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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 163. Köln, 8. Dezember 1848.

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Brandenburg verlegt und die Versammlung aufgefordert, zur Fortsetzung ihrer sofort abzubrechenden Berathungen am 27. v. M. in Brandenburg wieder zusammenzutreten. Durch diese Anordnung, welche lediglich den Zweck hatte, die Freiheit der Berathungen der Volksvertreter vor den anarchischen Bewegungen in der Hauptstadt und ihren terroristischen Einflüssen sicher zu stellen, glaubten Ew. Königl. Maj. nicht nur ein unzweifelhaftes Recht der Krone, sondern auch eine durch die Rücksicht auf das Wohl des Landes dringend gebotene Pflicht auszuüben. Leider ist Ew. Königl. Maj. wohlmeinende Absicht dabei von einem großen Theile der Versammlung verkannt worden. Uneingedenk ihrer wahren Aufgabe und ihrer Pflichten gegen die Krone und das Land, hat die Mehrzahl der Abgeordneten ihre Berathungen der von Ew. Königlichen Majestät angeordneten Vertagung derselben ungeachtet, eigenmächtig in Berlin fortgesetzt und sich angemaßt, als eine souveraine Gewalt über Rechte der Krone zu entscheiden. Sie hat ferner die von Ew. Königl. Maj. auf Grund einer klaren gesetzlichen Bestimmung ausgesprochene Auflösung der Berliner Bürgerwehr für eine ungesetzliche Maßregel erklärt und dadurch die gedachte Bürgerwehr zum Widerstande gegen die Ausführung jener Anordnung aufgereizt. Sie hat endlich sich nicht gescheut, durch die an das Volk gerichtete Aufforderung zur Verweigerung der gesetzlichen Steuern, die Brandfackel der Anarchie in das Land zu schleudern und den ganzen Staatsverband dem Umsturze preiszugeben. Durch diese eben so rechtswidrigen wie verderblichen Beschlüsse hatte die in Berlin forttagende Mehrzahl der Mitglieder der Versammlung offen mit der Krone gebrochen und Ew. Königlichen Majestät gegenüber einen Standpunkt eingenommen, bei dessen Festhaltung die Möglichkeit einer befriedigenden Vereinbarung des Verfassungswerkes nicht abzusehen war. Hiernach wären Ew. Königliche Majestät schon damals, unmittelbar nach dem Steuerverweigerungs-Beschluß, unzweifelhaft berechtigt gewesen, die Versammlung aufzulösen. Gleichwohl gaben Ew. Königliche Majestät die Hoffnung noch nicht auf, daß die seitdem laut gewordene Stimme des Landes und die durch eine leidenschaftliche Auffassung vorübergehend zurückgedrängte Vaterlandsliebe viele jener Abgeordneten von dem betretenen Abwege zurückführen, daß unter deren Hinzutritt die Versammlung nach Ablauf der Vertagungsfrist in beschlußfähiger Zahl sich neu konstituiren, daß sie dann die Ungesetzlichkeit und Ungültigkeit der während der Vertagungsfrist von einem Theile ihrer Mitglieder gefaßten Beschlüsse in einer unzweideutigen Weise anerkennen, und daß es so der Krone werde möglich gemacht werden, die abgebrochenen Vereinbarungs-Verhandlungen wieder aufzunehmen und bald zu einem gedeihlichen Ziele zu führen. Wäre dies gelungen, so würde es auch möglich geworden sein, noch einige zur Verbesserung der Lage der bäuerlichen Besitzer und zur Erfüllung anderer dringender Wünsche des Landes schon vorbereitete Gesetze, im Verein mit der Versammlung, bald zu Stande zu bringen.

Ew. Majestät Hoffnungen sind indessen, leider! durch die Ereignisse der letzten Woche getäuscht worden. Nachdem die ihrer Pflicht gegen Ew. Königl. Majestät und das Vaterland getreuen Abgeordneten vier Tage hinter einander, vom 27. bis zum 30. v. M., zu Brandenburg in nicht beschlußfähiger Zahl versammelt gewesen waren, wurde die Versammlung endlich am 1. d. M. durch den Hinzutritt eines großen Theiles derjenigen Abgeordneten beschlußfähig, welche sich bis dahin der durch die Botschaft vom 8. vorigen Monats angeordneten Verlegung der Versammlung widersetzt hatten. Anstatt aber diesen Widerstand aufzugeben, erklärte der Wortführer der hinzugetretenen Mitglieder, daß dieselben, um die beabsichtigte Einberufung ihrer Stellvertreter abzuwenden, und nicht in Befolgung der Anordnungen Ew. Majestät, sondern lediglich deßhalb erschienen seien, weil das während der Vertagungsfrist von den in Berlin zurückgebliebenen Mitgliedern gewählte Präsidium die Versammlung nach Brandenburg berufen habe. Zugleich wurde von diesem Theile der Versammlung ein auf Vertagung bis zum 4. d. M. gestellter Antrag in der von ihrem Wortführer ausgesprochenen Absicht unterstützt, um für diejenigen Ausgebliebenen, denen die Berufung des Präsidiums noch nicht zugegangen sei, Zeit zu gewinnen. Als hierauf der Vertagungsantrag verworfen war, verließen jene neu hinzugetretenen Abgeordneten beinahe sämmtlich die Versammlung, welche dadurch wieder beschlußunfähig und außer Stand gesetzt wurde, sich neu zu konstituiren.

Dieser Vorgang, welcher auf den pflichtgetreuen Theil der Versammlung, wie auf jeden dabei anwesenden Freund des Vaterlandes, einen tief verletzenden Eindruck machte, gibt den deutlichen Beweis, daß von derjenigen Fraktion der Abgeordneten, die nach dem 9. v. M. in Berlin fortgetagt hat, ein großer, noch immer die Mehrzahl der ganzen Versammlung bildender Theil in offener Auflehnung gegen die von Ew. k. M. in der Botschaft vom 8. vorigen Monats getroffenen Anordnungen, mithin auf einem Standpunkte verharrt, welcher, nach unserer pflichtmäßigen Ueberzeugung, die Möglichkeit einer Vereinbarung mit der Krone ausschließt. Bei der numerischen Stärke dieser Patei würde es jederzeit von ihrem Belieben abhangen, die Versammlung -- wie es am 1. dieses Monats geschehen ist -- beschlußunfähig zu machen, ohne daß gegen ein solches Beginnen die früher beabsichtigte Einberufung der Stellvertreter, die ohnehin während der Anwesenheit der Abgeordneten gesetzlich nicht zu begründen wäre, genügenden Schutz gewähren könnte.

Die zur Vereinbarung der Verfassung berufene Versammlung befindet sich hiernach in einem Zustande so tiefer innerer Zerrüttung, daß mit ihr die Verfassungsberathung ohne Verletzung der Würde der Krone nach unserer Ansicht nicht länger fortgesetzt werden kann. Wir beklagen dies um so schmerzlicher, je zuversichtlicher wir von der Fortführung der Vereinbarungsverhandlungen mit denjenigen Abgeordneten, welche der von Ew. M. ergangenen Berufung nach Brandenburg, zum Theil selbst unter Aufopferung früher verfochtener Ansichten, schuldige Folge geleistet hatten, ein für das Vaterland gedeihliches Resultat erwarten durften. Gleichwohl glauben wir eine nochmalige Wiederholung des in der vorigen Woche fünfmal mißlungenen Versuches einer neuen Konstituirung der Versammlung pflichtmäßig widerrathen zu müssen, weil sich mit großer Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß dabei die tiefste Zerrissenheit der Versammlung und ihre unverkennbare innerliche Auflösung in ähnlicher Weise, wie am 1. d. M., zur Trauer aller wahren Vaterlandsfreunde hervortreten würde.

Ew. k. Maj. können wir demnach nur die sofortige Auflösung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung anrathen, und erlauben uns, den Entwurf der diesfälligen Verordnung zu Ew. k. Maj. Allerh. Vollziehung ehrfurchtsvvoll beizufügen.

Gewiß ist diese Vereitlung des vor länger als sechs Monaten begonnenen Versuchs der Vereinbarung einer Verfassung zwischen der Krone und den Vertretern des Vols ein sehr beklagenswerthes Ereigniß. Wahrhaft verderblich aber würde es sein, wenn, um dieser Vereitlung willen, die Sehnsucht des Landes nach einer Verfassung, von welcher es Wiederherstellung eines festen Rechtszustandes und des in allen Verhältnissen des öffentlichen Lebens gestörten Vertrauens mit Recht erwarten darf, noch längere Zeit unbefriedigt bleiben sollte. Ew. k. M. können wir daher nur pflichtgemäß rathen, Ihrem Volke eine Verfassung, die zur Begründung, Befestigung und Erhaltung wahrer Freiheit geeignet ist, unverzüglich unter dem Vorbehalt zu gewähren, daß dieselbe von den zunächst, und zwar sofort, zu berufenden Kammern einer Revision zu unterwerfen sei. Wir haben eine solche Verfassung unter strenger Festhaltung der von Ew. Königl. Majestät im März d. J. ertheilten Verheißungen entworfen und dabei nicht nur die Vorarbeiten der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung, sondern auch die bisherigen Beschlüsse der deutschen National-Versammlung, deren ferner-Beschlüsse auch bei der vorzubehaltenden Revision zu beachten sein werden, sorgfältig berücksichtigt. Indem wir diesen Entwurf, nebst dem Entwurf eines Wahlgesetzes, hierbei unterthänigst vorlegen, stellen wir Ew. Königl. Majestät die Vollziehung derselben ehrfurchtsvoll anheim.

Schließlich behalten wir uns vor, bei Ew. Königl. Majestät den provisorischen Erlaß verschiedener, zur Befriedigung dringender Bedürfnisse des Landes erforderlichen Verordnungen in den nächsten Tagen unterthänigst zu beantragen.

Berlin, den 5. December 1848.

Das Staats-Ministerium.

Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Strotha.

von Manteuffel. Rintelen von der Heydt.

