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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 175. Köln, 22. Dezember 1848.

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§. 10. Die Wahl erfolgt durch einfache Stimmenmehrheit aller in einem Wahldistrikte abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.

§. 11. Stellvertreter der Abgeordneten sind nicht zu wählen.

§. 12. Das Wahlrecht muß in Person ausgeübt, die Stimmen mündlich zu Protokoll abgegeben werden.

§. 13. Staatsdiener bedürfen zur Annahme der auf sie gefallenen Wahl keiner Genehmigung ihrer Vorgesetzten.

§. 14. Die Wahldistrikte und Bezirke, die Wahldirektoren und das Wahlverfahren, in so weit dasselbe nicht durch das gegenwärtige Gesetz festgestellt worden ist, werden von den Regierungen der Einzelstaaten angeordnet.

!!! Frankfurt, 19. Dezember.

Sitzung der Nationalversammlung.

Tagesordnung: Zweite Lesung der Grundrechte, Artikel 8, § 30 ff.

Vizepräsident Beseler sitzt auf dem Präsidentenstuhl.

Nach Genehmigung des Protokolls beantwortet der Justizminister von Mohl eine Interpellation von Wesendonk wegen der gegen Zitz, Schlöffel und Simon von Trier obschwebenden Untersuchung vom 18. September her. Mit den Einzelnheiten dieser Untersuchung ist das Ministerium unbekannt, aber das peinliche Verhöramt hat angezeigt, daß noch im Dezember I. J. die ganze Untersuchung geschlossen sein wird.

Auf eine Interpellation Maifelds wegen Mittheilung der Reichsgesetze in Oesterreich, theilt der Minister mit, daß jedes Stück des Reichsgesetzblattes, also auch das Schutzgesetz der Reichstagsabgeordneten vom 29. September allen Bevollmächtigten der Einzelstaaten mitgetheilt und zumal der Empfang des letzteren vom österreichischen Bevollmächtigten schriftlich bescheinigt worden ist. (Darum hat man Blum und Fröbel auch so in Schutz genommen!)

In der Blumschen Angelegenheit (nach welcher Dietsch von Annaberg mit mehren andern sich erkundigt hat) ist der vollständige Bericht noch nicht ans Reichsministerium gelangt, wird aber bald geschehen.

Endlich auf eine Anfrage des Abgeordneten Schoder wegen der Verhaftung Ludwig Raveaux in Wien und der noch fortbestehenden Ausnahmsmaßregeln -- wegen der Person des Raveaux sind von mehreren Seiten Schritte zum Schutz gethan worden, aber die Ausnahmemaßregeln, welche die k. k. Regierung mit (!) Widerwillen (!) ergriffen, seien zur Wiederherstellung der (!) Ordnung (!) noch nöthig. Ueberhaupt müsse man Oesterreich jetzt ungeschoren lassen, bis die deutsch-österreichische Krise entschieden.

Um 10 Uhr geht man zur Tagesordnung, und nimmt folgende Paragraphen in definitiver Fassung an:

Art. 8. § 30.

"Das Eigenthum ist unverletzlich. (Unverändet.)
"Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden. (Neue Fassung.)
"Das geistige Eigenthum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden." (Neu.)

§. 31. (in neuer Fassung).

"Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todes wegen ganz oder theilweise veräußern. -- Den Einzelstaaten bleibt überlassen, die Durchführung des Grundsatzes der Theilbarkeit alles Grundeigenthums durch Uebergangsgesetze zu vermitteln. (Minoritäts-Erachten). Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig" (neu).

Der erste Satz wurde in namentlicher Abstimmung mit 237 gegen 189 Stimmen angenommen.

§. 32.

"Jeder Unterthänigkeits- und Hörigkeitsverband hört für immer auf" (unverändert).

§. 33.

"Ohne Entschädigung sind aufgehoben:

1) Die Patrimonialgerichtsbarkeit und die grundherrliche Polizei, sammt den aus diesen Rechten fließenden Befugnissen, Exemptionen und Abgaben."

2) "Die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen."

"Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche dem bisher Berechtigten dafür oblagen" (neu).

Amendement von Trützschler: "Alle Bannrechte sind aufgehoben" wird mit sehr schwacher Majorität verworfen.

Lewisohn's Antrag: "Alle Bann- und Zwangsrechte sind aufgehoben", mit 262 Stimmen gen 164 verworfen. Ebenso die Aufhebung des Blutzehnten und Neubruchzehnten und noch anderer Lasten. Man läßt die Lasten auf dem Volke lasten.

§ 34.

"Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehnten, sind ablösbar: ob nur auf Antrag des Belasteten oder auch des Berechtigten, und in welcher Weise, bleibt der Gesetzgebung der einzelnen Staaten überlassen" (neu und sehr gekürzt!).

Ein Zusatz von Schoder: "Der Gesetzgebung der einzelnen Staaten steht die Befugniß zu, wo sie es begründet findet, jene Leistungen unentgeldlich aufzuheben", wurde mit 231 Stimmen gegen 207 verworfen.

Ein Zusatz der Minorität des Verfassungs-Ausschusses: "Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden", wurde mit 232 Stimmen gegen 221 angenommen. (Verwunderung).

Ueber keinen der vorstehenden §§. wurde diskutirt.

Um 3/4 3 Uhr vertagt man sich und geht in die Abtheilungen zur Wahl des neuen Ausschusses für Begutachtung des Gagern'schen Ministerprogramms.

Morgen ist Sitzung. Tagesordnung: Grundrechte.

Italien.
* Rom, 11. Dec.

Die provisorische Regierung ist proklamirt. Sie besteht aus dem Senator von Rom, dem Senator aus Bologna und dem Gonsaloniere von Ancona. Der Papst ist von seinem weltlichen Throne als abgesetzt erklärt.

Nach Fassung dieser Beschlüsse durch den Ausschuß der Deputirten-Kammern hielt der Minister Sterbini eine Rede an das Volk, in welcher er ihm diese Beschlüsse vorlas und erklärte: daß der Papst zwar als erster Bischof der Kirche nach Rom zurückkehren dürfe, aber allen seinen Kardinälen und Prälaten sei der Zugang nach Rom verweigert.

Das Volk jauchzte diesen Beschlüssen seinen Beifall zu und zog durch die Straßen mit dem Rufe: Tod dem Papste! Tod den Kardinälen! Es lebe die italienische Republik!"

In Genua und Turin haben obige Nachrichten große Theilnahme hervorgerufen. Karl Albert hat das von Gioberti gebildete Ministerium genehmigt.

(National Savoisien vom 17. Decbr.)

Der römische General Zucchi hat sich nach Spezio geflüchtet.

Turin, 15. Deebr.

3 1/2 Uhr Nachmittags. Das neue demokratische Ministerium besteht aus folgenden Personen:

1) Gioberti, Conseilpräsident, ohne Portefeuille. 2) Sineo, Justiz. 3) Ratazzi, Inneres. 4) Ricci, Finanzen. 5) Montezimolo, Staatsbauten. 6) Durini oder Paleocapa, Ackerbau und Handel. 7) Bixio, (Bruder des neuen Pariser Ministers gleichen Namens) Unterricht. 8) La Marmora behält Krieg und Marine.

(National Savoisien vom 17. Decbr.)
Parma, 9. Dec.

Zweihundert Pontoniers sind im Begriff, über den Po in unserer Nähe eine Schiffbrücke zu schlagen, die den Eintritt eines östreichischen Corps von 15,000 Mann erleichtern soll, das sich gegen Bologna oder selbst bis Pianaro in Bewegung setzt.

(Genueser Zeitung vom 14. Decbr.)
* Neapel, 7. Dez.

Die Times theilt eine Unterredung zwischen dem Könige von Neapel und dem außerordentlichen Gesandten Temple mit. Es bedarf für unsere Leser kaum der Andeutung, daß der nachfolgende Dialog ein Machwerk der Times ist. Der Cretinismus des Kartätschen-Ferdinands ist ebenso weltkundig, als die standrechtlichen Gelüste der "Times." die in der europäischen Revolution nichts als eine Handelsstörung erblickt.

"Wir müssen die Sizilianer unter unsern Schutz nehmen," sagte Temple, "so zu handeln ist ein Ehrenpunkt für uns." "Ich bin," antwortete der König, "ich bin wahrhaft dankbar für eure Sorge um meine Unterthanen. Ich wünschte nur die Macht und die Mittel zu besitzen, Ihrer Majestät, der Königin Victoria, gleich nützlich zu sein."

Temple: "Ja, Sizilien hat Ansprüche auf uns und wir müssen es beschützen."

Der König von Neapel: "Richtig, aber Neapel, denke ich, hat auch Ansprüche, und ich hoffe, wenn Sie so besorgt für den Schutz einer meiner Herrschaften sind, werden Sie die andere nicht vergessen, und daß Neapel eben so sehr Protektion in Anspruch nimmt als Sizilien.

Temple: "Eure Majestät werden das Geeignete einer Maßregel einsehn, welche der Insel eine Seemacht garantirt und alle Neapolitaner von ihr entfernt."

Der König von Neapel: "Oh gewiß, wenn Eure Königin uns mit so gutem Beispiel in Irland vorangehn will. Ich betrachte die Lage von Irland und Sizilien als dieselbe: und ich gebe mein Wort, Schritt für Schritt jeder Maßregel zu folgen, welche die Königin Victoria in diesem Theile ihres Gebiets ergreift."

Temple: Ich glaube nicht, Sire, daß irgend eine Analogie in beiden Fällen Statt findet.

Der König von Neapel: Ich verstehe Sie; es findet allerdings keine Analogie Statt. Kein Theil Irlands ist in den Händen einer rebellischen Armee und in keiner Stadt existirt eine provisorische Regierung, welche der in der Hauptstadt etablirten sich widersetzte. Die Königin kann daher ohne Gefahr eine bedeutende Truppenmasse fortziehn, während hier alle zum Schutze des Theiles von Sizilien nöthig sind, der meiner Herrschaft treu geblieben ist.

Auf den Vorschlag Temple's, gewissen Personen hohe administrative Posten zu verleihen, antwortete Ferdinand: "Diese alle sind meine erklärten Feinde. Verlangen Sie, daß ich abdanken soll? Wie lange werde ich im Besitze der Insel bleiben, wenn diese Personen sich im Besitze der exekutiven Gewalt befinden? Ich erkläre Ihnen, was ich thun will: ich will den Sizilianern die Konstitution von 1812 geben und eine gesonderte Administration, deren Mitglieder die Krone ernennt. Ja ich will mehr thun: ich will, daß Palermo eine Schweizer- oder eine andere fremde Legion erhält, bis die Klugheit die Ueberweisung an eingeborne Truppen zuläßt." Die Konstitution von 1812 und die Schweizer. Tout comme chez nous. Die octroyirte Verfassung und der Belagerungszustand!

Französische Republik.
Paris, 19. Dezember.

Das Ministerium Bonaparte ist fix und fertig. Es bleibt, wie wir es mit geringer Aenderung schon vor sechs Tagen angegeben haben:

Odilon-Barrot, Präsident und Justiz. General Rulhieres, Krieg. Hippolyte Passy, Finanzen. Drouyn de Lhuys, Auswärtiges. Leon de Maleville, Inneres. De Tracy, Marine. Leon Faucher, Staatsbauten. Bixio, Ackerbau und Handel. De Falloux, Unterricht. Marschall Bugeaud über die Alpenarmee. Changarnier über die pariser Gesammtkräfte. Berger oder Boulay für die Seinepräfektur. Rebillot, Gensd'armerie-Oberst zum Polizeipräfekt. Der Postdirektor noch unbekannt. Zum Vize-Präsident will Bonaparte Lamartine, Bedeau, Bugeaud vorschlagen.

Der National beschwört heute alle Republikaner sich zu einigen und nicht zu gestatten, daß man die Nationalversammlung auflöse, ehe sie die Organischen Gesetze vollendet habe, die sie noch gar nicht angefangen.

Man munkelt von einer Vereinigung des Palais National mit der Rue Taitbout. Marrast will zum bösen Spiele gute Miene machen und das Programm des "Berges" unterzeichnen. Der Apfel dünkt ihm zwar sehr sauer, aber er soll und muß durchbissen werden.

Von Louis Blanc liegt eine neue Broschüre "die FebruarRevolution im Luxembourg" im Buchhandel aus.

068 Paris, 19. Dezbr.

Die Zahl der deutschen Flüchtlinge mehrt sich von Tag zu Tage. So kam gestern der von Berlin geflohene Eichler hier an und wurde von seinen Freunden herzlich begrüßt.

