen. Ich behaupte nun, daß von diesen Gründen der letztere sich geändert hat. Die außerordentlichen Umstände, die in diesen letzten drei Tagen eingetreten sind, sind meines Erachtens der Art, daß sie eine Veränderung der Meinung vollständig rechtfertigen. Was die Zweckmäßigkeit der Steuerverweigerung betrifft, so bin ich jetzt der Ansicht, daß die Handlungen und Maßregeln der Regierung zu einem solchem Extrem von Gewalt, List und Ungerechtigkeit vorgeschritten sind, daß wir mit einem solchen Netz von Gewalt und Hinterlist umstrickt sind, daß uns in diesem Augenblick nichts übrig bleibt, als zu diesem äußersten Mittel zu greifen, selbst für den Fall, daß wir die Anarchie in das Land werfen sollten. Das Ministerium hat seit Sonntag eine noch weit größere Militär-Macht entwickelt. Damals waren nur 12 Bataillone und etwa 100 Kanonen in die Stadt gerückt. Seitdem aber haben sich die Lücken, welche dadurch in der Truppenbesetzung der Umgegend der Stadt entstanden waren, von Neuem gefullt und das Heer, welches sich jetzt in und um Berlin befindet, beläuft sich gewiß, ohne Uebertreibung, auf 40 bis 50,000 Mann. Die Macht, welche die Freiheit der Versammlung bedroht, ist gegenwärtig eine weit furchtbarere. Es kommt hinzu, daß der Belagerungszustand, der Anfangs blos über Berlin verhängt worden war, nach uns zugekommenen Nachrichten, nun auch uber Potsdam ausgesprochen sein soll. Jedenfalls sehen die Maßregeln, welche man dort getroffen hat, einem Belagerungszustande vollkommen ähnlich. Dabei sind die nach Berlin führenden Eisenbahnen überall mit Truppen besetzt und Berlin völlig cernirt. Die Macht gegen uns ist also ungeheuer vermehrt worden. Ebenso haben sich auch die Ungerechtigkeiten außerordentlich gesteigert. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die wichtige Bekanntmachung, die Ihnen theilweise bekannt sein dürfte, obgleich sie in keinem amtlichen Blatte bis jetzt gestanden, sondern nur Abends bei Trommelschlag ausgerufen worden ist. Es ist dies eine Bekanntmachung des General Wrangel, dahin lautend: „daß Alle, welche in Berlin oder in dessen in Belagerungszustand gesetzten Umgebungen, durch eine verratherische Handlung den Truppen Gefahr oder Nachtheil bereiten, auf Grund der Vorschrift des §. 18. Th. II. des Militärstrafgesetzbuches vom 3. April 1845 sofort vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollen.“ Diese Bekanntmachung ist eine durchaus ungesetzliche Maaßregel, selbst dann, wenn der Belagerungszustand an sich begründet ware; denn der Gesetzes-Artikel, der darin erwähnt worden, und auf welchen sich die Verordnung stützt, lautet wesentlich anders. Er lautet nämlich dahin, daß in Kriegszeiten Militärgerichte angeordnet werden dürfen, durch eine von dem König oder vom Feldherrn in dessen Namen erlassene Bekanntmachung, und daß diesen Gerichten alle Unterthanen des preußischen Staates unterworfen werden können, die auf dem Kriegsschauplatz durch verrätherische Handlungen den Truppen Gefahr und Nachtheil bringen. Es ist klar, daß es ein wesentlicher Unterschied ist zwischen Kriegszeit und einem Kriegsschauplatz und zwischen den über unsere friedliche Stadt verhängten Belagerungszustand! Es liegt also in dieser Bekanntmachung die höchste Gefahr für unsere Versammlung und zugleich die größte Ungerechtigkeit gegen sie. Es liegt klar vor, daß auf Grund solcher schwankenden und weitgreifenden Bestimmungen Alles das für verrätherische Handlungen, welche den Truppen Gefahr bringen können, angesehen werden kann, was nur einigermaßen von der hohen