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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 153. Köln, 26. November 1848.

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zu verhüten, daß es der Versammlung nie in den Sinn gekommen ist, diese Bewachung durchaus und unter allen Umständen wegfallen zu lassen, daß sie dies noch am 2. November durch einen ausdrücklichen Beschluß erklärt hat, daß von einigen Mitgliedern ein Gesetz zum Schutze der Versammlung eingebracht worden, und diesem die Priorität bereits eingeräumt war. Hier in Berlin besteht unter Wenigen ein Zweifel darüber, wie jene Excesse der Reaktion nur einen willkommenen Vorwand boten, um mit den längst vorbereiteten Gewaltstreichen vorzugehen. Dies zeigte sich sehr deutlich, als der vollkommensten Ruhe ungeachtet doch der Belagerungszustand erklärt wurde -- ein Kriegszustand ohne Feind -- als exceptionelle Gerichte gegen die nicht einmal suspendirte Habeas-Corpus-Akte eingeführt wurden, wiewohl nicht der leiseste Exceß vorgefallen war!

Herr Bassermann begreift nicht das Mißtrauen gegen das Ministerium. Wen hat er denn gesprochen über dessen Gründe? Von den in der National-Versammlung anwesenden Mitgliedern der Deputation an Sr. Majestät Niemanden. Wahrlich, die Thaten dieses Ministerii rechtfertigen das Mißtrauen zur Genüge -- und wenn Herr Bassermann nur den Armeebefehl des Herrn Grafen Brandenburg und eine Rede Binke's gegen Manteuffel als Motive anzugeben weiß, so beweist dies blos die vollendete Seichtheit dieses Forschers.

Höchst unkonstitutionell mischt Herr Bassermann noch die Person des Königs in diese Angelegenheit, des Königs, den die unverantwortlich handelnden verantwortlichen Rathgeber nicht nur über den Zustand der Hauptstadt täuschen, sondern dem sie die tausendfach ertönende Stimme des Landes geflissentlich entziehen.

Der Gesandte kommt nun auf seine Vermittelungsversuche. Alle seine Mittheilungen hierüber sind unwahr. Nie haben die "Zurückgebliebenen", wie dieser Herr die preußische Nationalversammlung zu nennen beliebt, Bedingungen gestellt. Niemand ist von ihnen in dieser Hinsicht beauftragt; die Nationalversammlung übt das Recht des Volks, indem sie die Befugniß der Krone, eine konstituirende Versammlung zu verlegen, zu vertagen und aufzulösen bestreitet, indem sie einem hochverrätherischen Ministerium entgegentritt. Sie weicht keinen Fußbreit von diesem Wege, weiter ist sie nicht gegangen. Was Herr Bassermann anführt, bezieht sich auf Mittheilungen des Herrn Kirchmann, die nicht ihm, sondern einem Dritten in seiner Gegenwart geschehen sind, und die er ganz unrichtig referirt. Dieser Vermitteler mit der Nationalversammlung spricht -- selbst mit Unruh, dem Präsidenten der Nationalversammlung. Den Inhalt dieses Gesprächs theilt er nicht mit. Herr Bassermann wollte nicht Unruh's Ansichten hören, sondern die seinigen ihm eröffnen, deren Conclusion dahin ging, daß die Versammlung nach Brandenburg gehen müsse. Der Präsident zeigte die Unausführbarkeit dieses Raths, der bei keiner Partei Anklang finden werde. Es kam aber Hrn. Bassermann gar nicht darauf an, sich zu unterrichten; er verlangte gar keine Auskunft, er wollte nur seine eigenen Vorschläge an den Mann bringen, und beeilte sich zu gehen, als er diesen Zweck erreicht hatte. Er führte auch das Gespräch ausdrücklich als Privatmann.

Wo ist denn da von einem Antrage auf Vermittelung die Rede, wo von einem Hohn, der ihn zurückgewiesen?

Aber ein Hohn freilich ist es, wenn der Herr Reichskommissar eine Versammlung, die entschlossen, aber voll Mäßigung, ihr gutes Recht mit seltener Einmüthigkeit verfocht, durch elende Phrasen von Convent, von Republik, von Zurückbleiben der Centren, um von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, anzutasten sich herausnimmt. Wer einer würdigen Erscheinung gegenüber so klein, so undeutsch ist, das Gift der Verdächtigung auszuspritzen, der hätte das in denjenigen Zeitungen thun sollen, wohin es gehört, er durfte aber nicht den Saal der deutschen Vertreter mit so boshaften Seichtigkeiten entweihen. Schlecht bestellt wäre es um ein kräftiges Volk von 16 Millionen, könnte die Stimme eines solchen Schwätzers irgend ein Gewicht in die Wagschaale seines Geschicks legen, das mit Hülfe der Vorsehung über den Gesichtskreis aller dieser Pygmäen hinausreichen wird.

Berlin, den 21. November 1848.

Arns. Brill. Waldeck. Phillips. Wachsmuth. Reuter. Jung. Schwickerath. Iwand. Scholz (Bunzlau). Rüdiger. Kuhr. Gladbach. Gräff (Trier). Taszarski. Töbe. Schornbaum. Schulz (Wanzleben). Lisiecki. Berends. Dr. Jacoby. Räntsch. Arnold (Lebus). Elsner. Stein. Reichenbach. Jung (Fraustadt). Wollheim. Laßwitz. Lentz. Bunzel. Hoyoll. Behnsch. Baltzer v. Lipski. Schuck. Nees v. Esenbeck. H. Müller. Messerich. Krackrügge. Schramm (Striegau) Becker. Kaul. Krüger. D'Ester. Körfgen. Esser. Peters. Siebert. Anwandter. Dehnell. Beeck. Dr. Kneip. Zenker. Specht. Junker. Bazynski. Skiba. Friedrich (Neustadt). Bissers. Moldenhauer. Mros. Voigt. Hofferichter. Grebel. Raffauf. Beck. Kabus. Haußmann. Eichner. Krause (Sagan). Temme. Nickel. Otto (Trier). Schmidt (Landshut). Herhold. Borchardt. Treiber. Keiffenheim. Guitienne. Schell Plath. Quandt.

* Berlin, 22. November.

Der unwahre Bericht, welchen der Reichskommissar Hr. Bassermann zu Frankfurt a. M. über die hiesigen Verhältnisse und namentlich über das Verfahren der preußischen National-Versammlung abgestattet hat, ist bereits, wie der Beschluß des preußischen Ausschusses beweist, von den bedauerlichsten Folgen gewesen. Wir theilen einige Stellen aus zwei Briefen mit, aus denen sich zur Genüge ergeben wird, mit welchen Mitteln man die öffentliche Meinung irre zu leiten sucht. Ein Abg. zu Frankfurt schreibt unterm 18. November: "Am Tage Deiner Abreise langte Rappard hier an und brachte ausführliche Berichte über Berlin, welche uns in Westenhall bestimmten, am andern Tage durch Rappard den bekannten dringenden Antrag einzubringen. Die Versammlung gestattete die Begründung der Dringlichkeit nicht, setzte den Antrag jedoch auf die nächste Tagesordnung, also ohne Berichterstattung. Abends in den Fraktionen ging Alles Anfangs vortrefflich; Mainluft, Augsburger, Würtemberger Hof und die sämmtlichen Linken erklärten sich für den Antrag. Da langt spät Abends Bassermann an, sendet sofort seine Unterstaatssekretäre und andere Commilitonen in die Fraktionen der Rechten und des Centrums mit der Nachricht, jede Vermittelung mit der preußischen Landesversammlung sei unmöglich, denn es sei ihm von Unruh und Kirchmann eröffnet, die preußische Versammlung wolle sich nur unter folgenden Bedingungen mit der Krone verständigen: 1) Entlassung des Ministeriums; 2) Zurückziehung des Militärs; 3) Zurücknahme der Entwaffnung und der Auflösung der Bürgerwehr; 4) Zurücknahme des Befehls über Vertagung und Verlegung; 5) Schriftlicher Revers des Königs, sich auf drei Monate allen Beschlüssen der Landesversammlung zu unterwerfen; 6) Verbannung aller Prinzen aus Preußen. -- Die letztere Bedingung rief eine solche Entrüstung bei den Fraktionen der Mainluft und des Augsburger Hofes hervor, daß sie mit Casino und dem steinernen Hause zur Tagesordnung überzugehen beschlossen, jedoch auf Antrag Einiger im Augsburger Hofe sich wenigstens dazu untereinander verständigten, vorläufig den Rappard'schen Antrag an einen Ausschuß zu verweisen. Alles dies erfuhren wir erst gestern früh in der Sitzung. Schmerling kündigte Bassermann's Rückkehr an und erbat sich für ihn, sobald er in's Haus käme, das Wort. Rappard begründete seinen Antrag -- da kommt Bassermann, besteigt die Tribüne, schildert seine Reise, die preußische Nationalversammlung herabsetzend, König und Ministerium bis in den Himmel erhebend; in Berlin sei nur Anarchie gewesen und noch jetzt, die Maßregeln der Krone seien höchst weise, das Land in seiner Majorität sei mit denselben einverstanden, der zurückgebliebene Theil der Nationalversammlung sei im Unrecht, und unser (Frankfurter) Beschluß vom 14. d M. unrichtig, er könne ihn nicht ausführen und habe dem Reichsverweser seine Entlassung angeboten Sodann sagt er in Betreff der oben erwähnten Bedingungen dasselbe, wie ich angegeben, jedoch mit Hinweglassung der Namen Einig Parteiführer, mit denen er unterhandelt, hätten ihm dies als den Willen der Nationalversammlung mitgetheilt! Du kannst Dir denken, welcher Lärm auf der Rechten und im Centrum! Venedey verlangt, Bassermann solle die Namen nennen. Wird verweigert! Demnächst wird der Antrag auf Verweisung an den Ausschuß gestellt und geht mit 263 gegen 178 Stimmen durch. Bemerken will ich noch, daß ich noch vor der Abstimmung Gagern einen Antrag übergab, die Nationalversammlung wolle Bassermann veranlassen, sofort zu erklären, ob jene angeblichen Bedingungen ihm als offizielle mitgetheilt seien. Gagern verweigerte die Verlesung Folge deren waren mehrere Proteste, einer mit 172 Unterschriften. Viele Mitglieder verwahren sich gegen jede Verzögerung und erklären, daß sie, da die Protokolle der preußischen Nationalversammlung von jenen Bedingungen nichts enthielten, die Behauptung Bassermann's, es seien die Bedingungen der Nationalversammlung, für unwahr hielten.

Morgen soll der Ausschußbericht kommen. Gar keine Hoffnung! (Sehr wahr prophezeit!) Drei Mitglieder der ausgeschiedenen Berliner Rechten hier, namentlich Reichensberger, arbeiten mit im Ausschuß, von welchem übrigens auch Rappard vernommen wurde.

Der zweite Brief, ebenfalls an einen Abgeordneten zu Frankfurt geschrieben, lautet folgendermaßen:

Frankfurt a. M., 20. November. "Präsumtiv letzte Sitzung des deutschen Parlaments. Die ersten Stunden werden durch Interpellationen, Antworten Berichte ausgefüllt. Von Allem nur das Eine: Herr Peukert versichert mit großer Bestimmtheit, daß Wrangel nicht Reichsgeneral sei und von reichswegen keinen Befehl habe, für die Krone Preußen einzuschreiten. Man erwartet einen Bericht des Biedermanner Ausschusses über den Konflikt in Preußen. Derselbe ist jedoch noch nicht fertig. Es wird deshalb zum Art.VII. der Reichsverfassung übergegangen; bevor es aber zum Abstimmen kommt, erscheint der ersehnte Bericht. Hr. Jordan aus Berlin erstattet ihn.

Er geht davon aus, daß die Berliner Versammlung offenbar unter dem Terrorismus von Außen gestanden habe, weil die Anfangs kleine Linke nach und nach zur Majorität angewachsen sei. Das Ministerium habe voraussehen müssen, daß in einer solchen Versammlung keine Zustimmung zu Maßregeln für Sicherung der Freiheit und Würde der Berathungen verlangt werden könne. Es sei deshalb nichts als die Verlegung übrig geblieben, "das mildeste Mittel" (!). Die Berliner Versammlung habe zuerst den gesetzlichen Boden verlassen durch ihren "Protest" gegen das Ministerium Brandenburg, und seitdem "wahrhaft unerhörte Schritte," wie die Steuerverweigerung, gethan. Unruh und Kirchmann hätten als Bedingungen einer Vermittelung folgende aufgestellt: Rückkehr des Königs nach Berlin, Aenderung seiner Umgebung, Landesverweisung der Prinzen, ein Ministerium Jakoby oder Waldeck, charte blanche fur dies Ministerium bis zur Vollendung der Verfassung, Ruckzug des Militärs aus Berlin, Verhaftung und Hochverrathsprozeß gegen Wrangel und die Minister. Aus solchen Thatsachen erwachse organisch ganz von selbst der Antrag: Die Reichsversammlung in Verfolgung ihrer Beschlüsse vom 14. d. M. und in Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Ereignisse, fordert die Centralgewalt auf, durch die in Berlin anwesenden Reichskommissarien hinzuwirken[unleserliches Material] auf Ernennung eines Ministeriums, welches das Vertrauen des Landes besitzt; sie erklärt den auf Suspension der Steuererhebung gerichteten, offenbar gesetzwidrigen, die Staatsgesellschaft gefährdenden Beschluß der in Berlin zurückgebliebenen Versammlung ausdrücklich für null und nichtig; sie erklärt endlich, daß sie die dem preußischen Volke gewährten und verheißenen Rechte und Freiheiten gegen jeden Versuch einer Beeinträchtigung schützen werde. Im Ausschusse sind nur Gisker und Werner aus Koblenz diesem Berichte nicht beigetreten, und haben sich nur mit dem ersten Satze des Antrages einverstanden erklärt. Den Herrn Heym und Schwarz aus Halle geht der Ansschußantrag noch nicht weit genug. Alle Beschlüsse der Berliner Versammlung seit der Vertagung, insbesondere die über Steuerverweigerung, und die, welche die Minister für Hochverräther erklären, sollen null und nichtig sein! -- Vor der eigentlichen Berathung wird durch Rappard die Aufklärung gegeben, daß das Thatsächliche des Ausschußberichts fast ausschließlich auf der Angabe des aus Berlin davongelaufenen Deputirten Reichensperger beruhe. -- Resultat der Abstimmung: ein entschiedener Antrag der Linken fällt durch. Der erste Satz des Ausschusses wird fast einstimmig, der zweite mit 276 gegen 150 Stimmen angenommen. Hiernach stellt sich der dritte Satz als leere Phrase dar. Die Linke stimmt deshalb nicht mit. Schlaf wohl, deutsches Parlament!"

Diese Mittheilungen werden hinreichend sein, um darzuthun, wie in Frankfurt Beschlüsse zu Stande kommen. Hinsichtlich der Entstellungen und Unwahrheiten im Berichte des Herrn Bassermann verweisen wir auf die Erklärungen der Mitglieder der preußischen National-Versammlung.