-- Nationalversammlung. Sitzung vom 19. December. Präsident Marrast.

Marrast eröffnet die Sitzung um 3 Uhr, aber die meisten Deputirten befinden sich in der Abtheilung, wo die Ausschüsse für die Organischen Gesetze (Verantwortlichkeit des Präsidenten etc.) konstituirt werden.

Allmälig füllen sich die Bänke.

Lagrange nimmt gleich nach dem Protokoll das Wort, um die Kammer wiederholt mit den Juni-Insurgenten zu belästigen. Er sei gestern mißverstanden worden; er habe nicht verlangt, daß man die Frage heute behandle, sondern daß man sie überhaupt vor dem Antritt des neuen Präsidenten erledige. Nicht dem Bonaparte, sondern der Nationalversammlung gezieme es, die Amnestie auszusprechen. Nicht dieser, sondern die Nationalversammlung habe diese Unglücklichen auf die Pontons geworfen, ohne ihnen vorher den Prozeß gemacht zu haben. Er sei auch von Louis Philipp eingesperrt worden, aber er habe nicht den vierten Theil der Leiden ertragen durfen, wie die Junigefangene auf den Pontons und in den Forts von Paris. Die Republik durfe nicht grausamer als die Monarchie sein. Er empfange täglich Briefe, die er der Versammlung vorlesen wolle, wenn sie an den Martern der Verschifften zweifle. (Nein, Nein! Zur Tagesordnung!)

Champrans, ein Ultrakonservativer, beantragt die beruchtigte Question prealable, damit den Behelligungen des Schreiers Lagrange ein für alle Male ein Ende gemacht werde.

Larochejaquelin bemerkt, daß die Question prealable nur nach vorheriger Diskussion verlangt werden könne. Das Haus solle kurz und einfach zur Tagesordnung schreiten.

Dies geschieht. An ihr ist zunächst ein Antrag auf Erfüllung gewisser Bedingungen bei Beamtenbeförderungen.

Auch das französische Beamtenwesen war bisher einer solchen Willkür unterworfen gewesen, daß bei jedem Regierungswechsel, bei jeder Ministerialänderung die schreiendsten Uebergriffe stattfanden.

Deslongrais, ein Cidrefabrikant aus der Normandie, der sich einbildet, ein großer Staatsmann zu sein, stellte den Antrag, dieser Willkur einen Damm zu setzen, und die Amtsbeförderungen gewissen Bedingungen zu unterwerfen.

Es wird zu diesem Zweck eine Commission von 15 Gliedern ernannt werden.

Hierauf wird ein Stoß von Bittschriften erledigt.

Marrast erklärt schließlich, daß die letzten Wahlprotokolle nicht vor Sonntag eintreffen können.

Schluß der Sitzung.

Großbritannien.
* London, 19. Dec.

Die engl. Politiker halten jetzt gewissermaßen ihren Winterschlaf. Die Lords sitzen auf ihren Schlössern im Innern des Landes, Besuche machend und Besuche empfangend, ohne je etwas von dem verlauten zu lassen, was sie in der nächsten Session zu thun gedenken. Die Bourgeoisie, Kaufleute und Fabrikanten reguliren ihre Bücher und blicken zurück auf den Gang der Geschäfte des letzten Jahres, in dem es ihnen nur zu oft schwül genug um's Herz wurde, wenn sie den schlechten Erndten von 45 und 46 und der Geldkrise von 1847 eine Periode der Revolutionen folgen sahen, an die sie gewiß am allerwenigsten gedacht hatten. Die Arbeiter endlich, die manche ihrer Hoffnungen am 10. April scheitern sahen, sind nicht weniger ruhig; sie trösten sich einstweilen mit dem Aufschwung, den neuerdings die Industrie nahm, der ihnen in diesem Winter vielleicht mehr Arbeit gibt, als sie es zu andern Zeiten gewohnt waren.

Dieser politische Winterschlaf der Engländer hat wirklich etwas trauriges und unheimliches. Es ist als ob er die Menschen noch einförmiger machte, als sie es wirklich schon sind; als ob er den Himmel noch nebliger und düstrer verhängte, als er es wirklich schon ist. Um die Flamme des Kamins gereiht, sehen wir die riesigen, energischen Gestalten der Provinzen, schweigend und mit gesenktem Kopfe niedersitzen, in regelmäßigen Zwischenräumen den Rauch ihrer gekrümmten, irdenen Pfeife in das Zimmer hinausblasen; in noch regelmäßigern Pausen den dampfenden Grog hinunterschlürfen, und immer ernst, gravitätisch, großbritannisch.

Stunden lang sitzen sie so da, in das Feuer stierend, in das Glas, oder auf die eigenen Fußspitzen, bis endlich einer der Gesellschaft den Mund öffnet und von einem Pferderennen zu sprechen beginnt, von einer Fuchsjagd, oder gar von einem politischen Ereigniß der letzten Vergangenheit -- -- Tief seufzen alle auf. Das Eis der Konversation ist endlich gebrochen und ehe eine viertel Stunde vergeht, da hat man sich auch aller Parlamentssitzungen seit dem Passiren der Reformbill erinnert und die Namen Lord John's, Sir Robert Peel's, Lord Brougham's und Cobden's und Bright's tönen herüber und hinüber, die Leidenschaft vergangener Jahre wird auf's Neue lebendig, man raucht mit Leidenschaft und man trinkt mit Leidenschaft, die kolossalen Figuren der Yorkshire- und der Lancashire-Männer sind wie aus einem Traume erwacht und wir fühlen uns plötzlich wieder mitten unter einem Volke, das seine Heerden auf der letzten Küste Australiens weidet, das seinen "Erebus" und seinen "Terror" in das Eis des Polen sendet und seine Krieger auf den Hochebenen Asiens dem Feinde die Stirn bieten läßt, zu immer neuen Eroberungen, zu immer glorreichern Siegen.

Mit einem Worte, wir fühlen endlich wieder, daß wir in England sind.

Seit langer Zeit war indeß der politische Winterschlaf der Engländer, nicht uninteressanter als in diesem Jahre, denn es ist den Engländern noch nie passirt, daß sie unberücksichtigter geblieben waren in der Weltgeschichte, als gerade jetzt. Wer kümmert sich denn gegenwärtig um einen Sir Robert, wer gar um einen Cobden, oder um einen Bright? Die schönen Tage des Freihandelsenthusiasmus sind längst vorüber. Die Begeisterung, welche dem Vertreter der West-Riding, dem "großen Richard", dem "Baumwollheiland" bei seiner Kontinentalreise, in hundert Banketts, von St. Petersburg bis nach Palermo entgegentönte, hat dem Donner der Revolutionen Platz gemacht, die besser argumentirten, als alle die winzigen Manchester Paschas, welche die dicken ökonomischen Barren eines Adam Smith, eines Ricardo und anderer Autoritäten in so unzähligen Scheidemünzen über das Ausland zu verbreiten suchten. Selbst die offizielle Partei ist in totale Vergessenheit gerathen. Seit der kleine Lord John seine großen Maßregeln, die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und die Umgestaltung des irischen Armenwesens, eben so kläglich zurücknahm, als er sie einst geräuschvoll genug vor das Haus der Gemeinen brachte: hat sich Niemand mehr an die Resultate der letzten Session gekehrt. Der Mann der Reform-Bill schwand zu einem Zwerge hinab, zu einem müden, ungeschickten Steuerburschen, der nur deshalb das Ruder in Händen behielt, weil eben alle Uebrigen eingeschlafen waren.

Und nun gar Lord Palmerston mit seiner auswärtigen Politik! der alte revolutionäre Dandy, der früher der Welt so viel zu schaffen machte, er zog sich wie eine Schnecke, in das sichere Gehäuse zurück und ließ den Sturm ruhig toben, wenig bekümmert um frische diplomatische Lorbeerkränze, die er früher so gern auf die erblichenen Locken zu drücken strebte. Seit er es in Folge des verlorenen spanischen Heirathsgeschäfts ertragen mußte, daß sein Gesandter am Hofe zu Madrid den Befehl erhielt, in 24 Stunden die Stadt zu räumen, sank der alte Held mit seinen politischen Eroberungen immer tiefer und tiefer.

Die Ereignisse des 24. Februar brachten ihn ganz außer Fassung. Schlecht nur zeigte er bei der schleswig-holsteinischen Angelegenheit seine stumpfen Zähne -- wäre er des russischen Einflusses nicht sicher gewesen, er würde schwerlich so viele Worte darum gemacht haben. Aber die eigentliche Blamage stand dem edlen Lord erst in Nord- und Süd-Italien bevor, in der Lombardei und vor Messina, als er die bekannte Intervention eben so komisch wieder aufgab, wie er sie eben noch voller Würde unternommen hatte. Die Häupter des Ministeriums der Whigs, Lord John Russell und Lord Palmerston zeigten sich in der That gleich heroisch. Der eine mit der Navigationsakte und mit hundert kleinern Maßregeln; der Andere mit seinen berühmten Interventionen.

Doch die Engländer sind zufrieden mit ihren Ministern. Was will man mehr? Die englische Bourgeoisie, nachdem sie den 10. April glücklich überstanden hatte, nachdem die Chartisten wenigstens für den Augenblick aus dem Felde geschlagen waren, wünschte nichts weiter als Ruhe und Frieden. Es war ihnen recht genug, daß die Minister sich durchaus nicht mehr in anderer Leute Sachen mischten. Die alte Phrase, daß es den Britten lieb sei, wenn da draußen die Freiheit siege, daß es der Würde Großbritanniens angemessen sei, den Aufschwung der Völker zu unterstützen, zieht nicht mehr. Alle Welt weiß, daß sie zum Kindergeschwätz geworden. Man wollte also nichts mehr davon wissen und die englische Presse machte es sich mit sehr wenigen Ausnahmen zur täglichen Aufgabe, über die Bewegung des Kontinents in so brutaler Weise herzufallen, wie es auch dem größten Feinde des "perfiden Albion" wie im Traume eingefallen war. "Wir sind reich genug, um unsern Ruhm zu bezahlen --" sagte einst ein französischer Redner -- und noch dazu einer von den schlechtesten. Die Engländer drehten dies um und sagten: "Wir sind zu arm, um uns Ruhm zu kaufen," und die Leute, welche dies sagten, gehörten wirklich zu den besten. Getrost ließ man der Reaktion des Kontinents freies Spiel. Messina wurde bombardirt, in Mailand wütheten die Kroaten, über den Fall Wiens frohlockte man wie über die Nachricht eines Nelsonschen Sieges, und die oktroyirte Verfassung der Preußen pries man als ein Muster der Staatsweisheit!! (Daß eine Anzahl preußischer Friedrichsd'or den Ruhm steigerten, versteht sich von selbst.)

Aber die Bourgeoisie Britanniens wollte es so. Sie wollte Ruhe, sie wollte, daß das Geschäft sich hebe, sie wollte, daß sie endlich wieder einen ruhigen Winterschlaf feiere, ruhig wie den jetzigen, denn trotz aller australischen Besitzungen, trotz Erebus und Terror und trotz aller indischen Siege, ist John Bull ein Krämer, ein Mann, der sich den Teufel um die Freiheit schiert, wenn sie nicht zu verwandeln ist in Pfunde, Schillinge und Pence.

* London, 19. Decbr.

Ich schrieb Ihnen neulich, daß der Ex-König von Frankreich vor einem der hiesigen Polizeigerichte gegen mehrere aus Frankreich herübergekommene Personen, angeblich, weil sie im Besitz von Eigenthum seien, das ihm, dem Ex-Könige, aus den Tuilerien und dem Schlosse von Neuilly geraubt worden, geklagt habe. Das vorläufig in Beschlag genommene Vermögen wird auf 30,000 Pf. St. geschätzt. Die Sache war das vorige Mal vertagt worden. Am Sonnabende beantragte nun der klägerische

Hierzu eine Beilage.

Der Gerant: Korff.
Druck von J. W. Dietz, unter Hutmacher Nr. 17.

§. 10. Die Wahl erfolgt durch einfache Stimmenmehrheit aller in einem Wahldistrikte abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.

§. 11. Stellvertreter der Abgeordneten sind nicht zu wählen.

§. 12. Das Wahlrecht muß in Person ausgeübt, die Stimmen mündlich zu Protokoll abgegeben werden.

§. 13. Staatsdiener bedürfen zur Annahme der auf sie gefallenen Wahl keiner Genehmigung ihrer Vorgesetzten.

§. 14. Die Wahldistrikte und Bezirke, die Wahldirektoren und das Wahlverfahren, in so weit dasselbe nicht durch das gegenwärtige Gesetz festgestellt worden ist, werden von den Regierungen der Einzelstaaten angeordnet.

