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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 196. Köln, 16. Januar 1849.

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zip der Gleichberechtigkeit aus, protestiren also gegen eine Bevorziehung der Meister vor den Gesellen und wählen deßhalb keinen Vertreter."

Die Beamtenwelt wird mit jedem Tage unverschämter Der Landrath des Breslauer Kreises Graf Koenigsdorf redet Schulzen, die für die Linke Unterschriften sammelten, immer nur mit den Worten: Schweinhund, Schuft etc. an und begleitet gewöhnlich jedes dieser Worte mit einem Faustschlage in's Gesicht.

Trotz der großen Kälte 14-17[unleserliches Material] R. wird im hiesigen Armenhause nur zweimal eingeheizt. In Folge dessen sind sehr viele Cholerakrankheitsfälle vorgefallen.

X Liegnitz, 11. Januar.

Ganz erschöpft von den hiesigen Vorfällen schreibe ich Ihnen doch noch diese Nacht. Ich bemerke, daß mein Schreiben zwar dem Inhalte, aber nicht der Form nach Anspruch auf Geltung macht und hoffe, daß Sie die nöthigen Reflexionen dazu machen werden. Insbesondere mache ich Sie darauf aufmerksam, daß die Schlesier, wenn diese Mißhandlungen durch die Prätorianer des Preußenkönigs weiter fortdauern, wieder auf den Gedanken zurückkommen könnten, einst wieder unter östreichischen Schutz zurückzukehren. Wir werden jetzt in der That wie eine eroberte Provinz behandelt, aber viel schlimmer wie im Zahre 1742.

Die reaktionäre Partei, nachdem sie bemerkt hat, daß trotz aller erdenklichen Anstrengungen (Plakate, [Harkort] Bestechungen, Lügen) die bevorstehenden Wahlen dennoch mit einer Niederlage für sie enden dürften, greift jetzt in Niederschlesien zur offenen Gewalt, um die Volkspartei wo möglich zu vernichten. Da aber das Volk, und insbesondere die Proletarier bei uns aufgeklärt genug sind, um nicht in ihre Fallen zu gehen, so bleiben ihnen von Proletariern nur die Soldaten übrig, um als blinde Werkzeuge ihrer abscheulichen Pläne gemißbraucht zu werden. Sprengung der Vereine, damit Vereitlung volksthümlicher Wahlen, Herbeiführung des offenen Belagerungszustandes (es liegen fast in jedem Städtchen und in vielen Dörfern Soldaten), Ermordung der demokratischen Führer, so lautet der Wahlspruch einer Partei, die kein Mittel mehr verschmäht, um zum Ziele zu gelangen. In Löwenberg, Bunzlau, Hirschberg, hat man bereits den Anfang gemacht, namentlich an ersterem Orte. Der gestrige Tag war dazu bestimmt, unsere Stadt zum Schauplatze von Scheußlichkeiten zu machen, die sich den bereits vorgefallenen würdig anreihen und deren Krone bilden.

Bereits seit mehreren Tagen trug man sich mit Gerüchten von einem beabsichtigten Attentat auf die Person des Redakteurs der hiesigen Zeitschrift Silesia und derzeitigen Präsidenten des demokratischen Vereins, Otto Cunerth. Derselbe hatte selbst schon bemerkt, daß er im Vorbeigehen auf der Straße von einem Unteroffiziere mehreren seiner Soldaten unter Drohung bezeichnet worden war, ebenso waren mehrfache Warnungen an ihn ergangen, sich in Acht zu nehmen.

Der Dienstag, als der Tag, an welchem der demokratische Verein gewöhnlich Sitzung hält, scheint endlich dazu gewählt worden zu sein, das beabsichtigte Attentat zur Ausführung zu bringen. Vielfache Aussagen beweisen bereits fast zur Evidenz, daß die Preußen von einer gewissen Partei dazu systematisch aufgereizt worden sind und daß selbst manche ihrer Vorgesetzten an diesen Hetzereien Antheil genommen haben. Schon gegen 6 Uhr dieses Tages versammelten sich deßhalb im Gasthofe "zum deutschen Kaiser" dem Sitzungslokale dieses Vereins, eine ungeheure Menge von Preußen. Unteroffiziere sind unter ihnen und lassen den Gemeinen wacker einschenken. Das Vereinskomite hatte indessen schon mehrere Tage vorher wegen der beginnenden großen Wahlversammlungen beschlossen, die Sitzung ausfallen zu lassen. Als die Soldaten dies erfuhren, stießen sie so wüthende Drohungen gegen Cunerth aus, daß der Gastwirth sich bewogen fand, zum Major von Gansauge, dem Kommandanten der Stadt zu gehen und ihm mitzutheilen, daß die bei ihm befindlichen Soldaten die wildesten Mordanschläge gegen Cunerth besprächen. Der Major hört ihn zwar an, versichert aber unter Achselzucken: es sei schlimm, der Cunerth habe das Militär durch einen Artikel in der Silesia sehr gereizt, seine Ehre verletzt u. s. w. Als der Gastwirth ihm bemerklich macht, daß er auch Soldat gewesen, daß es aber zu seiner Zeit den Soldaten nicht erlaubt gewesen sei, denjenigen zu ermorden, der etwas geschrieben, was ihnen nicht gefallen habe, so entläßt er ihn mit dem Bemerken, er werde thun, was möglich sei; indeß geschieht nicht das Geringste zur Verhütung des beabsichtigten Mordversuches. Dies geschah um 6 Uhr. Der Gastwirth begibt sich noch hierauf mit mehreren Bekannten zu Cunerth und warnt denselben, aus den bezeichneten Gründen heute nicht auszugehen, was dieser auch zu thun verspricht. Nach 8 Uhr indessen dringt ein wüthender Haufen mit Seitengewehren circa 1-200 Mann Preußen v. 5. u. 20. Okt. seit hier garnisonirenden Regiment (ihre Thaten siehe im letzten Art. datirt Liegnitz) mit furchtbarem Gebrüll in die Buchdruckerei des Hrn. H. Dönch und verlangen Cunerth zu sprechen. Die Drucker verweigern die Anzeige seines Aufenthalts und flüchten, indessen erfüllen die Horden tobend und brüllend alle Räume des Hauses und dringen endlich in das Wohnzimmer Cunerths im 2. Stock. Hier ergreifen sie denselben nach kurzem Wortwechsel und schleppen ihn auf die Straße hinab, wo ihn zwei heldenmüthige Krieger an den Armen packen und fortschleifen, während die übrigen die Eskorte bilden und ihn fortwährend durch Stöße und Schläge auf alle erdenkliche Weise mißhandeln, über den Markt zum Schlosse. Bei der starken Kälte befanden sich nur wenige Leute auf den Strayen und diesen war es unmöglich, etwas zur Befreiung des Gefangenen gegen den rasenden Haufen zu versuchen. Einige wenige, die dies bereits in und vor dem Hause Dönchs versucht hatten, waren gemißhandelt oder verjagt worden. Mehrere von diesen haben die Bedienten und Kutscher einiger gnädigen hier wohnenden Herren dabei bemerkt, welche die Preußen durch lauten Zuruf zum Morde aufstachelten: Bravo, schlagt doch den Hund gleich todt! Mittlerweile eilt einer der Drucker, der sich über den Gartenzaun hinten aus der Werkstatt geflüchtet, auf die Hauptwache und verlangt eine Patrouille zur Rettung Cunerths. Als der dort befindliche Unteroffizier diesen Namen hört, sagt er, daß es diesem nichts schaden könne, gibt indeß schließlich eine Patrouille von 4 Mann mit. Dieselbe wird von der Horde mit dem Rufe: "Brüder, Kameraden, laßt uns, wir haben einen von den Bürgerhunden u. dgl. empfangen," macht Front vor dem Zuge, und versucht nicht das Geringste zur Befreiung.

Unterdessen eilt der Bürgerwehroberst, kürzlich suspendirter (Steuerverw.), Regierungsrath v. Merckel, von dem Vorfalle benachrichtigt, auf die Straße und bei dem Haufen angelangt, hört er den Ruf Cunerths: Retten Sie mich, Hr. Merckel, man tödtet mich! Merckel fordert von den Soldaten die sofortige Freilassung ihres Opfers und auf die Weigerung, das Gebrüll und Hohngelächter der Rotte, macht er dieser bemerklich, daß er der Bürgerwehroberst sei, für die Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen habe und nöthigenfalls dem kommandirenden General v. Stößer Anzeige machen werde. Hierauf stürzen 10-15 Soldaten mit dem Gebrüll: das ist der Merckel, der Bürgerwehrhund, schlagt den Hund todt! auch auf diesen, einer spaltet ihm mit dem Säbel den Hut von oben bis unten und beschädigt ihn am Kopfe, während die andern ebenfalls auf ihn losschlagen, ihn zu Boden werfen und ihm seinen Stock entreißen. Indessen entringt er sich, obgleich schwer am Kopfe verletzt, der wüthenden Rotte und entkommt, von ihr verfolgt, ins Regierungsgebäude (Schloß) unter den Schutze der dortigen Wache. Die Soldaten fahren indessen fort, Cunerth zu mißhandeln und schleppen ihn bis zum glogauer Thor, wahrscheinlich, um ihn in den benachbarten Baumanlagen vollends zu ermorden. Auch empfängt er beim Thore eine tiefe Wunde in den Hinterkopf und sinkt endlich bewußtlos zusammen, worauf sich die Mörderbande in der Meinung, er sei todt, eiligst zerstreut. Unterdessen füllen sich bei dem Tumult allmälich die Straßen mit Menschen; einige heben den Bewußtlosen auf und tragen ihn auf die Schloßwache, von wo er von Bürgern auf einem Wagen, den sie selbst ziehen, in seine Wohnung zurückgebracht wird. Obgleich mit Contusionen und Wunden bedeckt und sehr krank, befindet er sich doch bereits ziemlich außer Gefahr, ebenso Hr. v. Merckel.

Während diese Gräuelscene in der Stadt spielt, dringt eine andere Rotte Soldaten unter Leitung eines Unteroffiziers in den in der Vorstadt gelegenen Saal des Badehauses, wo eine Bürgerversammlung gemischter politischer Farbe über Reklamationen für die Wählerregister beräth. Die Preußen, ebenfalls zum Theil mit Seitengewehren bewaffnet, dringen damit und mit Knütteln, die sie sich durch Demolirung eines Geländers und Abhauen junger Bäume verschafften, auf die Bürger ein, die sich unbewaffnet unvorbereitet so gut als möglich zur Wehre setzen. Es fallen viele, jedoch nicht erhebliche Verletzungen vor; mehreren Soldaten werden die Achselklappen abgerissen, die Mützen genommen und die Kleider zerrissen. Einer wird gefangen und ihm der Säbel abgenommen. Auf die Hauptwache von den Bürgern gebracht, schillt ihn der dortige Unteroffizier, wie er so dumm habe sein können, sich fangen zu lassen, zumal er ein Seitengewehr habe, mit dem er doch um sich habe stechen können und läßt ihn laufen.