X Berlin, 22. Nov.

Der 9. November hat uns mit vielen andern Herrlichkeiten des alten Regiments auch die gute alte Presse wiedergebracht. Mit Manteuffel und Ladenberg sind die andern Geschöpfe der Bodelschwingschen-Eichhornschen Herrschaft zurückgekehrt und wie die Eulen beim Anbruch der Nacht, so schwirren jetzt die Heinrich Leo, die Florencourt, die Huber mit krächzendem Geschrei wieder umher. Das Berichtigungsbureau ist in vollem Zuge. Der Staatsanzeiger enthält räsonnirende Artikel und in den Erlassen, welche die Unterschrift des "Staatsministeriums" tragen, wird die Sprache des Rheinischen Beobachters und des Tippelskircher Volksblattes zur offiziellen Sprache erhoben.

Wenn wir uns auf diese schriftstellerischen Versuche einlassen, welche die Schmach der jetzigen Regierung unvertilgbar der Nachwelt überliefern, so geschieht dies nur, weil die Berliner Presse, von roher Gewalt gefesselt, sich nicht einmal so weit regen darf, um zu den leichten Streichen auszuholen, die einen solchen Gegner, wie die Regierungspresse ist, niederzustrecken ausreichen, weil wir patriotisch genug sind, um selbst solche Angriffe abzuwehrrn, gegen die auch nur die Feder anzusetzen im gewöhnlichen Laufe der Dinge schwach und furchtsam erscheint.

Wir müssen eilen, die Fluth von "wohlmeinenden" Verdrehungen, von "ehrerbietigen" Verdächtigungen, von "anständigen" Perfidien nicht zu hoch anschwellen zu lassen.

In der kön. Ordonnanz vom 8. Nov. heißt es:

1) "es ist der Versuch gemacht worden, die Abgeordneten einzuschüchtern",

2) "solche Ereignisse beweisen nur zu deutlich, daß die Versammlung der eigenen Freiheit entbehrt",

3) "sie beweisen, daß die Mitglieder dieser Versammlung in Berlin nicht denjenigen Schutz finden, welcher erforderlich ist, um ihre Berathungen vor dem Scheine der Einschüchterung zu bewahren."

Dieses erste Produkt der Feder Brandenburgs (?) ist sehr schlecht ausgefallen. Daß der Versuch einer Einschüchterung die wirkliche Unfreiheit beweist, ist mehr ein kühner, als ein logischer Schluß; daß nach der bestimmten Behauptung: die Versammlung entbehrt der Freiheit, die bescheidene Wendung von der Bewahrung vor dem Scheine der Einschüchterung folgt, ist mindestens sehr ungeschickt; daß man die Berathungen der Versammlung sogar vor dem Scheine der Einschüchterung bewahren will, ist eine mehr als zärtliche Fürsorge; daß endlich diese Berathungen wirklich auch nur den Schein der Einschüchterung tragen, ist eine offenbare Unwahrheit für den, der weiß, wie die Menge vom 31. Oktbr. fanatisirt war für den Waldeckschen Antrag und wie dennoch weder die Mitglieder der Rechten und der Centren sich haben abhalten lassen, diesen Waldeckschen Antrag zu verwerfen, noch die der äußersten Linken den Rodbertus'schen Antrag anzunehmen, nach dem der ihrige verworfen war.

Weiter: "Die Erfüllung des Wunsches, daß dem Lande sobald als möglich eine konstitutionelle (!) Verfassung gewährt werde, kann unter solchen Umständen nicht erfolgen", -- gerade in der letzten Zeit, wo doch nach ministeriellem Dafürhalten die Anarchie in Berlin ihre höchste Höhe erreicht hatte, waren die Verfassungsarbeiten in vollem Gange, die vorbereitenden Berathungen in den Abtheilungen beinahe beendigt, wöchentlich drei volle Sitzungen für die Verfassung angesetzt.

Ferner: Die Erfüllung jenes Wunsches "darf von den Maßregeln nicht abhängig gemacht werden, welche geeignet sind, in gesetzlichem Wege die Ordnung und Ruhe in der Hauptstadt wieder herbeizuführen" -- es ist in der That nicht abzusehen, wo die verfassunggebende Versammlung besser und sicherer hätte berathen sollen, als an einem Orte, an dem die Ordnung und Ruhe auf gesetzlichem Wege gehandhabt wird, als in einer Stadt, der das Ministerium seinen Liebling Wrangel mit den treuen Hütern des Gesetzes zum Schutzpatron gibt -- wenn nicht etwa schon in diesem Passus die versteckte Andeutung von der Desavouirung der Wrangelschen ungesetzlichen Anarchie enthalten ist, zu der die Regierung sich in den letzten Tagen mit sehr saurer Miene öffentlich bequemen mußte.

In der Proklamation des Königs vom 11. Nov. sagen die Minister, die Versammlung sei bis zum 27. vertagt, "damit diese Maßregel (die Verlegung nach Brandenburg nämlich) ausgeführt werden könne" -- in wiefern dieses Motiv mit den oben angegebenen Gründen für die Vertagung übereinstimmt, mögen unsere Leser selbst beurtheilen; ob eine achtzehntägige Vertagung für die Uebersiedelung nach Brandenburg nöthig war, ist außerordentlich zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß am 20. November die ersten Schritte gethan sind, den Sitzungssaal der Nat.-Vers. auszuräumen.

In der Ordonnanz, welche die Auflösung der Bürgerwehr befiehlt, ist, worauf wir natürlich nicht näher eingehen können, als Grund angeführt, daß die Bürgerwehr die Nat.-Vers. in ihren Schutz genommen habe -- zwei Tage darauf veröffentlicht der Polizeipräsident von Bardeleben im Auftrage des Ministers des Innern eine Bekanntmachung, worin außer diesem, die Auflösung "vorzugsweise veranlassenden Grunde" auch der angeführt wird, daß "bei etwa eintretender bewaffneter und massenhafter Auflehnung gegen Gesetz und Ordnung, die zum Schutze der Rechte der Krone in der getreuesten Absicht herbeieilenden Bürgerwehrmänner in ihrer bürgerlichen Kleidung von den Militär-Kommandos auch beim besten Willen nicht immer von einer aufrührerischen Menge unterschieden und daher im Falle des Waffengebrauchs leicht von einem beklagenswerthen unverschuldeten Unglück mit betroffen werden könnten." -- Es bedarf wohl nur dieser Zusammenstellung, um das böse Gewissen wie die unendliche politische Taktlosigkeit des Ministeriums in das klarste Licht zu stellen.

Wir können, wie sich von selbst versteht, die Erklärung Berlins in Belagerungszustand, bei der mit dem einen wunderbaren Satze "die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen", Recht und Gesetz der Willkühr eines Kavallerie-Generals mit ähnlicher Berechtigung überlassen wird, wie Napoleon die Absetzung des Hauses Bourbon dekretirte, wir können die politischen Exercitien Wrangels, seine Versuche in der Gesetzgebung, seine Ansichten über die Pflichten der Censoren, die er aller Wahrscheinlichkeit nach, noch im Amte glaubte -- wir können alle diese Thatsachen, an deren Lächerlichkeit unsere sittliche Entrüstung fast scheitert, hier nicht näher berücksichtigen, wir überlassen sie getrost dem Urtheile des Landes und der Gerichte.

Eine schwierigere, widerwärtigere Aufgabe steht uns bevor; wir wenden uns zu den Raisonnements des Staatsanzeigers und bitten unsere Leser, uns bei dieser herkulischen Arbeit mit ihrer Geduld und Aufmerksamkeit zu unterstützen.

In dem Staatsanzeiger vom 15. Nov. heißt es: "Die Krone glaubte bei der Verlegung und Vertagung der Nat.-Vers. im Interesse der Versammlung, im Sinne des Landes und in ihrem eigenen guten Rechte zu handeln." -- Die Krone hat "das Interesse der Versammlung" nicht anders zu wahren, als es der Versammlung in ihrem eigenen Interesse gut scheint; sie hat "im Interesse der Versammlung" eben so wenig den Präsidenten einzusetzen, die Tagesordnung zu bestimmen, Zeit und Stunde für Anfang und Schluß der Sitzungen anzuordnen, ohne den Willen der Versammlung darüber einzuholen, als sie "im Interesse der Versammlung" die Versammlung verlegen und vertagen kann.

Die Krone glaubte im Sinne des Landes zu handeln -- die Nat.-Vers. ist das Land; der Willen der Majorität der Nat.-Vers. ist der Willen des Landes. Wenn in dem selben Artikel gleich darauf sehr naiv gesagt wird "eine (!) Mehrheit der Versammlung erkannte dies nicht an," so liegt wirklich eine eigenthümliche Kühnheit darin, dieser Majorität gegenüber noch ferner zu behaupten, daß die Krone demunerachtet im Sinne des Landes handle. Dann freilich bleibt nichts übrig, als daß die Krone an das Land appellirt -- sie hat es gethan und das Land hat geantwortet, deutlich genug -- nur für die Minister nicht; dann freilich muß die Krone wieder, wie sie es 1847 gethan hat, appelliren an jenes Volk, das nicht existirt, appelliren, bis das Volk einem zweiten achtzehnten März das Urtheil spricht.

Die Krone glaubte in ihrem guten Rechte zu handeln -- die Krone hat kein gutes Recht, das ihr die Versammlung nicht zugesteht; mit der Volksvertretung hat sich die Krone über ihre eigenen Rechte zu vereinbaren, zu verständigen, wie Pfuel sagte: "hier in dieser Frage hat die Krone auch nicht die leiseste Andeutung von dem Wunsche einer Vereinbarung, einer Verständigung gegeben; sie hat befohlen, einseitig, eigenmächtig, absolutistisch und jedem Schein von Konstitutionalismus zuwider; das Ministerium ist unverständig, ist gottvergessen genug gewesen, die Verantwortlichkeit für diesen Akt der Contrerevolution zu übernehmen.

Eine -- dies "Eine" ist zu merkwürdig! -- Eine Mehrheit der Versammlung "konstituirte sich selbstständig," "die ihre Berathungen fortsetzende Fraktion (so heißt es kurz nacheinander) konstituirte sich gleichsam als Convent, maßte sich Regierungsrechte an" -- Jedermann weiß, daß das Unwahrheiten sind.

"Es blieb der Regierung nichts weiter übrig, als den Belagerungszustand zu erklären, um auf diese Weise ihrer Pflicht gemäß Schutz des Eigenthums und Sicherheit der Person wahrzunehmen." Der Schutz des Eigenthums, den die Regierung ihrer Pflicht gemäß ausübt, besteht bekanntlich in dem konfisziren von Zeirungen, in der Beschlagnahme von Pressen; die Gewährleistung der Sicherheit der Person Seitens der Regierung in Verletzung der Habeas-Corpus-Akte durch Wrangel'sche Soldaten.

Wir haben oben gehört, daß die Krone geglaubt haben soll, in ihrem guten Rechte zu handeln, als sie die Verlegung der Nationalversammlung anordnete -- nach einem andern Artikel (Nr. 198 des Staatsanzeigers) scheint dieses gute Recht doch auch wieder zweifelhaft, der Glaube daran schwankend geworden zu sein; es heißt da: "daß die Regierung in der lokalen Verlegung keine Prinzip-und Rechtsfrage zu ersehen vermag und zu entscheiden gewillt ist," daß der getroffene Ausweg das "Prinzip der vereinbarenden Versammlung weder berühren noch in irgend einer Weise verbirge (!)" So gewährt denn die gute Regierungspresse ihren Anhängern die Möglichkeit, bald sich auf den Rechtsboden zu stellen, und von diesem festen Punkte ihre furchtbaren Waffen zu schleudern, bald mit freundlichster Miene zu versichern, daß ja diese Frage das Rechtsprinzip gar nicht berühre, die Vereinbarungstheorie gar nichts angehe. Wir gestehen, das wir uns über diese Vielseitigkeit freuen -- die angenehme Aussicht auf eine friedliche Vermittlung eröffnet sich uns, da ja bei diesem Schaukelsystem die Möglichkeit gegeben ist, daß die Regierung plötzlich sich ganz dem Volle in die Arme wirft und erklärt, daß sie mit der Ordonnanz vom 8. Nov. überhaupt nichts habe entscheiden wollen.

Ueber einen andern Artikel (Nr. 197 des Staatsanzeigers), der von dem "heimatlosen Umherziehen der "Nationalversammlung" -- so steht es gedruckt im Staatsanzeiger! -- handelt, wollen wir kein Wort verlieren.

Es genüge, einen Satz daraus anzuführen: "denn wer diese ihre gegenwärtigen resultatlosen Umzüge wirkungsreich nennen kann, der betrügt sich selbst um die wahren Interessen seines Standpunktes, welchem er auch immer angehören möge!" -- Solchen "resultatlosen" Geschraubtheiten sind gewiß auch ohne Kommentar nicht "wirkungsreich" zu nennen.

Außer diesen billigen Spöttereien, die gewiß bei allen denen ihre tiefe Wirkung nicht verfehlen werden, welche eine große verhängnißvolle Entscheidung mit fadem Geschwätz abgemacht glauben und mit schaalen Späßen über die Schwere der Zeit sich hinwegzusetzen im Stande sind, außer den immer wiederkehrenden Phantasieen von der Herrschaft der Anarchie in- und außerhalb der Versammlung sind es namentlich drei Punkte, auf welche die Aufmerksamkeit der "nichtamtlichen", auch wohl unbesoldeten Schreiber des Staatsanzeigers sich richtet -- der Frankfurter Beschluß, die Steuerverweigerung und die Entlassung des Ministeriums.

Den Frankfurter Beschluß angehend, so verweilt der Staatsanzeiger (Nr. 197) mit sichtlicher Freude bei dem Gutachten der Majorität des Ausschusses. Wir lassen ihm diese Freude; es wäre boshaft, den preußischen Staatsanzeiger mit einem Ausschusse zu entzweien, der bekanntermaßen den sinnigen Schluß gemacht hat:"die Berliner Versammlung war unfrei, muß als unfrei betrachtet werden, also war auch der Protest gegen die Verlegung unfrei" -- diese Herren könnten Mitarbeiter am Staatsanzeiger sein.