!!! Frankfurt, 19. Dezember.

Sitzung der Nationalversammlung.

Tagesordnung: Zweite Lesung der Grundrechte, Artikel 8, § 30 ff.

Vizepräsident Beseler sitzt auf dem Präsidentenstuhl.

Nach Genehmigung des Protokolls beantwortet der Justizminister von Mohl eine Interpellation von Wesendonk wegen der gegen Zitz, Schlöffel und Simon von Trier obschwebenden Untersuchung vom 18. September her. Mit den Einzelnheiten dieser Untersuchung ist das Ministerium unbekannt, aber das peinliche Verhöramt hat angezeigt, daß noch im Dezember I. J. die ganze Untersuchung geschlossen sein wird.

Auf eine Interpellation Maifelds wegen Mittheilung der Reichsgesetze in Oesterreich, theilt der Minister mit, daß jedes Stück des Reichsgesetzblattes, also auch das Schutzgesetz der Reichstagsabgeordneten vom 29. September allen Bevollmächtigten der Einzelstaaten mitgetheilt und zumal der Empfang des letzteren vom österreichischen Bevollmächtigten schriftlich bescheinigt worden ist. (Darum hat man Blum und Fröbel auch so in Schutz genommen!)

In der Blumschen Angelegenheit (nach welcher Dietsch von Annaberg mit mehren andern sich erkundigt hat) ist der vollständige Bericht noch nicht ans Reichsministerium gelangt, wird aber bald geschehen.

Endlich auf eine Anfrage des Abgeordneten Schoder wegen der Verhaftung Ludwig Raveaux in Wien und der noch fortbestehenden Ausnahmsmaßregeln — wegen der Person des Raveaux sind von mehreren Seiten Schritte zum Schutz gethan worden, aber die Ausnahmemaßregeln, welche die k. k. Regierung mit (!) Widerwillen (!) ergriffen, seien zur Wiederherstellung der (!) Ordnung (!) noch nöthig. Ueberhaupt müsse man Oesterreich jetzt ungeschoren lassen, bis die deutsch-österreichische Krise entschieden.

Um 10 Uhr geht man zur Tagesordnung, und nimmt folgende Paragraphen in definitiver Fassung an:

Art. 8. § 30.

„Das Eigenthum ist unverletzlich. (Unverändet.)
„Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden. (Neue Fassung.)
„Das geistige Eigenthum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden.“ (Neu.)

§. 31. (in neuer Fassung).

„Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todes wegen ganz oder theilweise veräußern. — Den Einzelstaaten bleibt überlassen, die Durchführung des Grundsatzes der Theilbarkeit alles Grundeigenthums durch Uebergangsgesetze zu vermitteln. (Minoritäts-Erachten). Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig“ (neu).

Der erste Satz wurde in namentlicher Abstimmung mit 237 gegen 189 Stimmen angenommen.

§. 32.

„Jeder Unterthänigkeits- und Hörigkeitsverband hört für immer auf“ (unverändert).

§. 33.

„Ohne Entschädigung sind aufgehoben:

1) Die Patrimonialgerichtsbarkeit und die grundherrliche Polizei, sammt den aus diesen Rechten fließenden Befugnissen, Exemptionen und Abgaben.“

2) „Die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen.“

„Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche dem bisher Berechtigten dafür oblagen“ (neu).

Amendement von Trützschler: „Alle Bannrechte sind aufgehoben“ wird mit sehr schwacher Majorität verworfen.

Lewisohn's Antrag: „Alle Bann- und Zwangsrechte sind aufgehoben“, mit 262 Stimmen gen 164 verworfen. Ebenso die Aufhebung des Blutzehnten und Neubruchzehnten und noch anderer Lasten. Man läßt die Lasten auf dem Volke lasten.

§ 34.

„Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehnten, sind ablösbar: ob nur auf Antrag des Belasteten oder auch des Berechtigten, und in welcher Weise, bleibt der Gesetzgebung der einzelnen Staaten überlassen“ (neu und sehr gekürzt!).

Ein Zusatz von Schoder: „Der Gesetzgebung der einzelnen Staaten steht die Befugniß zu, wo sie es begründet findet, jene Leistungen unentgeldlich aufzuheben“, wurde mit 231 Stimmen gegen 207 verworfen.

Ein Zusatz der Minorität des Verfassungs-Ausschusses: „Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden“, wurde mit 232 Stimmen gegen 221 angenommen. (Verwunderung).

Ueber keinen der vorstehenden §§. wurde diskutirt.

Um 3/4 3 Uhr vertagt man sich und geht in die Abtheilungen zur Wahl des neuen Ausschusses für Begutachtung des Gagern'schen Ministerprogramms.

Morgen ist Sitzung. Tagesordnung: Grundrechte.

Italien.
* Rom, 11. Dec.

Die provisorische Regierung ist proklamirt. Sie besteht aus dem Senator von Rom, dem Senator aus Bologna und dem Gonsaloniere von Ancona. Der Papst ist von seinem weltlichen Throne als abgesetzt erklärt.

Nach Fassung dieser Beschlüsse durch den Ausschuß der Deputirten-Kammern hielt der Minister Sterbini eine Rede an das Volk, in welcher er ihm diese Beschlüsse vorlas und erklärte: daß der Papst zwar als erster Bischof der Kirche nach Rom zurückkehren dürfe, aber allen seinen Kardinälen und Prälaten sei der Zugang nach Rom verweigert.

Das Volk jauchzte diesen Beschlüssen seinen Beifall zu und zog durch die Straßen mit dem Rufe: Tod dem Papste! Tod den Kardinälen! Es lebe die italienische Republik!“

In Genua und Turin haben obige Nachrichten große Theilnahme hervorgerufen. Karl Albert hat das von Gioberti gebildete Ministerium genehmigt.

(National Savoisien vom 17. Decbr.)

Der römische General Zucchi hat sich nach Spezio geflüchtet.

Turin, 15. Deebr.

3 1/2 Uhr Nachmittags. Das neue demokratische Ministerium besteht aus folgenden Personen:

1) Gioberti, Conseilpräsident, ohne Portefeuille. 2) Sineo, Justiz. 3) Ratazzi, Inneres. 4) Ricci, Finanzen. 5) Montezimolo, Staatsbauten. 6) Durini oder Paleocapa, Ackerbau und Handel. 7) Bixio, (Bruder des neuen Pariser Ministers gleichen Namens) Unterricht. 8) La Marmora behält Krieg und Marine.

(National Savoisien vom 17. Decbr.)
Parma, 9. Dec.

Zweihundert Pontoniers sind im Begriff, über den Po in unserer Nähe eine Schiffbrücke zu schlagen, die den Eintritt eines östreichischen Corps von 15,000 Mann erleichtern soll, das sich gegen Bologna oder selbst bis Pianaro in Bewegung setzt.

(Genueser Zeitung vom 14. Decbr.)
* Neapel, 7. Dez.

Die Times theilt eine Unterredung zwischen dem Könige von Neapel und dem außerordentlichen Gesandten Temple mit. Es bedarf für unsere Leser kaum der Andeutung, daß der nachfolgende Dialog ein Machwerk der Times ist. Der Cretinismus des Kartätschen-Ferdinands ist ebenso weltkundig, als die standrechtlichen Gelüste der „Times‧“ die in der europäischen Revolution nichts als eine Handelsstörung erblickt.

„Wir müssen die Sizilianer unter unsern Schutz nehmen,“ sagte Temple, „so zu handeln ist ein Ehrenpunkt für uns.“ „Ich bin,“ antwortete der König, „ich bin wahrhaft dankbar für eure Sorge um meine Unterthanen. Ich wünschte nur die Macht und die Mittel zu besitzen, Ihrer Majestät, der Königin Victoria, gleich nützlich zu sein.“

Temple: „Ja, Sizilien hat Ansprüche auf uns und wir müssen es beschützen.“

Der König von Neapel: „Richtig, aber Neapel, denke ich, hat auch Ansprüche, und ich hoffe, wenn Sie so besorgt für den Schutz einer meiner Herrschaften sind, werden Sie die andere nicht vergessen, und daß Neapel eben so sehr Protektion in Anspruch nimmt als Sizilien.

Temple: „Eure Majestät werden das Geeignete einer Maßregel einsehn, welche der Insel eine Seemacht garantirt und alle Neapolitaner von ihr entfernt.“

Der König von Neapel: „Oh gewiß, wenn Eure Königin uns mit so gutem Beispiel in Irland vorangehn will. Ich betrachte die Lage von Irland und Sizilien als dieselbe: und ich gebe mein Wort, Schritt für Schritt jeder Maßregel zu folgen, welche die Königin Victoria in diesem Theile ihres Gebiets ergreift.“

Temple: Ich glaube nicht, Sire, daß irgend eine Analogie in beiden Fällen Statt findet.

Der König von Neapel: Ich verstehe Sie; es findet allerdings keine Analogie Statt. Kein Theil Irlands ist in den Händen einer rebellischen Armee und in keiner Stadt existirt eine provisorische Regierung, welche der in der Hauptstadt etablirten sich widersetzte. Die Königin kann daher ohne Gefahr eine bedeutende Truppenmasse fortziehn, während hier alle zum Schutze des Theiles von Sizilien nöthig sind, der meiner Herrschaft treu geblieben ist.

Auf den Vorschlag Temple's, gewissen Personen hohe administrative Posten zu verleihen, antwortete Ferdinand: „Diese alle sind meine erklärten Feinde. Verlangen Sie, daß ich abdanken soll? Wie lange werde ich im Besitze der Insel bleiben, wenn diese Personen sich im Besitze der exekutiven Gewalt befinden? Ich erkläre Ihnen, was ich thun will: ich will den Sizilianern die Konstitution von 1812 geben und eine gesonderte Administration, deren Mitglieder die Krone ernennt. Ja ich will mehr thun: ich will, daß Palermo eine Schweizer- oder eine andere fremde Legion erhält, bis die Klugheit die Ueberweisung an eingeborne Truppen zuläßt.“ Die Konstitution von 1812 und die Schweizer. Tout comme chez nous. Die octroyirte Verfassung und der Belagerungszustand!

Französische Republik.
Paris, 19. Dezember.

Das Ministerium Bonaparte ist fix und fertig. Es bleibt, wie wir es mit geringer Aenderung schon vor sechs Tagen angegeben haben:

Odilon-Barrot, Präsident und Justiz. General Rulhières, Krieg. Hippolyte Passy, Finanzen. Drouyn de Lhuys, Auswärtiges. Leon de Maleville, Inneres. De Tracy, Marine. Leon Faucher, Staatsbauten. Bixio, Ackerbau und Handel. De Falloux, Unterricht. Marschall Bugeaud über die Alpenarmee. Changarnier über die pariser Gesammtkräfte. Berger oder Boulay für die Seinepräfektur. Rebillot, Gensd'armerie-Oberst zum Polizeipräfekt. Der Postdirektor noch unbekannt. Zum Vize-Präsident will Bonaparte Lamartine, Bedeau, Bugeaud vorschlagen.

Der National beschwört heute alle Republikaner sich zu einigen und nicht zu gestatten, daß man die Nationalversammlung auflöse, ehe sie die Organischen Gesetze vollendet habe, die sie noch gar nicht angefangen.

Man munkelt von einer Vereinigung des Palais National mit der Rue Taitbout. Marrast will zum bösen Spiele gute Miene machen und das Programm des „Berges“ unterzeichnen. Der Apfel dünkt ihm zwar sehr sauer, aber er soll und muß durchbissen werden.

Von Louis Blanc liegt eine neue Broschüre „die FebruarRevolution im Luxembourg“ im Buchhandel aus.

068 Paris, 19. Dezbr.

Die Zahl der deutschen Flüchtlinge mehrt sich von Tag zu Tage. So kam gestern der von Berlin geflohene Eichler hier an und wurde von seinen Freunden herzlich begrüßt.

Nationalversammlung. Sitzung vom 19. December. Präsident Marrast.

Marrast eröffnet die Sitzung um 3 Uhr, aber die meisten Deputirten befinden sich in der Abtheilung, wo die Ausschüsse für die Organischen Gesetze (Verantwortlichkeit des Präsidenten etc.) konstituirt werden.

Allmälig füllen sich die Bänke.