Unterdessen hatte sich der Markt und die Hauptstraßen der Stadt theilweise mit Menschen gefüllt. Die Erbitterung war furchtbar. Die Soldaten der Hauptwache, die unterdeß verstärkt worden, so wie die der zahlreich ausgesandten Patrouillen und ausgestellten Trupps wurden mit den lautesten Vorwürfen und dem Geschrei: "Räuber, Mörder," die Offiziere mit "Räuberhauptmann" u. s. w. begleitet und angerufen. Hier und da kleine Handgemenge und Prügeleien, doch die grimmige Kälte der Januarnacht zerstreute allmählig das aufgebrachte Volk. Eine Sommernacht und es entstand eine furchtbare Metzelei! Der Magistrat hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen: 1) Sofortiger Antrag auf strengste Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen beim Oberpräsidenten. Einsetzung einer gemischten Kommission dafür. Bereits heute sind eine große Anzahl Zeugen vernommen und die Anzeichen, welche auf einen tief angelegten Plan, in welchen Leute von einer gewissen bürgerlichen und militärischen Stellung verwickelt scheinen, häufen sich. Darnach sollten sich die Mordscenen heute erneuern und eine ganze Liste volksthümlicher Männer treffen. 2) Verlegung der Garnison. Die hiesige Regierung und der General v. Stößer sind mit diesen Anträgen offiziell bekannt gemacht worden. Das Bürgerwehrkommando hat noch besondere Beschwerde eingelegt.

Mordanfälle in der eigenen Wohnung werden laut Landrecht mit 20 Jahren Zuchthaus bestraft.

Schweidnitz, im Jan.

Die Reaktion in und um Schweidnitz wühlt auf eine tolle Weise, um den Herrn Minister-Präsidenten Grafen Brandenburg als Deputirten für die erste Kammer bei den Wahlen durchzubringen. Sie legt durch dieses Treiben ihre ganze Bornirtheit auf ergötzliche Weise an den Tag, und fügt dabei zugleich eine solche Beleidigung den Urwählern und Wahlmännern zu, daß diese sich auf eine glänzende Art werden rächen müssen. Die Agitation geschieht durch den Gorkauer-, den hiesigen Veteranen- und den Denunzianten-Verein, alles Sippschaften, die von unserem gesunden Volk mit der höchsten Verachtung gestraft werden.

Der bekannte, jetzt sehr berühmt gewordene Exbürgermeister soll Regierungsrath in Bromberg werden. Möglich wäre es, denn der Herr Major v. Gersdorf, der das Niederschießen Schweidnitzer Bürgerwehr für Blitze eines Gewitters oder für einen Nordschein u. s. w. angesehen, ist zum Oberstlieutenant avancirt, und der Hauptmann v. Skribenski, der diejenige Kompagnie kommandirte, welche die Bürger erschoß, ist unter Versetzung in das Kriegsministerium zum Major befördert worden; ergo!

(Freischütz.)
Posen, 4. Jan.

In unserer, im Allgemeinen sehr konservativ gesinnten Stadt herrscht heute eine ungemeine Aufregung unter der deutschen Bevölkerung, über eine Rede, welche unser Deputirter bei der Nationalversammlung in Berlin, Landgerichtsrath Neumann, vorgestern Abend in der Versammlung des hiesigen demokratisch-konstitutionellen Vereins gehalten hat, und in welcher er die dem preußischen Staate von dem Könige verliehene Verfassung, nach einer heute bereits erfolgten Mittheilung, ein "perfides Machwerk" genannt hat.

(D. A. Z.)
121 Wien, 10. Januar.

Die uns von Windischgrätz versprochenen Details über die Einnahme Budapesth's sind noch nicht eingetroffen, wenigstens habe ich weder etwas davon vernommen, noch gesehen. Statt ihrer haben wir gestern Abend ein 13. Armeebulletin erhalten, welches Sie in der heutigen Wiener Zeitung finden werden, und dessen radikale Bedeutungslosigkeit in die Augen springt. Sonderbares Schweigen! Auf der andern Seite versichern die Standrechtsblätter, obwohl sie über Ungarn heute gänzlich schweigen, die Postverbindung zwischen hier und Pesth sei wieder hergestellt. Dies ist insofern eine offenbare Lüge, als bisher nur Briefe aus dem Rücken der Armee, die freilich "Pesth" datirt sind, hier anlangten. Im Dunkeln ist gut munkeln. Windischgrätz belügt Europa, indessen er mit Russen, Türken und einem halben hundert auffanatisirter Natiönchen Ungarn zu Boden schlägt.

Die Blätter besprechen heute vorzugsweise das Ereigniß in Kremsier. Die "Presse" sagt unter andern: "Das Kabinet ist sich selbst untreu geworden. Das jetzige Ministerium übernahm die Geschäfte zu einer Zeit, wo sie sehr zerrüttet waren, sie versprachen zu regieren und die Ordnung im höhern Sinne zu gründen. Es war unserer Meinung nach ihnen ganz Ernst damit. Aber der Eifer der Subalternen ging weiter. Man trieb das Ministerium in eine Theorie; sie war keine glückliche; ein einzigesmal verließen sie die praktische Ansicht und wurden Dogmatiker, aber sie verletzten dadurch die reizbarste Seite berathender Versammlungen; sie verletzten das Gefühl der Unabhängigkeit, das in ihnen wohnen muß." Der "Lloyd" aber bemerkt im Abendblatt: "Wir müssen uns dahin aussprechen, daß der Vorwurf, der jetzt dem Ministerium gemacht worden, einer ist, welcher in den parlamentarischen Geschäften der Welt bisher unerhört gewesen. Das Benehmen der Majorität der Kammer hat nur ein Verdienst -- das Verdienst der Neuheit." Die Sprache beider Blätter heißt nicht viel, wenn man bedenkt, daß sie beide halboffiziell sind, und ein abgekartetes Duell halten, zwischen welchem das Ministerium agirt, während die Schafe stutzen und geschoren werden. -- Derselbe Lloyd lobt auch den Herrn Schuselka "wegen seines würdigen Vortrags und seines edeln Anstandes, und weil er sich ausdrücklich gegen die Auslegung gewahrt, als ob der Antrag (Pinka's), wenn angenommen, als ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium angesehen werden könne." Viel standrechtliche Ehre für den Ministerkandidaten Schuselka, der zu jeder Erbärmlichkeit die Hand bietet. Die Minister blieben in einer Minorität von 97 Stimmen. Aber nicht das Ministerium, sondern der Reichstag wird weichen. Man versteht hier das konstitutionelle Leben, wenn überhaupt ernstliche Rede davon sein kann, umgekehrt. Daß der Reichstag aufgelöst worden, bestätigt sich den Zeitungen nach heute noch nicht, aber gestern war es hier ein allgemeines Gerücht. Bei der Hartnäckigkeit, Bosheit und Macht der Czechen über die andern Slaven könnte die Auflösung des Reichstages bedenkliche Folgen haben. Man wird daher zur List seine Zuflucht nehmen.

Die Abendbeilage zur Wienerin enthält einen geharnischten Aufsatz wider das preußische Primat in Deutschland, worin unter andern vorkommt: "Oesterreich bildet den Schlußstein zu Deutschland's Größe" (d. h. unter standrechtlichen Bedingungen). Das Werben für Friedrich Wilhelm's Kaiserkrone "der Deutschen" (soll heißen: einiger Preußen) geht eigentlich zunächst nur von 3 Schleswiger Professoren aus" u. s. w.

Gestern sind wieder 89 Fremde mit dem Schub forttransportirt worden, bei einer Kälte von 18 Graden. Arme Leute ohne Kleider und Mittel. Mit welcher Bestialität die Subalternbeamten bei Ausweisungen verfahren, davon werde ich Ihnen nächstens ein Beispiel erzählen.

121 Wien, 9. Jan.

Budapesth ohne Schwertstreich, der Reichstag in Kremsier aufgelöst, die Czechen mit der äußersten Linken (das Wort äußerste bedeutet hier nicht gar viel) verbrüdert, das sind seit gestern die Angelpunkte, um welche sich unser politisches Leben dreht. Außer diesen gibt's indessen noch einen andern Angelpunkt, den die politischen Rechner gerne übersehen möchten. Die Kälte wird immer intensiver, die Erwerbsquellen versiegen immer mehr, der Hunger steigt im Preise, das Proletariat an Zahl; der Zorn des Volkes beginnt zu donnern. Einstweilen erfriert dies Volk noch in den Straßen, wird wahnsinnig oder verhungert, während das Militär besoffen einhertölpelt; das sind aber nur die ersten Töne der Verzweiflung, denen die Thaten der Verzweiflung unvermeidlich folgen müssen.

In Galizien ist eine neue Nation entdeckt worden: die Nation der Hukuler. Diese Nation wird gebildet von Banditen, wie die der Seresanen oder besser Sarazenen. Sie tragen rothe Mäntel, Pistolen, Dolche, ellenlange Messer u. s. w., wie diese. Der jugendliche Standrechtskaiser mit seinen unvermeidlichen Kalbsaugen hat ihnen einen Banditengeneral zugesandt, der sie nun gegen die Magyaren führt. Die sogenannten Ruthenen genügten nicht, denn diese sind in der Wirklichkeit lauter Juden und deutsche Beamte. Die Hukuler aber sind reine 1846ger. Die Lemberger Universität wird unterdessen mit ruthenischen Professoren versorgt; wer polnisch dozirt, ist ein Hochverräther. Ein gewisser Glowacki hält dort Vorlesungen über hukulische Literatur und Sprache. Während die hukulischen Banditen im Norden wider die Magyaren gehetzt werden, werden die Banditenschaaren des Südens, die Seresaner, Ottochaner, Likaner, Opuliner gegen Venedig und die Lombardei losgelassen, um von dort in Toskana und in die päbstlichen Staaten getrieben zu werden. Es lebe die Ehrlichkeit und Narrheit des Bourgeois-Frankreichs! Es sah zu, daß die Russen und Türken in Ungarn einmarschiren und bleibt natürlich, was es ist, ehrlos und verrückt. Kossuth wird sich den Winter über vielleicht dennoch halten können, er und die Magyaren hoffen auf ein gesegnetes Frühlingsdonnerwetter im Westen. Die Standrechtsblätter selbst geben heute zu, daß mit der Einnahme Pesth's die Sache in Ungarn noch lange nicht entschieden ist; sie verlangen die komplete Vernichtung der ungarischen Krone und die totale Einverschmelzung mit Oesterreich. Da sie sämmtlich die jüdische Bourgeoisie, d. h. die allerhöchste Schurkerei, vertreten, so heulen sie darüber, daß das ungarische Papiergeld noch nicht für nichtig erklärt worden ist. -- Die im 12ten Armeebülletin versprochenen Details über die Einnahme Budapesth's sind bis heute noch nicht bekannt geworden; man wird Gründe haben, sie zu verheimlichen, oder zu erlügen. Kossuth's beste Truppen befinden sich in Südungarn und behaupten dort das Feld trotz Serben, Bulgaren, Russen und Türken.