Wie gesagt, darüber wollen wir mit dem Staatsanzeiger nicht rechten; aber wir erlauben uns , zu Ehren der Frankfurter Versammlung Einspruch dagegen zu erheben, als ob sie aus dem Antrage der Ausschuß-Majorität auch zugleich die Motive derselben zu den ihrigen gemacht habe; wir müssen ferner darauf aufmerksam machen, daß in dem Beschlusse selbst nicht von einer

Hierzu eine Beilage.

zu verhüten, daß es der Versammlung nie in den Sinn gekommen ist, diese Bewachung durchaus und unter allen Umständen wegfallen zu lassen, daß sie dies noch am 2. November durch einen ausdrücklichen Beschluß erklärt hat, daß von einigen Mitgliedern ein Gesetz zum Schutze der Versammlung eingebracht worden, und diesem die Priorität bereits eingeräumt war. Hier in Berlin besteht unter Wenigen ein Zweifel darüber, wie jene Excesse der Reaktion nur einen willkommenen Vorwand boten, um mit den längst vorbereiteten Gewaltstreichen vorzugehen. Dies zeigte sich sehr deutlich, als der vollkommensten Ruhe ungeachtet doch der Belagerungszustand erklärt wurde — ein Kriegszustand ohne Feind — als exceptionelle Gerichte gegen die nicht einmal suspendirte Habeas-Corpus-Akte eingeführt wurden, wiewohl nicht der leiseste Exceß vorgefallen war!

Herr Bassermann begreift nicht das Mißtrauen gegen das Ministerium. Wen hat er denn gesprochen über dessen Gründe? Von den in der National-Versammlung anwesenden Mitgliedern der Deputation an Sr. Majestät Niemanden. Wahrlich, die Thaten dieses Ministerii rechtfertigen das Mißtrauen zur Genüge — und wenn Herr Bassermann nur den Armeebefehl des Herrn Grafen Brandenburg und eine Rede Binke's gegen Manteuffel als Motive anzugeben weiß, so beweist dies blos die vollendete Seichtheit dieses Forschers.

Höchst unkonstitutionell mischt Herr Bassermann noch die Person des Königs in diese Angelegenheit, des Königs, den die unverantwortlich handelnden verantwortlichen Rathgeber nicht nur über den Zustand der Hauptstadt täuschen, sondern dem sie die tausendfach ertönende Stimme des Landes geflissentlich entziehen.

Der Gesandte kommt nun auf seine Vermittelungsversuche. Alle seine Mittheilungen hierüber sind unwahr. Nie haben die „Zurückgebliebenen“, wie dieser Herr die preußische Nationalversammlung zu nennen beliebt, Bedingungen gestellt. Niemand ist von ihnen in dieser Hinsicht beauftragt; die Nationalversammlung übt das Recht des Volks, indem sie die Befugniß der Krone, eine konstituirende Versammlung zu verlegen, zu vertagen und aufzulösen bestreitet, indem sie einem hochverrätherischen Ministerium entgegentritt. Sie weicht keinen Fußbreit von diesem Wege, weiter ist sie nicht gegangen. Was Herr Bassermann anführt, bezieht sich auf Mittheilungen des Herrn Kirchmann, die nicht ihm, sondern einem Dritten in seiner Gegenwart geschehen sind, und die er ganz unrichtig referirt. Dieser Vermitteler mit der Nationalversammlung spricht — selbst mit Unruh, dem Präsidenten der Nationalversammlung. Den Inhalt dieses Gesprächs theilt er nicht mit. Herr Bassermann wollte nicht Unruh's Ansichten hören, sondern die seinigen ihm eröffnen, deren Conclusion dahin ging, daß die Versammlung nach Brandenburg gehen müsse. Der Präsident zeigte die Unausführbarkeit dieses Raths, der bei keiner Partei Anklang finden werde. Es kam aber Hrn. Bassermann gar nicht darauf an, sich zu unterrichten; er verlangte gar keine Auskunft, er wollte nur seine eigenen Vorschläge an den Mann bringen, und beeilte sich zu gehen, als er diesen Zweck erreicht hatte. Er führte auch das Gespräch ausdrücklich als Privatmann.

Wo ist denn da von einem Antrage auf Vermittelung die Rede, wo von einem Hohn, der ihn zurückgewiesen?

Aber ein Hohn freilich ist es, wenn der Herr Reichskommissar eine Versammlung, die entschlossen, aber voll Mäßigung, ihr gutes Recht mit seltener Einmüthigkeit verfocht, durch elende Phrasen von Convent, von Republik, von Zurückbleiben der Centren, um von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, anzutasten sich herausnimmt. Wer einer würdigen Erscheinung gegenüber so klein, so undeutsch ist, das Gift der Verdächtigung auszuspritzen, der hätte das in denjenigen Zeitungen thun sollen, wohin es gehört, er durfte aber nicht den Saal der deutschen Vertreter mit so boshaften Seichtigkeiten entweihen. Schlecht bestellt wäre es um ein kräftiges Volk von 16 Millionen, könnte die Stimme eines solchen Schwätzers irgend ein Gewicht in die Wagschaale seines Geschicks legen, das mit Hülfe der Vorsehung über den Gesichtskreis aller dieser Pygmäen hinausreichen wird.

Berlin, den 21. November 1848.

Arns. Brill. Waldeck. Phillips. Wachsmuth. Reuter. Jung. Schwickerath. Iwand. Scholz (Bunzlau). Rüdiger. Kuhr. Gladbach. Gräff (Trier). Taszarski. Töbe. Schornbaum. Schulz (Wanzleben). Lisiecki. Berends. Dr. Jacoby. Räntsch. Arnold (Lebus). Elsner. Stein. Reichenbach. Jung (Fraustadt). Wollheim. Laßwitz. Lentz. Bunzel. Hoyoll. Behnsch. Baltzer v. Lipski. Schuck. Nees v. Esenbeck. H. Müller. Messerich. Krackrügge. Schramm (Striegau) Becker. Kaul. Krüger. D'Ester. Körfgen. Esser. Peters. Siebert. Anwandter. Dehnell. Beeck. Dr. Kneip. Zenker. Specht. Junker. Bazynski. Skiba. Friedrich (Neustadt). Bissers. Moldenhauer. Mros. Voigt. Hofferichter. Grebel. Raffauf. Beck. Kabus. Haußmann. Eichner. Krause (Sagan). Temme. Nickel. Otto (Trier). Schmidt (Landshut). Herhold. Borchardt. Treiber. Keiffenheim. Guitienne. Schell Plath. Quandt.

* Berlin, 22. November.

Der unwahre Bericht, welchen der Reichskommissar Hr. Bassermann zu Frankfurt a. M. über die hiesigen Verhältnisse und namentlich über das Verfahren der preußischen National-Versammlung abgestattet hat, ist bereits, wie der Beschluß des preußischen Ausschusses beweist, von den bedauerlichsten Folgen gewesen. Wir theilen einige Stellen aus zwei Briefen mit, aus denen sich zur Genüge ergeben wird, mit welchen Mitteln man die öffentliche Meinung irre zu leiten sucht. Ein Abg. zu Frankfurt schreibt unterm 18. November: „Am Tage Deiner Abreise langte Rappard hier an und brachte ausführliche Berichte über Berlin, welche uns in Westenhall bestimmten, am andern Tage durch Rappard den bekannten dringenden Antrag einzubringen. Die Versammlung gestattete die Begründung der Dringlichkeit nicht, setzte den Antrag jedoch auf die nächste Tagesordnung, also ohne Berichterstattung. Abends in den Fraktionen ging Alles Anfangs vortrefflich; Mainluft, Augsburger, Würtemberger Hof und die sämmtlichen Linken erklärten sich für den Antrag. Da langt spät Abends Bassermann an, sendet sofort seine Unterstaatssekretäre und andere Commilitonen in die Fraktionen der Rechten und des Centrums mit der Nachricht, jede Vermittelung mit der preußischen Landesversammlung sei unmöglich, denn es sei ihm von Unruh und Kirchmann eröffnet, die preußische Versammlung wolle sich nur unter folgenden Bedingungen mit der Krone verständigen: 1) Entlassung des Ministeriums; 2) Zurückziehung des Militärs; 3) Zurücknahme der Entwaffnung und der Auflösung der Bürgerwehr; 4) Zurücknahme des Befehls über Vertagung und Verlegung; 5) Schriftlicher Revers des Königs, sich auf drei Monate allen Beschlüssen der Landesversammlung zu unterwerfen; 6) Verbannung aller Prinzen aus Preußen. — Die letztere Bedingung rief eine solche Entrüstung bei den Fraktionen der Mainluft und des Augsburger Hofes hervor, daß sie mit Casino und dem steinernen Hause zur Tagesordnung überzugehen beschlossen, jedoch auf Antrag Einiger im Augsburger Hofe sich wenigstens dazu untereinander verständigten, vorläufig den Rappard'schen Antrag an einen Ausschuß zu verweisen. Alles dies erfuhren wir erst gestern früh in der Sitzung. Schmerling kündigte Bassermann's Rückkehr an und erbat sich für ihn, sobald er in's Haus käme, das Wort. Rappard begründete seinen Antrag — da kommt Bassermann, besteigt die Tribüne, schildert seine Reise, die preußische Nationalversammlung herabsetzend, König und Ministerium bis in den Himmel erhebend; in Berlin sei nur Anarchie gewesen und noch jetzt, die Maßregeln der Krone seien höchst weise, das Land in seiner Majorität sei mit denselben einverstanden, der zurückgebliebene Theil der Nationalversammlung sei im Unrecht, und unser (Frankfurter) Beschluß vom 14. d M. unrichtig, er könne ihn nicht ausführen und habe dem Reichsverweser seine Entlassung angeboten Sodann sagt er in Betreff der oben erwähnten Bedingungen dasselbe, wie ich angegeben, jedoch mit Hinweglassung der Namen Einig Parteiführer, mit denen er unterhandelt, hätten ihm dies als den Willen der Nationalversammlung mitgetheilt! Du kannst Dir denken, welcher Lärm auf der Rechten und im Centrum! Venedey verlangt, Bassermann solle die Namen nennen. Wird verweigert! Demnächst wird der Antrag auf Verweisung an den Ausschuß gestellt und geht mit 263 gegen 178 Stimmen durch. Bemerken will ich noch, daß ich noch vor der Abstimmung Gagern einen Antrag übergab, die Nationalversammlung wolle Bassermann veranlassen, sofort zu erklären, ob jene angeblichen Bedingungen ihm als offizielle mitgetheilt seien. Gagern verweigerte die Verlesung Folge deren waren mehrere Proteste, einer mit 172 Unterschriften. Viele Mitglieder verwahren sich gegen jede Verzögerung und erklären, daß sie, da die Protokolle der preußischen Nationalversammlung von jenen Bedingungen nichts enthielten, die Behauptung Bassermann's, es seien die Bedingungen der Nationalversammlung, für unwahr hielten.

Morgen soll der Ausschußbericht kommen. Gar keine Hoffnung! (Sehr wahr prophezeit!) Drei Mitglieder der ausgeschiedenen Berliner Rechten hier, namentlich Reichensberger, arbeiten mit im Ausschuß, von welchem übrigens auch Rappard vernommen wurde.

Der zweite Brief, ebenfalls an einen Abgeordneten zu Frankfurt geschrieben, lautet folgendermaßen:

Frankfurt a. M., 20. November. „Präsumtiv letzte Sitzung des deutschen Parlaments. Die ersten Stunden werden durch Interpellationen, Antworten Berichte ausgefüllt. Von Allem nur das Eine: Herr Peukert versichert mit großer Bestimmtheit, daß Wrangel nicht Reichsgeneral sei und von reichswegen keinen Befehl habe, für die Krone Preußen einzuschreiten. Man erwartet einen Bericht des Biedermanner Ausschusses über den Konflikt in Preußen. Derselbe ist jedoch noch nicht fertig. Es wird deshalb zum Art.VII. der Reichsverfassung übergegangen; bevor es aber zum Abstimmen kommt, erscheint der ersehnte Bericht. Hr. Jordan aus Berlin erstattet ihn.

Er geht davon aus, daß die Berliner Versammlung offenbar unter dem Terrorismus von Außen gestanden habe, weil die Anfangs kleine Linke nach und nach zur Majorität angewachsen sei. Das Ministerium habe voraussehen müssen, daß in einer solchen Versammlung keine Zustimmung zu Maßregeln für Sicherung der Freiheit und Würde der Berathungen verlangt werden könne. Es sei deshalb nichts als die Verlegung übrig geblieben, „das mildeste Mittel“ (!). Die Berliner Versammlung habe zuerst den gesetzlichen Boden verlassen durch ihren „Protest“ gegen das Ministerium Brandenburg, und seitdem „wahrhaft unerhörte Schritte,“ wie die Steuerverweigerung, gethan. Unruh und Kirchmann hätten als Bedingungen einer Vermittelung folgende aufgestellt: Rückkehr des Königs nach Berlin, Aenderung seiner Umgebung, Landesverweisung der Prinzen, ein Ministerium Jakoby oder Waldeck, charte blanche fur dies Ministerium bis zur Vollendung der Verfassung, Ruckzug des Militärs aus Berlin, Verhaftung und Hochverrathsprozeß gegen Wrangel und die Minister. Aus solchen Thatsachen erwachse organisch ganz von selbst der Antrag: Die Reichsversammlung in Verfolgung ihrer Beschlüsse vom 14. d. M. und in Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Ereignisse, fordert die Centralgewalt auf, durch die in Berlin anwesenden Reichskommissarien hinzuwirken[unleserliches Material] auf Ernennung eines Ministeriums, welches das Vertrauen des Landes besitzt; sie erklärt den auf Suspension der Steuererhebung gerichteten, offenbar gesetzwidrigen, die Staatsgesellschaft gefährdenden Beschluß der in Berlin zurückgebliebenen Versammlung ausdrücklich für null und nichtig; sie erklärt endlich, daß sie die dem preußischen Volke gewährten und verheißenen Rechte und Freiheiten gegen jeden Versuch einer Beeinträchtigung schützen werde. Im Ausschusse sind nur Gisker und Werner aus Koblenz diesem Berichte nicht beigetreten, und haben sich nur mit dem ersten Satze des Antrages einverstanden erklärt. Den Herrn Heym und Schwarz aus Halle geht der Ansschußantrag noch nicht weit genug. Alle Beschlüsse der Berliner Versammlung seit der Vertagung, insbesondere die über Steuerverweigerung, und die, welche die Minister für Hochverräther erklären, sollen null und nichtig sein! — Vor der eigentlichen Berathung wird durch Rappard die Aufklärung gegeben, daß das Thatsächliche des Ausschußberichts fast ausschließlich auf der Angabe des aus Berlin davongelaufenen Deputirten Reichensperger beruhe. — Resultat der Abstimmung: ein entschiedener Antrag der Linken fällt durch. Der erste Satz des Ausschusses wird fast einstimmig, der zweite mit 276 gegen 150 Stimmen angenommen. Hiernach stellt sich der dritte Satz als leere Phrase dar. Die Linke stimmt deshalb nicht mit. Schlaf wohl, deutsches Parlament!“

Diese Mittheilungen werden hinreichend sein, um darzuthun, wie in Frankfurt Beschlüsse zu Stande kommen. Hinsichtlich der Entstellungen und Unwahrheiten im Berichte des Herrn Bassermann verweisen wir auf die Erklärungen der Mitglieder der preußischen National-Versammlung.

X Berlin, 22. Nov.