Lagrange nimmt gleich nach dem Protokoll das Wort, um die Kammer wiederholt mit den Juni-Insurgenten zu belästigen. Er sei gestern mißverstanden worden; er habe nicht verlangt, daß man die Frage heute behandle, sondern daß man sie überhaupt vor dem Antritt des neuen Präsidenten erledige. Nicht dem Bonaparte, sondern der Nationalversammlung gezieme es, die Amnestie auszusprechen. Nicht dieser, sondern die Nationalversammlung habe diese Unglücklichen auf die Pontons geworfen, ohne ihnen vorher den Prozeß gemacht zu haben. Er sei auch von Louis Philipp eingesperrt worden, aber er habe nicht den vierten Theil der Leiden ertragen durfen, wie die Junigefangene auf den Pontons und in den Forts von Paris. Die Republik durfe nicht grausamer als die Monarchie sein. Er empfange täglich Briefe, die er der Versammlung vorlesen wolle, wenn sie an den Martern der Verschifften zweifle. (Nein, Nein! Zur Tagesordnung!)

Champrans, ein Ultrakonservativer, beantragt die beruchtigte Question préalable, damit den Behelligungen des Schreiers Lagrange ein für alle Male ein Ende gemacht werde.

Larochejaquelin bemerkt, daß die Question préalable nur nach vorheriger Diskussion verlangt werden könne. Das Haus solle kurz und einfach zur Tagesordnung schreiten.

Dies geschieht. An ihr ist zunächst ein Antrag auf Erfüllung gewisser Bedingungen bei Beamtenbeförderungen.

Auch das französische Beamtenwesen war bisher einer solchen Willkür unterworfen gewesen, daß bei jedem Regierungswechsel, bei jeder Ministerialänderung die schreiendsten Uebergriffe stattfanden.

Deslongrais, ein Cidrefabrikant aus der Normandie, der sich einbildet, ein großer Staatsmann zu sein, stellte den Antrag, dieser Willkur einen Damm zu setzen, und die Amtsbeförderungen gewissen Bedingungen zu unterwerfen.

Es wird zu diesem Zweck eine Commission von 15 Gliedern ernannt werden.

Hierauf wird ein Stoß von Bittschriften erledigt.

Marrast erklärt schließlich, daß die letzten Wahlprotokolle nicht vor Sonntag eintreffen können.

Schluß der Sitzung.

Großbritannien.
* London, 19. Dec.

Die engl. Politiker halten jetzt gewissermaßen ihren Winterschlaf. Die Lords sitzen auf ihren Schlössern im Innern des Landes, Besuche machend und Besuche empfangend, ohne je etwas von dem verlauten zu lassen, was sie in der nächsten Session zu thun gedenken. Die Bourgeoisie, Kaufleute und Fabrikanten reguliren ihre Bücher und blicken zurück auf den Gang der Geschäfte des letzten Jahres, in dem es ihnen nur zu oft schwül genug um's Herz wurde, wenn sie den schlechten Erndten von 45 und 46 und der Geldkrise von 1847 eine Periode der Revolutionen folgen sahen, an die sie gewiß am allerwenigsten gedacht hatten. Die Arbeiter endlich, die manche ihrer Hoffnungen am 10. April scheitern sahen, sind nicht weniger ruhig; sie trösten sich einstweilen mit dem Aufschwung, den neuerdings die Industrie nahm, der ihnen in diesem Winter vielleicht mehr Arbeit gibt, als sie es zu andern Zeiten gewohnt waren.

Dieser politische Winterschlaf der Engländer hat wirklich etwas trauriges und unheimliches. Es ist als ob er die Menschen noch einförmiger machte, als sie es wirklich schon sind; als ob er den Himmel noch nebliger und düstrer verhängte, als er es wirklich schon ist. Um die Flamme des Kamins gereiht, sehen wir die riesigen, energischen Gestalten der Provinzen, schweigend und mit gesenktem Kopfe niedersitzen, in regelmäßigen Zwischenräumen den Rauch ihrer gekrümmten, irdenen Pfeife in das Zimmer hinausblasen; in noch regelmäßigern Pausen den dampfenden Grog hinunterschlürfen, und immer ernst, gravitätisch, großbritannisch.

Stunden lang sitzen sie so da, in das Feuer stierend, in das Glas, oder auf die eigenen Fußspitzen, bis endlich einer der Gesellschaft den Mund öffnet und von einem Pferderennen zu sprechen beginnt, von einer Fuchsjagd, oder gar von einem politischen Ereigniß der letzten Vergangenheit — — Tief seufzen alle auf. Das Eis der Konversation ist endlich gebrochen und ehe eine viertel Stunde vergeht, da hat man sich auch aller Parlamentssitzungen seit dem Passiren der Reformbill erinnert und die Namen Lord John's, Sir Robert Peel's, Lord Brougham's und Cobden's und Bright's tönen herüber und hinüber, die Leidenschaft vergangener Jahre wird auf's Neue lebendig, man raucht mit Leidenschaft und man trinkt mit Leidenschaft, die kolossalen Figuren der Yorkshire- und der Lancashire-Männer sind wie aus einem Traume erwacht und wir fühlen uns plötzlich wieder mitten unter einem Volke, das seine Heerden auf der letzten Küste Australiens weidet, das seinen „Erebus“ und seinen „Terror“ in das Eis des Polen sendet und seine Krieger auf den Hochebenen Asiens dem Feinde die Stirn bieten läßt, zu immer neuen Eroberungen, zu immer glorreichern Siegen.

Mit einem Worte, wir fühlen endlich wieder, daß wir in England sind.

Seit langer Zeit war indeß der politische Winterschlaf der Engländer, nicht uninteressanter als in diesem Jahre, denn es ist den Engländern noch nie passirt, daß sie unberücksichtigter geblieben waren in der Weltgeschichte, als gerade jetzt. Wer kümmert sich denn gegenwärtig um einen Sir Robert, wer gar um einen Cobden, oder um einen Bright? Die schönen Tage des Freihandelsenthusiasmus sind längst vorüber. Die Begeisterung, welche dem Vertreter der West-Riding, dem „großen Richard“, dem „Baumwollheiland“ bei seiner Kontinentalreise, in hundert Banketts, von St. Petersburg bis nach Palermo entgegentönte, hat dem Donner der Revolutionen Platz gemacht, die besser argumentirten, als alle die winzigen Manchester Paschas, welche die dicken ökonomischen Barren eines Adam Smith, eines Ricardo und anderer Autoritäten in so unzähligen Scheidemünzen über das Ausland zu verbreiten suchten. Selbst die offizielle Partei ist in totale Vergessenheit gerathen. Seit der kleine Lord John seine großen Maßregeln, die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und die Umgestaltung des irischen Armenwesens, eben so kläglich zurücknahm, als er sie einst geräuschvoll genug vor das Haus der Gemeinen brachte: hat sich Niemand mehr an die Resultate der letzten Session gekehrt. Der Mann der Reform-Bill schwand zu einem Zwerge hinab, zu einem müden, ungeschickten Steuerburschen, der nur deshalb das Ruder in Händen behielt, weil eben alle Uebrigen eingeschlafen waren.

Und nun gar Lord Palmerston mit seiner auswärtigen Politik! der alte revolutionäre Dandy, der früher der Welt so viel zu schaffen machte, er zog sich wie eine Schnecke, in das sichere Gehäuse zurück und ließ den Sturm ruhig toben, wenig bekümmert um frische diplomatische Lorbeerkränze, die er früher so gern auf die erblichenen Locken zu drücken strebte. Seit er es in Folge des verlorenen spanischen Heirathsgeschäfts ertragen mußte, daß sein Gesandter am Hofe zu Madrid den Befehl erhielt, in 24 Stunden die Stadt zu räumen, sank der alte Held mit seinen politischen Eroberungen immer tiefer und tiefer.

Die Ereignisse des 24. Februar brachten ihn ganz außer Fassung. Schlecht nur zeigte er bei der schleswig-holsteinischen Angelegenheit seine stumpfen Zähne — wäre er des russischen Einflusses nicht sicher gewesen, er würde schwerlich so viele Worte darum gemacht haben. Aber die eigentliche Blamage stand dem edlen Lord erst in Nord- und Süd-Italien bevor, in der Lombardei und vor Messina, als er die bekannte Intervention eben so komisch wieder aufgab, wie er sie eben noch voller Würde unternommen hatte. Die Häupter des Ministeriums der Whigs, Lord John Russell und Lord Palmerston zeigten sich in der That gleich heroisch. Der eine mit der Navigationsakte und mit hundert kleinern Maßregeln; der Andere mit seinen berühmten Interventionen.

Doch die Engländer sind zufrieden mit ihren Ministern. Was will man mehr? Die englische Bourgeoisie, nachdem sie den 10. April glücklich überstanden hatte, nachdem die Chartisten wenigstens für den Augenblick aus dem Felde geschlagen waren, wünschte nichts weiter als Ruhe und Frieden. Es war ihnen recht genug, daß die Minister sich durchaus nicht mehr in anderer Leute Sachen mischten. Die alte Phrase, daß es den Britten lieb sei, wenn da draußen die Freiheit siege, daß es der Würde Großbritanniens angemessen sei, den Aufschwung der Völker zu unterstützen, zieht nicht mehr. Alle Welt weiß, daß sie zum Kindergeschwätz geworden. Man wollte also nichts mehr davon wissen und die englische Presse machte es sich mit sehr wenigen Ausnahmen zur täglichen Aufgabe, über die Bewegung des Kontinents in so brutaler Weise herzufallen, wie es auch dem größten Feinde des „perfiden Albion“ wie im Traume eingefallen war. „Wir sind reich genug, um unsern Ruhm zu bezahlen —“ sagte einst ein französischer Redner — und noch dazu einer von den schlechtesten. Die Engländer drehten dies um und sagten: „Wir sind zu arm, um uns Ruhm zu kaufen,“ und die Leute, welche dies sagten, gehörten wirklich zu den besten. Getrost ließ man der Reaktion des Kontinents freies Spiel. Messina wurde bombardirt, in Mailand wütheten die Kroaten, über den Fall Wiens frohlockte man wie über die Nachricht eines Nelsonschen Sieges, und die oktroyirte Verfassung der Preußen pries man als ein Muster der Staatsweisheit!! (Daß eine Anzahl preußischer Friedrichsd'or den Ruhm steigerten, versteht sich von selbst.)

Aber die Bourgeoisie Britanniens wollte es so. Sie wollte Ruhe, sie wollte, daß das Geschäft sich hebe, sie wollte, daß sie endlich wieder einen ruhigen Winterschlaf feiere, ruhig wie den jetzigen, denn trotz aller australischen Besitzungen, trotz Erebus und Terror und trotz aller indischen Siege, ist John Bull ein Krämer, ein Mann, der sich den Teufel um die Freiheit schiert, wenn sie nicht zu verwandeln ist in Pfunde, Schillinge und Pence.

* London, 19. Decbr.

Ich schrieb Ihnen neulich, daß der Ex-König von Frankreich vor einem der hiesigen Polizeigerichte gegen mehrere aus Frankreich herübergekommene Personen, angeblich, weil sie im Besitz von Eigenthum seien, das ihm, dem Ex-Könige, aus den Tuilerien und dem Schlosse von Neuilly geraubt worden, geklagt habe. Das vorläufig in Beschlag genommene Vermögen wird auf 30,000 Pf. St. geschätzt. Die Sache war das vorige Mal vertagt worden. Am Sonnabende beantragte nun der klägerische

Hierzu eine Beilage.

Der Gerant: Korff.
Druck von J. W. Dietz, unter Hutmacher Nr. 17.