Der Patriarch Razacsich hat vom Standrechtskaiser für seinen Banditeneifer den Orden der eisernen Krone erster Klasse mit Insignien erhalten, seine Serben sind aber dennoch auf's Haupt geschlagen worden. Pulszky's Güter, 700,000 Fl. C. M. an Werth, sind konfiszirt, Deak, Mailoth, die beiden Bathyany und andere hohe ungarische Adlige angeblich erschossen worden. Alle gefangenen Magyaren kommen unter's Militär, sie müssen nach Italien, und die Franzosen werden sie nun als Feinde bekommen, weil sie zu ehrlos gewesen sind, sie als Brudervolk zu unterstützen. -- Die Beamten in den der österr. Gränze zunächst gelegenen Komitaten sind bereits alle abgesetzt und ihre Stellen mit gutgesinnten Oesterreichern besetzt worden.

Die Kremsier Reichsversammlung erklärte auf den Antrag des Czechen Pinkas: "Sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. l. M. vor Beginn der Debate über den § 1 des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen Paragraph nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nunmehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, eine sowohl nach dem Inhalt, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung der Würde freier Volksvertreter unangemessene und mit der dem konstituirenden Reichstage durch die k. Manifeste vom 16. Mai und 6. Juni 1843 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungs-Aeußerung." Dies Ereigniß ist äußerst wichtig. Die Czechen beherrschen das ganze österreichische Slaventhum und werden es umstimmen; die von den Olmützer Bestien heraufbeschworenen Natiönchen werden umschlagen, um ihre eigenen Schöpfer zu vernichten.

Oesterreich ist eine Schöpfung des Absolutismus, ein pures Dynastenreich, das die Freiheit der großen Nationen nicht ertragen kann. Die Slaven haben ausgerufen: "Oesterreich besteht, so lange wir es wollen!" Davor mag Olmütz nunmehr erzittern.

Man erzählt sich, die Familie Zichy verfolge Kossuth mit einer Freischaar und habe 50,000 Fl. C. M. auf den Kopf gesetzt. (Natürlich bezahlt Frau Sophie.) Ferner, eine Freischaar von 30,000 (?) Walachen stehe in Siebenbürgen unter den Befehlen des ehemaligen Postpraktikanten Janko.

Der jugendliche Standrechtskaiser fährt fort, sich aus allen Winkeln Huldigungsdeputationen zuschicken zu lassen, nebenbei will er den Oberbefehl über Deutschland durchaus nicht verlieren, und läßt seine Standrechtsblätter darüber reden, als ob Deutschland durch sein Verhalten gegen Oesterreich sich in der Rebellion gegen seinen angestammten Herrscher befinde. Auch lügen uns die Standrechtshyänen bereits von am Rhein ausgebrochenen konfessionellen Zwisten vor, die sie dann im österreichischen Sinne interpretiren. Keine List, keine Schurkerei, keine Höllenthat wird gescheut, um den altehrwürdigen österreichischen Absolutismus vor Europa zu behaupten. -- Aus Girardin's Presse werden täglich österr. Artikel übersetzt; in Sardinien arbeiten die österreichischen Agenten wie rasend an einer innern Entzweiung, ebenso in Rom und Toskana. Das Alles geht aus dem Korrespondenten von Olmütz hervor, der alle an Sophie geschickten Briefe der überall hockenden Agenten, insoweit sie hier nützen, abdruckt. Auch die ehemalige "Bremer Zeitung" die jetzt unter dem Titel: "Zeitung für Norddeutschland" in Hannover erscheint, ist gewonnen worden. Oesterreich läßt ihr die demokratische Richtung, insofern sie nur tüchtig über Preußen schimpft. Recht so!

Der durch Windischgrätz der Stadt Wien verursachte Schaden ist vom Gemeinderath auf nur 4 Mill. Fl. C. M. taxirt worden, während er an 25 Millionen beträgt. Man unterdrückte die hohe Summe unter Einwirkung des Standrechts absichtlich, indem man den angerichteten Schaden nur nach Standesgebühr taxirte, und den der armen und nicht protegirten Leute ganz unberücksichtigt ließ.

Das Militär hat neuerdings Befehl erhalten, um 10 Uhr in

zip der Gleichberechtigkeit aus, protestiren also gegen eine Bevorziehung der Meister vor den Gesellen und wählen deßhalb keinen Vertreter.“

Die Beamtenwelt wird mit jedem Tage unverschämter Der Landrath des Breslauer Kreises Graf Koenigsdorf redet Schulzen, die für die Linke Unterschriften sammelten, immer nur mit den Worten: Schweinhund, Schuft etc. an und begleitet gewöhnlich jedes dieser Worte mit einem Faustschlage in's Gesicht.

Trotz der großen Kälte 14-17[unleserliches Material] R. wird im hiesigen Armenhause nur zweimal eingeheizt. In Folge dessen sind sehr viele Cholerakrankheitsfälle vorgefallen.

X Liegnitz, 11. Januar.

Ganz erschöpft von den hiesigen Vorfällen schreibe ich Ihnen doch noch diese Nacht. Ich bemerke, daß mein Schreiben zwar dem Inhalte, aber nicht der Form nach Anspruch auf Geltung macht und hoffe, daß Sie die nöthigen Reflexionen dazu machen werden. Insbesondere mache ich Sie darauf aufmerksam, daß die Schlesier, wenn diese Mißhandlungen durch die Prätorianer des Preußenkönigs weiter fortdauern, wieder auf den Gedanken zurückkommen könnten, einst wieder unter östreichischen Schutz zurückzukehren. Wir werden jetzt in der That wie eine eroberte Provinz behandelt, aber viel schlimmer wie im Zahre 1742.

Die reaktionäre Partei, nachdem sie bemerkt hat, daß trotz aller erdenklichen Anstrengungen (Plakate, [Harkort] Bestechungen, Lügen) die bevorstehenden Wahlen dennoch mit einer Niederlage für sie enden dürften, greift jetzt in Niederschlesien zur offenen Gewalt, um die Volkspartei wo möglich zu vernichten. Da aber das Volk, und insbesondere die Proletarier bei uns aufgeklärt genug sind, um nicht in ihre Fallen zu gehen, so bleiben ihnen von Proletariern nur die Soldaten übrig, um als blinde Werkzeuge ihrer abscheulichen Pläne gemißbraucht zu werden. Sprengung der Vereine, damit Vereitlung volksthümlicher Wahlen, Herbeiführung des offenen Belagerungszustandes (es liegen fast in jedem Städtchen und in vielen Dörfern Soldaten), Ermordung der demokratischen Führer, so lautet der Wahlspruch einer Partei, die kein Mittel mehr verschmäht, um zum Ziele zu gelangen. In Löwenberg, Bunzlau, Hirschberg, hat man bereits den Anfang gemacht, namentlich an ersterem Orte. Der gestrige Tag war dazu bestimmt, unsere Stadt zum Schauplatze von Scheußlichkeiten zu machen, die sich den bereits vorgefallenen würdig anreihen und deren Krone bilden.

Bereits seit mehreren Tagen trug man sich mit Gerüchten von einem beabsichtigten Attentat auf die Person des Redakteurs der hiesigen Zeitschrift Silesia und derzeitigen Präsidenten des demokratischen Vereins, Otto Cunerth. Derselbe hatte selbst schon bemerkt, daß er im Vorbeigehen auf der Straße von einem Unteroffiziere mehreren seiner Soldaten unter Drohung bezeichnet worden war, ebenso waren mehrfache Warnungen an ihn ergangen, sich in Acht zu nehmen.

Der Dienstag, als der Tag, an welchem der demokratische Verein gewöhnlich Sitzung hält, scheint endlich dazu gewählt worden zu sein, das beabsichtigte Attentat zur Ausführung zu bringen. Vielfache Aussagen beweisen bereits fast zur Evidenz, daß die Preußen von einer gewissen Partei dazu systematisch aufgereizt worden sind und daß selbst manche ihrer Vorgesetzten an diesen Hetzereien Antheil genommen haben. Schon gegen 6 Uhr dieses Tages versammelten sich deßhalb im Gasthofe „zum deutschen Kaiser“ dem Sitzungslokale dieses Vereins, eine ungeheure Menge von Preußen. Unteroffiziere sind unter ihnen und lassen den Gemeinen wacker einschenken. Das Vereinskomite hatte indessen schon mehrere Tage vorher wegen der beginnenden großen Wahlversammlungen beschlossen, die Sitzung ausfallen zu lassen. Als die Soldaten dies erfuhren, stießen sie so wüthende Drohungen gegen Cunerth aus, daß der Gastwirth sich bewogen fand, zum Major von Gansauge, dem Kommandanten der Stadt zu gehen und ihm mitzutheilen, daß die bei ihm befindlichen Soldaten die wildesten Mordanschläge gegen Cunerth besprächen. Der Major hört ihn zwar an, versichert aber unter Achselzucken: es sei schlimm, der Cunerth habe das Militär durch einen Artikel in der Silesia sehr gereizt, seine Ehre verletzt u. s. w. Als der Gastwirth ihm bemerklich macht, daß er auch Soldat gewesen, daß es aber zu seiner Zeit den Soldaten nicht erlaubt gewesen sei, denjenigen zu ermorden, der etwas geschrieben, was ihnen nicht gefallen habe, so entläßt er ihn mit dem Bemerken, er werde thun, was möglich sei; indeß geschieht nicht das Geringste zur Verhütung des beabsichtigten Mordversuches. Dies geschah um 6 Uhr. Der Gastwirth begibt sich noch hierauf mit mehreren Bekannten zu Cunerth und warnt denselben, aus den bezeichneten Gründen heute nicht auszugehen, was dieser auch zu thun verspricht. Nach 8 Uhr indessen dringt ein wüthender Haufen mit Seitengewehren circa 1-200 Mann Preußen v. 5. u. 20. Okt. seit hier garnisonirenden Regiment (ihre Thaten siehe im letzten Art. datirt Liegnitz) mit furchtbarem Gebrüll in die Buchdruckerei des Hrn. H. Dönch und verlangen Cunerth zu sprechen. Die Drucker verweigern die Anzeige seines Aufenthalts und flüchten, indessen erfüllen die Horden tobend und brüllend alle Räume des Hauses und dringen endlich in das Wohnzimmer Cunerths im 2. Stock. Hier ergreifen sie denselben nach kurzem Wortwechsel und schleppen ihn auf die Straße hinab, wo ihn zwei heldenmüthige Krieger an den Armen packen und fortschleifen, während die übrigen die Eskorte bilden und ihn fortwährend durch Stöße und Schläge auf alle erdenkliche Weise mißhandeln, über den Markt zum Schlosse. Bei der starken Kälte befanden sich nur wenige Leute auf den Strayen und diesen war es unmöglich, etwas zur Befreiung des Gefangenen gegen den rasenden Haufen zu versuchen. Einige wenige, die dies bereits in und vor dem Hause Dönchs versucht hatten, waren gemißhandelt oder verjagt worden. Mehrere von diesen haben die Bedienten und Kutscher einiger gnädigen hier wohnenden Herren dabei bemerkt, welche die Preußen durch lauten Zuruf zum Morde aufstachelten: Bravo, schlagt doch den Hund gleich todt! Mittlerweile eilt einer der Drucker, der sich über den Gartenzaun hinten aus der Werkstatt geflüchtet, auf die Hauptwache und verlangt eine Patrouille zur Rettung Cunerths. Als der dort befindliche Unteroffizier diesen Namen hört, sagt er, daß es diesem nichts schaden könne, gibt indeß schließlich eine Patrouille von 4 Mann mit. Dieselbe wird von der Horde mit dem Rufe: „Brüder, Kameraden, laßt uns, wir haben einen von den Bürgerhunden u. dgl. empfangen,“ macht Front vor dem Zuge, und versucht nicht das Geringste zur Befreiung.