Der 9. November hat uns mit vielen andern Herrlichkeiten des alten Regiments auch die gute alte Presse wiedergebracht. Mit Manteuffel und Ladenberg sind die andern Geschöpfe der Bodelschwingschen-Eichhornschen Herrschaft zurückgekehrt und wie die Eulen beim Anbruch der Nacht, so schwirren jetzt die Heinrich Leo, die Florencourt, die Huber mit krächzendem Geschrei wieder umher. Das Berichtigungsbureau ist in vollem Zuge. Der Staatsanzeiger enthält räsonnirende Artikel und in den Erlassen, welche die Unterschrift des „Staatsministeriums“ tragen, wird die Sprache des Rheinischen Beobachters und des Tippelskircher Volksblattes zur offiziellen Sprache erhoben.

Wenn wir uns auf diese schriftstellerischen Versuche einlassen, welche die Schmach der jetzigen Regierung unvertilgbar der Nachwelt überliefern, so geschieht dies nur, weil die Berliner Presse, von roher Gewalt gefesselt, sich nicht einmal so weit regen darf, um zu den leichten Streichen auszuholen, die einen solchen Gegner, wie die Regierungspresse ist, niederzustrecken ausreichen, weil wir patriotisch genug sind, um selbst solche Angriffe abzuwehrrn, gegen die auch nur die Feder anzusetzen im gewöhnlichen Laufe der Dinge schwach und furchtsam erscheint.

Wir müssen eilen, die Fluth von „wohlmeinenden“ Verdrehungen, von „ehrerbietigen“ Verdächtigungen, von „anständigen“ Perfidien nicht zu hoch anschwellen zu lassen.

In der kön. Ordonnanz vom 8. Nov. heißt es:

1) „es ist der Versuch gemacht worden, die Abgeordneten einzuschüchtern“,

2) „solche Ereignisse beweisen nur zu deutlich, daß die Versammlung der eigenen Freiheit entbehrt“,

3) „sie beweisen, daß die Mitglieder dieser Versammlung in Berlin nicht denjenigen Schutz finden, welcher erforderlich ist, um ihre Berathungen vor dem Scheine der Einschüchterung zu bewahren.“

Dieses erste Produkt der Feder Brandenburgs (?) ist sehr schlecht ausgefallen. Daß der Versuch einer Einschüchterung die wirkliche Unfreiheit beweist, ist mehr ein kühner, als ein logischer Schluß; daß nach der bestimmten Behauptung: die Versammlung entbehrt der Freiheit, die bescheidene Wendung von der Bewahrung vor dem Scheine der Einschüchterung folgt, ist mindestens sehr ungeschickt; daß man die Berathungen der Versammlung sogar vor dem Scheine der Einschüchterung bewahren will, ist eine mehr als zärtliche Fürsorge; daß endlich diese Berathungen wirklich auch nur den Schein der Einschüchterung tragen, ist eine offenbare Unwahrheit für den, der weiß, wie die Menge vom 31. Oktbr. fanatisirt war für den Waldeckschen Antrag und wie dennoch weder die Mitglieder der Rechten und der Centren sich haben abhalten lassen, diesen Waldeckschen Antrag zu verwerfen, noch die der äußersten Linken den Rodbertus'schen Antrag anzunehmen, nach dem der ihrige verworfen war.

Weiter: „Die Erfüllung des Wunsches, daß dem Lande sobald als möglich eine konstitutionelle (!) Verfassung gewährt werde, kann unter solchen Umständen nicht erfolgen“, — gerade in der letzten Zeit, wo doch nach ministeriellem Dafürhalten die Anarchie in Berlin ihre höchste Höhe erreicht hatte, waren die Verfassungsarbeiten in vollem Gange, die vorbereitenden Berathungen in den Abtheilungen beinahe beendigt, wöchentlich drei volle Sitzungen für die Verfassung angesetzt.

Ferner: Die Erfüllung jenes Wunsches „darf von den Maßregeln nicht abhängig gemacht werden, welche geeignet sind, in gesetzlichem Wege die Ordnung und Ruhe in der Hauptstadt wieder herbeizuführen“ — es ist in der That nicht abzusehen, wo die verfassunggebende Versammlung besser und sicherer hätte berathen sollen, als an einem Orte, an dem die Ordnung und Ruhe auf gesetzlichem Wege gehandhabt wird, als in einer Stadt, der das Ministerium seinen Liebling Wrangel mit den treuen Hütern des Gesetzes zum Schutzpatron gibt — wenn nicht etwa schon in diesem Passus die versteckte Andeutung von der Desavouirung der Wrangelschen ungesetzlichen Anarchie enthalten ist, zu der die Regierung sich in den letzten Tagen mit sehr saurer Miene öffentlich bequemen mußte.

In der Proklamation des Königs vom 11. Nov. sagen die Minister, die Versammlung sei bis zum 27. vertagt, „damit diese Maßregel (die Verlegung nach Brandenburg nämlich) ausgeführt werden könne“ — in wiefern dieses Motiv mit den oben angegebenen Gründen für die Vertagung übereinstimmt, mögen unsere Leser selbst beurtheilen; ob eine achtzehntägige Vertagung für die Uebersiedelung nach Brandenburg nöthig war, ist außerordentlich zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß am 20. November die ersten Schritte gethan sind, den Sitzungssaal der Nat.-Vers. auszuräumen.

In der Ordonnanz, welche die Auflösung der Bürgerwehr befiehlt, ist, worauf wir natürlich nicht näher eingehen können, als Grund angeführt, daß die Bürgerwehr die Nat.-Vers. in ihren Schutz genommen habe — zwei Tage darauf veröffentlicht der Polizeipräsident von Bardeleben im Auftrage des Ministers des Innern eine Bekanntmachung, worin außer diesem, die Auflösung „vorzugsweise veranlassenden Grunde“ auch der angeführt wird, daß „bei etwa eintretender bewaffneter und massenhafter Auflehnung gegen Gesetz und Ordnung, die zum Schutze der Rechte der Krone in der getreuesten Absicht herbeieilenden Bürgerwehrmänner in ihrer bürgerlichen Kleidung von den Militär-Kommandos auch beim besten Willen nicht immer von einer aufrührerischen Menge unterschieden und daher im Falle des Waffengebrauchs leicht von einem beklagenswerthen unverschuldeten Unglück mit betroffen werden könnten.“ — Es bedarf wohl nur dieser Zusammenstellung, um das böse Gewissen wie die unendliche politische Taktlosigkeit des Ministeriums in das klarste Licht zu stellen.

Wir können, wie sich von selbst versteht, die Erklärung Berlins in Belagerungszustand, bei der mit dem einen wunderbaren Satze „die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen“, Recht und Gesetz der Willkühr eines Kavallerie-Generals mit ähnlicher Berechtigung überlassen wird, wie Napoleon die Absetzung des Hauses Bourbon dekretirte, wir können die politischen Exercitien Wrangels, seine Versuche in der Gesetzgebung, seine Ansichten über die Pflichten der Censoren, die er aller Wahrscheinlichkeit nach, noch im Amte glaubte — wir können alle diese Thatsachen, an deren Lächerlichkeit unsere sittliche Entrüstung fast scheitert, hier nicht näher berücksichtigen, wir überlassen sie getrost dem Urtheile des Landes und der Gerichte.

Eine schwierigere, widerwärtigere Aufgabe steht uns bevor; wir wenden uns zu den Raisonnements des Staatsanzeigers und bitten unsere Leser, uns bei dieser herkulischen Arbeit mit ihrer Geduld und Aufmerksamkeit zu unterstützen.

In dem Staatsanzeiger vom 15. Nov. heißt es: „Die Krone glaubte bei der Verlegung und Vertagung der Nat.-Vers. im Interesse der Versammlung, im Sinne des Landes und in ihrem eigenen guten Rechte zu handeln.“ — Die Krone hat „das Interesse der Versammlung“ nicht anders zu wahren, als es der Versammlung in ihrem eigenen Interesse gut scheint; sie hat „im Interesse der Versammlung“ eben so wenig den Präsidenten einzusetzen, die Tagesordnung zu bestimmen, Zeit und Stunde für Anfang und Schluß der Sitzungen anzuordnen, ohne den Willen der Versammlung darüber einzuholen, als sie „im Interesse der Versammlung“ die Versammlung verlegen und vertagen kann.

Die Krone glaubte im Sinne des Landes zu handeln — die Nat.-Vers. ist das Land; der Willen der Majorität der Nat.-Vers. ist der Willen des Landes. Wenn in dem selben Artikel gleich darauf sehr naiv gesagt wird „eine (!) Mehrheit der Versammlung erkannte dies nicht an,“ so liegt wirklich eine eigenthümliche Kühnheit darin, dieser Majorität gegenüber noch ferner zu behaupten, daß die Krone demunerachtet im Sinne des Landes handle. Dann freilich bleibt nichts übrig, als daß die Krone an das Land appellirt — sie hat es gethan und das Land hat geantwortet, deutlich genug — nur für die Minister nicht; dann freilich muß die Krone wieder, wie sie es 1847 gethan hat, appelliren an jenes Volk, das nicht existirt, appelliren, bis das Volk einem zweiten achtzehnten März das Urtheil spricht.

Die Krone glaubte in ihrem guten Rechte zu handeln — die Krone hat kein gutes Recht, das ihr die Versammlung nicht zugesteht; mit der Volksvertretung hat sich die Krone über ihre eigenen Rechte zu vereinbaren, zu verständigen, wie Pfuel sagte: „hier in dieser Frage hat die Krone auch nicht die leiseste Andeutung von dem Wunsche einer Vereinbarung, einer Verständigung gegeben; sie hat befohlen, einseitig, eigenmächtig, absolutistisch und jedem Schein von Konstitutionalismus zuwider; das Ministerium ist unverständig, ist gottvergessen genug gewesen, die Verantwortlichkeit für diesen Akt der Contrerevolution zu übernehmen.

Eine — dies „Eine“ ist zu merkwürdig! — Eine Mehrheit der Versammlung „konstituirte sich selbstständig,“ „die ihre Berathungen fortsetzende Fraktion (so heißt es kurz nacheinander) konstituirte sich gleichsam als Convent, maßte sich Regierungsrechte an“ — Jedermann weiß, daß das Unwahrheiten sind.

„Es blieb der Regierung nichts weiter übrig, als den Belagerungszustand zu erklären, um auf diese Weise ihrer Pflicht gemäß Schutz des Eigenthums und Sicherheit der Person wahrzunehmen.“ Der Schutz des Eigenthums, den die Regierung ihrer Pflicht gemäß ausübt, besteht bekanntlich in dem konfisziren von Zeirungen, in der Beschlagnahme von Pressen; die Gewährleistung der Sicherheit der Person Seitens der Regierung in Verletzung der Habeas-Corpus-Akte durch Wrangel'sche Soldaten.

Wir haben oben gehört, daß die Krone geglaubt haben soll, in ihrem guten Rechte zu handeln, als sie die Verlegung der Nationalversammlung anordnete — nach einem andern Artikel (Nr. 198 des Staatsanzeigers) scheint dieses gute Recht doch auch wieder zweifelhaft, der Glaube daran schwankend geworden zu sein; es heißt da: „daß die Regierung in der lokalen Verlegung keine Prinzip-und Rechtsfrage zu ersehen vermag und zu entscheiden gewillt ist,“ daß der getroffene Ausweg das „Prinzip der vereinbarenden Versammlung weder berühren noch in irgend einer Weise verbirge (!)“ So gewährt denn die gute Regierungspresse ihren Anhängern die Möglichkeit, bald sich auf den Rechtsboden zu stellen, und von diesem festen Punkte ihre furchtbaren Waffen zu schleudern, bald mit freundlichster Miene zu versichern, daß ja diese Frage das Rechtsprinzip gar nicht berühre, die Vereinbarungstheorie gar nichts angehe. Wir gestehen, das wir uns über diese Vielseitigkeit freuen — die angenehme Aussicht auf eine friedliche Vermittlung eröffnet sich uns, da ja bei diesem Schaukelsystem die Möglichkeit gegeben ist, daß die Regierung plötzlich sich ganz dem Volle in die Arme wirft und erklärt, daß sie mit der Ordonnanz vom 8. Nov. überhaupt nichts habe entscheiden wollen.

Ueber einen andern Artikel (Nr. 197 des Staatsanzeigers), der von dem „heimatlosen Umherziehen der „Nationalversammlung“ — so steht es gedruckt im Staatsanzeiger! — handelt, wollen wir kein Wort verlieren.

Es genüge, einen Satz daraus anzuführen: „denn wer diese ihre gegenwärtigen resultatlosen Umzüge wirkungsreich nennen kann, der betrügt sich selbst um die wahren Interessen seines Standpunktes, welchem er auch immer angehören möge!“ — Solchen „resultatlosen“ Geschraubtheiten sind gewiß auch ohne Kommentar nicht „wirkungsreich“ zu nennen.

Außer diesen billigen Spöttereien, die gewiß bei allen denen ihre tiefe Wirkung nicht verfehlen werden, welche eine große verhängnißvolle Entscheidung mit fadem Geschwätz abgemacht glauben und mit schaalen Späßen über die Schwere der Zeit sich hinwegzusetzen im Stande sind, außer den immer wiederkehrenden Phantasieen von der Herrschaft der Anarchie in- und außerhalb der Versammlung sind es namentlich drei Punkte, auf welche die Aufmerksamkeit der „nichtamtlichen“, auch wohl unbesoldeten Schreiber des Staatsanzeigers sich richtet — der Frankfurter Beschluß, die Steuerverweigerung und die Entlassung des Ministeriums.

Den Frankfurter Beschluß angehend, so verweilt der Staatsanzeiger (Nr. 197) mit sichtlicher Freude bei dem Gutachten der Majorität des Ausschusses. Wir lassen ihm diese Freude; es wäre boshaft, den preußischen Staatsanzeiger mit einem Ausschusse zu entzweien, der bekanntermaßen den sinnigen Schluß gemacht hat:„die Berliner Versammlung war unfrei, muß als unfrei betrachtet werden, also war auch der Protest gegen die Verlegung unfrei“ — diese Herren könnten Mitarbeiter am Staatsanzeiger sein.

Wie gesagt, darüber wollen wir mit dem Staatsanzeiger nicht rechten; aber wir erlauben uns , zu Ehren der Frankfurter Versammlung Einspruch dagegen zu erheben, als ob sie aus dem Antrage der Ausschuß-Majorität auch zugleich die Motive derselben zu den ihrigen gemacht habe; wir müssen ferner darauf aufmerksam machen, daß in dem Beschlusse selbst nicht von einer

Hierzu eine Beilage.