Verfassungs-Urkunde
für
den preußischen Staat.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. thun kund und fügen zu wissen: daß Wir in Folge der eingetretenen außerordentlichen Verhältnisse, welche die beabsichtigte Vereinbarung der Verfassung unmöglich gemacht, und, entsprechend den dringenden Forderungen des öffentlichen Wohls, in möglichster Berücksichtigung der von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten, die nachfolgende Verfassungs-Urkunde zu erlassen beschlossen haben, vorbehaltlich der am Schlusse angeordneten Revision derselben im ordentlichen Wege der Gesetzgebung.

Wir verkünden demnach die Verfassung in den preußischen Staat wie folgt:

TitelI.

Vom Staatsgebiete.

Art. 1. Alle Landtheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das preußische Staatsgebiet.

Art. 2. Die Gränzen dieses Staatsgebiets können durch ein Gesetz verändert werden.

TitelII.

Von den rechten der Preußen.

Art. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigenschaft eines Preußen und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden.

Art 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standes-Vorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten gleich zugänglich.

Art. 5. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter welchen eine Verhaftung zulässig ist, sind durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24 Septbr. laufenden Jahres bestimmt.

Art. 6. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und Haussuchungen sind nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur auf Grund eines richterlichen Befehles vorgenommen werden.

Art 7. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen, so weit sie nicht durch diese Verfassungs-Urkunde für zulässig erklärt werden, sind unstatthaft. Strafen können nur in Gemäßheit des Gesetzes androht oder verhängt werden.

Art. 8. Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende, Entschädigung nach Maaßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.

Art. 9. Der bürgerliche Tod und die Strafe der Vermögenseinziehung findet nicht statt.

Art. 10. Die Freiheit der Auswanderung ist von Staats wegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

Art. 11. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religions-Gesellschaften (Art. 28 und 29) und der gemeinsamen öffentlichen Religions-Uebung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse und der Theilnahme an irgend einer Religions-Gesellschaft. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen.

Art. 12. Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten Stiftungen, und Fonds.

Art. 13. Der Verkehr der Religions-Gesellschaft mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.

Art. 14. Ueber das Kirchen-Patronat und die Bedingungen, unter welchen dasselbe aufzuheben, wird ein besonderes Gesetz ergehen.

Art. 15. Das, dem Staate zustehende Vorschlags-, Wahl- oder Bestätigungs-Recht bei Besetzung kirchlicher Stellen ist aufgehoben.

Art. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor den dazu bestimmten Civilstandes-Beamten bedingt. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civil-Altes stattfinden.

Art. 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.

Art. 18. Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche Anstalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet.

Eltern und Vormünder sind verpflichtet, ihren Kindern oder Pflegebefohlenen den zur allgemeinen Volksbildung erforderlichen Unterricht ertheilen zu lassen, und müssen sich in dieser Beziehung den Bestimmungen unterwerfen, welche das Unterrichtsgesetz aufstellen wird.

Art. 19. Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat.

Art. 20. Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten stehen unter der Aufsicht eigener, vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener.

Art. 21. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule und die Wahl der Lehrer, welche ihre sittliche und technische Beschäftigung den betreffenden Staatsbehörden gegenüber zuvor nachgewiesen haben müssen, stehen der Gemeinde zu.

Den religiösen Unterricht in der Volksschule besorgen und überwachen die betreffenden Religionsgesellschaften.

Art. 22. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der öffentlichen Volksschule werden von den Gemeinden und im Falle des nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staate aufgebracht. Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben bestehen.

In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeldlich ertheilt.

Art. 23. Ein besonderes Gesetz regelt das gesammte Unterrichtswesen. Der Staat gewährleistet den Volksschullehrern ein bestimmtes auskömmliches Gehalt.

Art. 24. Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern.

Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise namentlich weder durch Censur noch durch Konzessionen und Sicherheitsbestellungen, weder durch Staatsauflagen noch durch Beschränkungen der Druckereien und des Buchhandels, noch endlich durch Postverbote und ungleichmäßigen Postsatz oder durch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.

Art. 25. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen. Vor der erfolgten Revision des Strafrechts wird daruber ein besonderes vorläufiges Gesetz ergehen. Bis zu dessen Erscheinen bleibt es bei den jetzt geltenden allgemeinen Strafgesetzen.

Art. 26. Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und im Bereiche der richterlichen Gewalt des Staates, so dürfen Verleger, Drucker und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden. Auf der Druckschrift muß der Verleger und der Drucker genannt sein.

Art. 27. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln.

Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche in allen Beziehungen der Verfügung des Gesetzes unterworfen sind. Bis zum Erlaß eines solchen Gesetzes ist von Versammlungen unter freiem Himmel 24 Stunden vorher der Orts-Polizeibehörde Anzeige zu machen, welche die Versammlung zu verbieten hat, wenn sie dieselbe für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährlich erachtet.

Art. 28. Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.

Art. 29. Die Bedingungen, unter welchen Corporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, bestimmt das Gesetz.

Art. 30. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Corporationen gestattet.

Art. 31. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind.

Art. 32. Alle Preußen sind wehrpflichtig. Den Umfang und die Art dieser Pflicht bestimmt das Gesetz. Auf das Heer finden die in den §§. 5, 6, 27, 28 enthaltenen Bestimmungen insoweit Anwendung, als die militärischen Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen.

Art. 33. Die bewaffnete Macht besteht: aus dem stehenden Heere, der Landwehr, der Bürgerwehr.

Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit.

Art. 34. Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze nur auf Requisition der Civil-Behörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden.

Art. 35. Die Einrichtung der Bürgerwehr ist durch ein besonderes Gesetz geregelt.

Art. 36. Das Heer steht im Kriege und im Dienste unter der Militär-Kriminal-Gerichtsbarkeit und unter dem Militär-Straf-Gesetzbuch; außer dem Kriege und dem Dienste unter Beibehaltung der Militär-Kriminalgerichtsbarkeit unter den allgemeinen Strafgesetzen. Die Bestimmungen über die militärische Disziplin im Kriege und Frieden, so wie näheren Festsetzungen über den Militär-Gerichtsstand, bleiben Gegenstand besonderer Gesetze.

Art. 37. Das stehende Heer darf nicht berathschlagen. Eben so wenig darf es die Landwehr, wenn sie zusammenberufen ist. Auch wenn sie nicht zusammenberufen ist, sind Versammlungen und Vereine der Landwehr zur Berathung militärischer Befehle und Anordnungen nicht gestattet.

Art. 38. Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Familien-Fideikommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familien-Fideikommisse sollen durch gesetzliche Anordnung in freies Eigenthum umgestaltet werden.

Art. 39. Vorstehende Bestimmungen (Art. 38.) finden auf die Thronlehen, das Königliche Haus- und Prinzliche Fideikommiß, so wie auf die außerhalb des Staates belegenen Lehen und die ehemals reichsunmittelbaren Besitzungen und Fideikommisse, insofern letztere durch das deutsche Bundesrecht gewährleistet sind, zur Zeit keine Anwendung. Die Rechtsverhältnisse derselben sollen durch besondere Gesetze geordnet werden.

Art. 40. Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigenthum unterliegt keinen anderen Beschränkungen, als denen der allgemeinen Gesetzgebung. Die Theilbarkeit des Grundeigenthums und die Ablösbarkeit der Grundlasten wird gewährleistet.

Aufgehoben ohne Entschädigung sind:

a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, welche den bisher Berechtigten oblagen
Bis zur Emanirung der neuen Gemeinde-Ordnung bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der Polizei-Verwaltung.
b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbe-Verfassung, herstammenden Verpflichtungen.

Bei erblicher Ueberlassung eines Grundstückes ist nur die Uebertragung des vollen Eigenthums zulässig; jedoch kann auch hier ein fester ablösbarer Zins vorbehalten werden.

TitelIII.

Vom Könige.

Art. 41. Die Person des Königs ist unverletzlich.

Art. 42. Seine Minister sind verantwortlich. -- Alle Regierungs-Akte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.

Art. 43. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt unverzüglich die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen.

Art. 44 Der König führt den Oberbefehl über das Heer.

Art. 45. Er besetzt alle Stellen in demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht das Gesetz ein Anderes verordnet.

Art. 46. Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten. Handels-Verträge, so wie andere Verträge, durch welche dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern.

Art. 47. Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung.

Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlung verurtheilten Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen ist.

Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen.

Art. 48. Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu.

Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.

Art. 49. Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. Es müssen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraums von 40 Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen nach der Auflösung die Kammern versammelt werden.

Art. 50. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung darf diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden.

Art. 51. Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen gemäß, erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.

Art. 52. Der König wird mit Vollendung des 18ten Lebensjahres volljährig.

Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbniß, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.

Art. 53. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein.

Art. 54. Im Fall der Minderjährigkeit des Königs vereinigen sich beide Kammern zu Einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist.

Art. 55. Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft der Nächste zur Krone oder Derjenige, der nach den Hausgesetzen an dessen Stelle tritt, beide Kammern, um in Gemäßheit des Art. 54. zu handeln.

Art. 56. Die Regentschaft kann nur einer Person übertragen werden. Der Regent schwört bei Antretung der Regentschaft einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.

Art. 57. Dem Kron-Fideikommiß-Fonds verbleibt die durch das Gesetz vom 17. Januar 1820 auf die Einkünfte der Domainen und Forsten angewiesene Rente.

TitelIV.

Von den Ministern.

Art. 58. Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staats-Beamten, haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden.

Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.

Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind.

Art. 59. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungs-Verletzung, der Bestechung und des Verrathes, angeklagt werden. Ueber solche Anklage entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Senaten. So lange noch zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusammen.

Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaß werden einem besonderen Gesetze vorbehalten.

Titel V.

Von den Kammern.

Art. 60. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt.

Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.

Hierzu eine Beilage.