Unterdessen eilt der Bürgerwehroberst, kürzlich suspendirter (Steuerverw.), Regierungsrath v. Merckel, von dem Vorfalle benachrichtigt, auf die Straße und bei dem Haufen angelangt, hört er den Ruf Cunerths: Retten Sie mich, Hr. Merckel, man tödtet mich! Merckel fordert von den Soldaten die sofortige Freilassung ihres Opfers und auf die Weigerung, das Gebrüll und Hohngelächter der Rotte, macht er dieser bemerklich, daß er der Bürgerwehroberst sei, für die Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen habe und nöthigenfalls dem kommandirenden General v. Stößer Anzeige machen werde. Hierauf stürzen 10-15 Soldaten mit dem Gebrüll: das ist der Merckel, der Bürgerwehrhund, schlagt den Hund todt! auch auf diesen, einer spaltet ihm mit dem Säbel den Hut von oben bis unten und beschädigt ihn am Kopfe, während die andern ebenfalls auf ihn losschlagen, ihn zu Boden werfen und ihm seinen Stock entreißen. Indessen entringt er sich, obgleich schwer am Kopfe verletzt, der wüthenden Rotte und entkommt, von ihr verfolgt, ins Regierungsgebäude (Schloß) unter den Schutze der dortigen Wache. Die Soldaten fahren indessen fort, Cunerth zu mißhandeln und schleppen ihn bis zum glogauer Thor, wahrscheinlich, um ihn in den benachbarten Baumanlagen vollends zu ermorden. Auch empfängt er beim Thore eine tiefe Wunde in den Hinterkopf und sinkt endlich bewußtlos zusammen, worauf sich die Mörderbande in der Meinung, er sei todt, eiligst zerstreut. Unterdessen füllen sich bei dem Tumult allmälich die Straßen mit Menschen; einige heben den Bewußtlosen auf und tragen ihn auf die Schloßwache, von wo er von Bürgern auf einem Wagen, den sie selbst ziehen, in seine Wohnung zurückgebracht wird. Obgleich mit Contusionen und Wunden bedeckt und sehr krank, befindet er sich doch bereits ziemlich außer Gefahr, ebenso Hr. v. Merckel.

Während diese Gräuelscene in der Stadt spielt, dringt eine andere Rotte Soldaten unter Leitung eines Unteroffiziers in den in der Vorstadt gelegenen Saal des Badehauses, wo eine Bürgerversammlung gemischter politischer Farbe über Reklamationen für die Wählerregister beräth. Die Preußen, ebenfalls zum Theil mit Seitengewehren bewaffnet, dringen damit und mit Knütteln, die sie sich durch Demolirung eines Geländers und Abhauen junger Bäume verschafften, auf die Bürger ein, die sich unbewaffnet unvorbereitet so gut als möglich zur Wehre setzen. Es fallen viele, jedoch nicht erhebliche Verletzungen vor; mehreren Soldaten werden die Achselklappen abgerissen, die Mützen genommen und die Kleider zerrissen. Einer wird gefangen und ihm der Säbel abgenommen. Auf die Hauptwache von den Bürgern gebracht, schillt ihn der dortige Unteroffizier, wie er so dumm habe sein können, sich fangen zu lassen, zumal er ein Seitengewehr habe, mit dem er doch um sich habe stechen können und läßt ihn laufen.

Unterdessen hatte sich der Markt und die Hauptstraßen der Stadt theilweise mit Menschen gefüllt. Die Erbitterung war furchtbar. Die Soldaten der Hauptwache, die unterdeß verstärkt worden, so wie die der zahlreich ausgesandten Patrouillen und ausgestellten Trupps wurden mit den lautesten Vorwürfen und dem Geschrei: „Räuber, Mörder,“ die Offiziere mit „Räuberhauptmann“ u. s. w. begleitet und angerufen. Hier und da kleine Handgemenge und Prügeleien, doch die grimmige Kälte der Januarnacht zerstreute allmählig das aufgebrachte Volk. Eine Sommernacht und es entstand eine furchtbare Metzelei! Der Magistrat hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen: 1) Sofortiger Antrag auf strengste Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen beim Oberpräsidenten. Einsetzung einer gemischten Kommission dafür. Bereits heute sind eine große Anzahl Zeugen vernommen und die Anzeichen, welche auf einen tief angelegten Plan, in welchen Leute von einer gewissen bürgerlichen und militärischen Stellung verwickelt scheinen, häufen sich. Darnach sollten sich die Mordscenen heute erneuern und eine ganze Liste volksthümlicher Männer treffen. 2) Verlegung der Garnison. Die hiesige Regierung und der General v. Stößer sind mit diesen Anträgen offiziell bekannt gemacht worden. Das Bürgerwehrkommando hat noch besondere Beschwerde eingelegt.

Mordanfälle in der eigenen Wohnung werden laut Landrecht mit 20 Jahren Zuchthaus bestraft.

Schweidnitz, im Jan.

Die Reaktion in und um Schweidnitz wühlt auf eine tolle Weise, um den Herrn Minister-Präsidenten Grafen Brandenburg als Deputirten für die erste Kammer bei den Wahlen durchzubringen. Sie legt durch dieses Treiben ihre ganze Bornirtheit auf ergötzliche Weise an den Tag, und fügt dabei zugleich eine solche Beleidigung den Urwählern und Wahlmännern zu, daß diese sich auf eine glänzende Art werden rächen müssen. Die Agitation geschieht durch den Gorkauer-, den hiesigen Veteranen- und den Denunzianten-Verein, alles Sippschaften, die von unserem gesunden Volk mit der höchsten Verachtung gestraft werden.

Der bekannte, jetzt sehr berühmt gewordene Exbürgermeister soll Regierungsrath in Bromberg werden. Möglich wäre es, denn der Herr Major v. Gersdorf, der das Niederschießen Schweidnitzer Bürgerwehr für Blitze eines Gewitters oder für einen Nordschein u. s. w. angesehen, ist zum Oberstlieutenant avancirt, und der Hauptmann v. Skribenski, der diejenige Kompagnie kommandirte, welche die Bürger erschoß, ist unter Versetzung in das Kriegsministerium zum Major befördert worden; ergo!

(Freischütz.)
Posen, 4. Jan.

In unserer, im Allgemeinen sehr konservativ gesinnten Stadt herrscht heute eine ungemeine Aufregung unter der deutschen Bevölkerung, über eine Rede, welche unser Deputirter bei der Nationalversammlung in Berlin, Landgerichtsrath Neumann, vorgestern Abend in der Versammlung des hiesigen demokratisch-konstitutionellen Vereins gehalten hat, und in welcher er die dem preußischen Staate von dem Könige verliehene Verfassung, nach einer heute bereits erfolgten Mittheilung, ein „perfides Machwerk“ genannt hat.

(D. A. Z.)
121 Wien, 10. Januar.

Die uns von Windischgrätz versprochenen Details über die Einnahme Budapesth's sind noch nicht eingetroffen, wenigstens habe ich weder etwas davon vernommen, noch gesehen. Statt ihrer haben wir gestern Abend ein 13. Armeebulletin erhalten, welches Sie in der heutigen Wiener Zeitung finden werden, und dessen radikale Bedeutungslosigkeit in die Augen springt. Sonderbares Schweigen! Auf der andern Seite versichern die Standrechtsblätter, obwohl sie über Ungarn heute gänzlich schweigen, die Postverbindung zwischen hier und Pesth sei wieder hergestellt. Dies ist insofern eine offenbare Lüge, als bisher nur Briefe aus dem Rücken der Armee, die freilich „Pesth“ datirt sind, hier anlangten. Im Dunkeln ist gut munkeln. Windischgrätz belügt Europa, indessen er mit Russen, Türken und einem halben hundert auffanatisirter Natiönchen Ungarn zu Boden schlägt.

Die Blätter besprechen heute vorzugsweise das Ereigniß in Kremsier. Die „Presse“ sagt unter andern: „Das Kabinet ist sich selbst untreu geworden. Das jetzige Ministerium übernahm die Geschäfte zu einer Zeit, wo sie sehr zerrüttet waren, sie versprachen zu regieren und die Ordnung im höhern Sinne zu gründen. Es war unserer Meinung nach ihnen ganz Ernst damit. Aber der Eifer der Subalternen ging weiter. Man trieb das Ministerium in eine Theorie; sie war keine glückliche; ein einzigesmal verließen sie die praktische Ansicht und wurden Dogmatiker, aber sie verletzten dadurch die reizbarste Seite berathender Versammlungen; sie verletzten das Gefühl der Unabhängigkeit, das in ihnen wohnen muß.“ Der „Lloyd“ aber bemerkt im Abendblatt: „Wir müssen uns dahin aussprechen, daß der Vorwurf, der jetzt dem Ministerium gemacht worden, einer ist, welcher in den parlamentarischen Geschäften der Welt bisher unerhört gewesen. Das Benehmen der Majorität der Kammer hat nur ein Verdienst — das Verdienst der Neuheit.“ Die Sprache beider Blätter heißt nicht viel, wenn man bedenkt, daß sie beide halboffiziell sind, und ein abgekartetes Duell halten, zwischen welchem das Ministerium agirt, während die Schafe stutzen und geschoren werden. — Derselbe Lloyd lobt auch den Herrn Schuselka „wegen seines würdigen Vortrags und seines edeln Anstandes, und weil er sich ausdrücklich gegen die Auslegung gewahrt, als ob der Antrag (Pinka's), wenn angenommen, als ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium angesehen werden könne.“ Viel standrechtliche Ehre für den Ministerkandidaten Schuselka, der zu jeder Erbärmlichkeit die Hand bietet. Die Minister blieben in einer Minorität von 97 Stimmen. Aber nicht das Ministerium, sondern der Reichstag wird weichen. Man versteht hier das konstitutionelle Leben, wenn überhaupt ernstliche Rede davon sein kann, umgekehrt. Daß der Reichstag aufgelöst worden, bestätigt sich den Zeitungen nach heute noch nicht, aber gestern war es hier ein allgemeines Gerücht. Bei der Hartnäckigkeit, Bosheit und Macht der Czechen über die andern Slaven könnte die Auflösung des Reichstages bedenkliche Folgen haben. Man wird daher zur List seine Zuflucht nehmen.