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zu verhüten, daß es der Versammlung nie in den Sinn gekommen ist, diese Bewachung durchaus und unter allen Umständen wegfallen zu lassen, daß sie dies noch am 2. November durch einen ausdrücklichen Beschluß erklärt hat, daß von einigen Mitgliedern ein Gesetz zum Schutze der Versammlung eingebracht worden, und diesem die Priorität bereits eingeräumt war. Hier in Berlin besteht unter Wenigen ein Zweifel darüber, wie jene Excesse der Reaktion nur einen willkommenen Vorwand boten, um mit den längst vorbereiteten Gewaltstreichen vorzugehen. Dies zeigte sich sehr deutlich, als der vollkommensten Ruhe ungeachtet doch der Belagerungszustand erklärt wurde &#x2014; ein Kriegszustand ohne Feind &#x2014; als exceptionelle Gerichte gegen die nicht einmal suspendirte Habeas-Corpus-Akte eingeführt wurden, wiewohl nicht der leiseste Exceß vorgefallen war!</p>
          <p>Herr Bassermann begreift nicht das Mißtrauen gegen das Ministerium. Wen hat er denn gesprochen über dessen Gründe? Von den in der National-Versammlung anwesenden Mitgliedern der Deputation an Sr. Majestät Niemanden. Wahrlich, die Thaten dieses Ministerii rechtfertigen das Mißtrauen zur Genüge &#x2014; und wenn Herr Bassermann nur den Armeebefehl des Herrn Grafen Brandenburg und eine Rede Binke's gegen Manteuffel als Motive anzugeben weiß, so beweist dies blos die vollendete Seichtheit dieses Forschers.</p>
          <p>Höchst unkonstitutionell mischt Herr Bassermann noch die Person des Königs in diese Angelegenheit, des Königs, den die unverantwortlich handelnden verantwortlichen Rathgeber nicht nur über den Zustand der Hauptstadt täuschen, sondern dem sie die tausendfach ertönende Stimme des Landes geflissentlich entziehen.</p>
          <p>Der Gesandte kommt nun auf seine Vermittelungsversuche. Alle seine Mittheilungen hierüber sind unwahr. Nie haben die &#x201E;Zurückgebliebenen&#x201C;, wie dieser Herr die preußische Nationalversammlung zu nennen beliebt, Bedingungen gestellt. Niemand ist von ihnen in dieser Hinsicht beauftragt; die Nationalversammlung übt das Recht des Volks, indem sie die Befugniß der Krone, eine konstituirende Versammlung zu verlegen, zu vertagen und aufzulösen bestreitet, indem sie einem hochverrätherischen Ministerium entgegentritt. Sie weicht keinen Fußbreit von diesem Wege, weiter ist sie nicht gegangen. Was Herr Bassermann anführt, bezieht sich auf Mittheilungen des Herrn Kirchmann, die nicht ihm, sondern einem Dritten in seiner Gegenwart geschehen sind, und die er ganz unrichtig referirt. Dieser Vermitteler mit der Nationalversammlung spricht &#x2014; selbst mit Unruh, dem Präsidenten der Nationalversammlung. Den Inhalt dieses Gesprächs theilt er nicht mit. Herr Bassermann wollte nicht Unruh's Ansichten hören, sondern die seinigen ihm eröffnen, deren Conclusion dahin ging, daß die Versammlung nach Brandenburg gehen müsse. Der Präsident zeigte die Unausführbarkeit dieses Raths, der bei keiner Partei Anklang finden werde. Es kam aber Hrn. Bassermann gar nicht darauf an, sich zu unterrichten; er verlangte gar keine Auskunft, er wollte nur seine eigenen Vorschläge an den Mann bringen, und beeilte sich zu gehen, als er diesen Zweck erreicht hatte. Er führte auch das Gespräch ausdrücklich als Privatmann.</p>
          <p>Wo ist denn da von einem Antrage auf Vermittelung die Rede, wo von einem Hohn, der ihn zurückgewiesen?</p>
          <p>Aber ein Hohn freilich ist es, wenn der Herr Reichskommissar eine Versammlung, die entschlossen, aber voll Mäßigung, ihr gutes Recht mit seltener Einmüthigkeit verfocht, durch elende Phrasen von Convent, von Republik, von Zurückbleiben der Centren, um von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, anzutasten sich herausnimmt. Wer einer würdigen Erscheinung gegenüber so klein, so undeutsch ist, das Gift der Verdächtigung auszuspritzen, der hätte das in denjenigen Zeitungen thun sollen, wohin es gehört, er durfte aber nicht den Saal der deutschen Vertreter mit so boshaften Seichtigkeiten entweihen. Schlecht bestellt wäre es um ein kräftiges Volk von 16 Millionen, könnte die Stimme eines solchen Schwätzers irgend ein Gewicht in die Wagschaale seines Geschicks legen, das mit Hülfe der Vorsehung über den Gesichtskreis aller dieser Pygmäen hinausreichen wird.</p>
          <p>Berlin, den 21. November 1848.</p>
          <p rendition="#et">Arns. Brill. Waldeck. Phillips. Wachsmuth. Reuter. Jung. Schwickerath. Iwand. Scholz (Bunzlau). Rüdiger. Kuhr. Gladbach. Gräff (Trier). Taszarski. Töbe. Schornbaum. Schulz (Wanzleben). Lisiecki. Berends. Dr. Jacoby. Räntsch. Arnold (Lebus). Elsner. Stein. Reichenbach. Jung (Fraustadt). Wollheim. Laßwitz. Lentz. Bunzel. Hoyoll. Behnsch. Baltzer v. Lipski. Schuck. Nees v. Esenbeck. H. Müller. Messerich. Krackrügge. Schramm (Striegau) Becker. Kaul. Krüger. D'Ester. Körfgen. Esser. Peters. Siebert. Anwandter. Dehnell. Beeck. Dr. Kneip. Zenker. Specht. Junker. Bazynski. Skiba. Friedrich (Neustadt). Bissers. Moldenhauer. Mros. Voigt. Hofferichter. Grebel. Raffauf. Beck. Kabus. Haußmann. Eichner. Krause (Sagan). Temme. Nickel. Otto (Trier). Schmidt (Landshut). Herhold. Borchardt. Treiber. Keiffenheim. Guitienne. Schell Plath. Quandt.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 22. November.</head>
          <p>Der unwahre Bericht, welchen der Reichskommissar Hr. Bassermann zu Frankfurt a. M. über die hiesigen Verhältnisse und namentlich über das Verfahren der preußischen National-Versammlung abgestattet hat, ist bereits, wie der Beschluß des preußischen Ausschusses beweist, von den bedauerlichsten Folgen gewesen. Wir theilen einige Stellen aus zwei Briefen mit, aus denen sich zur Genüge ergeben wird, mit welchen Mitteln man die öffentliche Meinung irre zu leiten sucht. Ein Abg. zu Frankfurt schreibt unterm 18. November: &#x201E;Am Tage Deiner Abreise langte Rappard hier an und brachte ausführliche Berichte über Berlin, welche uns in Westenhall bestimmten, am andern Tage durch Rappard den bekannten dringenden Antrag einzubringen. Die Versammlung gestattete die Begründung der Dringlichkeit nicht, setzte den Antrag jedoch auf die nächste Tagesordnung, also ohne Berichterstattung. Abends in den Fraktionen ging Alles Anfangs vortrefflich; Mainluft, Augsburger, Würtemberger Hof und die sämmtlichen Linken erklärten sich für den Antrag. Da langt spät Abends Bassermann an, sendet sofort seine Unterstaatssekretäre und andere Commilitonen in die Fraktionen der Rechten und des Centrums mit der Nachricht, jede Vermittelung mit der preußischen Landesversammlung sei unmöglich, denn es sei ihm von Unruh und Kirchmann eröffnet, die preußische Versammlung wolle sich nur unter folgenden Bedingungen mit der Krone verständigen: 1) Entlassung des Ministeriums; 2) Zurückziehung des Militärs; 3) Zurücknahme der Entwaffnung und der Auflösung der Bürgerwehr; 4) Zurücknahme des Befehls über Vertagung und Verlegung; 5) Schriftlicher Revers des Königs, sich auf drei Monate allen Beschlüssen der Landesversammlung zu unterwerfen; 6) Verbannung aller Prinzen aus Preußen. &#x2014; Die letztere Bedingung rief eine solche Entrüstung bei den Fraktionen der Mainluft und des Augsburger Hofes hervor, daß sie mit Casino und dem steinernen Hause zur Tagesordnung überzugehen beschlossen, jedoch auf Antrag Einiger im Augsburger Hofe sich wenigstens dazu untereinander verständigten, vorläufig den Rappard'schen Antrag an einen Ausschuß zu verweisen. Alles dies erfuhren wir erst gestern früh in der Sitzung. Schmerling kündigte Bassermann's Rückkehr an und erbat sich für ihn, sobald er in's Haus käme, das Wort. Rappard begründete seinen Antrag &#x2014; da kommt Bassermann, besteigt die Tribüne, schildert seine Reise, die preußische Nationalversammlung herabsetzend, König und Ministerium bis in den Himmel erhebend; in Berlin sei nur Anarchie gewesen und noch jetzt, die Maßregeln der Krone seien höchst weise, das Land in seiner Majorität sei mit denselben einverstanden, der zurückgebliebene Theil der Nationalversammlung sei im Unrecht, und unser (Frankfurter) Beschluß vom 14. d M. unrichtig, er könne ihn nicht ausführen und habe dem Reichsverweser seine Entlassung angeboten Sodann sagt er in Betreff der oben erwähnten Bedingungen dasselbe, wie ich angegeben, jedoch mit Hinweglassung der Namen Einig Parteiführer, mit denen er unterhandelt, hätten ihm dies als den Willen der Nationalversammlung mitgetheilt! Du kannst Dir denken, welcher Lärm auf der Rechten und im Centrum! Venedey verlangt, Bassermann solle die Namen nennen. Wird verweigert! Demnächst wird der Antrag auf Verweisung an den Ausschuß gestellt und geht mit 263 gegen 178 Stimmen durch. Bemerken will ich noch, daß ich noch vor der Abstimmung Gagern einen Antrag übergab, die Nationalversammlung wolle Bassermann veranlassen, sofort zu erklären, ob jene angeblichen Bedingungen ihm als offizielle mitgetheilt seien. Gagern verweigerte die Verlesung Folge deren waren mehrere Proteste, einer mit 172 Unterschriften. Viele Mitglieder verwahren sich gegen jede Verzögerung und erklären, daß sie, da die Protokolle der preußischen Nationalversammlung von jenen Bedingungen nichts enthielten, die Behauptung Bassermann's, es seien die Bedingungen der Nationalversammlung, für unwahr hielten.</p>
          <p>Morgen soll der Ausschußbericht kommen. Gar keine Hoffnung! (Sehr wahr prophezeit!) Drei Mitglieder der ausgeschiedenen Berliner Rechten hier, namentlich Reichensberger, arbeiten mit im Ausschuß, von welchem übrigens auch Rappard vernommen wurde.</p>
          <p>Der zweite Brief, ebenfalls an einen Abgeordneten zu Frankfurt geschrieben, lautet folgendermaßen:</p>
          <p>Frankfurt a. M., 20. November. &#x201E;Präsumtiv letzte Sitzung des deutschen Parlaments. Die ersten Stunden werden durch Interpellationen, Antworten Berichte ausgefüllt. Von Allem nur das Eine: Herr Peukert versichert mit großer Bestimmtheit, daß Wrangel nicht Reichsgeneral sei und von reichswegen keinen Befehl habe, für die Krone Preußen einzuschreiten. Man erwartet einen Bericht des Biedermanner Ausschusses über den Konflikt in Preußen. Derselbe ist jedoch noch nicht fertig. Es wird deshalb zum Art.VII. der Reichsverfassung übergegangen; bevor es aber zum Abstimmen kommt, erscheint der ersehnte Bericht. Hr. Jordan aus Berlin erstattet ihn.</p>
          <p>Er geht davon aus, daß die Berliner Versammlung offenbar unter dem Terrorismus von Außen gestanden habe, weil die Anfangs kleine Linke nach und nach zur Majorität angewachsen sei. Das Ministerium habe voraussehen müssen, daß in einer solchen Versammlung keine Zustimmung zu Maßregeln für Sicherung der Freiheit und Würde der Berathungen verlangt werden könne. Es sei deshalb nichts als die Verlegung übrig geblieben, &#x201E;das mildeste Mittel&#x201C; (!). Die Berliner Versammlung habe zuerst den gesetzlichen Boden verlassen durch ihren &#x201E;Protest&#x201C; gegen das Ministerium Brandenburg, und seitdem &#x201E;wahrhaft unerhörte Schritte,&#x201C; wie die Steuerverweigerung, gethan. Unruh und Kirchmann hätten als Bedingungen einer Vermittelung folgende aufgestellt: Rückkehr des Königs nach Berlin, Aenderung seiner Umgebung, Landesverweisung der Prinzen, ein Ministerium Jakoby oder Waldeck, charte blanche fur dies Ministerium bis zur Vollendung der Verfassung, Ruckzug des Militärs aus Berlin, Verhaftung und Hochverrathsprozeß gegen Wrangel und die Minister. Aus solchen Thatsachen erwachse organisch ganz von selbst der Antrag: Die Reichsversammlung in Verfolgung ihrer Beschlüsse vom 14. d. M. und in Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Ereignisse, fordert die Centralgewalt auf, durch die in Berlin anwesenden Reichskommissarien hinzuwirken<gap reason="illegible"/> auf Ernennung eines Ministeriums, welches das Vertrauen des Landes besitzt; sie erklärt den auf Suspension der Steuererhebung gerichteten, offenbar gesetzwidrigen, die Staatsgesellschaft gefährdenden Beschluß der in Berlin zurückgebliebenen Versammlung ausdrücklich für null und nichtig; sie erklärt endlich, daß sie die dem preußischen Volke gewährten und verheißenen Rechte und Freiheiten gegen jeden Versuch einer Beeinträchtigung schützen werde. Im Ausschusse sind nur Gisker und Werner aus Koblenz diesem Berichte nicht beigetreten, und haben sich nur mit dem ersten Satze des Antrages einverstanden erklärt. Den Herrn Heym und Schwarz aus Halle geht der Ansschußantrag noch nicht weit genug. Alle Beschlüsse der Berliner Versammlung seit der Vertagung, insbesondere die über Steuerverweigerung, und die, welche die Minister für Hochverräther erklären, sollen null und nichtig sein! &#x2014; Vor der eigentlichen Berathung wird durch Rappard die Aufklärung gegeben, daß das Thatsächliche des Ausschußberichts fast ausschließlich auf der Angabe des aus Berlin davongelaufenen Deputirten Reichensperger beruhe. &#x2014; Resultat der Abstimmung: ein entschiedener Antrag der Linken fällt durch. Der erste Satz des Ausschusses wird fast einstimmig, der zweite mit 276 gegen 150 Stimmen angenommen. Hiernach stellt sich der dritte Satz als leere Phrase dar. Die Linke stimmt deshalb nicht mit. Schlaf wohl, deutsches Parlament!&#x201C;</p>