Versammlung zur Vertheidigung ihrer Rechte vorgenommen und beschlossen wird und daß die Mitglieder der hohen Versammlung sich durch jedes Mittel, welches zu diesem Zwecke angewendet wird, der Gefahr aussetzten, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Dies ist zunächst das Große und Neue, was in dieser Beziehung seit Sonntag eingetreten ist. Eine andere Ungerechtigkeit liegt in der Verhaftung des Abgeordneten Schramm (Striegau.) Er ist, wie ihnen bekannt geworden, am Montag Nachmittag verhaftet worden, und zwar, wie er mir persönlich versichert, lediglich deßhalb, weil er eine Bekanntmachung des demokratischen Clubs in der Hand gehabt, während in der Nähe ein Militärkommando sich befand. Dem Offizier, welcher nach dem Inhalt der Druckschrift fragte, überreichte der Abgeordnete Schramm dieselbe und als jener die Unterschrift des demokratischen Clubs darunter gefunden, giebt ihm das Veranlassung zur Verhaftung. Der Abgeordnete hat bis heute Nachmittag in Verhaft sich befunden, obgleich seine Eigenschaft als Abgeordneter gleich bei seiner Festhaltung constatirt worden ist. Das Criminalgericht, welches auf Veranlassung des Herrn Präsidenten die Sache sogleich vorgenommen, hat beschlossen, daß auch nicht der mindeste Grund eines Verbrechens vorhanden sei, wodurch die Verhaftung gerechtfertigt werde und unser Mitglied sogleich auf freien Fuß gesetzt. Endlich gehört noch zu den Ungerechtigkeiten die Abnahme der Waffen, welche man heut zu vollziehen begonnen hat. Ich bemerke, daß schon in der Nacht von 3 Uhr ab die Oeffnung der Häuser durch Klopfen gefordert wurde und die Eigenthümer die gedruckten Bekanntmachungen entgegen zu nehmen hatten, denen zufolge von 9 Uhr ab Wagen auf den Straßen erscheinen sollten, um die abgenommenen Waffen darauf zu laden, und daß bei nicht genügender Abgabe die Soldaten in die Häuser dringen würden, um mit größerem Nachdruck dem Befehle Erfolg zu verschaffen. Wie vereinigt sich dies mit der Zusicherung in §. 3. des transitorischen Gesetzes zum Bürgerwehrgesetze, wonach die Gemeinden jedenfalls bis zur Vollendung der Verfassung der Gemeinde-Ordnung in Besitz der empfangenen Waffen verbleiben sollen! Aber neben diesen klaren Ungerechtigkeiten ist es das noch weit schlimmere Mittel der List, das man in einer Weise und in einem so consequenten System anwendet, daß damit für das Land und die hohe Versammlung die höchste Gefahr herbeigeführt wird. Ich führe zunächst an, daß die Person des Königs jetzt vom Volke völlig abgeschnitten ist. Es ist keiner Deputation von den vielen großen, ja von den größten Städten des Landes bis jetzt gelungen, zu Sr. Majestät zu gelangen. Man hat sie stets damit abgewiesen, daß kein Minister in Potsdam gegenwärtig sei und aus diesem Grunde haben sich die Deputationen sämmtlich wieder entfernen müssen. Es liegt aber klar vor, daß, wenn die Minister sich hier im Kriegsministerialgebäude befinden und nicht daraus weichen, es rein unmöglich ist, daß dem Könige über den Zustand des Landes die Wahrheit gesagt werden kann. Ich führe in dieser Beziehung zweitens an, daß das Ministerium ausdrücklich gegen die Deputation der Stadtverordneten Berlins erklärt hat, es könne keine Deputation bei dem Könige zulassen, da man befürchten müsse, daß das Herz des Königs gerührt werden möchte. (Pfui! Pfui!) Das Ministerium würde es bestimmen, wann die Zeit gekommen wäre, daß Deputationen wieder zu Sr. Majestät zugelassen werden könnten. Noch weit großartiger wird diese Intrigue und List durchgeführt, in Beziehung auf die Presse. Ich