Brandenburg verlegt und die Versammlung aufgefordert, zur Fortsetzung ihrer sofort abzubrechenden Berathungen am 27. v. M. in Brandenburg wieder zusammenzutreten. Durch diese Anordnung, welche lediglich den Zweck hatte, die Freiheit der Berathungen der Volksvertreter vor den anarchischen Bewegungen in der Hauptstadt und ihren terroristischen Einflüssen sicher zu stellen, glaubten Ew. Königl. Maj. nicht nur ein unzweifelhaftes Recht der Krone, sondern auch eine durch die Rücksicht auf das Wohl des Landes dringend gebotene Pflicht auszuüben. Leider ist Ew. Königl. Maj. wohlmeinende Absicht dabei von einem großen Theile der Versammlung verkannt worden. Uneingedenk ihrer wahren Aufgabe und ihrer Pflichten gegen die Krone und das Land, hat die Mehrzahl der Abgeordneten ihre Berathungen der von Ew. Königlichen Majestät angeordneten Vertagung derselben ungeachtet, eigenmächtig in Berlin fortgesetzt und sich angemaßt, als eine souveraine Gewalt über Rechte der Krone zu entscheiden. Sie hat ferner die von Ew. Königl. Maj. auf Grund einer klaren gesetzlichen Bestimmung ausgesprochene Auflösung der Berliner Bürgerwehr für eine ungesetzliche Maßregel erklärt und dadurch die gedachte Bürgerwehr zum Widerstande gegen die Ausführung jener Anordnung aufgereizt. Sie hat endlich sich nicht gescheut, durch die an das Volk gerichtete Aufforderung zur Verweigerung der gesetzlichen Steuern, die Brandfackel der Anarchie in das Land zu schleudern und den ganzen Staatsverband dem Umsturze preiszugeben. Durch diese eben so rechtswidrigen wie verderblichen Beschlüsse hatte die in Berlin forttagende Mehrzahl der Mitglieder der Versammlung offen mit der Krone gebrochen und Ew. Königlichen Majestät gegenüber einen Standpunkt eingenommen, bei dessen Festhaltung die Möglichkeit einer befriedigenden Vereinbarung des Verfassungswerkes nicht abzusehen war. Hiernach wären Ew. Königliche Majestät schon damals, unmittelbar nach dem Steuerverweigerungs-Beschluß, unzweifelhaft berechtigt gewesen, die Versammlung aufzulösen. Gleichwohl gaben Ew. Königliche Majestät die Hoffnung noch nicht auf, daß die seitdem laut gewordene Stimme des Landes und die durch eine leidenschaftliche Auffassung vorübergehend zurückgedrängte Vaterlandsliebe viele jener Abgeordneten von dem betretenen Abwege zurückführen, daß unter deren Hinzutritt die Versammlung nach Ablauf der Vertagungsfrist in beschlußfähiger Zahl sich neu konstituiren, daß sie dann die Ungesetzlichkeit und Ungültigkeit der während der Vertagungsfrist von einem Theile ihrer Mitglieder gefaßten Beschlüsse in einer unzweideutigen Weise anerkennen, und daß es so der Krone werde möglich gemacht werden, die abgebrochenen Vereinbarungs-Verhandlungen wieder aufzunehmen und bald zu einem gedeihlichen Ziele zu führen. Wäre dies gelungen, so würde es auch möglich geworden sein, noch einige zur Verbesserung der Lage der bäuerlichen Besitzer und zur Erfüllung anderer dringender Wünsche des Landes schon vorbereitete Gesetze, im Verein mit der Versammlung, bald zu Stande zu bringen.

Ew. Majestät Hoffnungen sind indessen, leider! durch die Ereignisse der letzten Woche getäuscht worden. Nachdem die ihrer Pflicht gegen Ew. Königl. Majestät und das Vaterland getreuen Abgeordneten vier Tage hinter einander, vom 27. bis zum 30. v. M., zu Brandenburg in nicht beschlußfähiger Zahl versammelt gewesen waren, wurde die Versammlung endlich am 1. d. M. durch den Hinzutritt eines großen Theiles derjenigen Abgeordneten beschlußfähig, welche sich bis dahin der durch die Botschaft vom 8. vorigen Monats angeordneten Verlegung der Versammlung widersetzt hatten. Anstatt aber diesen Widerstand aufzugeben, erklärte der Wortführer der hinzugetretenen Mitglieder, daß dieselben, um die beabsichtigte Einberufung ihrer Stellvertreter abzuwenden, und nicht in Befolgung der Anordnungen Ew. Majestät, sondern lediglich deßhalb erschienen seien, weil das während der Vertagungsfrist von den in Berlin zurückgebliebenen Mitgliedern gewählte Präsidium die Versammlung nach Brandenburg berufen habe. Zugleich wurde von diesem Theile der Versammlung ein auf Vertagung bis zum 4. d. M. gestellter Antrag in der von ihrem Wortführer ausgesprochenen Absicht unterstützt, um für diejenigen Ausgebliebenen, denen die Berufung des Präsidiums noch nicht zugegangen sei, Zeit zu gewinnen. Als hierauf der Vertagungsantrag verworfen war, verließen jene neu hinzugetretenen Abgeordneten beinahe sämmtlich die Versammlung, welche dadurch wieder beschlußunfähig und außer Stand gesetzt wurde, sich neu zu konstituiren.

Dieser Vorgang, welcher auf den pflichtgetreuen Theil der Versammlung, wie auf jeden dabei anwesenden Freund des Vaterlandes, einen tief verletzenden Eindruck machte, gibt den deutlichen Beweis, daß von derjenigen Fraktion der Abgeordneten, die nach dem 9. v. M. in Berlin fortgetagt hat, ein großer, noch immer die Mehrzahl der ganzen Versammlung bildender Theil in offener Auflehnung gegen die von Ew. k. M. in der Botschaft vom 8. vorigen Monats getroffenen Anordnungen, mithin auf einem Standpunkte verharrt, welcher, nach unserer pflichtmäßigen Ueberzeugung, die Möglichkeit einer Vereinbarung mit der Krone ausschließt. Bei der numerischen Stärke dieser Patei würde es jederzeit von ihrem Belieben abhangen, die Versammlung — wie es am 1. dieses Monats geschehen ist — beschlußunfähig zu machen, ohne daß gegen ein solches Beginnen die früher beabsichtigte Einberufung der Stellvertreter, die ohnehin während der Anwesenheit der Abgeordneten gesetzlich nicht zu begründen wäre, genügenden Schutz gewähren könnte.

Die zur Vereinbarung der Verfassung berufene Versammlung befindet sich hiernach in einem Zustande so tiefer innerer Zerrüttung, daß mit ihr die Verfassungsberathung ohne Verletzung der Würde der Krone nach unserer Ansicht nicht länger fortgesetzt werden kann. Wir beklagen dies um so schmerzlicher, je zuversichtlicher wir von der Fortführung der Vereinbarungsverhandlungen mit denjenigen Abgeordneten, welche der von Ew. M. ergangenen Berufung nach Brandenburg, zum Theil selbst unter Aufopferung früher verfochtener Ansichten, schuldige Folge geleistet hatten, ein für das Vaterland gedeihliches Resultat erwarten durften. Gleichwohl glauben wir eine nochmalige Wiederholung des in der vorigen Woche fünfmal mißlungenen Versuches einer neuen Konstituirung der Versammlung pflichtmäßig widerrathen zu müssen, weil sich mit großer Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß dabei die tiefste Zerrissenheit der Versammlung und ihre unverkennbare innerliche Auflösung in ähnlicher Weise, wie am 1. d. M., zur Trauer aller wahren Vaterlandsfreunde hervortreten würde.

Ew. k. Maj. können wir demnach nur die sofortige Auflösung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung anrathen, und erlauben uns, den Entwurf der diesfälligen Verordnung zu Ew. k. Maj. Allerh. Vollziehung ehrfurchtsvvoll beizufügen.

Gewiß ist diese Vereitlung des vor länger als sechs Monaten begonnenen Versuchs der Vereinbarung einer Verfassung zwischen der Krone und den Vertretern des Vols ein sehr beklagenswerthes Ereigniß. Wahrhaft verderblich aber würde es sein, wenn, um dieser Vereitlung willen, die Sehnsucht des Landes nach einer Verfassung, von welcher es Wiederherstellung eines festen Rechtszustandes und des in allen Verhältnissen des öffentlichen Lebens gestörten Vertrauens mit Recht erwarten darf, noch längere Zeit unbefriedigt bleiben sollte. Ew. k. M. können wir daher nur pflichtgemäß rathen, Ihrem Volke eine Verfassung, die zur Begründung, Befestigung und Erhaltung wahrer Freiheit geeignet ist, unverzüglich unter dem Vorbehalt zu gewähren, daß dieselbe von den zunächst, und zwar sofort, zu berufenden Kammern einer Revision zu unterwerfen sei. Wir haben eine solche Verfassung unter strenger Festhaltung der von Ew. Königl. Majestät im März d. J. ertheilten Verheißungen entworfen und dabei nicht nur die Vorarbeiten der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung, sondern auch die bisherigen Beschlüsse der deutschen National-Versammlung, deren ferner-Beschlüsse auch bei der vorzubehaltenden Revision zu beachten sein werden, sorgfältig berücksichtigt. Indem wir diesen Entwurf, nebst dem Entwurf eines Wahlgesetzes, hierbei unterthänigst vorlegen, stellen wir Ew. Königl. Majestät die Vollziehung derselben ehrfurchtsvoll anheim.

Schließlich behalten wir uns vor, bei Ew. Königl. Majestät den provisorischen Erlaß verschiedener, zur Befriedigung dringender Bedürfnisse des Landes erforderlichen Verordnungen in den nächsten Tagen unterthänigst zu beantragen.

Berlin, den 5. December 1848.

Das Staats-Ministerium.

Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Strotha.

von Manteuffel. Rintelen von der Heydt.

Verfassungs-Urkunde
für
den preußischen Staat.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. thun kund und fügen zu wissen: daß Wir in Folge der eingetretenen außerordentlichen Verhältnisse, welche die beabsichtigte Vereinbarung der Verfassung unmöglich gemacht, und, entsprechend den dringenden Forderungen des öffentlichen Wohls, in möglichster Berücksichtigung der von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten, die nachfolgende Verfassungs-Urkunde zu erlassen beschlossen haben, vorbehaltlich der am Schlusse angeordneten Revision derselben im ordentlichen Wege der Gesetzgebung.