          <p>Diese Mittheilungen werden hinreichend sein, um darzuthun, wie in Frankfurt Beschlüsse zu Stande kommen. Hinsichtlich der Entstellungen und Unwahrheiten im Berichte des Herrn Bassermann verweisen wir auf die Erklärungen der Mitglieder der preußischen National-Versammlung.</p>
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          <p>2) &#x201E;solche Ereignisse <hi rendition="#g">beweisen</hi> nur zu deutlich, daß die Versammlung der eigenen <hi rendition="#g">Freiheit</hi> entbehrt&#x201C;,</p>
          <p>3) &#x201E;sie <hi rendition="#g">beweisen</hi>, daß die <hi rendition="#g">Mitglieder</hi> dieser Versammlung in Berlin nicht denjenigen Schutz finden, welcher erforderlich ist, um ihre <hi rendition="#g">Berathungen</hi> vor dem <hi rendition="#g">Scheine</hi> der Einschüchterung zu bewahren.&#x201C;</p>
          <p>Dieses erste Produkt der Feder Brandenburgs (?) ist sehr schlecht ausgefallen. Daß der <hi rendition="#g">Versuch</hi> einer Einschüchterung die <hi rendition="#g">wirkliche Unfreiheit</hi> beweist, ist mehr ein kühner, als ein logischer Schluß; daß nach der bestimmten Behauptung: die Versammlung entbehrt der Freiheit, die bescheidene Wendung von der Bewahrung vor dem <hi rendition="#g">Scheine</hi> der Einschüchterung folgt, ist mindestens sehr ungeschickt; daß man die <hi rendition="#g">Berathungen</hi> der Versammlung sogar vor dem <hi rendition="#g">Scheine</hi> der Einschüchterung bewahren will, ist eine mehr als zärtliche Fürsorge; daß endlich diese Berathungen wirklich auch nur den Schein der Einschüchterung tragen, ist eine offenbare Unwahrheit für den, der weiß, wie die Menge vom 31. Oktbr. fanatisirt war für den Waldeckschen Antrag und wie dennoch weder die Mitglieder der Rechten und der Centren sich haben abhalten lassen, diesen Waldeckschen Antrag zu verwerfen, noch die der äußersten Linken den Rodbertus'schen Antrag anzunehmen, nach dem der ihrige verworfen war.</p>
          <p>Weiter: &#x201E;Die Erfüllung des Wunsches, daß dem Lande sobald als möglich eine konstitutionelle (!) Verfassung gewährt werde, kann unter solchen Umständen nicht erfolgen&#x201C;, &#x2014; gerade in der letzten Zeit, wo doch nach ministeriellem Dafürhalten die Anarchie in Berlin ihre höchste Höhe erreicht hatte, waren die Verfassungsarbeiten in vollem Gange, die vorbereitenden Berathungen in den Abtheilungen beinahe beendigt, wöchentlich drei volle Sitzungen für die Verfassung angesetzt.</p>
          <p>Ferner: Die Erfüllung jenes Wunsches &#x201E;darf von den Maßregeln nicht abhängig gemacht werden, welche geeignet sind, in gesetzlichem Wege die Ordnung und Ruhe in der Hauptstadt wieder herbeizuführen&#x201C; &#x2014; es ist in der That nicht abzusehen, wo die verfassunggebende Versammlung besser und sicherer hätte berathen sollen, als an einem Orte, an dem die Ordnung und Ruhe auf <hi rendition="#g">gesetzlichem Wege</hi> gehandhabt wird, als in einer Stadt, der das Ministerium seinen Liebling Wrangel mit den treuen Hütern des Gesetzes zum Schutzpatron gibt &#x2014; wenn nicht etwa schon in diesem Passus die versteckte Andeutung von der Desavouirung der Wrangelschen ungesetzlichen Anarchie enthalten ist, zu der die Regierung sich in den letzten Tagen mit sehr saurer Miene öffentlich bequemen mußte.</p>
          <p>In der Proklamation des Königs vom 11. Nov. sagen die Minister, die Versammlung sei bis zum 27. vertagt, &#x201E;damit diese Maßregel (die Verlegung nach Brandenburg nämlich) ausgeführt werden könne&#x201C; &#x2014; in wiefern dieses Motiv mit den oben angegebenen Gründen für die Vertagung übereinstimmt, mögen unsere Leser selbst beurtheilen; ob eine achtzehntägige Vertagung für die Uebersiedelung nach Brandenburg nöthig war, ist außerordentlich zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß am 20. <hi rendition="#g">November</hi> die ersten Schritte gethan sind, den Sitzungssaal der Nat.-Vers. auszuräumen.</p>
          <p>In der Ordonnanz, welche die Auflösung der Bürgerwehr befiehlt, ist, worauf wir natürlich nicht näher eingehen können, als Grund angeführt, daß die Bürgerwehr die Nat.-Vers. in ihren Schutz genommen habe &#x2014; zwei Tage darauf veröffentlicht der Polizeipräsident von Bardeleben im Auftrage des Ministers des Innern eine Bekanntmachung, worin außer diesem, die Auflösung &#x201E;vorzugsweise veranlassenden Grunde&#x201C; auch der angeführt wird, daß &#x201E;bei etwa eintretender bewaffneter und massenhafter Auflehnung gegen Gesetz und Ordnung, die zum Schutze der Rechte der Krone in der getreuesten Absicht herbeieilenden Bürgerwehrmänner in ihrer bürgerlichen Kleidung von den Militär-Kommandos auch beim besten Willen nicht immer von einer aufrührerischen Menge unterschieden und daher im Falle des Waffengebrauchs leicht von einem beklagenswerthen unverschuldeten Unglück mit betroffen werden könnten.&#x201C; &#x2014; Es bedarf wohl nur dieser Zusammenstellung, um das böse Gewissen wie die unendliche politische Taktlosigkeit des Ministeriums in das klarste Licht zu stellen.</p>
          <p>Wir können, wie sich von selbst versteht, die Erklärung Berlins in Belagerungszustand, bei der mit dem einen wunderbaren Satze &#x201E;die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen&#x201C;, Recht und Gesetz der Willkühr eines Kavallerie-Generals mit ähnlicher Berechtigung überlassen wird, wie Napoleon die Absetzung des Hauses Bourbon dekretirte, wir können die politischen Exercitien Wrangels, seine Versuche in der Gesetzgebung, seine Ansichten über die Pflichten der Censoren, die er aller Wahrscheinlichkeit nach, noch im Amte glaubte &#x2014; wir können alle diese Thatsachen, an deren Lächerlichkeit unsere sittliche Entrüstung fast scheitert, hier nicht näher berücksichtigen, wir überlassen sie getrost dem Urtheile des Landes und der Gerichte.</p>
          <p>Eine schwierigere, widerwärtigere Aufgabe steht uns bevor; wir wenden uns zu den Raisonnements des Staatsanzeigers und bitten unsere Leser, uns bei dieser herkulischen Arbeit mit ihrer Geduld und Aufmerksamkeit zu unterstützen.</p>
          <p>In dem Staatsanzeiger vom 15. Nov. heißt es: &#x201E;Die Krone glaubte bei der Verlegung und Vertagung der Nat.-Vers. im Interesse der Versammlung, im Sinne des Landes und in ihrem eigenen guten Rechte zu handeln.&#x201C; &#x2014; Die Krone hat &#x201E;das Interesse der Versammlung&#x201C; nicht anders zu wahren, als es der Versammlung in ihrem eigenen Interesse gut scheint; sie hat &#x201E;im Interesse der Versammlung&#x201C; eben so wenig den Präsidenten einzusetzen, die Tagesordnung zu bestimmen, Zeit und Stunde für Anfang und Schluß der Sitzungen anzuordnen, ohne den Willen der Versammlung darüber einzuholen, als sie &#x201E;im Interesse der Versammlung&#x201C; die Versammlung verlegen und vertagen kann.</p>
          <p>Die Krone glaubte im Sinne des Landes zu handeln &#x2014; die Nat.-Vers. ist das Land; der Willen der Majorität der Nat.-Vers. ist der Willen des Landes. Wenn in dem selben Artikel gleich darauf sehr naiv gesagt wird &#x201E;eine (!) Mehrheit der Versammlung erkannte dies nicht an,&#x201C; so liegt wirklich eine eigenthümliche Kühnheit darin, dieser Majorität gegenüber noch ferner zu behaupten, daß die Krone demunerachtet im Sinne des Landes handle. Dann freilich bleibt nichts übrig, als daß die Krone an das Land appellirt &#x2014; sie hat es gethan und das Land hat geantwortet, deutlich genug &#x2014; nur für die Minister nicht; dann freilich muß die Krone wieder, wie sie es 1847 gethan hat, appelliren an jenes Volk, das nicht existirt, appelliren, bis das Volk einem zweiten achtzehnten März das Urtheil spricht.</p>
          <p>Die Krone glaubte in ihrem guten Rechte zu handeln &#x2014; die Krone hat kein gutes Recht, das ihr die Versammlung nicht zugesteht; mit der Volksvertretung hat sich die Krone über ihre eigenen Rechte zu vereinbaren, zu verständigen, wie Pfuel sagte: &#x201E;hier in dieser Frage hat die Krone auch nicht die leiseste Andeutung von dem Wunsche einer Vereinbarung, einer Verständigung gegeben; sie hat befohlen, einseitig, eigenmächtig, absolutistisch und jedem Schein von Konstitutionalismus zuwider; das Ministerium ist unverständig, ist gottvergessen genug gewesen, die Verantwortlichkeit für diesen Akt der Contrerevolution zu übernehmen.</p>
          <p>Eine &#x2014; dies &#x201E;Eine&#x201C; ist zu merkwürdig! &#x2014; Eine Mehrheit der Versammlung &#x201E;konstituirte sich selbstständig,&#x201C; &#x201E;die ihre Berathungen fortsetzende Fraktion (so heißt es kurz nacheinander) konstituirte sich gleichsam als Convent, maßte sich Regierungsrechte an&#x201C; &#x2014; Jedermann weiß, daß das Unwahrheiten sind.</p>
          <p>&#x201E;Es blieb der Regierung nichts weiter übrig, als den Belagerungszustand zu erklären, um auf diese Weise ihrer Pflicht gemäß Schutz des Eigenthums und Sicherheit der Person wahrzunehmen.&#x201C; Der Schutz des Eigenthums, den die Regierung ihrer Pflicht gemäß ausübt, besteht bekanntlich in dem konfisziren von Zeirungen, in der Beschlagnahme von Pressen; die Gewährleistung der Sicherheit der Person Seitens der Regierung in Verletzung der Habeas-Corpus-Akte durch Wrangel'sche Soldaten.</p>
          <p>Wir haben oben gehört, daß die Krone geglaubt haben soll, in ihrem guten Rechte zu handeln, als sie die Verlegung der Nationalversammlung anordnete &#x2014; nach einem andern Artikel (Nr. 198 des Staatsanzeigers) scheint dieses gute Recht doch auch wieder zweifelhaft, der Glaube daran schwankend geworden zu sein; es heißt da: &#x201E;daß die Regierung in der lokalen Verlegung keine Prinzip-und Rechtsfrage zu ersehen vermag und zu entscheiden gewillt ist,&#x201C; daß der getroffene Ausweg das &#x201E;Prinzip der vereinbarenden Versammlung weder berühren noch in irgend einer Weise verbirge (!)&#x201C; So gewährt denn die gute Regierungspresse ihren Anhängern die Möglichkeit, bald sich auf den Rechtsboden zu stellen, und von diesem festen Punkte ihre furchtbaren Waffen zu schleudern, bald mit freundlichster Miene zu versichern, daß ja diese Frage das Rechtsprinzip gar nicht berühre, die Vereinbarungstheorie gar nichts angehe. Wir gestehen, das wir uns über diese Vielseitigkeit freuen &#x2014; die angenehme Aussicht auf eine friedliche Vermittlung eröffnet sich uns, da ja bei diesem Schaukelsystem die Möglichkeit gegeben ist, daß die Regierung plötzlich sich ganz dem Volle in die Arme wirft und erklärt, daß sie mit der Ordonnanz vom 8. Nov. überhaupt nichts habe entscheiden wollen.</p>
          <p>Ueber einen andern Artikel (Nr. 197 des Staatsanzeigers), der von dem &#x201E;heimatlosen Umherziehen der &#x201E;Nationalversammlung&#x201C; &#x2014; so steht es gedruckt im Staatsanzeiger! &#x2014; handelt, wollen wir kein Wort verlieren.</p>
          <p>Es genüge, einen Satz daraus anzuführen: &#x201E;denn wer diese ihre gegenwärtigen resultatlosen Umzüge wirkungsreich nennen kann, der betrügt sich selbst um die wahren Interessen seines Standpunktes, welchem er auch immer angehören möge!&#x201C; &#x2014; Solchen &#x201E;resultatlosen&#x201C; Geschraubtheiten sind gewiß auch ohne Kommentar nicht &#x201E;wirkungsreich&#x201C; zu nennen.</p>
          <p>Außer diesen billigen Spöttereien, die gewiß bei allen denen ihre tiefe Wirkung nicht verfehlen werden, welche eine große verhängnißvolle Entscheidung mit fadem Geschwätz abgemacht glauben und mit schaalen Späßen über die Schwere der Zeit sich hinwegzusetzen im Stande sind, außer den immer wiederkehrenden Phantasieen von der Herrschaft der Anarchie in- und außerhalb der Versammlung sind es namentlich drei Punkte, auf welche die Aufmerksamkeit der &#x201E;nichtamtlichen&#x201C;, auch wohl unbesoldeten Schreiber des Staatsanzeigers sich richtet &#x2014; der Frankfurter Beschluß, die Steuerverweigerung und die Entlassung des Ministeriums.</p>
          <p>Den Frankfurter Beschluß angehend, so verweilt der Staatsanzeiger (Nr. 197) mit sichtlicher Freude bei dem <hi rendition="#g">Gutachten</hi> der Majorität des Ausschusses. Wir lassen ihm diese Freude; es wäre boshaft, den preußischen Staatsanzeiger mit einem Ausschusse zu entzweien, der bekanntermaßen den sinnigen Schluß gemacht hat:&#x201E;die Berliner Versammlung war unfrei, muß als unfrei betrachtet werden, also war auch der Protest gegen die Verlegung unfrei&#x201C; &#x2014; diese Herren könnten Mitarbeiter am Staatsanzeiger sein.</p>
          <p>Wie gesagt, darüber wollen wir mit dem Staatsanzeiger nicht rechten; aber wir erlauben uns , zu Ehren der Frankfurter Versammlung Einspruch dagegen zu erheben, als ob sie aus dem <hi rendition="#g">Antrage</hi> der Ausschuß-Majorität auch zugleich die <hi rendition="#g">Motive</hi> derselben zu den ihrigen gemacht habe; wir müssen ferner darauf aufmerksam machen, daß in dem Beschlusse selbst nicht von einer</p>
          <p>
            <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>