<TEI>
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          <p>§. 10. Die Wahl erfolgt durch einfache Stimmenmehrheit aller in einem Wahldistrikte abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.</p>
          <p>§. 11. Stellvertreter der Abgeordneten sind nicht zu wählen.</p>
          <p>§. 12. Das Wahlrecht muß in Person ausgeübt, die Stimmen mündlich zu Protokoll abgegeben werden.</p>
          <p>§. 13. Staatsdiener bedürfen zur Annahme der auf sie gefallenen Wahl keiner Genehmigung ihrer Vorgesetzten.</p>
          <p>§. 14. Die Wahldistrikte und Bezirke, die Wahldirektoren und das Wahlverfahren, in so weit dasselbe nicht durch das gegenwärtige Gesetz festgestellt worden ist, werden von den Regierungen der Einzelstaaten angeordnet.</p>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 19. Dezember.</head>
          <p>Sitzung der Nationalversammlung.</p>
          <p>Tagesordnung: Zweite Lesung der Grundrechte, Artikel 8, § 30 ff.</p>
          <p>Vizepräsident Beseler sitzt auf dem Präsidentenstuhl.</p>
          <p>Nach Genehmigung des Protokolls beantwortet der Justizminister von Mohl eine Interpellation von Wesendonk wegen der gegen Zitz, Schlöffel und Simon von Trier obschwebenden Untersuchung vom 18. September her. Mit den Einzelnheiten dieser Untersuchung ist das Ministerium unbekannt, aber das peinliche Verhöramt hat angezeigt, daß noch im Dezember I. J. die ganze Untersuchung geschlossen sein wird.</p>
          <p>Auf eine Interpellation Maifelds wegen Mittheilung der Reichsgesetze in Oesterreich, theilt der Minister mit, daß jedes Stück des Reichsgesetzblattes, also auch das Schutzgesetz der Reichstagsabgeordneten vom 29. September allen Bevollmächtigten der Einzelstaaten mitgetheilt und zumal der Empfang des letzteren vom österreichischen Bevollmächtigten schriftlich bescheinigt worden ist. (Darum hat man Blum und Fröbel auch so in Schutz genommen!)</p>
          <p>In der Blumschen Angelegenheit (nach welcher Dietsch von Annaberg mit mehren andern sich erkundigt hat) ist der vollständige Bericht noch nicht ans Reichsministerium gelangt, wird aber bald geschehen.</p>
          <p>Endlich auf eine Anfrage des Abgeordneten Schoder wegen der Verhaftung Ludwig Raveaux in Wien und der noch fortbestehenden Ausnahmsmaßregeln &#x2014; wegen der Person des Raveaux sind von mehreren Seiten Schritte zum Schutz gethan worden, aber die Ausnahmemaßregeln, welche die k. k. Regierung mit (!) Widerwillen (!) ergriffen, seien zur Wiederherstellung der (!) Ordnung (!) noch nöthig. Ueberhaupt müsse man Oesterreich jetzt ungeschoren lassen, bis die deutsch-österreichische Krise entschieden.</p>
          <p>Um 10 Uhr geht man zur Tagesordnung, und nimmt folgende Paragraphen in definitiver Fassung an:</p>
          <p>Art. 8. § 30.</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Das Eigenthum ist unverletzlich. (Unverändet.)<lb/>
&#x201E;Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden. (Neue Fassung.)<lb/>
&#x201E;Das geistige Eigenthum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden.&#x201C; (Neu.)</p>
          <p>§. 31. (in neuer Fassung).</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todes wegen ganz oder theilweise veräußern. &#x2014; Den Einzelstaaten bleibt überlassen, die Durchführung des Grundsatzes der Theilbarkeit alles Grundeigenthums durch Uebergangsgesetze zu vermitteln. (Minoritäts-Erachten). Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig&#x201C; (neu).</p>
          <p>Der erste Satz wurde in namentlicher Abstimmung mit 237 gegen 189 Stimmen angenommen.</p>
          <p>§. 32.</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Jeder Unterthänigkeits- und Hörigkeitsverband hört für immer auf&#x201C; (unverändert).</p>
          <p>§. 33.</p>
          <p>&#x201E;Ohne Entschädigung sind aufgehoben:</p>
          <p>1) Die Patrimonialgerichtsbarkeit und die grundherrliche Polizei, sammt den aus diesen Rechten fließenden Befugnissen, Exemptionen und Abgaben.&#x201C;</p>
          <p>2) &#x201E;Die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen.&#x201C;</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche dem bisher Berechtigten dafür oblagen&#x201C; (neu).</p>
          <p>Amendement von <hi rendition="#g">Trützschler:</hi> &#x201E;Alle Bannrechte sind aufgehoben&#x201C; wird mit sehr schwacher Majorität verworfen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Lewisohn</hi>'s Antrag: &#x201E;Alle Bann- und Zwangsrechte sind aufgehoben&#x201C;, mit 262 Stimmen gen 164 verworfen. Ebenso die Aufhebung des Blutzehnten und Neubruchzehnten und noch anderer Lasten. Man läßt die Lasten auf dem Volke lasten.</p>
          <p>§ 34.</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehnten, sind ablösbar: ob nur auf Antrag des Belasteten oder auch des Berechtigten, und in welcher Weise, bleibt der Gesetzgebung der einzelnen Staaten überlassen&#x201C; (neu und sehr gekürzt!).</p>
          <p>Ein Zusatz von <hi rendition="#g">Schoder</hi>: &#x201E;Der Gesetzgebung der einzelnen Staaten steht die Befugniß zu, wo sie es begründet findet, jene Leistungen unentgeldlich aufzuheben&#x201C;, wurde mit 231 Stimmen gegen 207 verworfen.</p>
          <p>Ein Zusatz der Minorität des Verfassungs-Ausschusses: &#x201E;Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden&#x201C;, wurde mit 232 Stimmen gegen 221 angenommen. (Verwunderung).</p>
          <p>Ueber keinen der vorstehenden §§. wurde diskutirt.</p>
          <p>Um 3/4 3 Uhr vertagt man sich und geht in die Abtheilungen zur Wahl des neuen Ausschusses für Begutachtung des Gagern'schen Ministerprogramms.</p>
          <p>Morgen ist Sitzung. Tagesordnung: Grundrechte.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar175_024" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom, 11. Dec.</head>
          <p>Die provisorische Regierung ist proklamirt. Sie besteht aus dem Senator von Rom, dem Senator aus Bologna und dem Gonsaloniere von Ancona. Der Papst ist von seinem weltlichen Throne als abgesetzt erklärt.</p>
          <p>Nach Fassung dieser Beschlüsse durch den Ausschuß der Deputirten-Kammern hielt der Minister Sterbini eine Rede an das Volk, in welcher er ihm diese Beschlüsse vorlas und erklärte: daß der Papst zwar als erster Bischof der Kirche nach Rom zurückkehren dürfe, aber allen seinen Kardinälen und Prälaten sei der Zugang nach Rom verweigert.</p>
          <p>Das Volk jauchzte diesen Beschlüssen seinen Beifall zu und zog durch die Straßen mit dem Rufe: <hi rendition="#g">Tod dem Papste! Tod den Kardinälen! Es lebe die italienische Republik</hi>!&#x201C;</p>
          <p>In Genua und Turin haben obige Nachrichten große Theilnahme hervorgerufen. Karl Albert hat das von Gioberti gebildete Ministerium genehmigt.</p>
          <bibl>(National Savoisien vom 17. Decbr.)</bibl>
          <p>Der römische General Zucchi hat sich nach Spezio geflüchtet.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar175_025" type="jArticle">
          <head>Turin, 15. Deebr.</head>
          <p>3 1/2 Uhr Nachmittags. Das neue demokratische Ministerium besteht aus folgenden Personen:</p>
          <p>1) Gioberti, Conseilpräsident, ohne Portefeuille. 2) Sineo, Justiz. 3) Ratazzi, Inneres. 4) Ricci, Finanzen. 5) Montezimolo, Staatsbauten. 6) Durini oder Paleocapa, Ackerbau und Handel. 7) Bixio, (Bruder des neuen Pariser Ministers gleichen Namens) Unterricht. 8) La Marmora behält Krieg und Marine.</p>
          <bibl>(National Savoisien vom 17. Decbr.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar175_026" type="jArticle">
          <head>Parma, 9. Dec.</head>
          <p>Zweihundert Pontoniers sind im Begriff, über den Po in unserer Nähe eine Schiffbrücke zu schlagen, die den Eintritt eines östreichischen Corps von 15,000 Mann erleichtern soll, das sich gegen Bologna oder selbst bis Pianaro in Bewegung setzt.</p>
          <bibl>(Genueser Zeitung vom 14. Decbr.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar175_027" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Neapel, 7. Dez.</head>
          <p>Die Times theilt eine Unterredung zwischen dem Könige von Neapel und dem außerordentlichen Gesandten <hi rendition="#g">Temple</hi> mit. Es bedarf für unsere Leser kaum der Andeutung, daß der nachfolgende Dialog ein Machwerk der Times ist. Der Cretinismus des Kartätschen-Ferdinands ist ebenso weltkundig, als die standrechtlichen Gelüste der &#x201E;Times&#x2027;&#x201C; die in der europäischen Revolution nichts als eine Handelsstörung erblickt.</p>
          <p>&#x201E;Wir müssen die Sizilianer unter unsern Schutz nehmen,&#x201C; sagte Temple, &#x201E;so zu handeln ist ein Ehrenpunkt für uns.&#x201C; &#x201E;Ich bin,&#x201C; antwortete der König, &#x201E;ich bin wahrhaft dankbar für eure Sorge um meine Unterthanen. Ich wünschte nur die Macht und die Mittel zu besitzen, Ihrer Majestät, der Königin Victoria, gleich nützlich zu sein.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Temple</hi>: &#x201E;Ja, Sizilien hat Ansprüche auf uns und wir müssen es beschützen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Der König von Neapel</hi>: &#x201E;Richtig, aber Neapel, denke ich, hat auch Ansprüche, und ich hoffe, wenn Sie so besorgt für den Schutz einer meiner Herrschaften sind, werden Sie die andere nicht vergessen, und daß Neapel eben so sehr Protektion in Anspruch nimmt als Sizilien.</p>
          <p><hi rendition="#g">Temple:</hi> &#x201E;Eure Majestät werden das Geeignete einer Maßregel einsehn, welche der Insel eine Seemacht garantirt und alle Neapolitaner von ihr entfernt.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Der König von Neapel</hi>: &#x201E;Oh gewiß, wenn Eure Königin uns mit so gutem Beispiel in Irland vorangehn will. Ich betrachte die Lage von Irland und Sizilien als dieselbe: und ich gebe mein Wort, Schritt für Schritt jeder Maßregel zu folgen, welche die Königin Victoria in diesem Theile ihres Gebiets ergreift.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Temple</hi>: Ich glaube nicht, Sire, daß irgend eine Analogie in beiden Fällen Statt findet.</p>
          <p><hi rendition="#g">Der König von Neapel</hi>: Ich verstehe Sie; es findet allerdings keine Analogie Statt. Kein Theil Irlands ist in den Händen einer rebellischen Armee und in keiner Stadt existirt eine provisorische Regierung, welche der in der Hauptstadt etablirten sich widersetzte. Die Königin kann daher ohne Gefahr eine bedeutende Truppenmasse fortziehn, während hier alle zum Schutze des Theiles von Sizilien nöthig sind, der meiner Herrschaft treu geblieben ist.</p>
          <p>Auf den Vorschlag Temple's, gewissen Personen hohe administrative Posten zu verleihen, antwortete <hi rendition="#g">Ferdinand:</hi> &#x201E;Diese alle sind meine erklärten Feinde. Verlangen Sie, daß ich abdanken soll? Wie lange werde ich im Besitze der Insel bleiben, wenn diese Personen sich im Besitze der exekutiven Gewalt befinden? Ich erkläre Ihnen, was ich thun will: ich will den Sizilianern die Konstitution von 1812 geben und eine gesonderte Administration, deren Mitglieder die Krone ernennt. Ja ich will mehr thun: ich will, daß Palermo eine Schweizer- oder eine andere fremde Legion erhält, bis die Klugheit die Ueberweisung an eingeborne Truppen zuläßt.&#x201C; <hi rendition="#g">Die Konstitution von 1812 und die Schweizer</hi>. Tout comme chez nous. <hi rendition="#g">Die octroyirte Verfassung und der Belagerungszustand!</hi> </p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar175_028" type="jArticle">
          <head>Paris, 19. Dezember.</head>