Die Abendbeilage zur Wienerin enthält einen geharnischten Aufsatz wider das preußische Primat in Deutschland, worin unter andern vorkommt: „Oesterreich bildet den Schlußstein zu Deutschland's Größe“ (d. h. unter standrechtlichen Bedingungen). Das Werben für Friedrich Wilhelm's Kaiserkrone „der Deutschen“ (soll heißen: einiger Preußen) geht eigentlich zunächst nur von 3 Schleswiger Professoren aus“ u. s. w.

Gestern sind wieder 89 Fremde mit dem Schub forttransportirt worden, bei einer Kälte von 18 Graden. Arme Leute ohne Kleider und Mittel. Mit welcher Bestialität die Subalternbeamten bei Ausweisungen verfahren, davon werde ich Ihnen nächstens ein Beispiel erzählen.

121 Wien, 9. Jan.

Budapesth ohne Schwertstreich, der Reichstag in Kremsier aufgelöst, die Czechen mit der äußersten Linken (das Wort äußerste bedeutet hier nicht gar viel) verbrüdert, das sind seit gestern die Angelpunkte, um welche sich unser politisches Leben dreht. Außer diesen gibt's indessen noch einen andern Angelpunkt, den die politischen Rechner gerne übersehen möchten. Die Kälte wird immer intensiver, die Erwerbsquellen versiegen immer mehr, der Hunger steigt im Preise, das Proletariat an Zahl; der Zorn des Volkes beginnt zu donnern. Einstweilen erfriert dies Volk noch in den Straßen, wird wahnsinnig oder verhungert, während das Militär besoffen einhertölpelt; das sind aber nur die ersten Töne der Verzweiflung, denen die Thaten der Verzweiflung unvermeidlich folgen müssen.

In Galizien ist eine neue Nation entdeckt worden: die Nation der Hukuler. Diese Nation wird gebildet von Banditen, wie die der Seresanen oder besser Sarazenen. Sie tragen rothe Mäntel, Pistolen, Dolche, ellenlange Messer u. s. w., wie diese. Der jugendliche Standrechtskaiser mit seinen unvermeidlichen Kalbsaugen hat ihnen einen Banditengeneral zugesandt, der sie nun gegen die Magyaren führt. Die sogenannten Ruthenen genügten nicht, denn diese sind in der Wirklichkeit lauter Juden und deutsche Beamte. Die Hukuler aber sind reine 1846ger. Die Lemberger Universität wird unterdessen mit ruthenischen Professoren versorgt; wer polnisch dozirt, ist ein Hochverräther. Ein gewisser Glowacki hält dort Vorlesungen über hukulische Literatur und Sprache. Während die hukulischen Banditen im Norden wider die Magyaren gehetzt werden, werden die Banditenschaaren des Südens, die Seresaner, Ottochaner, Likaner, Opuliner gegen Venedig und die Lombardei losgelassen, um von dort in Toskana und in die päbstlichen Staaten getrieben zu werden. Es lebe die Ehrlichkeit und Narrheit des Bourgeois-Frankreichs! Es sah zu, daß die Russen und Türken in Ungarn einmarschiren und bleibt natürlich, was es ist, ehrlos und verrückt. Kossuth wird sich den Winter über vielleicht dennoch halten können, er und die Magyaren hoffen auf ein gesegnetes Frühlingsdonnerwetter im Westen. Die Standrechtsblätter selbst geben heute zu, daß mit der Einnahme Pesth's die Sache in Ungarn noch lange nicht entschieden ist; sie verlangen die komplete Vernichtung der ungarischen Krone und die totale Einverschmelzung mit Oesterreich. Da sie sämmtlich die jüdische Bourgeoisie, d. h. die allerhöchste Schurkerei, vertreten, so heulen sie darüber, daß das ungarische Papiergeld noch nicht für nichtig erklärt worden ist. — Die im 12ten Armeebülletin versprochenen Details über die Einnahme Budapesth's sind bis heute noch nicht bekannt geworden; man wird Gründe haben, sie zu verheimlichen, oder zu erlügen. Kossuth's beste Truppen befinden sich in Südungarn und behaupten dort das Feld trotz Serben, Bulgaren, Russen und Türken.

Der Patriarch Razacsich hat vom Standrechtskaiser für seinen Banditeneifer den Orden der eisernen Krone erster Klasse mit Insignien erhalten, seine Serben sind aber dennoch auf's Haupt geschlagen worden. Pulszky's Güter, 700,000 Fl. C. M. an Werth, sind konfiszirt, Deak, Mailoth, die beiden Bathyany und andere hohe ungarische Adlige angeblich erschossen worden. Alle gefangenen Magyaren kommen unter's Militär, sie müssen nach Italien, und die Franzosen werden sie nun als Feinde bekommen, weil sie zu ehrlos gewesen sind, sie als Brudervolk zu unterstützen. — Die Beamten in den der österr. Gränze zunächst gelegenen Komitaten sind bereits alle abgesetzt und ihre Stellen mit gutgesinnten Oesterreichern besetzt worden.

Die Kremsier Reichsversammlung erklärte auf den Antrag des Czechen Pinkas: „Sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. l. M. vor Beginn der Debate über den § 1 des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen Paragraph nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nunmehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, eine sowohl nach dem Inhalt, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung der Würde freier Volksvertreter unangemessene und mit der dem konstituirenden Reichstage durch die k. Manifeste vom 16. Mai und 6. Juni 1843 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungs-Aeußerung.“ Dies Ereigniß ist äußerst wichtig. Die Czechen beherrschen das ganze österreichische Slaventhum und werden es umstimmen; die von den Olmützer Bestien heraufbeschworenen Natiönchen werden umschlagen, um ihre eigenen Schöpfer zu vernichten.

Oesterreich ist eine Schöpfung des Absolutismus, ein pures Dynastenreich, das die Freiheit der großen Nationen nicht ertragen kann. Die Slaven haben ausgerufen: „Oesterreich besteht, so lange wir es wollen!“ Davor mag Olmütz nunmehr erzittern.

Man erzählt sich, die Familie Zichy verfolge Kossuth mit einer Freischaar und habe 50,000 Fl. C. M. auf den Kopf gesetzt. (Natürlich bezahlt Frau Sophie.) Ferner, eine Freischaar von 30,000 (?) Walachen stehe in Siebenbürgen unter den Befehlen des ehemaligen Postpraktikanten Janko.

Der jugendliche Standrechtskaiser fährt fort, sich aus allen Winkeln Huldigungsdeputationen zuschicken zu lassen, nebenbei will er den Oberbefehl über Deutschland durchaus nicht verlieren, und läßt seine Standrechtsblätter darüber reden, als ob Deutschland durch sein Verhalten gegen Oesterreich sich in der Rebellion gegen seinen angestammten Herrscher befinde. Auch lügen uns die Standrechtshyänen bereits von am Rhein ausgebrochenen konfessionellen Zwisten vor, die sie dann im österreichischen Sinne interpretiren. Keine List, keine Schurkerei, keine Höllenthat wird gescheut, um den altehrwürdigen österreichischen Absolutismus vor Europa zu behaupten. — Aus Girardin's Presse werden täglich österr. Artikel übersetzt; in Sardinien arbeiten die österreichischen Agenten wie rasend an einer innern Entzweiung, ebenso in Rom und Toskana. Das Alles geht aus dem Korrespondenten von Olmütz hervor, der alle an Sophie geschickten Briefe der überall hockenden Agenten, insoweit sie hier nützen, abdruckt. Auch die ehemalige „Bremer Zeitung“ die jetzt unter dem Titel: „Zeitung für Norddeutschland“ in Hannover erscheint, ist gewonnen worden. Oesterreich läßt ihr die demokratische Richtung, insofern sie nur tüchtig über Preußen schimpft. Recht so!

Der durch Windischgrätz der Stadt Wien verursachte Schaden ist vom Gemeinderath auf nur 4 Mill. Fl. C. M. taxirt worden, während er an 25 Millionen beträgt. Man unterdrückte die hohe Summe unter Einwirkung des Standrechts absichtlich, indem man den angerichteten Schaden nur nach Standesgebühr taxirte, und den der armen und nicht protegirten Leute ganz unberücksichtigt ließ.