Wir verkünden demnach die Verfassung in den preußischen Staat wie folgt:

TitelI.

Vom Staatsgebiete.

Art. 1. Alle Landtheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das preußische Staatsgebiet.

Art. 2. Die Gränzen dieses Staatsgebiets können durch ein Gesetz verändert werden.

TitelII.

Von den rechten der Preußen.

Art. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigenschaft eines Preußen und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden.

Art 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standes-Vorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten gleich zugänglich.

Art. 5. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter welchen eine Verhaftung zulässig ist, sind durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24 Septbr. laufenden Jahres bestimmt.

Art. 6. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und Haussuchungen sind nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur auf Grund eines richterlichen Befehles vorgenommen werden.

Art 7. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen, so weit sie nicht durch diese Verfassungs-Urkunde für zulässig erklärt werden, sind unstatthaft. Strafen können nur in Gemäßheit des Gesetzes androht oder verhängt werden.

Art. 8. Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende, Entschädigung nach Maaßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.

Art. 9. Der bürgerliche Tod und die Strafe der Vermögenseinziehung findet nicht statt.

Art. 10. Die Freiheit der Auswanderung ist von Staats wegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

Art. 11. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religions-Gesellschaften (Art. 28 und 29) und der gemeinsamen öffentlichen Religions-Uebung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse und der Theilnahme an irgend einer Religions-Gesellschaft. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen.

Art. 12. Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten Stiftungen, und Fonds.

Art. 13. Der Verkehr der Religions-Gesellschaft mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.

Art. 14. Ueber das Kirchen-Patronat und die Bedingungen, unter welchen dasselbe aufzuheben, wird ein besonderes Gesetz ergehen.

Art. 15. Das, dem Staate zustehende Vorschlags-, Wahl- oder Bestätigungs-Recht bei Besetzung kirchlicher Stellen ist aufgehoben.

Art. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor den dazu bestimmten Civilstandes-Beamten bedingt. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civil-Altes stattfinden.

Art. 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.

Art. 18. Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche Anstalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet.

Eltern und Vormünder sind verpflichtet, ihren Kindern oder Pflegebefohlenen den zur allgemeinen Volksbildung erforderlichen Unterricht ertheilen zu lassen, und müssen sich in dieser Beziehung den Bestimmungen unterwerfen, welche das Unterrichtsgesetz aufstellen wird.

Art. 19. Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat.

Art. 20. Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten stehen unter der Aufsicht eigener, vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener.

Art. 21. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule und die Wahl der Lehrer, welche ihre sittliche und technische Beschäftigung den betreffenden Staatsbehörden gegenüber zuvor nachgewiesen haben müssen, stehen der Gemeinde zu.

Den religiösen Unterricht in der Volksschule besorgen und überwachen die betreffenden Religionsgesellschaften.

Art. 22. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der öffentlichen Volksschule werden von den Gemeinden und im Falle des nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staate aufgebracht. Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben bestehen.

In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeldlich ertheilt.

Art. 23. Ein besonderes Gesetz regelt das gesammte Unterrichtswesen. Der Staat gewährleistet den Volksschullehrern ein bestimmtes auskömmliches Gehalt.

Art. 24. Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern.

Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise namentlich weder durch Censur noch durch Konzessionen und Sicherheitsbestellungen, weder durch Staatsauflagen noch durch Beschränkungen der Druckereien und des Buchhandels, noch endlich durch Postverbote und ungleichmäßigen Postsatz oder durch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.

Art. 25. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen. Vor der erfolgten Revision des Strafrechts wird daruber ein besonderes vorläufiges Gesetz ergehen. Bis zu dessen Erscheinen bleibt es bei den jetzt geltenden allgemeinen Strafgesetzen.

Art. 26. Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und im Bereiche der richterlichen Gewalt des Staates, so dürfen Verleger, Drucker und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden. Auf der Druckschrift muß der Verleger und der Drucker genannt sein.

Art. 27. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln.

Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche in allen Beziehungen der Verfügung des Gesetzes unterworfen sind. Bis zum Erlaß eines solchen Gesetzes ist von Versammlungen unter freiem Himmel 24 Stunden vorher der Orts-Polizeibehörde Anzeige zu machen, welche die Versammlung zu verbieten hat, wenn sie dieselbe für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährlich erachtet.

Art. 28. Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.

Art. 29. Die Bedingungen, unter welchen Corporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, bestimmt das Gesetz.

Art. 30. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Corporationen gestattet.

Art. 31. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind.

Art. 32. Alle Preußen sind wehrpflichtig. Den Umfang und die Art dieser Pflicht bestimmt das Gesetz. Auf das Heer finden die in den §§. 5, 6, 27, 28 enthaltenen Bestimmungen insoweit Anwendung, als die militärischen Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen.

Art. 33. Die bewaffnete Macht besteht: aus dem stehenden Heere, der Landwehr, der Bürgerwehr.

Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit.

Art. 34. Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze nur auf Requisition der Civil-Behörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden.

Art. 35. Die Einrichtung der Bürgerwehr ist durch ein besonderes Gesetz geregelt.

Art. 36. Das Heer steht im Kriege und im Dienste unter der Militär-Kriminal-Gerichtsbarkeit und unter dem Militär-Straf-Gesetzbuch; außer dem Kriege und dem Dienste unter Beibehaltung der Militär-Kriminalgerichtsbarkeit unter den allgemeinen Strafgesetzen. Die Bestimmungen über die militärische Disziplin im Kriege und Frieden, so wie näheren Festsetzungen über den Militär-Gerichtsstand, bleiben Gegenstand besonderer Gesetze.

Art. 37. Das stehende Heer darf nicht berathschlagen. Eben so wenig darf es die Landwehr, wenn sie zusammenberufen ist. Auch wenn sie nicht zusammenberufen ist, sind Versammlungen und Vereine der Landwehr zur Berathung militärischer Befehle und Anordnungen nicht gestattet.

Art. 38. Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Familien-Fideikommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familien-Fideikommisse sollen durch gesetzliche Anordnung in freies Eigenthum umgestaltet werden.

Art. 39. Vorstehende Bestimmungen (Art. 38.) finden auf die Thronlehen, das Königliche Haus- und Prinzliche Fideikommiß, so wie auf die außerhalb des Staates belegenen Lehen und die ehemals reichsunmittelbaren Besitzungen und Fideikommisse, insofern letztere durch das deutsche Bundesrecht gewährleistet sind, zur Zeit keine Anwendung. Die Rechtsverhältnisse derselben sollen durch besondere Gesetze geordnet werden.

Art. 40. Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigenthum unterliegt keinen anderen Beschränkungen, als denen der allgemeinen Gesetzgebung. Die Theilbarkeit des Grundeigenthums und die Ablösbarkeit der Grundlasten wird gewährleistet.

Aufgehoben ohne Entschädigung sind:

a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, welche den bisher Berechtigten oblagen
Bis zur Emanirung der neuen Gemeinde-Ordnung bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der Polizei-Verwaltung.
b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbe-Verfassung, herstammenden Verpflichtungen.

Bei erblicher Ueberlassung eines Grundstückes ist nur die Uebertragung des vollen Eigenthums zulässig; jedoch kann auch hier ein fester ablösbarer Zins vorbehalten werden.

TitelIII.

Vom Könige.

Art. 41. Die Person des Königs ist unverletzlich.

Art. 42. Seine Minister sind verantwortlich. — Alle Regierungs-Akte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.

Art. 43. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt unverzüglich die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen.

Art. 44 Der König führt den Oberbefehl über das Heer.

Art. 45. Er besetzt alle Stellen in demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht das Gesetz ein Anderes verordnet.

Art. 46. Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten. Handels-Verträge, so wie andere Verträge, durch welche dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern.

Art. 47. Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung.

Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlung verurtheilten Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen ist.

Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen.

Art. 48. Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu.

Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.

Art. 49. Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. Es müssen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraums von 40 Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen nach der Auflösung die Kammern versammelt werden.

Art. 50. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung darf diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden.

Art. 51. Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen gemäß, erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.

Art. 52. Der König wird mit Vollendung des 18ten Lebensjahres volljährig.

Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbniß, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.

Art. 53. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein.

Art. 54. Im Fall der Minderjährigkeit des Königs vereinigen sich beide Kammern zu Einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist.

Art. 55. Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft der Nächste zur Krone oder Derjenige, der nach den Hausgesetzen an dessen Stelle tritt, beide Kammern, um in Gemäßheit des Art. 54. zu handeln.

Art. 56. Die Regentschaft kann nur einer Person übertragen werden. Der Regent schwört bei Antretung der Regentschaft einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.

Art. 57. Dem Kron-Fideikommiß-Fonds verbleibt die durch das Gesetz vom 17. Januar 1820 auf die Einkünfte der Domainen und Forsten angewiesene Rente.

TitelIV.

Von den Ministern.

Art. 58. Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staats-Beamten, haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden.

Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.

Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind.

Art. 59. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungs-Verletzung, der Bestechung und des Verrathes, angeklagt werden. Ueber solche Anklage entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Senaten. So lange noch zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusammen.

Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaß werden einem besonderen Gesetze vorbehalten.

Titel V.

Von den Kammern.

Art. 60. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt.

Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.

Hierzu eine Beilage.