          <p>Das Ministerium Bonaparte ist fix und fertig. Es bleibt, wie wir es mit geringer Aenderung schon vor sechs Tagen angegeben haben:</p>
          <p>Odilon-Barrot, Präsident und Justiz. General Rulhières, Krieg. Hippolyte Passy, Finanzen. Drouyn de Lhuys, Auswärtiges. Leon de Maleville, Inneres. De Tracy, Marine. Leon Faucher, Staatsbauten. Bixio, Ackerbau und Handel. De Falloux, Unterricht. Marschall Bugeaud über die Alpenarmee. Changarnier über die pariser Gesammtkräfte. Berger oder Boulay für die Seinepräfektur. Rebillot, Gensd'armerie-Oberst zum Polizeipräfekt. Der Postdirektor noch unbekannt. Zum Vize-Präsident will Bonaparte Lamartine, Bedeau, Bugeaud vorschlagen.</p>
          <p>Der National beschwört heute alle Republikaner sich zu einigen und nicht zu gestatten, daß man die Nationalversammlung auflöse, ehe sie die Organischen Gesetze vollendet habe, die sie noch gar nicht angefangen.</p>
          <p>Man munkelt von einer Vereinigung des Palais National mit der Rue Taitbout. Marrast will zum bösen Spiele gute Miene machen und das Programm des &#x201E;Berges&#x201C; unterzeichnen. Der Apfel dünkt ihm zwar sehr sauer, aber er soll und muß durchbissen werden.</p>
          <p>Von Louis Blanc liegt eine neue Broschüre &#x201E;die FebruarRevolution <hi rendition="#g">im</hi> Luxembourg&#x201C; im Buchhandel aus.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Paris, 19. Dezbr.</head>
          <p>Die Zahl der deutschen Flüchtlinge mehrt sich von Tag zu Tage. So kam gestern der von Berlin geflohene Eichler hier an und wurde von seinen Freunden herzlich begrüßt.</p>
          <p>&#x2014; <hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. Sitzung vom 19. December. Präsident Marrast.</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> eröffnet die Sitzung um 3 Uhr, aber die meisten Deputirten befinden sich in der Abtheilung, wo die Ausschüsse für die Organischen Gesetze (Verantwortlichkeit des Präsidenten etc.) konstituirt werden.</p>
          <p>Allmälig füllen sich die Bänke.</p>
          <p><hi rendition="#g">Lagrange</hi> nimmt gleich nach dem Protokoll das Wort, um die Kammer wiederholt mit den Juni-Insurgenten zu belästigen. Er sei gestern mißverstanden worden; er habe nicht verlangt, daß man die Frage heute behandle, sondern daß man sie überhaupt vor dem Antritt des neuen Präsidenten erledige. Nicht dem Bonaparte, sondern der Nationalversammlung gezieme es, die Amnestie auszusprechen. Nicht dieser, sondern die Nationalversammlung habe diese Unglücklichen auf die Pontons geworfen, ohne ihnen vorher den Prozeß gemacht zu haben. Er sei auch von Louis Philipp eingesperrt worden, aber er habe nicht den vierten Theil der Leiden ertragen durfen, wie die Junigefangene auf den Pontons und in den Forts von Paris. Die Republik durfe nicht grausamer als die Monarchie sein. Er empfange täglich Briefe, die er der Versammlung vorlesen wolle, wenn sie an den Martern der Verschifften zweifle. (Nein, Nein! Zur Tagesordnung!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Champrans,</hi> ein Ultrakonservativer, beantragt die beruchtigte Question préalable, damit den Behelligungen des Schreiers Lagrange ein für alle Male ein Ende gemacht werde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Larochejaquelin</hi> bemerkt, daß die Question préalable nur nach vorheriger Diskussion verlangt werden könne. Das Haus solle kurz und einfach zur Tagesordnung schreiten.</p>
          <p>Dies geschieht. An ihr ist zunächst ein Antrag auf Erfüllung gewisser Bedingungen bei Beamtenbeförderungen.</p>
          <p>Auch das französische Beamtenwesen war bisher einer solchen Willkür unterworfen gewesen, daß bei jedem Regierungswechsel, bei jeder Ministerialänderung die schreiendsten Uebergriffe stattfanden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Deslongrais,</hi> ein Cidrefabrikant aus der Normandie, der sich einbildet, ein großer Staatsmann zu sein, stellte den Antrag, dieser Willkur einen Damm zu setzen, und die Amtsbeförderungen gewissen Bedingungen zu unterwerfen.</p>
          <p>Es wird zu diesem Zweck eine Commission von 15 Gliedern ernannt werden.</p>
          <p>Hierauf wird ein Stoß von Bittschriften erledigt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> erklärt schließlich, daß die letzten Wahlprotokolle nicht vor <hi rendition="#g">Sonntag</hi> eintreffen können.</p>
          <p>Schluß der Sitzung.</p>
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        <head>Großbritannien.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 19. Dec.</head>
          <p>Die engl. Politiker halten jetzt gewissermaßen ihren Winterschlaf. Die Lords sitzen auf ihren Schlössern im Innern des Landes, Besuche machend und Besuche empfangend, ohne je etwas von dem verlauten zu lassen, was sie in der nächsten Session zu thun gedenken. Die Bourgeoisie, Kaufleute und Fabrikanten reguliren ihre Bücher und blicken zurück auf den Gang der Geschäfte des letzten Jahres, in dem es ihnen nur zu oft schwül genug um's Herz wurde, wenn sie den schlechten Erndten von 45 und 46 und der Geldkrise von 1847 eine Periode der Revolutionen folgen sahen, an die sie gewiß am allerwenigsten gedacht hatten. Die Arbeiter endlich, die manche ihrer Hoffnungen am 10. April scheitern sahen, sind nicht weniger ruhig; sie trösten sich einstweilen mit dem Aufschwung, den neuerdings die Industrie nahm, der ihnen in diesem Winter vielleicht mehr Arbeit gibt, als sie es zu andern Zeiten gewohnt waren.</p>
          <p>Dieser politische Winterschlaf der Engländer hat wirklich etwas trauriges und unheimliches. Es ist als ob er die Menschen noch einförmiger machte, als sie es wirklich schon sind; als ob er den Himmel noch nebliger und düstrer verhängte, als er es wirklich schon ist. Um die Flamme des Kamins gereiht, sehen wir die riesigen, energischen Gestalten der Provinzen, schweigend und mit gesenktem Kopfe niedersitzen, in regelmäßigen Zwischenräumen den Rauch ihrer gekrümmten, irdenen Pfeife in das Zimmer hinausblasen; in noch regelmäßigern Pausen den dampfenden Grog hinunterschlürfen, und immer ernst, gravitätisch, großbritannisch.</p>
          <p>Stunden lang sitzen sie so da, in das Feuer stierend, in das Glas, oder auf die eigenen Fußspitzen, bis endlich einer der Gesellschaft den Mund öffnet und von einem Pferderennen zu sprechen beginnt, von einer Fuchsjagd, oder gar von einem politischen Ereigniß der letzten Vergangenheit &#x2014; &#x2014; Tief seufzen alle auf. Das Eis der Konversation ist endlich gebrochen und ehe eine viertel Stunde vergeht, da hat man sich auch aller Parlamentssitzungen seit dem Passiren der Reformbill erinnert und die Namen Lord John's, Sir Robert Peel's, Lord Brougham's und Cobden's und Bright's tönen herüber und hinüber, die Leidenschaft vergangener Jahre wird auf's Neue lebendig, man raucht mit Leidenschaft und man trinkt mit Leidenschaft, die kolossalen Figuren der Yorkshire- und der Lancashire-Männer sind wie aus einem Traume erwacht und wir fühlen uns plötzlich wieder mitten unter einem Volke, das seine Heerden auf der letzten Küste Australiens weidet, das seinen &#x201E;Erebus&#x201C; und seinen &#x201E;Terror&#x201C; in das Eis des Polen sendet und seine Krieger auf den Hochebenen Asiens dem Feinde die Stirn bieten läßt, zu immer neuen Eroberungen, zu immer glorreichern Siegen.</p>
          <p>Mit einem Worte, wir fühlen endlich wieder, daß wir in England sind.</p>
          <p>Seit langer Zeit war indeß der politische Winterschlaf der Engländer, nicht uninteressanter als in diesem Jahre, denn es ist den Engländern noch nie passirt, daß sie unberücksichtigter geblieben waren in der Weltgeschichte, als gerade jetzt. Wer kümmert sich denn gegenwärtig um einen Sir Robert, wer gar um einen Cobden, oder um einen Bright? Die schönen Tage des Freihandelsenthusiasmus sind längst vorüber. Die Begeisterung, welche dem Vertreter der West-Riding, dem &#x201E;großen Richard&#x201C;, dem &#x201E;Baumwollheiland&#x201C; bei seiner Kontinentalreise, in hundert Banketts, von St. Petersburg bis nach Palermo entgegentönte, hat dem Donner der Revolutionen Platz gemacht, die besser argumentirten, als alle die winzigen Manchester Paschas, welche die dicken ökonomischen Barren eines Adam Smith, eines Ricardo und anderer Autoritäten in so unzähligen Scheidemünzen über das Ausland zu verbreiten suchten. Selbst die offizielle Partei ist in totale Vergessenheit gerathen. Seit der kleine Lord John seine großen Maßregeln, die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und die Umgestaltung des irischen Armenwesens, eben so kläglich zurücknahm, als er sie einst geräuschvoll genug vor das Haus der Gemeinen brachte: hat sich Niemand mehr an die Resultate der letzten Session gekehrt. Der Mann der Reform-Bill schwand zu einem Zwerge hinab, zu einem müden, ungeschickten Steuerburschen, der nur deshalb das Ruder in Händen behielt, weil eben alle Uebrigen eingeschlafen waren.</p>
          <p>Und nun gar Lord Palmerston mit seiner auswärtigen Politik! der alte revolutionäre Dandy, der früher der Welt so viel zu schaffen machte, er zog sich wie eine Schnecke, in das sichere Gehäuse zurück und ließ den Sturm ruhig toben, wenig bekümmert um frische diplomatische Lorbeerkränze, die er früher so gern auf die erblichenen Locken zu drücken strebte. Seit er es in Folge des verlorenen spanischen Heirathsgeschäfts ertragen mußte, daß sein Gesandter am Hofe zu Madrid den Befehl erhielt, in 24 Stunden die Stadt zu räumen, sank der alte Held mit seinen politischen Eroberungen immer tiefer und tiefer.</p>
          <p>Die Ereignisse des 24. Februar brachten ihn ganz außer Fassung. Schlecht nur zeigte er bei der schleswig-holsteinischen Angelegenheit seine stumpfen Zähne &#x2014; wäre er des russischen Einflusses nicht sicher gewesen, er würde schwerlich so viele Worte darum gemacht haben. Aber die eigentliche Blamage stand dem edlen Lord erst in Nord- und Süd-Italien bevor, in der Lombardei und vor Messina, als er die bekannte Intervention eben so komisch wieder aufgab, wie er sie eben noch voller Würde unternommen hatte. Die Häupter des Ministeriums der Whigs, Lord John Russell und Lord Palmerston zeigten sich in der That gleich heroisch. Der eine mit der Navigationsakte und mit hundert kleinern Maßregeln; der Andere mit seinen berühmten Interventionen.</p>
          <p>Doch die Engländer sind zufrieden mit ihren Ministern. Was will man mehr? Die englische Bourgeoisie, nachdem sie den 10. April glücklich überstanden hatte, nachdem die Chartisten wenigstens für den Augenblick aus dem Felde geschlagen waren, wünschte nichts weiter als Ruhe und Frieden. Es war ihnen recht genug, daß die Minister sich durchaus nicht mehr in anderer Leute Sachen mischten. Die alte Phrase, daß es den Britten lieb sei, wenn da draußen die Freiheit siege, daß es der Würde Großbritanniens angemessen sei, den Aufschwung der Völker zu unterstützen, zieht nicht mehr. Alle Welt weiß, daß sie zum Kindergeschwätz geworden. Man wollte also nichts mehr davon wissen und die englische Presse machte es sich mit sehr wenigen Ausnahmen zur täglichen Aufgabe, über die Bewegung des Kontinents in so brutaler Weise herzufallen, wie es auch dem größten Feinde des &#x201E;perfiden Albion&#x201C; wie im Traume eingefallen war. &#x201E;Wir sind reich genug, um unsern Ruhm zu bezahlen &#x2014;&#x201C; sagte einst ein französischer Redner &#x2014; und noch dazu einer von den schlechtesten. Die Engländer drehten dies um und sagten: &#x201E;Wir sind zu arm, um uns Ruhm zu kaufen,&#x201C; und die Leute, welche dies sagten, gehörten wirklich zu den besten. Getrost ließ man der Reaktion des Kontinents freies Spiel. Messina wurde bombardirt, in Mailand wütheten die Kroaten, über den Fall Wiens frohlockte man wie über die Nachricht eines Nelsonschen Sieges, und die oktroyirte Verfassung der Preußen pries man als ein Muster der Staatsweisheit!! (Daß eine Anzahl preußischer Friedrichsd'or den Ruhm steigerten, versteht sich von selbst.)</p>