Das Militär hat neuerdings Befehl erhalten, um 10 Uhr in

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zip der Gleichberechtigkeit aus, protestiren also gegen eine Bevorziehung der Meister vor den Gesellen und wählen deßhalb keinen Vertreter.&#x201C;</p>
          <p>Die Beamtenwelt wird mit jedem Tage unverschämter Der Landrath des Breslauer Kreises Graf Koenigsdorf redet Schulzen, die für die Linke Unterschriften sammelten, immer nur mit den Worten: Schweinhund, Schuft etc. an und begleitet gewöhnlich jedes dieser Worte mit einem Faustschlage in's Gesicht.</p>
          <p>Trotz der großen Kälte 14-17<gap reason="illegible"/> R. wird im hiesigen Armenhause nur zweimal eingeheizt. In Folge dessen sind sehr viele Cholerakrankheitsfälle vorgefallen.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Liegnitz, 11. Januar.</head>
          <p>Ganz erschöpft von den hiesigen Vorfällen schreibe ich Ihnen doch noch diese Nacht. Ich bemerke, daß mein Schreiben zwar dem Inhalte, aber nicht der Form nach Anspruch auf Geltung macht und hoffe, daß Sie die nöthigen Reflexionen dazu machen werden. Insbesondere mache ich Sie darauf aufmerksam, daß die Schlesier, wenn diese Mißhandlungen durch die Prätorianer des Preußenkönigs weiter fortdauern, wieder auf den Gedanken zurückkommen könnten, einst wieder unter östreichischen Schutz zurückzukehren. Wir werden jetzt in der That wie eine eroberte Provinz behandelt, aber viel schlimmer wie im Zahre 1742.</p>
          <p>Die reaktionäre Partei, nachdem sie bemerkt hat, daß trotz aller erdenklichen Anstrengungen (Plakate, [Harkort] Bestechungen, Lügen) die bevorstehenden Wahlen dennoch mit einer Niederlage für sie enden dürften, greift jetzt in Niederschlesien zur offenen Gewalt, um die Volkspartei wo möglich zu vernichten. Da aber das Volk, und insbesondere die Proletarier bei uns aufgeklärt genug sind, um nicht in ihre Fallen zu gehen, so bleiben ihnen von Proletariern nur die Soldaten übrig, um als blinde Werkzeuge ihrer abscheulichen Pläne gemißbraucht zu werden. Sprengung der Vereine, damit Vereitlung volksthümlicher Wahlen, Herbeiführung des offenen Belagerungszustandes (es liegen fast in jedem Städtchen und in vielen Dörfern Soldaten), Ermordung der demokratischen Führer, so lautet der Wahlspruch einer Partei, die kein Mittel mehr verschmäht, um zum Ziele zu gelangen. In Löwenberg, Bunzlau, Hirschberg, hat man bereits den Anfang gemacht, namentlich an ersterem Orte. Der gestrige Tag war dazu bestimmt, unsere Stadt zum Schauplatze von Scheußlichkeiten zu machen, die sich den bereits vorgefallenen würdig anreihen und deren Krone bilden.</p>
          <p>Bereits seit mehreren Tagen trug man sich mit Gerüchten von einem beabsichtigten Attentat auf die Person des Redakteurs der hiesigen Zeitschrift Silesia und derzeitigen Präsidenten des demokratischen Vereins, Otto Cunerth. Derselbe hatte selbst schon bemerkt, daß er im Vorbeigehen auf der Straße von einem Unteroffiziere mehreren seiner Soldaten unter Drohung bezeichnet worden war, ebenso waren mehrfache Warnungen an ihn ergangen, sich in Acht zu nehmen.</p>
          <p>Der Dienstag, als der Tag, an welchem der demokratische Verein gewöhnlich Sitzung hält, scheint endlich dazu gewählt worden zu sein, das beabsichtigte Attentat zur Ausführung zu bringen. Vielfache Aussagen beweisen bereits fast zur Evidenz, daß die Preußen von einer gewissen Partei dazu systematisch aufgereizt worden sind und daß selbst manche ihrer Vorgesetzten an diesen Hetzereien Antheil genommen haben. Schon gegen 6 Uhr dieses Tages versammelten sich deßhalb im Gasthofe &#x201E;zum deutschen Kaiser&#x201C; dem Sitzungslokale dieses Vereins, eine ungeheure Menge von Preußen. Unteroffiziere sind unter ihnen und lassen den Gemeinen wacker einschenken. Das Vereinskomite hatte indessen schon mehrere Tage vorher wegen der beginnenden großen Wahlversammlungen beschlossen, die Sitzung ausfallen zu lassen. Als die Soldaten dies erfuhren, stießen sie so wüthende Drohungen gegen Cunerth aus, daß der Gastwirth sich bewogen fand, zum Major von Gansauge, dem Kommandanten der Stadt zu gehen und ihm mitzutheilen, daß die bei ihm befindlichen Soldaten die wildesten Mordanschläge gegen Cunerth besprächen. Der Major hört ihn zwar an, versichert aber unter Achselzucken: es sei schlimm, der Cunerth habe das Militär durch einen Artikel in der Silesia sehr gereizt, seine Ehre verletzt u. s. w. Als der Gastwirth ihm bemerklich macht, daß er auch Soldat gewesen, daß es aber zu seiner Zeit den Soldaten nicht erlaubt gewesen sei, denjenigen zu ermorden, der etwas geschrieben, was ihnen nicht gefallen habe, so entläßt er ihn mit dem Bemerken, er werde thun, was möglich sei; indeß geschieht nicht das Geringste zur Verhütung des beabsichtigten Mordversuches. Dies geschah um 6 Uhr. Der Gastwirth begibt sich noch hierauf mit mehreren Bekannten zu Cunerth und warnt denselben, aus den bezeichneten Gründen heute nicht auszugehen, was dieser auch zu thun verspricht. Nach 8 Uhr indessen dringt ein wüthender Haufen mit Seitengewehren circa 1-200 Mann Preußen v. 5. u. 20. Okt. seit hier garnisonirenden Regiment (ihre Thaten siehe im letzten Art. datirt Liegnitz) mit furchtbarem Gebrüll in die Buchdruckerei des Hrn. H. Dönch und verlangen Cunerth zu sprechen. Die Drucker verweigern die Anzeige seines Aufenthalts und flüchten, indessen erfüllen die Horden tobend und brüllend alle Räume des Hauses und dringen endlich in das Wohnzimmer Cunerths im 2. Stock. Hier ergreifen sie denselben nach kurzem Wortwechsel und schleppen ihn auf die Straße hinab, wo ihn zwei heldenmüthige Krieger an den Armen packen und fortschleifen, während die übrigen die Eskorte bilden und ihn fortwährend durch Stöße und Schläge auf alle erdenkliche Weise mißhandeln, über den Markt zum Schlosse. Bei der starken Kälte befanden sich nur wenige Leute auf den Strayen und diesen war es unmöglich, etwas zur Befreiung des Gefangenen gegen den rasenden Haufen zu versuchen. Einige wenige, die dies bereits in und vor dem Hause Dönchs versucht hatten, waren gemißhandelt oder verjagt worden. Mehrere von diesen haben die Bedienten und Kutscher einiger gnädigen hier wohnenden Herren dabei bemerkt, welche die Preußen durch lauten Zuruf zum Morde aufstachelten: Bravo, schlagt doch den Hund gleich todt! Mittlerweile eilt einer der Drucker, der sich über den Gartenzaun hinten aus der Werkstatt geflüchtet, auf die Hauptwache und verlangt eine Patrouille zur Rettung Cunerths. Als der dort befindliche Unteroffizier diesen Namen hört, sagt er, daß es diesem nichts schaden könne, gibt indeß schließlich eine Patrouille von 4 Mann mit. Dieselbe wird von der Horde mit dem Rufe: &#x201E;Brüder, Kameraden, laßt uns, wir haben einen von den Bürgerhunden u. dgl. empfangen,&#x201C; macht Front vor dem Zuge, und versucht nicht das Geringste zur Befreiung.</p>
          <p>Unterdessen eilt der Bürgerwehroberst, kürzlich suspendirter (Steuerverw.), Regierungsrath v. Merckel, von dem Vorfalle benachrichtigt, auf die Straße und bei dem Haufen angelangt, hört er den Ruf Cunerths: Retten Sie mich, Hr. Merckel, man tödtet mich! Merckel fordert von den Soldaten die sofortige Freilassung ihres Opfers und auf die Weigerung, das Gebrüll und Hohngelächter der Rotte, macht er dieser bemerklich, daß er der Bürgerwehroberst sei, für die Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen habe und nöthigenfalls dem kommandirenden General v. Stößer Anzeige machen werde. Hierauf stürzen 10-15 Soldaten mit dem Gebrüll: das ist der Merckel, der Bürgerwehrhund, schlagt den Hund todt! auch auf diesen, einer spaltet ihm mit dem Säbel den Hut von oben bis unten und beschädigt ihn am Kopfe, während die andern ebenfalls auf ihn losschlagen, ihn zu Boden werfen und ihm seinen Stock entreißen. Indessen entringt er sich, obgleich schwer am Kopfe verletzt, der wüthenden Rotte und entkommt, von ihr verfolgt, ins Regierungsgebäude (Schloß) unter den Schutze der dortigen Wache. Die Soldaten fahren indessen fort, Cunerth zu mißhandeln und schleppen ihn bis zum glogauer Thor, wahrscheinlich, um ihn in den benachbarten Baumanlagen vollends zu ermorden. Auch empfängt er beim Thore eine tiefe Wunde in den Hinterkopf und sinkt endlich bewußtlos zusammen, worauf sich die Mörderbande in der Meinung, er sei todt, eiligst zerstreut. Unterdessen füllen sich bei dem Tumult allmälich die Straßen mit Menschen; einige heben den Bewußtlosen auf und tragen ihn auf die Schloßwache, von wo er von Bürgern auf einem Wagen, den sie selbst ziehen, in seine Wohnung zurückgebracht wird. Obgleich mit Contusionen und Wunden bedeckt und sehr krank, befindet er sich doch bereits ziemlich außer Gefahr, ebenso Hr. v. Merckel.</p>
          <p>Während diese Gräuelscene in der Stadt spielt, dringt eine andere Rotte Soldaten unter Leitung eines Unteroffiziers in den in der Vorstadt gelegenen Saal des Badehauses, wo eine Bürgerversammlung gemischter politischer Farbe über Reklamationen für die Wählerregister beräth. Die Preußen, ebenfalls zum Theil mit Seitengewehren bewaffnet, dringen damit und mit Knütteln, die sie sich durch Demolirung eines Geländers und Abhauen junger Bäume verschafften, auf die Bürger ein, die sich unbewaffnet unvorbereitet so gut als möglich zur Wehre setzen. Es fallen viele, jedoch nicht erhebliche Verletzungen vor; mehreren Soldaten werden die Achselklappen abgerissen, die Mützen genommen und die Kleider zerrissen. Einer wird gefangen und ihm der Säbel abgenommen. Auf die Hauptwache von den Bürgern gebracht, schillt ihn der dortige Unteroffizier, wie er so dumm habe sein können, sich fangen zu lassen, zumal er ein Seitengewehr habe, mit dem er doch um sich habe stechen können und läßt ihn laufen.</p>
          <p>Unterdessen hatte sich der Markt und die Hauptstraßen der Stadt theilweise mit Menschen gefüllt. Die Erbitterung war furchtbar. Die Soldaten der Hauptwache, die unterdeß verstärkt worden, so wie die der zahlreich ausgesandten Patrouillen und ausgestellten Trupps wurden mit den lautesten Vorwürfen und dem Geschrei: &#x201E;Räuber, Mörder,&#x201C; die Offiziere mit &#x201E;Räuberhauptmann&#x201C; u. s. w. begleitet und angerufen. Hier und da kleine Handgemenge und Prügeleien, doch die grimmige Kälte der Januarnacht zerstreute allmählig das aufgebrachte Volk. Eine Sommernacht und es entstand eine furchtbare Metzelei! Der Magistrat hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen: 1) Sofortiger Antrag auf strengste Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen beim Oberpräsidenten. Einsetzung einer gemischten Kommission dafür. Bereits heute sind eine große Anzahl Zeugen vernommen und die Anzeichen, welche auf einen tief angelegten Plan, in welchen Leute von einer gewissen bürgerlichen und militärischen Stellung verwickelt scheinen, häufen sich. Darnach sollten sich die Mordscenen heute erneuern und eine ganze Liste volksthümlicher Männer treffen. 2) Verlegung der Garnison. Die hiesige Regierung und der General v. Stößer sind mit diesen Anträgen offiziell bekannt gemacht worden. Das Bürgerwehrkommando hat noch besondere Beschwerde eingelegt.</p>