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Brandenburg verlegt und die Versammlung aufgefordert, zur Fortsetzung ihrer sofort abzubrechenden Berathungen am 27. v. M. in Brandenburg wieder zusammenzutreten. Durch diese Anordnung, welche lediglich den Zweck hatte, die Freiheit der Berathungen der Volksvertreter vor den anarchischen Bewegungen in der Hauptstadt und ihren terroristischen Einflüssen sicher zu stellen, glaubten Ew. Königl. Maj. nicht nur ein unzweifelhaftes Recht der Krone, sondern auch eine durch die Rücksicht auf das Wohl des Landes dringend gebotene Pflicht auszuüben. Leider ist Ew. Königl. Maj. wohlmeinende Absicht dabei von einem großen Theile der Versammlung verkannt worden. Uneingedenk ihrer wahren Aufgabe und ihrer Pflichten gegen die Krone und das Land, hat die Mehrzahl der Abgeordneten ihre Berathungen der von Ew. Königlichen Majestät angeordneten Vertagung derselben ungeachtet, eigenmächtig in Berlin fortgesetzt und sich angemaßt, als eine souveraine Gewalt über Rechte der Krone zu entscheiden. Sie hat ferner die von Ew. Königl. Maj. auf Grund einer klaren gesetzlichen Bestimmung ausgesprochene Auflösung der Berliner Bürgerwehr für eine ungesetzliche Maßregel erklärt und dadurch die gedachte Bürgerwehr zum Widerstande gegen die Ausführung jener Anordnung aufgereizt. Sie hat endlich sich nicht gescheut, durch die an das Volk gerichtete Aufforderung zur Verweigerung der gesetzlichen Steuern, die Brandfackel der Anarchie in das Land zu schleudern und den ganzen Staatsverband dem Umsturze preiszugeben. Durch diese eben so rechtswidrigen wie verderblichen Beschlüsse hatte die in Berlin forttagende Mehrzahl der Mitglieder der Versammlung offen mit der Krone gebrochen und Ew. Königlichen Majestät gegenüber einen Standpunkt eingenommen, bei dessen Festhaltung die Möglichkeit einer befriedigenden Vereinbarung des Verfassungswerkes nicht abzusehen war. Hiernach wären Ew. Königliche Majestät schon damals, unmittelbar nach dem Steuerverweigerungs-Beschluß, unzweifelhaft berechtigt gewesen, die Versammlung aufzulösen. Gleichwohl gaben Ew. Königliche Majestät die Hoffnung noch nicht auf, daß die seitdem laut gewordene Stimme des Landes und die durch eine leidenschaftliche Auffassung vorübergehend zurückgedrängte Vaterlandsliebe viele jener Abgeordneten von dem betretenen Abwege zurückführen, daß unter deren Hinzutritt die Versammlung nach Ablauf der Vertagungsfrist in beschlußfähiger Zahl sich neu konstituiren, daß sie dann die Ungesetzlichkeit und Ungültigkeit der während der Vertagungsfrist von einem Theile ihrer Mitglieder gefaßten Beschlüsse in einer unzweideutigen Weise anerkennen, und daß es so der Krone werde möglich gemacht werden, die abgebrochenen Vereinbarungs-Verhandlungen wieder aufzunehmen und bald zu einem gedeihlichen Ziele zu führen. Wäre dies gelungen, so würde es auch möglich geworden sein, noch einige zur Verbesserung der Lage der bäuerlichen Besitzer und zur Erfüllung anderer dringender Wünsche des Landes schon vorbereitete Gesetze, im Verein mit der Versammlung, bald zu Stande zu bringen.</p>
          <p>Ew. Majestät Hoffnungen sind indessen, leider! durch die Ereignisse der letzten Woche getäuscht worden. Nachdem die ihrer Pflicht gegen Ew. Königl. Majestät und das Vaterland getreuen Abgeordneten vier Tage hinter einander, vom 27. bis zum 30. v. M., zu Brandenburg in nicht beschlußfähiger Zahl versammelt gewesen waren, wurde die Versammlung endlich am 1. d. M. durch den Hinzutritt eines großen Theiles derjenigen Abgeordneten beschlußfähig, welche sich bis dahin der durch die Botschaft vom 8. vorigen Monats angeordneten Verlegung der Versammlung widersetzt hatten. Anstatt aber diesen Widerstand aufzugeben, erklärte der Wortführer der hinzugetretenen Mitglieder, daß dieselben, um die beabsichtigte Einberufung ihrer Stellvertreter abzuwenden, und nicht in Befolgung der Anordnungen Ew. Majestät, sondern lediglich deßhalb erschienen seien, weil das während der Vertagungsfrist von den in Berlin zurückgebliebenen Mitgliedern gewählte Präsidium die Versammlung nach Brandenburg berufen habe. Zugleich wurde von diesem Theile der Versammlung ein auf Vertagung bis zum 4. d. M. gestellter Antrag in der von ihrem Wortführer ausgesprochenen Absicht unterstützt, um für diejenigen Ausgebliebenen, denen die Berufung des Präsidiums noch nicht zugegangen sei, Zeit zu gewinnen. Als hierauf der Vertagungsantrag verworfen war, verließen jene neu hinzugetretenen Abgeordneten beinahe sämmtlich die Versammlung, welche dadurch wieder beschlußunfähig und außer Stand gesetzt wurde, sich neu zu konstituiren.</p>
          <p>Dieser Vorgang, welcher auf den pflichtgetreuen Theil der Versammlung, wie auf jeden dabei anwesenden Freund des Vaterlandes, einen tief verletzenden Eindruck machte, gibt den deutlichen Beweis, daß von derjenigen Fraktion der Abgeordneten, die nach dem 9. v. M. in Berlin fortgetagt hat, ein großer, noch immer die Mehrzahl der ganzen Versammlung bildender Theil in offener Auflehnung gegen die von Ew. k. M. in der Botschaft vom 8. vorigen Monats getroffenen Anordnungen, mithin auf einem Standpunkte verharrt, welcher, nach unserer pflichtmäßigen Ueberzeugung, die Möglichkeit einer Vereinbarung mit der Krone ausschließt. Bei der numerischen Stärke dieser Patei würde es jederzeit von ihrem Belieben abhangen, die Versammlung &#x2014; wie es am 1. dieses Monats geschehen ist &#x2014; beschlußunfähig zu machen, ohne daß gegen ein solches Beginnen die früher beabsichtigte Einberufung der Stellvertreter, die ohnehin während der Anwesenheit der Abgeordneten gesetzlich nicht zu begründen wäre, genügenden Schutz gewähren könnte.</p>
          <p>Die zur Vereinbarung der Verfassung berufene Versammlung befindet sich hiernach in einem Zustande so tiefer innerer Zerrüttung, daß mit ihr die Verfassungsberathung ohne Verletzung der Würde der Krone nach unserer Ansicht nicht länger fortgesetzt werden kann. Wir beklagen dies um so schmerzlicher, je zuversichtlicher wir von der Fortführung der Vereinbarungsverhandlungen mit denjenigen Abgeordneten, welche der von Ew. M. ergangenen Berufung nach Brandenburg, zum Theil selbst unter Aufopferung früher verfochtener Ansichten, schuldige Folge geleistet hatten, ein für das Vaterland gedeihliches Resultat erwarten durften. Gleichwohl glauben wir eine nochmalige Wiederholung des in der vorigen Woche fünfmal mißlungenen Versuches einer neuen Konstituirung der Versammlung pflichtmäßig widerrathen zu müssen, weil sich mit großer Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß dabei die tiefste Zerrissenheit der Versammlung und ihre unverkennbare innerliche Auflösung in ähnlicher Weise, wie am 1. d. M., zur Trauer aller wahren Vaterlandsfreunde hervortreten würde.</p>
          <p>Ew. k. Maj. können wir demnach nur die sofortige Auflösung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung anrathen, und erlauben uns, den Entwurf der diesfälligen Verordnung zu Ew. k. Maj. Allerh. Vollziehung ehrfurchtsvvoll beizufügen.</p>
          <p>Gewiß ist diese Vereitlung des vor länger als sechs Monaten begonnenen Versuchs der Vereinbarung einer Verfassung zwischen der Krone und den Vertretern des Vols ein sehr beklagenswerthes Ereigniß. Wahrhaft verderblich aber würde es sein, wenn, um dieser Vereitlung willen, die Sehnsucht des Landes nach einer Verfassung, von welcher es Wiederherstellung eines festen Rechtszustandes und des in allen Verhältnissen des öffentlichen Lebens gestörten Vertrauens mit Recht erwarten darf, noch längere Zeit unbefriedigt bleiben sollte. Ew. k. M. können wir daher nur pflichtgemäß rathen, Ihrem Volke eine Verfassung, die zur Begründung, Befestigung und Erhaltung wahrer Freiheit geeignet ist, unverzüglich unter dem Vorbehalt zu gewähren, daß dieselbe von den zunächst, und zwar sofort, zu berufenden Kammern einer Revision zu unterwerfen sei. Wir haben eine solche Verfassung unter strenger Festhaltung der von Ew. Königl. Majestät im März d. J. ertheilten Verheißungen entworfen und dabei nicht nur die Vorarbeiten der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung, sondern auch die bisherigen Beschlüsse der deutschen National-Versammlung, deren ferner-Beschlüsse auch bei der vorzubehaltenden Revision zu beachten sein werden, sorgfältig berücksichtigt. Indem wir diesen Entwurf, nebst dem Entwurf eines Wahlgesetzes, hierbei unterthänigst vorlegen, stellen wir Ew. Königl. Majestät die Vollziehung derselben ehrfurchtsvoll anheim.</p>
          <p>Schließlich behalten wir uns vor, bei Ew. Königl. Majestät den provisorischen Erlaß verschiedener, zur Befriedigung dringender Bedürfnisse des Landes erforderlichen Verordnungen in den nächsten Tagen unterthänigst zu beantragen.</p>
          <p>Berlin, den 5. December 1848.</p>
          <p>Das Staats-Ministerium.</p>
          <p>Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Strotha.</p>
          <p>von Manteuffel. Rintelen von der Heydt.</p>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#b">Verfassungs-Urkunde</hi><lb/>
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den preußischen Staat.</p>
          <p>Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. thun kund und fügen zu wissen: daß Wir in Folge der eingetretenen außerordentlichen Verhältnisse, welche die beabsichtigte Vereinbarung der Verfassung unmöglich gemacht, und, entsprechend den dringenden Forderungen des öffentlichen Wohls, in möglichster Berücksichtigung der von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten, die nachfolgende Verfassungs-Urkunde zu erlassen beschlossen haben, vorbehaltlich der am Schlusse angeordneten Revision derselben im ordentlichen Wege der Gesetzgebung.</p>
          <p>Wir verkünden demnach die Verfassung in den preußischen Staat wie folgt:</p>
          <p><hi rendition="#g">Titel</hi>I.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vom Staatsgebiete</hi>.</p>
          <p>Art. 1. Alle Landtheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das preußische Staatsgebiet.</p>
          <p>Art. 2. Die Gränzen dieses Staatsgebiets können durch ein Gesetz verändert werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Titel</hi>II.</p>
          <p><hi rendition="#g">Von den rechten der Preußen</hi>.</p>
          <p>Art. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigenschaft eines Preußen und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden.</p>
          <p>Art 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standes-Vorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten gleich zugänglich.</p>
          <p>Art. 5. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter welchen eine Verhaftung zulässig ist, sind durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24 Septbr. laufenden Jahres bestimmt.</p>
          <p>Art. 6. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und Haussuchungen sind nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur auf Grund eines richterlichen Befehles vorgenommen werden.</p>
          <p>Art 7. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen, so weit sie nicht durch diese Verfassungs-Urkunde für zulässig erklärt werden, sind unstatthaft. Strafen können nur in Gemäßheit des Gesetzes androht oder verhängt werden.</p>