sehe ganz ab von der Maaßregel der Censur, die man eingeführt hat, die schon am Sonntage bekannt wurde, und die also nichts neues wäre, um mich etwa in meinem Entschlusse wankend zu machen. Aber die neuen Vornahmen seit dieser Zeit zeigen klar, mit welcher Consequenz, mit welcher Intrigue und Feinheit man ein System fortsetzt, welches uns Hindernisse aller Art in den Weg legt. Ich habe die glaubhafte Nachricht, daß der General Wrangel sämmtliche Redaktionen der Zeitungen, welche noch erscheinen dürfen, heute vor sich kommen ließ und ihnen sagte: es solle ihnen kein Censor bestellt werden, sie sollten ihre eigenen Censoren sein, aber unter der Bedingung, daß sie von der Nationalversammlung kein Wort aufnehmen, ebenso keine Adresse, welche für die Versammlung und gegen die Regierung sich ausspräche, daß sie dagegen allein diejenigen Adressen aufnehmen müßten, welche für die Regierung sprächen. Ich bemerke ferner, daß mir von einem Mitredakteur der Spenerschen Zeitung mitgetheilt ist, wie derselben gestern Abend von dem Ministerium des Innern drei sogenannte Inserate zur Aufnahme mitgetheilt worden sind. Ich habe nur eins davon lesen können und ist dasselbe unterschrieben: „Ein Mann von der Rechten.“ Es enthält die bekannten Invectiven gegen die hohe Versammlung. Anfangs hat die Unterschrift gelautet: „Ein wohlwollender Gast im Konzertsaale.“ Diese ist aber ausgestrichen und dafür gesetzt worden: „Ein Mann von der Rechten.“ Sie sehen auf diese Weise, mit welcher Hinterlist die Stimme des Landes verfälscht wird. Noch bemerke ich, daß Einer unserer Kollegen heut aus Krossen einen Brief bekommen hat, worin Klage geführt wird, daß seit gestern früh kein Exemplar der Vosstschen Zeitung angekommen sei. Um so mehr ist man dort darüber verwundert gewesen, als man weiß, daß die Vossische Zeitung eben nicht sehr geneigt ist, demokratische Tendenzen zu verfolgen. Wenn Sie aber die Vossische Zeitung von gestern gelesen haben, so werden Sie finden, daß allerdings darin ein großer und wichtiger Artikel enthalten ist, in welchem selbst diese Zeitung der Wahrheit getreu, sich nicht entbrechen kann, Partei für diese Versammlung zu nehmen. Es muß also auch hier vermuthet werden, daß Mittel angewendet sind, um die Verbreitung dieser weit und breit gelesenen Zeitung, die an 20,000 Exemplare in's Land schickt, mit diesem Artikel zu verhindern. Ich bemerke ferner, daß gerade die erwähnte Wrangel'sche Bekanntmachung, wonach er Allen denen mit einem Kriegsgericht droht, die den Truppen Gefahr bringen, also diese, durchaus mit den Worten des Gesetzes in Widerspruch stehende Bekanntmachung, die alleinige ist, welche nicht in dem Staatsanzeiger bis jetzt aufgenommen worden ist, und daß sie bis jetzt nur dadurch zur Kenntniß der Bevölkerung gekommen ist, daß sie am Abend des gestrigen Tages durch Trommelschlag verkündet wurde, aber mit so leiser Stimme, daß, obgleich ich mein Fenster aufmachte und Leute hinunterschickte, dennoch Niemand im Stande gewesen ist, die Bekanntmachung zu verstehen. Es soll zwar diese Bekanntmachung auch gedruckt vertheilt worden sein, aber trotz aller Mühe bin ich nicht im Stande gewesen ein Exemplar zu lesen, und was ich Ihnen darüber so eben mitgetheilt habe, beruht auf dem Abdruck in der National-Zeitung. Es ist also diese ungesetzliche Bekanntmachung in der offiziellen

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 148. Köln, 21. November 1848. Zweite Ausgabe, S. 0778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz148ii_1848/2>, abgerufen am 27.04.2024.