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</TEI>
[0804/0004] zu verhüten, daß es der Versammlung nie in den Sinn gekommen ist, diese Bewachung durchaus und unter allen Umständen wegfallen zu lassen, daß sie dies noch am 2. November durch einen ausdrücklichen Beschluß erklärt hat, daß von einigen Mitgliedern ein Gesetz zum Schutze der Versammlung eingebracht worden, und diesem die Priorität bereits eingeräumt war. Hier in Berlin besteht unter Wenigen ein Zweifel darüber, wie jene Excesse der Reaktion nur einen willkommenen Vorwand boten, um mit den längst vorbereiteten Gewaltstreichen vorzugehen. Dies zeigte sich sehr deutlich, als der vollkommensten Ruhe ungeachtet doch der Belagerungszustand erklärt wurde — ein Kriegszustand ohne Feind — als exceptionelle Gerichte gegen die nicht einmal suspendirte Habeas-Corpus-Akte eingeführt wurden, wiewohl nicht der leiseste Exceß vorgefallen war! Herr Bassermann begreift nicht das Mißtrauen gegen das Ministerium. Wen hat er denn gesprochen über dessen Gründe? Von den in der National-Versammlung anwesenden Mitgliedern der Deputation an Sr. Majestät Niemanden. Wahrlich, die Thaten dieses Ministerii rechtfertigen das Mißtrauen zur Genüge — und wenn Herr Bassermann nur den Armeebefehl des Herrn Grafen Brandenburg und eine Rede Binke's gegen Manteuffel als Motive anzugeben weiß, so beweist dies blos die vollendete Seichtheit dieses Forschers. Höchst unkonstitutionell mischt Herr Bassermann noch die Person des Königs in diese Angelegenheit, des Königs, den die unverantwortlich handelnden verantwortlichen Rathgeber nicht nur über den Zustand der Hauptstadt täuschen, sondern dem sie die tausendfach ertönende Stimme des Landes geflissentlich entziehen. Der Gesandte kommt nun auf seine Vermittelungsversuche. Alle seine Mittheilungen hierüber sind unwahr. Nie haben die „Zurückgebliebenen“, wie dieser Herr die preußische Nationalversammlung zu nennen beliebt, Bedingungen gestellt. Niemand ist von ihnen in dieser Hinsicht beauftragt; die Nationalversammlung übt das Recht des Volks, indem sie die Befugniß der Krone, eine konstituirende Versammlung zu verlegen, zu vertagen und aufzulösen bestreitet, indem sie einem hochverrätherischen Ministerium entgegentritt. Sie weicht keinen Fußbreit von diesem Wege, weiter ist sie nicht gegangen. Was Herr Bassermann anführt, bezieht sich auf Mittheilungen des Herrn Kirchmann, die nicht ihm, sondern einem Dritten in seiner Gegenwart geschehen sind, und die er ganz unrichtig referirt. Dieser Vermitteler mit der Nationalversammlung spricht — selbst mit Unruh, dem Präsidenten der Nationalversammlung. Den Inhalt dieses Gesprächs theilt er nicht mit. Herr Bassermann wollte nicht Unruh's Ansichten hören, sondern die seinigen ihm eröffnen, deren Conclusion dahin ging, daß die Versammlung nach Brandenburg gehen müsse. Der Präsident zeigte die Unausführbarkeit dieses Raths, der bei keiner Partei Anklang finden werde. Es kam aber Hrn. Bassermann gar nicht darauf an, sich zu unterrichten; er verlangte gar keine Auskunft, er wollte nur seine eigenen Vorschläge an den Mann bringen, und beeilte sich zu gehen, als er diesen Zweck erreicht hatte. Er führte auch das Gespräch ausdrücklich als Privatmann. Wo ist denn da von einem Antrage auf Vermittelung die Rede, wo von einem Hohn, der ihn zurückgewiesen? Aber ein Hohn freilich ist es, wenn der Herr Reichskommissar eine Versammlung, die entschlossen, aber voll Mäßigung, ihr gutes Recht mit seltener Einmüthigkeit verfocht, durch elende Phrasen von Convent, von Republik, von Zurückbleiben der Centren, um von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, anzutasten sich herausnimmt. Wer einer würdigen Erscheinung gegenüber so klein, so undeutsch ist, das Gift der Verdächtigung auszuspritzen, der hätte das in denjenigen Zeitungen thun sollen, wohin es gehört, er durfte aber nicht den Saal der deutschen Vertreter mit so boshaften Seichtigkeiten entweihen. Schlecht bestellt wäre es um ein kräftiges Volk von 16 Millionen, könnte die Stimme eines solchen Schwätzers irgend ein Gewicht in die Wagschaale seines Geschicks legen, das mit Hülfe der Vorsehung über den Gesichtskreis aller dieser Pygmäen hinausreichen wird. Berlin, den 21. November 1848. Arns. Brill. Waldeck. Phillips. Wachsmuth. Reuter. Jung. Schwickerath. Iwand. Scholz (Bunzlau). Rüdiger. Kuhr. Gladbach. Gräff (Trier). Taszarski. Töbe. Schornbaum. Schulz (Wanzleben). Lisiecki. Berends. Dr. Jacoby. Räntsch. Arnold (Lebus). Elsner. Stein. Reichenbach. Jung (Fraustadt). Wollheim. Laßwitz. Lentz. Bunzel. Hoyoll. Behnsch. Baltzer v. Lipski. Schuck. Nees v. Esenbeck. H. Müller. Messerich. Krackrügge. Schramm (Striegau) Becker. Kaul. Krüger. D'Ester. Körfgen. Esser. Peters. Siebert. Anwandter. Dehnell. Beeck. Dr. Kneip. Zenker. Specht. Junker. Bazynski. Skiba. Friedrich (Neustadt). Bissers. Moldenhauer. Mros. Voigt. Hofferichter. Grebel. Raffauf. Beck. Kabus. Haußmann. Eichner. Krause (Sagan). Temme. Nickel. Otto (Trier). Schmidt (Landshut). Herhold. Borchardt. Treiber. Keiffenheim. Guitienne. Schell Plath. Quandt. * Berlin, 22. November. Der unwahre Bericht, welchen der Reichskommissar Hr. Bassermann zu Frankfurt a. M. über die hiesigen Verhältnisse und namentlich über das Verfahren der preußischen National-Versammlung abgestattet hat, ist bereits, wie der Beschluß des preußischen Ausschusses beweist, von den bedauerlichsten Folgen gewesen. Wir theilen einige Stellen aus zwei Briefen mit, aus denen sich zur Genüge ergeben wird, mit welchen Mitteln man die öffentliche Meinung irre zu leiten sucht. Ein Abg. zu Frankfurt schreibt unterm 18. November: „Am Tage Deiner Abreise langte Rappard hier an und brachte ausführliche Berichte über Berlin, welche uns in Westenhall bestimmten, am andern Tage durch Rappard den bekannten dringenden Antrag einzubringen. Die Versammlung gestattete die Begründung der Dringlichkeit nicht, setzte den Antrag jedoch auf die nächste Tagesordnung, also ohne Berichterstattung. Abends in den Fraktionen ging Alles Anfangs vortrefflich; Mainluft, Augsburger, Würtemberger Hof und die sämmtlichen Linken erklärten sich für den Antrag. Da langt spät Abends Bassermann an, sendet sofort seine Unterstaatssekretäre und andere Commilitonen in die Fraktionen der Rechten und des Centrums mit der Nachricht, jede Vermittelung mit der preußischen Landesversammlung sei unmöglich, denn es sei ihm von Unruh und Kirchmann eröffnet, die preußische Versammlung wolle sich nur unter folgenden Bedingungen mit der Krone verständigen: 1) Entlassung des Ministeriums; 2) Zurückziehung des Militärs; 3) Zurücknahme der Entwaffnung und der Auflösung der Bürgerwehr; 4) Zurücknahme des Befehls über Vertagung und Verlegung; 5) Schriftlicher Revers des Königs, sich auf drei Monate allen Beschlüssen der Landesversammlung zu unterwerfen; 6) Verbannung aller Prinzen aus Preußen. — Die letztere Bedingung rief eine solche Entrüstung bei den Fraktionen der Mainluft und des Augsburger Hofes hervor, daß sie mit Casino und dem steinernen Hause zur Tagesordnung überzugehen beschlossen, jedoch auf Antrag Einiger im Augsburger Hofe sich wenigstens dazu untereinander verständigten, vorläufig den Rappard'schen Antrag an einen Ausschuß zu verweisen. Alles dies erfuhren wir erst gestern früh in der Sitzung. Schmerling kündigte Bassermann's Rückkehr an und erbat sich für ihn, sobald er in's Haus käme, das Wort. Rappard begründete seinen Antrag — da kommt Bassermann, besteigt die Tribüne, schildert seine Reise, die preußische Nationalversammlung herabsetzend, König und Ministerium bis in den Himmel erhebend; in Berlin sei nur Anarchie gewesen und noch jetzt, die Maßregeln der Krone seien höchst weise, das Land in seiner Majorität sei mit denselben einverstanden, der zurückgebliebene Theil der Nationalversammlung sei im Unrecht, und unser (Frankfurter) Beschluß vom 14. d M. unrichtig, er könne ihn nicht ausführen und habe dem Reichsverweser seine Entlassung angeboten Sodann sagt er in Betreff der oben erwähnten Bedingungen dasselbe, wie ich angegeben, jedoch mit Hinweglassung der Namen Einig Parteiführer, mit denen er unterhandelt, hätten ihm dies als den Willen der Nationalversammlung mitgetheilt! Du kannst Dir denken, welcher Lärm auf der Rechten und im Centrum! Venedey verlangt, Bassermann solle die Namen nennen. Wird verweigert! Demnächst wird der Antrag auf Verweisung an den Ausschuß gestellt und geht mit 263 gegen 178 Stimmen durch. Bemerken will ich noch, daß ich noch vor der Abstimmung Gagern einen Antrag übergab, die Nationalversammlung wolle Bassermann veranlassen, sofort zu erklären, ob jene angeblichen Bedingungen ihm als offizielle mitgetheilt seien. Gagern verweigerte die Verlesung Folge deren waren mehrere Proteste, einer mit 172 Unterschriften. Viele Mitglieder verwahren sich gegen jede Verzögerung und erklären, daß sie, da die Protokolle der preußischen Nationalversammlung von jenen Bedingungen nichts enthielten, die Behauptung Bassermann's, es seien die Bedingungen der Nationalversammlung, für unwahr hielten. Morgen soll der Ausschußbericht kommen. Gar keine Hoffnung! (Sehr wahr prophezeit!) Drei Mitglieder der ausgeschiedenen Berliner Rechten hier, namentlich Reichensberger, arbeiten mit im Ausschuß, von welchem übrigens auch Rappard vernommen wurde. Der zweite Brief, ebenfalls an einen Abgeordneten zu Frankfurt geschrieben, lautet folgendermaßen: Frankfurt a. M., 20. November. „Präsumtiv letzte Sitzung des deutschen Parlaments. Die ersten Stunden werden durch Interpellationen, Antworten Berichte ausgefüllt. Von Allem nur das Eine: Herr Peukert versichert mit großer Bestimmtheit, daß Wrangel nicht Reichsgeneral sei und von reichswegen keinen Befehl habe, für die Krone Preußen einzuschreiten. Man erwartet einen Bericht des Biedermanner Ausschusses über den Konflikt in Preußen. Derselbe ist jedoch noch nicht fertig. Es wird deshalb zum Art.VII. der Reichsverfassung übergegangen; bevor es aber zum Abstimmen kommt, erscheint der ersehnte Bericht. Hr. Jordan aus Berlin erstattet ihn. Er geht davon aus, daß die Berliner Versammlung offenbar unter dem Terrorismus von Außen gestanden habe, weil die Anfangs kleine Linke nach und nach zur Majorität angewachsen sei. Das Ministerium habe voraussehen müssen, daß in einer solchen Versammlung keine Zustimmung zu Maßregeln für Sicherung der Freiheit und Würde der Berathungen verlangt werden könne. Es sei deshalb nichts als die Verlegung übrig geblieben, „das mildeste Mittel“ (!). Die Berliner Versammlung habe zuerst den gesetzlichen Boden verlassen durch ihren „Protest“ gegen das Ministerium Brandenburg, und seitdem „wahrhaft unerhörte Schritte,“ wie die Steuerverweigerung, gethan. Unruh und Kirchmann hätten als Bedingungen einer Vermittelung folgende aufgestellt: Rückkehr des Königs nach Berlin, Aenderung seiner Umgebung, Landesverweisung der Prinzen, ein Ministerium Jakoby oder Waldeck, charte blanche fur dies Ministerium bis zur Vollendung der Verfassung, Ruckzug des Militärs aus Berlin, Verhaftung und Hochverrathsprozeß gegen Wrangel und die Minister. Aus solchen Thatsachen erwachse organisch ganz von selbst der Antrag: Die Reichsversammlung in Verfolgung ihrer Beschlüsse vom 14. d. M. und in Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Ereignisse, fordert die Centralgewalt auf, durch die in Berlin anwesenden Reichskommissarien hinzuwirken_ auf Ernennung eines Ministeriums, welches das Vertrauen des Landes besitzt; sie erklärt den auf Suspension der Steuererhebung gerichteten, offenbar gesetzwidrigen, die Staatsgesellschaft gefährdenden Beschluß der in Berlin zurückgebliebenen Versammlung ausdrücklich für null und nichtig; sie erklärt endlich, daß sie die dem preußischen Volke gewährten und verheißenen Rechte und Freiheiten gegen jeden Versuch einer Beeinträchtigung schützen werde. Im Ausschusse sind nur Gisker und Werner aus Koblenz diesem Berichte nicht beigetreten, und haben sich nur mit dem ersten Satze des Antrages einverstanden erklärt. Den Herrn Heym und Schwarz aus Halle geht der Ansschußantrag noch nicht weit genug. Alle Beschlüsse der Berliner Versammlung seit der Vertagung, insbesondere die über Steuerverweigerung, und die, welche die Minister für Hochverräther erklären, sollen null und nichtig sein! — Vor der eigentlichen Berathung wird durch Rappard die Aufklärung gegeben, daß das Thatsächliche des Ausschußberichts fast ausschließlich auf der Angabe des aus Berlin davongelaufenen Deputirten Reichensperger beruhe. — Resultat der Abstimmung: ein entschiedener Antrag der Linken fällt durch. Der erste Satz des Ausschusses wird fast einstimmig, der zweite mit 276 gegen 150 Stimmen angenommen. Hiernach stellt sich der dritte Satz als leere Phrase dar. Die Linke stimmt deshalb nicht mit. Schlaf wohl, deutsches Parlament!