          <p>Art. 8. Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende, Entschädigung nach Maaßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.</p>
          <p>Art. 9. Der bürgerliche Tod und die Strafe der Vermögenseinziehung findet nicht statt.</p>
          <p>Art. 10. Die Freiheit der Auswanderung ist von Staats wegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.</p>
          <p>Art. 11. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religions-Gesellschaften (Art. 28 und 29) und der gemeinsamen öffentlichen Religions-Uebung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse und der Theilnahme an irgend einer Religions-Gesellschaft. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen.</p>
          <p>Art. 12. Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten Stiftungen, und Fonds.</p>
          <p>Art. 13. Der Verkehr der Religions-Gesellschaft mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.</p>
          <p>Art. 14. Ueber das Kirchen-Patronat und die Bedingungen, unter welchen dasselbe aufzuheben, wird ein besonderes Gesetz ergehen.</p>
          <p>Art. 15. Das, dem Staate zustehende Vorschlags-, Wahl- oder Bestätigungs-Recht bei Besetzung kirchlicher Stellen ist aufgehoben.</p>
          <p>Art. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor den dazu bestimmten Civilstandes-Beamten bedingt. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civil-Altes stattfinden.</p>
          <p>Art. 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.</p>
          <p>Art. 18. Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche Anstalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet.</p>
          <p>Eltern und Vormünder sind verpflichtet, ihren Kindern oder Pflegebefohlenen den zur allgemeinen Volksbildung erforderlichen Unterricht ertheilen zu lassen, und müssen sich in dieser Beziehung den Bestimmungen unterwerfen, welche das Unterrichtsgesetz aufstellen wird.</p>
          <p>Art. 19. Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat.</p>
          <p>Art. 20. Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten stehen unter der Aufsicht eigener, vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener.</p>
          <p>Art. 21. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule und die Wahl der Lehrer, welche ihre sittliche und technische Beschäftigung den betreffenden Staatsbehörden gegenüber zuvor nachgewiesen haben müssen, stehen der Gemeinde zu.</p>
          <p>Den religiösen Unterricht in der Volksschule besorgen und überwachen die betreffenden Religionsgesellschaften.</p>
          <p>Art. 22. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der öffentlichen Volksschule werden von den Gemeinden und im Falle des nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staate aufgebracht. Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben bestehen.</p>
          <p>In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeldlich ertheilt.</p>
          <p>Art. 23. Ein besonderes Gesetz regelt das gesammte Unterrichtswesen. Der Staat gewährleistet den Volksschullehrern ein bestimmtes auskömmliches Gehalt.</p>
          <p>Art. 24. Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern.</p>
          <p>Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise namentlich weder durch Censur noch durch Konzessionen und Sicherheitsbestellungen, weder durch Staatsauflagen noch durch Beschränkungen der Druckereien und des Buchhandels, noch endlich durch Postverbote und ungleichmäßigen Postsatz oder durch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.</p>
          <p>Art. 25. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen. Vor der erfolgten Revision des Strafrechts wird daruber ein besonderes vorläufiges Gesetz ergehen. Bis zu dessen Erscheinen bleibt es bei den jetzt geltenden allgemeinen Strafgesetzen.</p>
          <p>Art. 26. Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und im Bereiche der richterlichen Gewalt des Staates, so dürfen Verleger, Drucker und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden. Auf der Druckschrift muß der Verleger und der Drucker genannt sein.</p>
          <p>Art. 27. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln.</p>
          <p>Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche in allen Beziehungen der Verfügung des Gesetzes unterworfen sind. Bis zum Erlaß eines solchen Gesetzes ist von Versammlungen unter freiem Himmel 24 Stunden vorher der Orts-Polizeibehörde Anzeige zu machen, welche die Versammlung zu verbieten hat, wenn sie dieselbe für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährlich erachtet.</p>
          <p>Art. 28. Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.</p>
          <p>Art. 29. Die Bedingungen, unter welchen Corporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, bestimmt das Gesetz.</p>
          <p>Art. 30. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Corporationen gestattet.</p>
          <p>Art. 31. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind.</p>
          <p>Art. 32. Alle Preußen sind wehrpflichtig. Den Umfang und die Art dieser Pflicht bestimmt das Gesetz. Auf das Heer finden die in den §§. 5, 6, 27, 28 enthaltenen Bestimmungen insoweit Anwendung, als die militärischen Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen.</p>
          <p>Art. 33. Die bewaffnete Macht besteht: aus dem stehenden Heere, der Landwehr, der Bürgerwehr.</p>
          <p>Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit.</p>
          <p>Art. 34. Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze nur auf Requisition der Civil-Behörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden.</p>
          <p>Art. 35. Die Einrichtung der Bürgerwehr ist durch ein besonderes Gesetz geregelt.</p>
          <p>Art. 36. Das Heer steht im Kriege und im Dienste unter der Militär-Kriminal-Gerichtsbarkeit und unter dem Militär-Straf-Gesetzbuch; außer dem Kriege und dem Dienste unter Beibehaltung der Militär-Kriminalgerichtsbarkeit unter den allgemeinen Strafgesetzen. Die Bestimmungen über die militärische Disziplin im Kriege und Frieden, so wie näheren Festsetzungen über den Militär-Gerichtsstand, bleiben Gegenstand besonderer Gesetze.</p>
          <p>Art. 37. Das stehende Heer darf nicht berathschlagen. Eben so wenig darf es die Landwehr, wenn sie zusammenberufen ist. Auch wenn sie nicht zusammenberufen ist, sind Versammlungen und Vereine der Landwehr zur Berathung militärischer Befehle und Anordnungen nicht gestattet.</p>
          <p>Art. 38. Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Familien-Fideikommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familien-Fideikommisse sollen durch gesetzliche Anordnung in freies Eigenthum umgestaltet werden.</p>
          <p>Art. 39. Vorstehende Bestimmungen (Art. 38.) finden auf die Thronlehen, das Königliche Haus- und Prinzliche Fideikommiß, so wie auf die außerhalb des Staates belegenen Lehen und die ehemals reichsunmittelbaren Besitzungen und Fideikommisse, insofern letztere durch das deutsche Bundesrecht gewährleistet sind, zur Zeit keine Anwendung. Die Rechtsverhältnisse derselben sollen durch besondere Gesetze geordnet werden.</p>
          <p>Art. 40. Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigenthum unterliegt keinen anderen Beschränkungen, als denen der allgemeinen Gesetzgebung. Die Theilbarkeit des Grundeigenthums und die Ablösbarkeit der Grundlasten wird gewährleistet.</p>
          <p>Aufgehoben ohne Entschädigung sind:</p>
          <p rendition="#et">a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, welche den bisher Berechtigten oblagen<lb/>
Bis zur Emanirung der neuen Gemeinde-Ordnung bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der Polizei-Verwaltung.<lb/>
b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbe-Verfassung, herstammenden Verpflichtungen.</p>
          <p>Bei erblicher Ueberlassung eines Grundstückes ist nur die Uebertragung des vollen Eigenthums zulässig; jedoch kann auch hier ein fester ablösbarer Zins vorbehalten werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Titel</hi>III.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vom Könige</hi>.</p>
          <p>Art. 41. Die Person des Königs ist unverletzlich.</p>
          <p>Art. 42. Seine Minister sind verantwortlich. &#x2014; Alle Regierungs-Akte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.</p>
          <p>Art. 43. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt unverzüglich die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen.</p>
          <p>Art. 44 Der König führt den Oberbefehl über das Heer.</p>
          <p>Art. 45. Er besetzt alle Stellen in demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht das Gesetz ein Anderes verordnet.</p>
          <p>Art. 46. Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten. Handels-Verträge, so wie andere Verträge, durch welche dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern.</p>
          <p>Art. 47. Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung.</p>
          <p>Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlung verurtheilten Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen ist.</p>
          <p>Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen.</p>
          <p>Art. 48. Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu.</p>
          <p>Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.</p>
          <p>Art. 49. Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. Es müssen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraums von 40 Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen nach der Auflösung die Kammern versammelt werden.</p>
          <p>Art. 50. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung darf diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden.</p>
          <p>Art. 51. Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen gemäß, erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.</p>
          <p>Art. 52. Der König wird mit Vollendung des 18ten Lebensjahres volljährig.</p>
          <p>Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbniß, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.</p>
          <p>Art. 53. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein.</p>
          <p>Art. 54. Im Fall der Minderjährigkeit des Königs vereinigen sich beide Kammern zu Einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist.</p>
          <p>Art. 55. Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft der Nächste zur Krone oder Derjenige, der nach den Hausgesetzen an dessen Stelle tritt, beide Kammern, um in Gemäßheit des Art. 54. zu handeln.</p>
          <p>Art. 56. Die Regentschaft kann nur <hi rendition="#g">einer</hi> Person übertragen werden. Der Regent schwört bei Antretung der Regentschaft einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.</p>
          <p>Art. 57. Dem Kron-Fideikommiß-Fonds verbleibt die durch das Gesetz vom 17. Januar 1820 auf die Einkünfte der Domainen und Forsten angewiesene Rente.</p>
          <p><hi rendition="#g">Titel</hi>IV.</p>