          <p>Aber die Bourgeoisie Britanniens wollte es so. Sie wollte Ruhe, sie wollte, daß das Geschäft sich hebe, sie wollte, daß sie endlich wieder einen ruhigen Winterschlaf feiere, ruhig wie den jetzigen, denn trotz aller australischen Besitzungen, trotz Erebus und Terror und trotz aller indischen Siege, ist John Bull ein Krämer, ein Mann, der sich den Teufel um die Freiheit schiert, wenn sie nicht zu verwandeln ist in Pfunde, Schillinge und Pence.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 19. Decbr.</head>
          <p>Ich schrieb Ihnen neulich, daß der Ex-König von Frankreich vor einem der hiesigen Polizeigerichte gegen mehrere aus Frankreich herübergekommene Personen, angeblich, weil sie im Besitz von Eigenthum seien, das ihm, dem Ex-Könige, aus den Tuilerien und dem Schlosse von Neuilly geraubt worden, geklagt habe. Das vorläufig in Beschlag genommene Vermögen wird auf 30,000 Pf. St. geschätzt. Die Sache war das vorige Mal vertagt worden. Am Sonnabende beantragte nun der klägerische</p>
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        <p>Der Gerant: <hi rendition="#g">Korff</hi>.<lb/>
Druck von J. W. <hi rendition="#g">Dietz</hi>, unter Hutmacher Nr. 17.</p>
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[0944/0004] §. 10. Die Wahl erfolgt durch einfache Stimmenmehrheit aller in einem Wahldistrikte abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. §. 11. Stellvertreter der Abgeordneten sind nicht zu wählen. §. 12. Das Wahlrecht muß in Person ausgeübt, die Stimmen mündlich zu Protokoll abgegeben werden. §. 13. Staatsdiener bedürfen zur Annahme der auf sie gefallenen Wahl keiner Genehmigung ihrer Vorgesetzten. §. 14. Die Wahldistrikte und Bezirke, die Wahldirektoren und das Wahlverfahren, in so weit dasselbe nicht durch das gegenwärtige Gesetz festgestellt worden ist, werden von den Regierungen der Einzelstaaten angeordnet. !!! Frankfurt, 19. Dezember. Sitzung der Nationalversammlung. Tagesordnung: Zweite Lesung der Grundrechte, Artikel 8, § 30 ff. Vizepräsident Beseler sitzt auf dem Präsidentenstuhl. Nach Genehmigung des Protokolls beantwortet der Justizminister von Mohl eine Interpellation von Wesendonk wegen der gegen Zitz, Schlöffel und Simon von Trier obschwebenden Untersuchung vom 18. September her. Mit den Einzelnheiten dieser Untersuchung ist das Ministerium unbekannt, aber das peinliche Verhöramt hat angezeigt, daß noch im Dezember I. J. die ganze Untersuchung geschlossen sein wird. Auf eine Interpellation Maifelds wegen Mittheilung der Reichsgesetze in Oesterreich, theilt der Minister mit, daß jedes Stück des Reichsgesetzblattes, also auch das Schutzgesetz der Reichstagsabgeordneten vom 29. September allen Bevollmächtigten der Einzelstaaten mitgetheilt und zumal der Empfang des letzteren vom österreichischen Bevollmächtigten schriftlich bescheinigt worden ist. (Darum hat man Blum und Fröbel auch so in Schutz genommen!) In der Blumschen Angelegenheit (nach welcher Dietsch von Annaberg mit mehren andern sich erkundigt hat) ist der vollständige Bericht noch nicht ans Reichsministerium gelangt, wird aber bald geschehen. Endlich auf eine Anfrage des Abgeordneten Schoder wegen der Verhaftung Ludwig Raveaux in Wien und der noch fortbestehenden Ausnahmsmaßregeln — wegen der Person des Raveaux sind von mehreren Seiten Schritte zum Schutz gethan worden, aber die Ausnahmemaßregeln, welche die k. k. Regierung mit (!) Widerwillen (!) ergriffen, seien zur Wiederherstellung der (!) Ordnung (!) noch nöthig. Ueberhaupt müsse man Oesterreich jetzt ungeschoren lassen, bis die deutsch-österreichische Krise entschieden. Um 10 Uhr geht man zur Tagesordnung, und nimmt folgende Paragraphen in definitiver Fassung an: Art. 8. § 30. „Das Eigenthum ist unverletzlich. (Unverändet.) „Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden. (Neue Fassung.) „Das geistige Eigenthum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden.“ (Neu.) §. 31. (in neuer Fassung). „Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todes wegen ganz oder theilweise veräußern. — Den Einzelstaaten bleibt überlassen, die Durchführung des Grundsatzes der Theilbarkeit alles Grundeigenthums durch Uebergangsgesetze zu vermitteln. (Minoritäts-Erachten). Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig“ (neu). Der erste Satz wurde in namentlicher Abstimmung mit 237 gegen 189 Stimmen angenommen. §. 32. „Jeder Unterthänigkeits- und Hörigkeitsverband hört für immer auf“ (unverändert). §. 33. „Ohne Entschädigung sind aufgehoben: 1) Die Patrimonialgerichtsbarkeit und die grundherrliche Polizei, sammt den aus diesen Rechten fließenden Befugnissen, Exemptionen und Abgaben.“ 2) „Die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen.“ „Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche dem bisher Berechtigten dafür oblagen“ (neu). Amendement von Trützschler: „Alle Bannrechte sind aufgehoben“ wird mit sehr schwacher Majorität verworfen. Lewisohn's Antrag: „Alle Bann- und Zwangsrechte sind aufgehoben“, mit 262 Stimmen gen 164 verworfen. Ebenso die Aufhebung des Blutzehnten und Neubruchzehnten und noch anderer Lasten. Man läßt die Lasten auf dem Volke lasten. § 34. „Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehnten, sind ablösbar: ob nur auf Antrag des Belasteten oder auch des Berechtigten, und in welcher Weise, bleibt der Gesetzgebung der einzelnen Staaten überlassen“ (neu und sehr gekürzt!). Ein Zusatz von Schoder: „Der Gesetzgebung der einzelnen Staaten steht die Befugniß zu, wo sie es begründet findet, jene Leistungen unentgeldlich aufzuheben“, wurde mit 231 Stimmen gegen 207 verworfen. Ein Zusatz der Minorität des Verfassungs-Ausschusses: „Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden“, wurde mit 232 Stimmen gegen 221 angenommen. (Verwunderung). Ueber keinen der vorstehenden §§. wurde diskutirt. Um 3/4 3 Uhr vertagt man sich und geht in die Abtheilungen zur Wahl des neuen Ausschusses für Begutachtung des Gagern'schen Ministerprogramms. Morgen ist Sitzung. Tagesordnung: Grundrechte. Italien. * Rom, 11. Dec. Die provisorische Regierung ist proklamirt. Sie besteht aus dem Senator von Rom, dem Senator aus Bologna und dem Gonsaloniere von Ancona. Der Papst ist von seinem weltlichen Throne als abgesetzt erklärt. Nach Fassung dieser Beschlüsse durch den Ausschuß der Deputirten-Kammern hielt der Minister Sterbini eine Rede an das Volk, in welcher er ihm diese Beschlüsse vorlas und erklärte: daß der Papst zwar als erster Bischof der Kirche nach Rom zurückkehren dürfe, aber allen seinen Kardinälen und Prälaten sei der Zugang nach Rom verweigert. Das Volk jauchzte diesen Beschlüssen seinen Beifall zu und zog durch die Straßen mit dem Rufe: Tod dem Papste! Tod den Kardinälen! Es lebe die italienische Republik!“ In Genua und Turin haben obige Nachrichten große Theilnahme hervorgerufen. Karl Albert hat das von Gioberti gebildete Ministerium genehmigt. (National Savoisien vom 17. Decbr.) Der römische General Zucchi hat sich nach Spezio geflüchtet. Turin, 15. Deebr. 3 1/2 Uhr Nachmittags. Das neue demokratische Ministerium besteht aus folgenden Personen: 1) Gioberti, Conseilpräsident, ohne Portefeuille. 2) Sineo, Justiz. 3) Ratazzi, Inneres. 4) Ricci, Finanzen. 5) Montezimolo, Staatsbauten. 6) Durini oder Paleocapa, Ackerbau und Handel. 7) Bixio, (Bruder des neuen Pariser Ministers gleichen Namens) Unterricht. 8) La Marmora behält Krieg und Marine. (National Savoisien vom 17. Decbr.) Parma, 9. Dec. Zweihundert Pontoniers sind im Begriff, über den Po in unserer Nähe eine Schiffbrücke zu schlagen, die den Eintritt eines östreichischen Corps von 15,000 Mann erleichtern soll, das sich gegen Bologna oder selbst bis Pianaro in Bewegung setzt. (Genueser Zeitung vom 14. Decbr.) * Neapel, 7. Dez. Die Times theilt eine Unterredung zwischen dem Könige von Neapel und dem außerordentlichen Gesandten Temple mit. Es bedarf für unsere Leser kaum der Andeutung, daß der nachfolgende Dialog ein Machwerk der Times ist. Der Cretinismus des Kartätschen-Ferdinands ist ebenso weltkundig, als die standrechtlichen Gelüste der „Times‧“ die in der europäischen Revolution nichts als eine Handelsstörung erblickt. „Wir müssen die Sizilianer unter unsern Schutz nehmen,“ sagte Temple, „so zu handeln ist ein Ehrenpunkt für uns.“ „Ich bin,“ antwortete der König, „ich bin wahrhaft dankbar für eure Sorge um meine Unterthanen. Ich wünschte nur die Macht und die Mittel zu besitzen, Ihrer Majestät, der Königin Victoria, gleich nützlich zu sein.“ Temple: „Ja, Sizilien hat Ansprüche auf uns und wir müssen es beschützen.“ Der König von Neapel: „Richtig, aber Neapel, denke ich, hat auch Ansprüche, und ich hoffe, wenn Sie so besorgt für den Schutz einer meiner Herrschaften sind, werden Sie die andere nicht vergessen, und daß Neapel eben so sehr Protektion in Anspruch nimmt als Sizilien. Temple: „Eure Majestät werden das Geeignete einer Maßregel einsehn, welche der Insel eine Seemacht garantirt und alle Neapolitaner von ihr entfernt.“ Der König von Neapel: „Oh gewiß, wenn Eure Königin uns mit so gutem Beispiel in Irland vorangehn will. Ich betrachte die Lage von Irland und Sizilien als dieselbe: und ich gebe mein Wort, Schritt für Schritt jeder Maßregel zu folgen, welche die Königin Victoria in diesem Theile ihres Gebiets ergreift.“ Temple: Ich glaube nicht, Sire, daß irgend eine Analogie in beiden Fällen Statt findet. Der König von Neapel: Ich verstehe Sie; es findet allerdings keine Analogie Statt. Kein Theil Irlands ist in den Händen einer rebellischen Armee und in keiner Stadt existirt eine provisorische Regierung, welche der in der Hauptstadt etablirten sich widersetzte. Die Königin kann daher ohne Gefahr eine bedeutende Truppenmasse fortziehn, während hier alle zum Schutze des Theiles von Sizilien nöthig sind, der meiner Herrschaft treu geblieben ist. Auf den Vorschlag Temple's, gewissen Personen hohe administrative Posten zu verleihen, antwortete Ferdinand: „Diese alle sind meine erklärten Feinde. Verlangen Sie, daß ich abdanken soll? Wie lange werde ich im Besitze der Insel bleiben, wenn diese Personen sich im Besitze der exekutiven Gewalt befinden? Ich erkläre Ihnen, was ich thun will: ich will den Sizilianern die Konstitution von 1812 geben und eine gesonderte Administration, deren Mitglieder die Krone ernennt. Ja ich will mehr thun: ich will, daß Palermo eine Schweizer- oder eine andere fremde Legion erhält, bis die Klugheit die Ueberweisung an eingeborne Truppen zuläßt.