“ Diese Mittheilungen werden hinreichend sein, um darzuthun, wie in Frankfurt Beschlüsse zu Stande kommen. Hinsichtlich der Entstellungen und Unwahrheiten im Berichte des Herrn Bassermann verweisen wir auf die Erklärungen der Mitglieder der preußischen National-Versammlung. X Berlin, 22. Nov. Der 9. November hat uns mit vielen andern Herrlichkeiten des alten Regiments auch die gute alte Presse wiedergebracht. Mit Manteuffel und Ladenberg sind die andern Geschöpfe der Bodelschwingschen-Eichhornschen Herrschaft zurückgekehrt und wie die Eulen beim Anbruch der Nacht, so schwirren jetzt die Heinrich Leo, die Florencourt, die Huber mit krächzendem Geschrei wieder umher. Das Berichtigungsbureau ist in vollem Zuge. Der Staatsanzeiger enthält räsonnirende Artikel und in den Erlassen, welche die Unterschrift des „Staatsministeriums“ tragen, wird die Sprache des Rheinischen Beobachters und des Tippelskircher Volksblattes zur offiziellen Sprache erhoben. Wenn wir uns auf diese schriftstellerischen Versuche einlassen, welche die Schmach der jetzigen Regierung unvertilgbar der Nachwelt überliefern, so geschieht dies nur, weil die Berliner Presse, von roher Gewalt gefesselt, sich nicht einmal so weit regen darf, um zu den leichten Streichen auszuholen, die einen solchen Gegner, wie die Regierungspresse ist, niederzustrecken ausreichen, weil wir patriotisch genug sind, um selbst solche Angriffe abzuwehrrn, gegen die auch nur die Feder anzusetzen im gewöhnlichen Laufe der Dinge schwach und furchtsam erscheint. Wir müssen eilen, die Fluth von „wohlmeinenden“ Verdrehungen, von „ehrerbietigen“ Verdächtigungen, von „anständigen“ Perfidien nicht zu hoch anschwellen zu lassen. In der kön. Ordonnanz vom 8. Nov. heißt es: 1) „es ist der Versuch gemacht worden, die Abgeordneten einzuschüchtern“, 2) „solche Ereignisse beweisen nur zu deutlich, daß die Versammlung der eigenen Freiheit entbehrt“, 3) „sie beweisen, daß die Mitglieder dieser Versammlung in Berlin nicht denjenigen Schutz finden, welcher erforderlich ist, um ihre Berathungen vor dem Scheine der Einschüchterung zu bewahren.“ Dieses erste Produkt der Feder Brandenburgs (?) ist sehr schlecht ausgefallen. Daß der Versuch einer Einschüchterung die wirkliche Unfreiheit beweist, ist mehr ein kühner, als ein logischer Schluß; daß nach der bestimmten Behauptung: die Versammlung entbehrt der Freiheit, die bescheidene Wendung von der Bewahrung vor dem Scheine der Einschüchterung folgt, ist mindestens sehr ungeschickt; daß man die Berathungen der Versammlung sogar vor dem Scheine der Einschüchterung bewahren will, ist eine mehr als zärtliche Fürsorge; daß endlich diese Berathungen wirklich auch nur den Schein der Einschüchterung tragen, ist eine offenbare Unwahrheit für den, der weiß, wie die Menge vom 31. Oktbr. fanatisirt war für den Waldeckschen Antrag und wie dennoch weder die Mitglieder der Rechten und der Centren sich haben abhalten lassen, diesen Waldeckschen Antrag zu verwerfen, noch die der äußersten Linken den Rodbertus'schen Antrag anzunehmen, nach dem der ihrige verworfen war. Weiter: „Die Erfüllung des Wunsches, daß dem Lande sobald als möglich eine konstitutionelle (!) Verfassung gewährt werde, kann unter solchen Umständen nicht erfolgen“, — gerade in der letzten Zeit, wo doch nach ministeriellem Dafürhalten die Anarchie in Berlin ihre höchste Höhe erreicht hatte, waren die Verfassungsarbeiten in vollem Gange, die vorbereitenden Berathungen in den Abtheilungen beinahe beendigt, wöchentlich drei volle Sitzungen für die Verfassung angesetzt. Ferner: Die Erfüllung jenes Wunsches „darf von den Maßregeln nicht abhängig gemacht werden, welche geeignet sind, in gesetzlichem Wege die Ordnung und Ruhe in der Hauptstadt wieder herbeizuführen“ — es ist in der That nicht abzusehen, wo die verfassunggebende Versammlung besser und sicherer hätte berathen sollen, als an einem Orte, an dem die Ordnung und Ruhe auf gesetzlichem Wege gehandhabt wird, als in einer Stadt, der das Ministerium seinen Liebling Wrangel mit den treuen Hütern des Gesetzes zum Schutzpatron gibt — wenn nicht etwa schon in diesem Passus die versteckte Andeutung von der Desavouirung der Wrangelschen ungesetzlichen Anarchie enthalten ist, zu der die Regierung sich in den letzten Tagen mit sehr saurer Miene öffentlich bequemen mußte. In der Proklamation des Königs vom 11. Nov. sagen die Minister, die Versammlung sei bis zum 27. vertagt, „damit diese Maßregel (die Verlegung nach Brandenburg nämlich) ausgeführt werden könne“ — in wiefern dieses Motiv mit den oben angegebenen Gründen für die Vertagung übereinstimmt, mögen unsere Leser selbst beurtheilen; ob eine achtzehntägige Vertagung für die Uebersiedelung nach Brandenburg nöthig war, ist außerordentlich zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß am 20. November die ersten Schritte gethan sind, den Sitzungssaal der Nat.-Vers. auszuräumen. In der Ordonnanz, welche die Auflösung der Bürgerwehr befiehlt, ist, worauf wir natürlich nicht näher eingehen können, als Grund angeführt, daß die Bürgerwehr die Nat.-Vers. in ihren Schutz genommen habe — zwei Tage darauf veröffentlicht der Polizeipräsident von Bardeleben im Auftrage des Ministers des Innern eine Bekanntmachung, worin außer diesem, die Auflösung „vorzugsweise veranlassenden Grunde“ auch der angeführt wird, daß „bei etwa eintretender bewaffneter und massenhafter Auflehnung gegen Gesetz und Ordnung, die zum Schutze der Rechte der Krone in der getreuesten Absicht herbeieilenden Bürgerwehrmänner in ihrer bürgerlichen Kleidung von den Militär-Kommandos auch beim besten Willen nicht immer von einer aufrührerischen Menge unterschieden und daher im Falle des Waffengebrauchs leicht von einem beklagenswerthen unverschuldeten Unglück mit betroffen werden könnten.“ — Es bedarf wohl nur dieser Zusammenstellung, um das böse Gewissen wie die unendliche politische Taktlosigkeit des Ministeriums in das klarste Licht zu stellen. Wir können, wie sich von selbst versteht, die Erklärung Berlins in Belagerungszustand, bei der mit dem einen wunderbaren Satze „die in hiesiger Stadt eingetretenen Ereignisse haben die ordentlichen Civilbehörden außer Stand gesetzt, dem Gesetze die gebührende Geltung zu verschaffen“, Recht und Gesetz der Willkühr eines Kavallerie-Generals mit ähnlicher Berechtigung überlassen wird, wie Napoleon die Absetzung des Hauses Bourbon dekretirte, wir können die politischen Exercitien Wrangels, seine Versuche in der Gesetzgebung, seine Ansichten über die Pflichten der Censoren, die er aller Wahrscheinlichkeit nach, noch im Amte glaubte — wir können alle diese Thatsachen, an deren Lächerlichkeit unsere sittliche Entrüstung fast scheitert, hier nicht näher berücksichtigen, wir überlassen sie getrost dem Urtheile des Landes und der Gerichte. Eine schwierigere, widerwärtigere Aufgabe steht uns bevor; wir wenden uns zu den Raisonnements des Staatsanzeigers und bitten unsere Leser, uns bei dieser herkulischen Arbeit mit ihrer Geduld und Aufmerksamkeit zu unterstützen. In dem Staatsanzeiger vom 15. Nov. heißt es: „Die Krone glaubte bei der Verlegung und Vertagung der Nat.-Vers. im Interesse der Versammlung, im Sinne des Landes und in ihrem eigenen guten Rechte zu handeln.“ — Die Krone hat „das Interesse der Versammlung“ nicht anders zu wahren, als es der Versammlung in ihrem eigenen Interesse gut scheint; sie hat „im Interesse der Versammlung“ eben so wenig den Präsidenten einzusetzen, die Tagesordnung zu bestimmen, Zeit und Stunde für Anfang und Schluß der Sitzungen anzuordnen, ohne den Willen der Versammlung darüber einzuholen, als sie „im Interesse der Versammlung“ die Versammlung verlegen und vertagen kann. Die Krone glaubte im Sinne des Landes zu handeln — die Nat.-Vers. ist das Land; der Willen der Majorität der Nat.-Vers. ist der Willen des Landes. Wenn in dem selben Artikel gleich darauf sehr naiv gesagt wird „eine (!) Mehrheit der Versammlung erkannte dies nicht an,“ so liegt wirklich eine eigenthümliche Kühnheit darin, dieser Majorität gegenüber noch ferner zu behaupten, daß die Krone demunerachtet im Sinne des Landes handle. Dann freilich bleibt nichts übrig, als daß die Krone an das Land appellirt — sie hat es gethan und das Land hat geantwortet, deutlich genug — nur für die Minister nicht; dann freilich muß die Krone wieder, wie sie es 1847 gethan hat, appelliren an jenes Volk, das nicht existirt, appelliren, bis das Volk einem zweiten achtzehnten März das Urtheil spricht. Die Krone glaubte in ihrem guten Rechte zu handeln — die Krone hat kein gutes Recht, das ihr die Versammlung nicht zugesteht; mit der Volksvertretung hat sich die Krone über ihre eigenen Rechte zu vereinbaren, zu verständigen, wie Pfuel sagte: „hier in dieser Frage hat die Krone auch nicht die leiseste Andeutung von dem Wunsche einer Vereinbarung, einer Verständigung gegeben; sie hat befohlen, einseitig, eigenmächtig, absolutistisch und jedem Schein von Konstitutionalismus zuwider; das Ministerium ist unverständig, ist gottvergessen genug gewesen, die Verantwortlichkeit für diesen Akt der Contrerevolution zu übernehmen. Eine — dies „Eine“ ist zu merkwürdig! — Eine Mehrheit der Versammlung „konstituirte sich selbstständig,“ „die ihre Berathungen fortsetzende Fraktion (so heißt es kurz nacheinander) konstituirte sich gleichsam als Convent, maßte sich Regierungsrechte an“ — Jedermann weiß, daß das Unwahrheiten sind. „Es blieb der Regierung nichts weiter übrig, als den Belagerungszustand zu erklären, um auf diese Weise ihrer Pflicht gemäß Schutz des Eigenthums und Sicherheit der Person wahrzunehmen.“ Der Schutz des Eigenthums, den die Regierung ihrer Pflicht gemäß ausübt, besteht bekanntlich in dem konfisziren von Zeirungen, in der Beschlagnahme von Pressen; die Gewährleistung der Sicherheit der Person Seitens der Regierung in Verletzung der Habeas-Corpus-Akte durch Wrangel'sche Soldaten. Wir haben oben gehört, daß die Krone geglaubt haben soll, in ihrem guten Rechte zu handeln, als sie die Verlegung der Nationalversammlung anordnete — nach einem andern Artikel (Nr. 198 des Staatsanzeigers) scheint dieses gute Recht doch auch wieder zweifelhaft, der Glaube daran schwankend geworden zu sein; es heißt da: „daß die Regierung in der lokalen Verlegung keine Prinzip-und Rechtsfrage zu ersehen vermag und zu entscheiden gewillt ist,“ daß der getroffene Ausweg das „Prinzip der vereinbarenden Versammlung weder berühren noch in irgend einer Weise verbirge (!)“ So gewährt denn die gute Regierungspresse ihren Anhängern die Möglichkeit, bald sich auf den Rechtsboden zu stellen, und von diesem festen Punkte ihre furchtbaren Waffen zu schleudern, bald mit freundlichster Miene zu versichern, daß ja diese Frage das Rechtsprinzip gar nicht berühre, die Vereinbarungstheorie gar nichts angehe. Wir gestehen, das wir uns über diese Vielseitigkeit freuen — die angenehme Aussicht auf eine friedliche Vermittlung eröffnet sich uns, da ja bei diesem Schaukelsystem die Möglichkeit gegeben ist, daß die Regierung plötzlich sich ganz dem Volle in die Arme wirft und erklärt, daß sie mit der Ordonnanz vom 8. Nov. überhaupt nichts habe entscheiden wollen. Ueber einen andern Artikel (Nr. 197 des Staatsanzeigers), der von dem „heimatlosen Umherziehen der „Nationalversammlung“ — so steht es gedruckt im Staatsanzeiger! — handelt, wollen wir kein Wort verlieren. Es genüge, einen Satz daraus anzuführen: „denn wer diese ihre gegenwärtigen resultatlosen Umzüge wirkungsreich nennen kann, der betrügt sich selbst um die wahren Interessen seines Standpunktes, welchem er auch immer angehören möge!“ — Solchen „resultatlosen“ Geschraubtheiten sind gewiß auch ohne Kommentar nicht „wirkungsreich“ zu nennen. Außer diesen billigen Spöttereien, die gewiß bei allen denen ihre tiefe Wirkung nicht verfehlen werden, welche eine große verhängnißvolle Entscheidung mit fadem Geschwätz abgemacht glauben und mit schaalen Späßen über die Schwere der Zeit sich hinwegzusetzen im Stande sind, außer den immer wiederkehrenden Phantasieen von der Herrschaft der Anarchie in- und außerhalb der Versammlung sind es namentlich drei Punkte, auf welche die Aufmerksamkeit der „nichtamtlichen“, auch wohl unbesoldeten Schreiber des Staatsanzeigers sich richtet — der Frankfurter Beschluß, die Steuerverweigerung und die Entlassung des Ministeriums. Den Frankfurter Beschluß angehend, so verweilt der Staatsanzeiger (Nr. 197) mit sichtlicher Freude bei dem Gutachten der Majorität des Ausschusses. Wir lassen ihm diese Freude; es wäre boshaft, den preußischen Staatsanzeiger mit einem Ausschusse zu entzweien, der bekanntermaßen den sinnigen Schluß gemacht hat:„die Berliner Versammlung war unfrei, muß als unfrei betrachtet werden, also war auch der Protest gegen die Verlegung unfrei“ — diese Herren könnten Mitarbeiter am Staatsanzeiger sein. Wie gesagt, darüber wollen wir mit dem Staatsanzeiger nicht rechten; aber wir erlauben uns , zu Ehren der Frankfurter Versammlung Einspruch dagegen zu erheben, als ob sie aus dem Antrage der Ausschuß-Majorität auch zugleich die Motive derselben zu den ihrigen gemacht habe; wir müssen ferner darauf aufmerksam machen, daß in dem Beschlusse selbst nicht von einer Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 153. Köln, 26. November 1848, S. 0804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz153i_1848/4>, abgerufen am 28.04.2024.