          <p><hi rendition="#g">Von den Ministern</hi>.</p>
          <p>Art. 58. Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staats-Beamten, haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden.</p>
          <p>Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.</p>
          <p>Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind.</p>
          <p>Art. 59. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungs-Verletzung, der Bestechung und des Verrathes, angeklagt werden. Ueber solche Anklage entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Senaten. So lange noch zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusammen.</p>
          <p>Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaß werden einem besonderen Gesetze vorbehalten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Titel</hi> V.</p>
          <p><hi rendition="#g">Von den Kammern</hi>.</p>
          <p>Art. 60. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt.</p>
          <p>Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.</p>
          <p>
            <ref type="link"> <hi rendition="#b">Hierzu eine Beilage.</hi> </ref>
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[0872/0004] Brandenburg verlegt und die Versammlung aufgefordert, zur Fortsetzung ihrer sofort abzubrechenden Berathungen am 27. v. M. in Brandenburg wieder zusammenzutreten. Durch diese Anordnung, welche lediglich den Zweck hatte, die Freiheit der Berathungen der Volksvertreter vor den anarchischen Bewegungen in der Hauptstadt und ihren terroristischen Einflüssen sicher zu stellen, glaubten Ew. Königl. Maj. nicht nur ein unzweifelhaftes Recht der Krone, sondern auch eine durch die Rücksicht auf das Wohl des Landes dringend gebotene Pflicht auszuüben. Leider ist Ew. Königl. Maj. wohlmeinende Absicht dabei von einem großen Theile der Versammlung verkannt worden. Uneingedenk ihrer wahren Aufgabe und ihrer Pflichten gegen die Krone und das Land, hat die Mehrzahl der Abgeordneten ihre Berathungen der von Ew. Königlichen Majestät angeordneten Vertagung derselben ungeachtet, eigenmächtig in Berlin fortgesetzt und sich angemaßt, als eine souveraine Gewalt über Rechte der Krone zu entscheiden. Sie hat ferner die von Ew. Königl. Maj. auf Grund einer klaren gesetzlichen Bestimmung ausgesprochene Auflösung der Berliner Bürgerwehr für eine ungesetzliche Maßregel erklärt und dadurch die gedachte Bürgerwehr zum Widerstande gegen die Ausführung jener Anordnung aufgereizt. Sie hat endlich sich nicht gescheut, durch die an das Volk gerichtete Aufforderung zur Verweigerung der gesetzlichen Steuern, die Brandfackel der Anarchie in das Land zu schleudern und den ganzen Staatsverband dem Umsturze preiszugeben. Durch diese eben so rechtswidrigen wie verderblichen Beschlüsse hatte die in Berlin forttagende Mehrzahl der Mitglieder der Versammlung offen mit der Krone gebrochen und Ew. Königlichen Majestät gegenüber einen Standpunkt eingenommen, bei dessen Festhaltung die Möglichkeit einer befriedigenden Vereinbarung des Verfassungswerkes nicht abzusehen war. Hiernach wären Ew. Königliche Majestät schon damals, unmittelbar nach dem Steuerverweigerungs-Beschluß, unzweifelhaft berechtigt gewesen, die Versammlung aufzulösen. Gleichwohl gaben Ew. Königliche Majestät die Hoffnung noch nicht auf, daß die seitdem laut gewordene Stimme des Landes und die durch eine leidenschaftliche Auffassung vorübergehend zurückgedrängte Vaterlandsliebe viele jener Abgeordneten von dem betretenen Abwege zurückführen, daß unter deren Hinzutritt die Versammlung nach Ablauf der Vertagungsfrist in beschlußfähiger Zahl sich neu konstituiren, daß sie dann die Ungesetzlichkeit und Ungültigkeit der während der Vertagungsfrist von einem Theile ihrer Mitglieder gefaßten Beschlüsse in einer unzweideutigen Weise anerkennen, und daß es so der Krone werde möglich gemacht werden, die abgebrochenen Vereinbarungs-Verhandlungen wieder aufzunehmen und bald zu einem gedeihlichen Ziele zu führen. Wäre dies gelungen, so würde es auch möglich geworden sein, noch einige zur Verbesserung der Lage der bäuerlichen Besitzer und zur Erfüllung anderer dringender Wünsche des Landes schon vorbereitete Gesetze, im Verein mit der Versammlung, bald zu Stande zu bringen. Ew. Majestät Hoffnungen sind indessen, leider! durch die Ereignisse der letzten Woche getäuscht worden. Nachdem die ihrer Pflicht gegen Ew. Königl. Majestät und das Vaterland getreuen Abgeordneten vier Tage hinter einander, vom 27. bis zum 30. v. M., zu Brandenburg in nicht beschlußfähiger Zahl versammelt gewesen waren, wurde die Versammlung endlich am 1. d. M. durch den Hinzutritt eines großen Theiles derjenigen Abgeordneten beschlußfähig, welche sich bis dahin der durch die Botschaft vom 8. vorigen Monats angeordneten Verlegung der Versammlung widersetzt hatten. Anstatt aber diesen Widerstand aufzugeben, erklärte der Wortführer der hinzugetretenen Mitglieder, daß dieselben, um die beabsichtigte Einberufung ihrer Stellvertreter abzuwenden, und nicht in Befolgung der Anordnungen Ew. Majestät, sondern lediglich deßhalb erschienen seien, weil das während der Vertagungsfrist von den in Berlin zurückgebliebenen Mitgliedern gewählte Präsidium die Versammlung nach Brandenburg berufen habe. Zugleich wurde von diesem Theile der Versammlung ein auf Vertagung bis zum 4. d. M. gestellter Antrag in der von ihrem Wortführer ausgesprochenen Absicht unterstützt, um für diejenigen Ausgebliebenen, denen die Berufung des Präsidiums noch nicht zugegangen sei, Zeit zu gewinnen. Als hierauf der Vertagungsantrag verworfen war, verließen jene neu hinzugetretenen Abgeordneten beinahe sämmtlich die Versammlung, welche dadurch wieder beschlußunfähig und außer Stand gesetzt wurde, sich neu zu konstituiren. Dieser Vorgang, welcher auf den pflichtgetreuen Theil der Versammlung, wie auf jeden dabei anwesenden Freund des Vaterlandes, einen tief verletzenden Eindruck machte, gibt den deutlichen Beweis, daß von derjenigen Fraktion der Abgeordneten, die nach dem 9. v. M. in Berlin fortgetagt hat, ein großer, noch immer die Mehrzahl der ganzen Versammlung bildender Theil in offener Auflehnung gegen die von Ew. k. M. in der Botschaft vom 8. vorigen Monats getroffenen Anordnungen, mithin auf einem Standpunkte verharrt, welcher, nach unserer pflichtmäßigen Ueberzeugung, die Möglichkeit einer Vereinbarung mit der Krone ausschließt. Bei der numerischen Stärke dieser Patei würde es jederzeit von ihrem Belieben abhangen, die Versammlung — wie es am 1. dieses Monats geschehen ist — beschlußunfähig zu machen, ohne daß gegen ein solches Beginnen die früher beabsichtigte Einberufung der Stellvertreter, die ohnehin während der Anwesenheit der Abgeordneten gesetzlich nicht zu begründen wäre, genügenden Schutz gewähren könnte. Die zur Vereinbarung der Verfassung berufene Versammlung befindet sich hiernach in einem Zustande so tiefer innerer Zerrüttung, daß mit ihr die Verfassungsberathung ohne Verletzung der Würde der Krone nach unserer Ansicht nicht länger fortgesetzt werden kann. Wir beklagen dies um so schmerzlicher, je zuversichtlicher wir von der Fortführung der Vereinbarungsverhandlungen mit denjenigen Abgeordneten, welche der von Ew. M. ergangenen Berufung nach Brandenburg, zum Theil selbst unter Aufopferung früher verfochtener Ansichten, schuldige Folge geleistet hatten, ein für das Vaterland gedeihliches Resultat erwarten durften. Gleichwohl glauben wir eine nochmalige Wiederholung des in der vorigen Woche fünfmal mißlungenen Versuches einer neuen Konstituirung der Versammlung pflichtmäßig widerrathen zu müssen, weil sich mit großer Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß dabei die tiefste Zerrissenheit der Versammlung und ihre unverkennbare innerliche Auflösung in ähnlicher Weise, wie am 1. d. M., zur Trauer aller wahren Vaterlandsfreunde hervortreten würde. Ew. k. Maj. können wir demnach nur die sofortige Auflösung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung anrathen, und erlauben uns, den Entwurf der diesfälligen Verordnung zu Ew. k. Maj. Allerh. Vollziehung ehrfurchtsvvoll beizufügen. Gewiß ist diese Vereitlung des vor länger als sechs Monaten begonnenen Versuchs der Vereinbarung einer Verfassung zwischen der Krone und den Vertretern des Vols ein sehr beklagenswerthes Ereigniß. Wahrhaft verderblich aber würde es sein, wenn, um dieser Vereitlung willen, die Sehnsucht des Landes nach einer Verfassung, von welcher es Wiederherstellung eines festen Rechtszustandes und des in allen Verhältnissen des öffentlichen Lebens gestörten Vertrauens mit Recht erwarten darf, noch längere Zeit unbefriedigt bleiben sollte. Ew. k. M. können wir daher nur pflichtgemäß rathen, Ihrem Volke eine Verfassung, die zur Begründung, Befestigung und Erhaltung wahrer Freiheit geeignet ist, unverzüglich unter dem Vorbehalt zu gewähren, daß dieselbe von den zunächst, und zwar sofort, zu berufenden Kammern einer Revision zu unterwerfen sei. Wir haben eine solche Verfassung unter strenger Festhaltung der von Ew. Königl. Majestät im März d. J. ertheilten Verheißungen entworfen und dabei nicht nur die Vorarbeiten der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung, sondern auch die bisherigen Beschlüsse der deutschen National-Versammlung, deren ferner-Beschlüsse auch bei der vorzubehaltenden Revision zu beachten sein werden, sorgfältig berücksichtigt. Indem wir diesen Entwurf, nebst dem Entwurf eines Wahlgesetzes, hierbei unterthänigst vorlegen, stellen wir Ew. Königl. Majestät die Vollziehung derselben ehrfurchtsvoll anheim. Schließlich behalten wir uns vor, bei Ew. Königl. Majestät den provisorischen Erlaß verschiedener, zur Befriedigung dringender Bedürfnisse des Landes erforderlichen Verordnungen in den nächsten Tagen unterthänigst zu beantragen. Berlin, den 5. December 1848. Das Staats-Ministerium. Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Strotha. von Manteuffel. Rintelen von der Heydt. Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat. Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. thun kund und fügen zu wissen: daß Wir in Folge der eingetretenen außerordentlichen Verhältnisse, welche die beabsichtigte Vereinbarung der Verfassung unmöglich gemacht, und, entsprechend den dringenden Forderungen des öffentlichen Wohls, in möglichster Berücksichtigung der von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten, die nachfolgende Verfassungs-Urkunde zu erlassen beschlossen haben, vorbehaltlich der am Schlusse angeordneten Revision derselben im ordentlichen Wege der Gesetzgebung. Wir verkünden demnach die Verfassung in den preußischen Staat wie folgt: TitelI. Vom Staatsgebiete. Art. 1. Alle Landtheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das preußische Staatsgebiet. Art. 2. Die Gränzen dieses Staatsgebiets können durch ein Gesetz verändert werden. TitelII. Von den rechten der Preußen. Art. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigenschaft eines Preußen und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden. Art 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standes-Vorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten gleich zugänglich. Art. 5. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter welchen eine Verhaftung zulässig ist, sind durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 24 Septbr. laufenden Jahres bestimmt. Art. 6. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und Haussuchungen sind nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur auf Grund eines richterlichen Befehles vorgenommen werden. Art 7. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen, so weit sie nicht durch diese Verfassungs-Urkunde für zulässig erklärt werden, sind unstatthaft. Strafen können nur in Gemäßheit des Gesetzes androht oder verhängt werden. Art. 8. Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende, Entschädigung nach Maaßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden. Art. 9. Der bürgerliche Tod und die Strafe der Vermögenseinziehung findet nicht statt. Art. 10. Die Freiheit der Auswanderung ist von Staats wegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Art. 11. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religions-Gesellschaften (Art. 28 und 29) und der gemeinsamen öffentlichen Religions-Uebung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse und der Theilnahme an irgend einer Religions-Gesellschaft. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen. Art. 12. Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten Stiftungen, und Fonds. Art. 13. Der Verkehr der Religions-Gesellschaft mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen. Art. 14. Ueber das Kirchen-Patronat und die Bedingungen, unter welchen dasselbe aufzuheben, wird ein besonderes Gesetz ergehen. Art. 15. Das, dem Staate zustehende Vorschlags-, Wahl- oder Bestätigungs-Recht bei Besetzung kirchlicher Stellen ist aufgehoben. Art. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor den dazu bestimmten Civilstandes-Beamten bedingt. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civil-Altes stattfinden. Art. 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Art. 18. Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche Anstalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet. Eltern und Vormünder sind verpflichtet, ihren Kindern oder Pflegebefohlenen den zur allgemeinen Volksbildung erforderlichen Unterricht ertheilen zu lassen, und müssen sich in dieser Beziehung den Bestimmungen unterwerfen, welche das Unterrichtsgesetz aufstellen wird. Art. 19. Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat. Art. 20. Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten stehen unter der Aufsicht eigener, vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener. Art. 21. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule und die Wahl der Lehrer, welche ihre sittliche und technische Beschäftigung den betreffenden Staatsbehörden gegenüber zuvor nachgewiesen haben müssen, stehen der Gemeinde zu. Den religiösen Unterricht in der Volksschule besorgen und überwachen die betreffenden Religionsgesellschaften. Art. 22. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der öffentlichen Volksschule werden von den Gemeinden und im Falle des nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staate aufgebracht. Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben bestehen. In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeldlich ertheilt. Art. 23. Ein besonderes Gesetz regelt das gesammte Unterrichtswesen. Der Staat gewährleistet den Volksschullehrern ein bestimmtes auskömmliches Gehalt. Art. 24. Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise namentlich weder durch Censur noch durch Konzessionen und Sicherheitsbestellungen, weder durch Staatsauflagen noch durch Beschränkungen der Druckereien und des Buchhandels, noch endlich durch Postverbote und ungleichmäßigen Postsatz oder durch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. Art. 25. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen. Vor der erfolgten Revision des Strafrechts wird daruber ein besonderes vorläufiges Gesetz ergehen. Bis zu dessen Erscheinen bleibt es bei den jetzt geltenden allgemeinen Strafgesetzen. Art. 26. Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und im Bereiche der richterlichen Gewalt des Staates, so dürfen Verleger, Drucker und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden. Auf der Druckschrift muß der Verleger und der Drucker genannt sein. Art. 27. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche in allen Beziehungen der Verfügung des Gesetzes unterworfen sind. Bis zum Erlaß eines solchen Gesetzes ist von Versammlungen unter freiem Himmel 24 Stunden vorher der Orts-Polizeibehörde Anzeige zu machen, welche die Versammlung zu verbieten hat, wenn sie dieselbe für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährlich erachtet. Art. 28. Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen. Art. 29. Die Bedingungen, unter welchen Corporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, bestimmt das Gesetz. Art. 30. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Corporationen gestattet. Art. 31. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind. Art. 32. Alle Preußen sind wehrpflichtig. Den Umfang und die Art dieser Pflicht bestimmt das Gesetz. Auf das Heer finden die in den §§. 5, 6, 27, 28 enthaltenen Bestimmungen insoweit Anwendung, als die militärischen Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen. Art. 33. Die bewaffnete Macht besteht: aus dem stehenden Heere, der Landwehr, der Bürgerwehr. Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit. Art. 34. Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze nur auf Requisition der Civil-Behörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden. Art. 35. Die Einrichtung der Bürgerwehr ist durch ein besonderes Gesetz geregelt. Art. 36. Das Heer steht im Kriege und im Dienste unter der Militär-Kriminal-Gerichtsbarkeit und unter dem Militär-Straf-Gesetzbuch; außer dem Kriege und dem Dienste unter Beibehaltung der Militär-Kriminalgerichtsbarkeit unter den allgemeinen Strafgesetzen. Die Bestimmungen über die militärische Disziplin im Kriege und Frieden, so wie näheren Festsetzungen über den Militär-Gerichtsstand, bleiben Gegenstand besonderer Gesetze. Art. 37. Das stehende Heer darf nicht berathschlagen. Eben so wenig darf es die Landwehr, wenn sie zusammenberufen ist. Auch wenn sie nicht zusammenberufen ist, sind Versammlungen und Vereine der Landwehr zur Berathung militärischer Befehle und Anordnungen nicht gestattet. Art. 38. Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Familien-Fideikommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familien-Fideikommisse sollen durch gesetzliche Anordnung in freies Eigenthum umgestaltet werden. Art. 39. Vorstehende Bestimmungen (Art. 38.) finden auf die Thronlehen, das Königliche Haus- und Prinzliche Fideikommiß, so wie auf die außerhalb des Staates belegenen Lehen und die ehemals reichsunmittelbaren Besitzungen und Fideikommisse, insofern letztere durch das deutsche Bundesrecht gewährleistet sind, zur Zeit keine Anwendung. Die Rechtsverhältnisse derselben sollen durch besondere Gesetze geordnet werden. Art. 40. Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigenthum unterliegt keinen anderen Beschränkungen, als denen der allgemeinen Gesetzgebung. Die Theilbarkeit des Grundeigenthums und die Ablösbarkeit der Grundlasten wird gewährleistet. Aufgehoben ohne Entschädigung sind: a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, welche den bisher Berechtigten oblagen Bis zur Emanirung der neuen Gemeinde-Ordnung bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der Polizei-Verwaltung. b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbe-Verfassung, herstammenden Verpflichtungen. Bei erblicher Ueberlassung eines Grundstückes ist nur die Uebertragung des vollen Eigenthums zulässig; jedoch kann auch hier ein fester ablösbarer Zins vorbehalten werden. TitelIII. Vom Könige. Art. 41. Die Person des Königs ist unverletzlich. Art. 42. Seine Minister sind verantwortlich. — Alle Regierungs-Akte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. Art. 43. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt unverzüglich die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen. Art. 44 Der König führt den Oberbefehl über das Heer. Art. 45. Er besetzt alle Stellen in demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht das Gesetz ein Anderes verordnet. Art. 46. Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten. Handels-Verträge, so wie andere Verträge, durch welche dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern. Art. 47. Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung. Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlung verurtheilten Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen ist. Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen. Art. 48. Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu. Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes. Art. 49. Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. Es müssen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraums von 40 Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen nach der Auflösung die Kammern versammelt werden. Art. 50. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung darf diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. Art. 51. Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen gemäß, erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge. Art. 52. Der König wird mit Vollendung des 18ten Lebensjahres volljährig. Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbniß, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. Art. 53. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein. Art. 54. Im Fall der Minderjährigkeit des Königs vereinigen sich beide Kammern zu Einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist. Art. 55. Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft der Nächste zur Krone oder Derjenige, der nach den Hausgesetzen an dessen Stelle tritt, beide Kammern, um in Gemäßheit des Art. 54. zu handeln. Art. 56. Die Regentschaft kann nur einer Person übertragen werden. Der Regent schwört bei Antretung der Regentschaft einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. Art. 57. Dem Kron-Fideikommiß-Fonds verbleibt die durch das Gesetz vom 17. Januar 1820 auf die Einkünfte der Domainen und Forsten angewiesene Rente. TitelIV. Von den Ministern. Art. 58. Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staats-Beamten, haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind. Art. 59. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungs-Verletzung, der Bestechung und des Verrathes, angeklagt werden. Ueber solche Anklage entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Senaten. So lange noch zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusammen. Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaß werden einem besonderen Gesetze vorbehalten. Titel V. Von den Kammern. Art. 60. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich. Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 163. Köln, 8. Dezember 1848, S. 0872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz163_1848/4>, abgerufen am 01.05.2024.