“ Die Konstitution von 1812 und die Schweizer. Tout comme chez nous. Die octroyirte Verfassung und der Belagerungszustand! Französische Republik. Paris, 19. Dezember. Das Ministerium Bonaparte ist fix und fertig. Es bleibt, wie wir es mit geringer Aenderung schon vor sechs Tagen angegeben haben: Odilon-Barrot, Präsident und Justiz. General Rulhières, Krieg. Hippolyte Passy, Finanzen. Drouyn de Lhuys, Auswärtiges. Leon de Maleville, Inneres. De Tracy, Marine. Leon Faucher, Staatsbauten. Bixio, Ackerbau und Handel. De Falloux, Unterricht. Marschall Bugeaud über die Alpenarmee. Changarnier über die pariser Gesammtkräfte. Berger oder Boulay für die Seinepräfektur. Rebillot, Gensd'armerie-Oberst zum Polizeipräfekt. Der Postdirektor noch unbekannt. Zum Vize-Präsident will Bonaparte Lamartine, Bedeau, Bugeaud vorschlagen. Der National beschwört heute alle Republikaner sich zu einigen und nicht zu gestatten, daß man die Nationalversammlung auflöse, ehe sie die Organischen Gesetze vollendet habe, die sie noch gar nicht angefangen. Man munkelt von einer Vereinigung des Palais National mit der Rue Taitbout. Marrast will zum bösen Spiele gute Miene machen und das Programm des „Berges“ unterzeichnen. Der Apfel dünkt ihm zwar sehr sauer, aber er soll und muß durchbissen werden. Von Louis Blanc liegt eine neue Broschüre „die FebruarRevolution im Luxembourg“ im Buchhandel aus. 068 Paris, 19. Dezbr. Die Zahl der deutschen Flüchtlinge mehrt sich von Tag zu Tage. So kam gestern der von Berlin geflohene Eichler hier an und wurde von seinen Freunden herzlich begrüßt. — Nationalversammlung. Sitzung vom 19. December. Präsident Marrast. Marrast eröffnet die Sitzung um 3 Uhr, aber die meisten Deputirten befinden sich in der Abtheilung, wo die Ausschüsse für die Organischen Gesetze (Verantwortlichkeit des Präsidenten etc.) konstituirt werden. Allmälig füllen sich die Bänke. Lagrange nimmt gleich nach dem Protokoll das Wort, um die Kammer wiederholt mit den Juni-Insurgenten zu belästigen. Er sei gestern mißverstanden worden; er habe nicht verlangt, daß man die Frage heute behandle, sondern daß man sie überhaupt vor dem Antritt des neuen Präsidenten erledige. Nicht dem Bonaparte, sondern der Nationalversammlung gezieme es, die Amnestie auszusprechen. Nicht dieser, sondern die Nationalversammlung habe diese Unglücklichen auf die Pontons geworfen, ohne ihnen vorher den Prozeß gemacht zu haben. Er sei auch von Louis Philipp eingesperrt worden, aber er habe nicht den vierten Theil der Leiden ertragen durfen, wie die Junigefangene auf den Pontons und in den Forts von Paris. Die Republik durfe nicht grausamer als die Monarchie sein. Er empfange täglich Briefe, die er der Versammlung vorlesen wolle, wenn sie an den Martern der Verschifften zweifle. (Nein, Nein! Zur Tagesordnung!) Champrans, ein Ultrakonservativer, beantragt die beruchtigte Question préalable, damit den Behelligungen des Schreiers Lagrange ein für alle Male ein Ende gemacht werde. Larochejaquelin bemerkt, daß die Question préalable nur nach vorheriger Diskussion verlangt werden könne. Das Haus solle kurz und einfach zur Tagesordnung schreiten. Dies geschieht. An ihr ist zunächst ein Antrag auf Erfüllung gewisser Bedingungen bei Beamtenbeförderungen. Auch das französische Beamtenwesen war bisher einer solchen Willkür unterworfen gewesen, daß bei jedem Regierungswechsel, bei jeder Ministerialänderung die schreiendsten Uebergriffe stattfanden. Deslongrais, ein Cidrefabrikant aus der Normandie, der sich einbildet, ein großer Staatsmann zu sein, stellte den Antrag, dieser Willkur einen Damm zu setzen, und die Amtsbeförderungen gewissen Bedingungen zu unterwerfen. Es wird zu diesem Zweck eine Commission von 15 Gliedern ernannt werden. Hierauf wird ein Stoß von Bittschriften erledigt. Marrast erklärt schließlich, daß die letzten Wahlprotokolle nicht vor Sonntag eintreffen können. Schluß der Sitzung. Großbritannien. * London, 19. Dec. Die engl. Politiker halten jetzt gewissermaßen ihren Winterschlaf. Die Lords sitzen auf ihren Schlössern im Innern des Landes, Besuche machend und Besuche empfangend, ohne je etwas von dem verlauten zu lassen, was sie in der nächsten Session zu thun gedenken. Die Bourgeoisie, Kaufleute und Fabrikanten reguliren ihre Bücher und blicken zurück auf den Gang der Geschäfte des letzten Jahres, in dem es ihnen nur zu oft schwül genug um's Herz wurde, wenn sie den schlechten Erndten von 45 und 46 und der Geldkrise von 1847 eine Periode der Revolutionen folgen sahen, an die sie gewiß am allerwenigsten gedacht hatten. Die Arbeiter endlich, die manche ihrer Hoffnungen am 10. April scheitern sahen, sind nicht weniger ruhig; sie trösten sich einstweilen mit dem Aufschwung, den neuerdings die Industrie nahm, der ihnen in diesem Winter vielleicht mehr Arbeit gibt, als sie es zu andern Zeiten gewohnt waren. Dieser politische Winterschlaf der Engländer hat wirklich etwas trauriges und unheimliches. Es ist als ob er die Menschen noch einförmiger machte, als sie es wirklich schon sind; als ob er den Himmel noch nebliger und düstrer verhängte, als er es wirklich schon ist. Um die Flamme des Kamins gereiht, sehen wir die riesigen, energischen Gestalten der Provinzen, schweigend und mit gesenktem Kopfe niedersitzen, in regelmäßigen Zwischenräumen den Rauch ihrer gekrümmten, irdenen Pfeife in das Zimmer hinausblasen; in noch regelmäßigern Pausen den dampfenden Grog hinunterschlürfen, und immer ernst, gravitätisch, großbritannisch. Stunden lang sitzen sie so da, in das Feuer stierend, in das Glas, oder auf die eigenen Fußspitzen, bis endlich einer der Gesellschaft den Mund öffnet und von einem Pferderennen zu sprechen beginnt, von einer Fuchsjagd, oder gar von einem politischen Ereigniß der letzten Vergangenheit — — Tief seufzen alle auf. Das Eis der Konversation ist endlich gebrochen und ehe eine viertel Stunde vergeht, da hat man sich auch aller Parlamentssitzungen seit dem Passiren der Reformbill erinnert und die Namen Lord John's, Sir Robert Peel's, Lord Brougham's und Cobden's und Bright's tönen herüber und hinüber, die Leidenschaft vergangener Jahre wird auf's Neue lebendig, man raucht mit Leidenschaft und man trinkt mit Leidenschaft, die kolossalen Figuren der Yorkshire- und der Lancashire-Männer sind wie aus einem Traume erwacht und wir fühlen uns plötzlich wieder mitten unter einem Volke, das seine Heerden auf der letzten Küste Australiens weidet, das seinen „Erebus“ und seinen „Terror“ in das Eis des Polen sendet und seine Krieger auf den Hochebenen Asiens dem Feinde die Stirn bieten läßt, zu immer neuen Eroberungen, zu immer glorreichern Siegen. Mit einem Worte, wir fühlen endlich wieder, daß wir in England sind. Seit langer Zeit war indeß der politische Winterschlaf der Engländer, nicht uninteressanter als in diesem Jahre, denn es ist den Engländern noch nie passirt, daß sie unberücksichtigter geblieben waren in der Weltgeschichte, als gerade jetzt. Wer kümmert sich denn gegenwärtig um einen Sir Robert, wer gar um einen Cobden, oder um einen Bright? Die schönen Tage des Freihandelsenthusiasmus sind längst vorüber. Die Begeisterung, welche dem Vertreter der West-Riding, dem „großen Richard“, dem „Baumwollheiland“ bei seiner Kontinentalreise, in hundert Banketts, von St. Petersburg bis nach Palermo entgegentönte, hat dem Donner der Revolutionen Platz gemacht, die besser argumentirten, als alle die winzigen Manchester Paschas, welche die dicken ökonomischen Barren eines Adam Smith, eines Ricardo und anderer Autoritäten in so unzähligen Scheidemünzen über das Ausland zu verbreiten suchten. Selbst die offizielle Partei ist in totale Vergessenheit gerathen. Seit der kleine Lord John seine großen Maßregeln, die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und die Umgestaltung des irischen Armenwesens, eben so kläglich zurücknahm, als er sie einst geräuschvoll genug vor das Haus der Gemeinen brachte: hat sich Niemand mehr an die Resultate der letzten Session gekehrt. Der Mann der Reform-Bill schwand zu einem Zwerge hinab, zu einem müden, ungeschickten Steuerburschen, der nur deshalb das Ruder in Händen behielt, weil eben alle Uebrigen eingeschlafen waren. Und nun gar Lord Palmerston mit seiner auswärtigen Politik! der alte revolutionäre Dandy, der früher der Welt so viel zu schaffen machte, er zog sich wie eine Schnecke, in das sichere Gehäuse zurück und ließ den Sturm ruhig toben, wenig bekümmert um frische diplomatische Lorbeerkränze, die er früher so gern auf die erblichenen Locken zu drücken strebte. Seit er es in Folge des verlorenen spanischen Heirathsgeschäfts ertragen mußte, daß sein Gesandter am Hofe zu Madrid den Befehl erhielt, in 24 Stunden die Stadt zu räumen, sank der alte Held mit seinen politischen Eroberungen immer tiefer und tiefer. Die Ereignisse des 24. Februar brachten ihn ganz außer Fassung. Schlecht nur zeigte er bei der schleswig-holsteinischen Angelegenheit seine stumpfen Zähne — wäre er des russischen Einflusses nicht sicher gewesen, er würde schwerlich so viele Worte darum gemacht haben. Aber die eigentliche Blamage stand dem edlen Lord erst in Nord- und Süd-Italien bevor, in der Lombardei und vor Messina, als er die bekannte Intervention eben so komisch wieder aufgab, wie er sie eben noch voller Würde unternommen hatte. Die Häupter des Ministeriums der Whigs, Lord John Russell und Lord Palmerston zeigten sich in der That gleich heroisch. Der eine mit der Navigationsakte und mit hundert kleinern Maßregeln; der Andere mit seinen berühmten Interventionen. Doch die Engländer sind zufrieden mit ihren Ministern. Was will man mehr? Die englische Bourgeoisie, nachdem sie den 10. April glücklich überstanden hatte, nachdem die Chartisten wenigstens für den Augenblick aus dem Felde geschlagen waren, wünschte nichts weiter als Ruhe und Frieden. Es war ihnen recht genug, daß die Minister sich durchaus nicht mehr in anderer Leute Sachen mischten. Die alte Phrase, daß es den Britten lieb sei, wenn da draußen die Freiheit siege, daß es der Würde Großbritanniens angemessen sei, den Aufschwung der Völker zu unterstützen, zieht nicht mehr. Alle Welt weiß, daß sie zum Kindergeschwätz geworden. Man wollte also nichts mehr davon wissen und die englische Presse machte es sich mit sehr wenigen Ausnahmen zur täglichen Aufgabe, über die Bewegung des Kontinents in so brutaler Weise herzufallen, wie es auch dem größten Feinde des „perfiden Albion“ wie im Traume eingefallen war. „Wir sind reich genug, um unsern Ruhm zu bezahlen —“ sagte einst ein französischer Redner — und noch dazu einer von den schlechtesten. Die Engländer drehten dies um und sagten: „Wir sind zu arm, um uns Ruhm zu kaufen,“ und die Leute, welche dies sagten, gehörten wirklich zu den besten. Getrost ließ man der Reaktion des Kontinents freies Spiel. Messina wurde bombardirt, in Mailand wütheten die Kroaten, über den Fall Wiens frohlockte man wie über die Nachricht eines Nelsonschen Sieges, und die oktroyirte Verfassung der Preußen pries man als ein Muster der Staatsweisheit!! (Daß eine Anzahl preußischer Friedrichsd'or den Ruhm steigerten, versteht sich von selbst.) Aber die Bourgeoisie Britanniens wollte es so. Sie wollte Ruhe, sie wollte, daß das Geschäft sich hebe, sie wollte, daß sie endlich wieder einen ruhigen Winterschlaf feiere, ruhig wie den jetzigen, denn trotz aller australischen Besitzungen, trotz Erebus und Terror und trotz aller indischen Siege, ist John Bull ein Krämer, ein Mann, der sich den Teufel um die Freiheit schiert, wenn sie nicht zu verwandeln ist in Pfunde, Schillinge und Pence. * London, 19. Decbr. Ich schrieb Ihnen neulich, daß der Ex-König von Frankreich vor einem der hiesigen Polizeigerichte gegen mehrere aus Frankreich herübergekommene Personen, angeblich, weil sie im Besitz von Eigenthum seien, das ihm, dem Ex-Könige, aus den Tuilerien und dem Schlosse von Neuilly geraubt worden, geklagt habe. Das vorläufig in Beschlag genommene Vermögen wird auf 30,000 Pf. St. geschätzt. Die Sache war das vorige Mal vertagt worden. Am Sonnabende beantragte nun der klägerische Hierzu eine Beilage. Der Gerant: Korff. Druck von J. W. Dietz, unter Hutmacher Nr. 17.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 175. Köln, 22. Dezember 1848, S. 0944. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz175_1848/4>, abgerufen am 01.05.2024.