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          <p>Der bekannte, jetzt sehr berühmt gewordene Exbürgermeister soll Regierungsrath in Bromberg werden. Möglich wäre es, denn der Herr Major v. Gersdorf, der das Niederschießen Schweidnitzer Bürgerwehr für Blitze eines Gewitters oder für einen Nordschein u. s. w. angesehen, ist zum Oberstlieutenant avancirt, und der Hauptmann v. Skribenski, der diejenige Kompagnie kommandirte, welche die Bürger erschoß, ist unter Versetzung in das Kriegsministerium zum Major befördert worden; ergo!</p>
          <bibl>(Freischütz.)</bibl>
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          <p>Die Blätter besprechen heute vorzugsweise das Ereigniß in Kremsier. Die &#x201E;Presse&#x201C; sagt unter andern: &#x201E;Das Kabinet ist sich selbst untreu geworden. Das jetzige Ministerium übernahm die Geschäfte zu einer Zeit, wo sie sehr zerrüttet waren, sie versprachen zu regieren und die Ordnung im höhern Sinne zu gründen. Es war unserer Meinung nach ihnen ganz Ernst damit. Aber der Eifer der Subalternen ging weiter. Man trieb das Ministerium in eine Theorie; sie war keine glückliche; ein einzigesmal verließen sie die praktische Ansicht und wurden Dogmatiker, aber sie verletzten dadurch die reizbarste Seite berathender Versammlungen; sie verletzten das Gefühl der Unabhängigkeit, das in ihnen wohnen muß.&#x201C; Der &#x201E;Lloyd&#x201C; aber bemerkt im Abendblatt: &#x201E;Wir müssen uns dahin aussprechen, daß der Vorwurf, der jetzt dem Ministerium gemacht worden, einer ist, welcher in den parlamentarischen Geschäften der Welt bisher unerhört gewesen. Das Benehmen der Majorität der Kammer hat nur ein Verdienst &#x2014; das Verdienst der Neuheit.&#x201C; Die Sprache beider Blätter heißt nicht viel, wenn man bedenkt, daß sie beide halboffiziell sind, und ein abgekartetes Duell halten, zwischen welchem das Ministerium <hi rendition="#g">agirt,</hi> während die Schafe stutzen und geschoren werden. &#x2014; Derselbe Lloyd lobt auch den Herrn Schuselka &#x201E;wegen seines würdigen Vortrags und seines edeln Anstandes, und weil er sich ausdrücklich gegen die Auslegung gewahrt, als ob der Antrag (Pinka's), wenn angenommen, als ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium angesehen werden könne.&#x201C; Viel standrechtliche Ehre für den Ministerkandidaten Schuselka, der zu jeder Erbärmlichkeit die Hand bietet. Die Minister blieben in einer Minorität von 97 Stimmen. Aber nicht das Ministerium, sondern der Reichstag wird weichen. Man versteht hier das konstitutionelle Leben, wenn überhaupt ernstliche Rede davon sein kann, umgekehrt. Daß der Reichstag aufgelöst worden, bestätigt sich den Zeitungen nach heute noch nicht, aber gestern war es hier ein allgemeines Gerücht. Bei der Hartnäckigkeit, Bosheit und Macht der Czechen über die andern Slaven könnte die Auflösung des Reichstages bedenkliche Folgen haben. Man wird daher zur List seine Zuflucht nehmen.</p>
          <p>Die Abendbeilage zur Wienerin enthält einen geharnischten Aufsatz wider das preußische Primat in Deutschland, worin unter andern vorkommt: &#x201E;Oesterreich bildet den Schlußstein zu Deutschland's Größe&#x201C; (d. h. unter standrechtlichen Bedingungen). Das Werben für Friedrich Wilhelm's Kaiserkrone &#x201E;der Deutschen&#x201C; (soll heißen: <hi rendition="#g">einiger</hi> Preußen) geht eigentlich zunächst nur von 3 Schleswiger Professoren aus&#x201C; u. s. w.</p>
          <p>Gestern sind wieder 89 Fremde mit dem Schub forttransportirt worden, bei einer Kälte von 18 Graden. Arme Leute ohne Kleider und Mittel. Mit welcher Bestialität die Subalternbeamten bei Ausweisungen verfahren, davon werde ich Ihnen nächstens ein Beispiel erzählen.</p>
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          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 9. Jan.</head>
          <p>Budapesth ohne Schwertstreich, der Reichstag in Kremsier aufgelöst, die Czechen mit der äußersten Linken (das Wort äußerste bedeutet hier nicht gar viel) verbrüdert, das sind seit gestern die Angelpunkte, um welche sich unser politisches Leben dreht. Außer diesen gibt's indessen noch einen andern Angelpunkt, den die politischen Rechner gerne übersehen möchten. Die Kälte wird immer intensiver, die Erwerbsquellen versiegen immer mehr, der Hunger steigt im Preise, das Proletariat an Zahl; der Zorn des Volkes beginnt zu donnern. Einstweilen erfriert dies Volk noch in den Straßen, wird wahnsinnig oder verhungert, während das Militär besoffen einhertölpelt; das sind aber nur die ersten Töne der Verzweiflung, denen die <hi rendition="#g">Thaten</hi> der Verzweiflung unvermeidlich folgen müssen.</p>
          <p>In Galizien ist eine neue Nation entdeckt worden: die Nation der <hi rendition="#g">Hukuler</hi>. Diese Nation wird gebildet von Banditen, wie die der Seresanen oder besser Sarazenen. Sie tragen rothe Mäntel, Pistolen, Dolche, ellenlange Messer u. s. w., wie diese. Der jugendliche Standrechtskaiser mit seinen unvermeidlichen Kalbsaugen hat ihnen einen Banditengeneral zugesandt, der sie nun gegen die Magyaren führt. Die sogenannten Ruthenen genügten nicht, denn diese sind in der Wirklichkeit lauter Juden und deutsche Beamte. Die Hukuler aber sind reine 1846ger. Die Lemberger Universität wird unterdessen mit ruthenischen Professoren versorgt; wer polnisch dozirt, ist ein Hochverräther. Ein gewisser Glowacki hält dort Vorlesungen über hukulische Literatur und Sprache. Während die hukulischen Banditen im Norden wider die Magyaren gehetzt werden, werden die Banditenschaaren des Südens, die Seresaner, Ottochaner, Likaner, Opuliner gegen Venedig und die Lombardei losgelassen, um von dort in Toskana und in die päbstlichen Staaten getrieben zu werden. Es lebe die Ehrlichkeit und Narrheit des Bourgeois-Frankreichs! Es sah zu, daß die Russen und Türken in Ungarn einmarschiren und bleibt natürlich, was es ist, ehrlos und verrückt. Kossuth wird sich den Winter über vielleicht dennoch halten können, er und die Magyaren hoffen auf ein gesegnetes Frühlingsdonnerwetter im Westen. Die Standrechtsblätter selbst geben heute zu, daß mit der Einnahme Pesth's die Sache in Ungarn noch lange nicht entschieden ist; sie verlangen die komplete Vernichtung der ungarischen Krone und die totale Einverschmelzung mit Oesterreich. Da sie sämmtlich die jüdische Bourgeoisie, d. h. die allerhöchste Schurkerei, vertreten, so heulen sie darüber, daß das ungarische Papiergeld noch nicht für nichtig erklärt worden ist. &#x2014; Die im 12ten Armeebülletin versprochenen Details über die Einnahme Budapesth's sind bis heute noch nicht bekannt geworden; man wird Gründe haben, sie zu verheimlichen, oder zu erlügen. Kossuth's beste Truppen befinden sich in Südungarn und behaupten dort das Feld trotz Serben, Bulgaren, Russen und Türken.</p>
          <p>Der Patriarch Razacsich hat vom Standrechtskaiser für seinen Banditeneifer den Orden der eisernen Krone erster Klasse mit Insignien erhalten, seine Serben sind aber dennoch auf's Haupt geschlagen worden. Pulszky's Güter, 700,000 Fl. C. M. an Werth, sind konfiszirt, <hi rendition="#g">Deak, Mailoth,</hi> die beiden <hi rendition="#g">Bathyany</hi> und andere <hi rendition="#g">hohe ungarische Adlige angeblich erschossen</hi> worden. Alle gefangenen Magyaren kommen unter's Militär, sie müssen nach Italien, und die Franzosen werden sie nun als Feinde bekommen, weil sie zu ehrlos gewesen sind, sie als Brudervolk zu unterstützen. &#x2014; Die Beamten in den der österr. Gränze zunächst gelegenen Komitaten sind bereits alle abgesetzt und ihre Stellen mit gutgesinnten Oesterreichern besetzt worden.</p>
          <p>Die Kremsier Reichsversammlung erklärte auf den Antrag des Czechen Pinkas: &#x201E;Sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. l. M. vor Beginn der Debate über den § 1 des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen Paragraph nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nunmehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, eine sowohl nach dem Inhalt, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung der Würde freier Volksvertreter unangemessene und mit der dem konstituirenden Reichstage durch die k. Manifeste vom 16. Mai und 6. Juni 1843 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungs-Aeußerung.&#x201C; Dies Ereigniß ist äußerst wichtig. Die Czechen beherrschen das ganze österreichische Slaventhum und werden es umstimmen; die von den Olmützer Bestien heraufbeschworenen Natiönchen werden umschlagen, um ihre eigenen Schöpfer zu vernichten.</p>
          <p>Oesterreich ist eine Schöpfung des Absolutismus, ein pures Dynastenreich, das die Freiheit der großen Nationen nicht ertragen kann. Die Slaven haben ausgerufen: &#x201E;Oesterreich besteht, so lange wir es wollen!&#x201C; Davor mag Olmütz nunmehr erzittern.</p>
          <p>Man erzählt sich, die Familie <hi rendition="#g">Zichy</hi> verfolge Kossuth mit einer Freischaar und habe 50,000 Fl. C. M. auf den Kopf gesetzt. (Natürlich bezahlt Frau Sophie.) Ferner, eine Freischaar von 30,000 (?) Walachen stehe in Siebenbürgen unter den Befehlen des ehemaligen Postpraktikanten Janko.</p>
          <p>Der jugendliche Standrechtskaiser fährt fort, sich aus allen Winkeln Huldigungsdeputationen zuschicken zu lassen, nebenbei will er den Oberbefehl über Deutschland durchaus nicht verlieren, und läßt seine Standrechtsblätter darüber reden, als ob Deutschland durch sein Verhalten gegen Oesterreich sich in der Rebellion gegen seinen angestammten Herrscher befinde. Auch lügen uns die Standrechtshyänen bereits von am Rhein ausgebrochenen konfessionellen Zwisten vor, die sie dann im österreichischen Sinne interpretiren. Keine List, keine Schurkerei, keine Höllenthat wird gescheut, um den altehrwürdigen österreichischen Absolutismus vor Europa zu behaupten. &#x2014; Aus Girardin's Presse werden täglich österr. Artikel übersetzt; in Sardinien arbeiten die österreichischen Agenten wie rasend an einer innern Entzweiung, ebenso in Rom und Toskana. Das Alles geht aus dem Korrespondenten von Olmütz hervor, der alle an Sophie geschickten Briefe der überall hockenden Agenten, insoweit sie hier nützen, abdruckt. Auch die ehemalige &#x201E;<hi rendition="#g">Bremer Zeitung</hi>&#x201C; die jetzt unter dem Titel: &#x201E;Zeitung für Norddeutschland&#x201C; in Hannover erscheint, ist gewonnen worden. Oesterreich läßt ihr die demokratische Richtung, insofern sie nur tüchtig über Preußen schimpft. Recht so!</p>
          <p>Der durch Windischgrätz der Stadt Wien verursachte Schaden ist vom Gemeinderath auf nur 4 Mill. Fl. C. M. taxirt worden, während er an 25 Millionen beträgt. Man unterdrückte die hohe Summe unter Einwirkung des Standrechts absichtlich, indem man den angerichteten Schaden nur nach Standesgebühr taxirte, und den der armen und nicht protegirten Leute ganz unberücksichtigt ließ.</p>
          <p>Das Militär hat neuerdings Befehl erhalten, um 10 Uhr in
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[1064/0002] zip der Gleichberechtigkeit aus, protestiren also gegen eine Bevorziehung der Meister vor den Gesellen und wählen deßhalb keinen Vertreter.“ Die Beamtenwelt wird mit jedem Tage unverschämter Der Landrath des Breslauer Kreises Graf Koenigsdorf redet Schulzen, die für die Linke Unterschriften sammelten, immer nur mit den Worten: Schweinhund, Schuft etc. an und begleitet gewöhnlich jedes dieser Worte mit einem Faustschlage in's Gesicht. Trotz der großen Kälte 14-17_ R. wird im hiesigen Armenhause nur zweimal eingeheizt. In Folge dessen sind sehr viele Cholerakrankheitsfälle vorgefallen. X Liegnitz, 11. Januar. Ganz erschöpft von den hiesigen Vorfällen schreibe ich Ihnen doch noch diese Nacht. Ich bemerke, daß mein Schreiben zwar dem Inhalte, aber nicht der Form nach Anspruch auf Geltung macht und hoffe, daß Sie die nöthigen Reflexionen dazu machen werden. Insbesondere mache ich Sie darauf aufmerksam, daß die Schlesier, wenn diese Mißhandlungen durch die Prätorianer des Preußenkönigs weiter fortdauern, wieder auf den Gedanken zurückkommen könnten, einst wieder unter östreichischen Schutz zurückzukehren. Wir werden jetzt in der That wie eine eroberte Provinz behandelt, aber viel schlimmer wie im Zahre 1742. Die reaktionäre Partei, nachdem sie bemerkt hat, daß trotz aller erdenklichen Anstrengungen (Plakate, [Harkort] Bestechungen, Lügen) die bevorstehenden Wahlen dennoch mit einer Niederlage für sie enden dürften, greift jetzt in Niederschlesien zur offenen Gewalt, um die Volkspartei wo möglich zu vernichten. Da aber das Volk, und insbesondere die Proletarier bei uns aufgeklärt genug sind, um nicht in ihre Fallen zu gehen, so bleiben ihnen von Proletariern nur die Soldaten übrig, um als blinde Werkzeuge ihrer abscheulichen Pläne gemißbraucht zu werden. Sprengung der Vereine, damit Vereitlung volksthümlicher Wahlen, Herbeiführung des offenen Belagerungszustandes (es liegen fast in jedem Städtchen und in vielen Dörfern Soldaten), Ermordung der demokratischen Führer, so lautet der Wahlspruch einer Partei, die kein Mittel mehr verschmäht, um zum Ziele zu gelangen. In Löwenberg, Bunzlau, Hirschberg, hat man bereits den Anfang gemacht, namentlich an ersterem Orte. Der gestrige Tag war dazu bestimmt, unsere Stadt zum Schauplatze von Scheußlichkeiten zu machen, die sich den bereits vorgefallenen würdig anreihen und deren Krone bilden. Bereits seit mehreren Tagen trug man sich mit Gerüchten von einem beabsichtigten Attentat auf die Person des Redakteurs der hiesigen Zeitschrift Silesia und derzeitigen Präsidenten des demokratischen Vereins, Otto Cunerth. Derselbe hatte selbst schon bemerkt, daß er im Vorbeigehen auf der Straße von einem Unteroffiziere mehreren seiner Soldaten unter Drohung bezeichnet worden war, ebenso waren mehrfache Warnungen an ihn ergangen, sich in Acht zu nehmen. Der Dienstag, als der Tag, an welchem der demokratische Verein gewöhnlich Sitzung hält, scheint endlich dazu gewählt worden zu sein, das beabsichtigte Attentat zur Ausführung zu bringen. Vielfache Aussagen beweisen bereits fast zur Evidenz, daß die Preußen von einer gewissen Partei dazu systematisch aufgereizt worden sind und daß selbst manche ihrer Vorgesetzten an diesen Hetzereien Antheil genommen haben. Schon gegen 6 Uhr dieses Tages versammelten sich deßhalb im Gasthofe „zum deutschen Kaiser“ dem Sitzungslokale dieses Vereins, eine ungeheure Menge von Preußen. Unteroffiziere sind unter ihnen und lassen den Gemeinen wacker einschenken. Das Vereinskomite hatte indessen schon mehrere Tage vorher wegen der beginnenden großen Wahlversammlungen beschlossen, die Sitzung ausfallen zu lassen. Als die Soldaten dies erfuhren, stießen sie so wüthende Drohungen gegen Cunerth aus, daß der Gastwirth sich bewogen fand, zum Major von Gansauge, dem Kommandanten der Stadt zu gehen und ihm mitzutheilen, daß die bei ihm befindlichen Soldaten die wildesten Mordanschläge gegen Cunerth besprächen. Der Major hört ihn zwar an, versichert aber unter Achselzucken: es sei schlimm, der Cunerth habe das Militär durch einen Artikel in der Silesia sehr gereizt, seine Ehre verletzt u. s. w. Als der Gastwirth ihm bemerklich macht, daß er auch Soldat gewesen, daß es aber zu seiner Zeit den Soldaten nicht erlaubt gewesen sei, denjenigen zu ermorden, der etwas geschrieben, was ihnen nicht gefallen habe, so entläßt er ihn mit dem Bemerken, er werde thun, was möglich sei; indeß geschieht nicht das Geringste zur Verhütung des beabsichtigten Mordversuches. Dies geschah um 6 Uhr. Der Gastwirth begibt sich noch hierauf mit mehreren Bekannten zu Cunerth und warnt denselben, aus den bezeichneten Gründen heute nicht auszugehen, was dieser auch zu thun verspricht. Nach 8 Uhr indessen dringt ein wüthender Haufen mit Seitengewehren circa 1-200 Mann Preußen v. 5. u. 20. Okt. seit hier garnisonirenden Regiment (ihre Thaten siehe im letzten Art. datirt Liegnitz) mit furchtbarem Gebrüll in die Buchdruckerei des Hrn. H. Dönch und verlangen Cunerth zu sprechen. Die Drucker verweigern die Anzeige seines Aufenthalts und flüchten, indessen erfüllen die Horden tobend und brüllend alle Räume des Hauses und dringen endlich in das Wohnzimmer Cunerths im 2. Stock. Hier ergreifen sie denselben nach kurzem Wortwechsel und schleppen ihn auf die Straße hinab, wo ihn zwei heldenmüthige Krieger an den Armen packen und fortschleifen, während die übrigen die Eskorte bilden und ihn fortwährend durch Stöße und Schläge auf alle erdenkliche Weise mißhandeln, über den Markt zum Schlosse. Bei der starken Kälte befanden sich nur wenige Leute auf den Strayen und diesen war es unmöglich, etwas zur Befreiung des Gefangenen gegen den rasenden Haufen zu versuchen. Einige wenige, die dies bereits in und vor dem Hause Dönchs versucht hatten, waren gemißhandelt oder verjagt worden. Mehrere von diesen haben die Bedienten und Kutscher einiger gnädigen hier wohnenden Herren dabei bemerkt, welche die Preußen durch lauten Zuruf zum Morde aufstachelten: Bravo, schlagt doch den Hund gleich todt! Mittlerweile eilt einer der Drucker, der sich über den Gartenzaun hinten aus der Werkstatt geflüchtet, auf die Hauptwache und verlangt eine Patrouille zur Rettung Cunerths. Als der dort befindliche Unteroffizier diesen Namen hört, sagt er, daß es diesem nichts schaden könne, gibt indeß schließlich eine Patrouille von 4 Mann mit. Dieselbe wird von der Horde mit dem Rufe: „Brüder, Kameraden, laßt uns, wir haben einen von den Bürgerhunden u. dgl. empfangen,“ macht Front vor dem Zuge, und versucht nicht das Geringste zur Befreiung. Unterdessen eilt der Bürgerwehroberst, kürzlich suspendirter (Steuerverw.), Regierungsrath v. Merckel, von dem Vorfalle benachrichtigt, auf die Straße und bei dem Haufen angelangt, hört er den Ruf Cunerths: Retten Sie mich, Hr. Merckel, man tödtet mich! Merckel fordert von den Soldaten die sofortige Freilassung ihres Opfers und auf die Weigerung, das Gebrüll und Hohngelächter der Rotte, macht er dieser bemerklich, daß er der Bürgerwehroberst sei, für die Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen habe und nöthigenfalls dem kommandirenden General v. Stößer Anzeige machen werde. Hierauf stürzen 10-15 Soldaten mit dem Gebrüll: das ist der Merckel, der Bürgerwehrhund, schlagt den Hund todt! auch auf diesen, einer spaltet ihm mit dem Säbel den Hut von oben bis unten und beschädigt ihn am Kopfe, während die andern ebenfalls auf ihn losschlagen, ihn zu Boden werfen und ihm seinen Stock entreißen. Indessen entringt er sich, obgleich schwer am Kopfe verletzt, der wüthenden Rotte und entkommt, von ihr verfolgt, ins Regierungsgebäude (Schloß) unter den Schutze der dortigen Wache. Die Soldaten fahren indessen fort, Cunerth zu mißhandeln und schleppen ihn bis zum glogauer Thor, wahrscheinlich, um ihn in den benachbarten Baumanlagen vollends zu ermorden. Auch empfängt er beim Thore eine tiefe Wunde in den Hinterkopf und sinkt endlich bewußtlos zusammen, worauf sich die Mörderbande in der Meinung, er sei todt, eiligst zerstreut. Unterdessen füllen sich bei dem Tumult allmälich die Straßen mit Menschen; einige heben den Bewußtlosen auf und tragen ihn auf die Schloßwache, von wo er von Bürgern auf einem Wagen, den sie selbst ziehen, in seine Wohnung zurückgebracht wird. Obgleich mit Contusionen und Wunden bedeckt und sehr krank, befindet er sich doch bereits ziemlich außer Gefahr, ebenso Hr. v. Merckel. Während diese Gräuelscene in der Stadt spielt, dringt eine andere Rotte Soldaten unter Leitung eines Unteroffiziers in den in der Vorstadt gelegenen Saal des Badehauses, wo eine Bürgerversammlung gemischter politischer Farbe über Reklamationen für die Wählerregister beräth. Die Preußen, ebenfalls zum Theil mit Seitengewehren bewaffnet, dringen damit und mit Knütteln, die sie sich durch Demolirung eines Geländers und Abhauen junger Bäume verschafften, auf die Bürger ein, die sich unbewaffnet unvorbereitet so gut als möglich zur Wehre setzen. Es fallen viele, jedoch nicht erhebliche Verletzungen vor; mehreren Soldaten werden die Achselklappen abgerissen, die Mützen genommen und die Kleider zerrissen. Einer wird gefangen und ihm der Säbel abgenommen. Auf die Hauptwache von den Bürgern gebracht, schillt ihn der dortige Unteroffizier, wie er so dumm habe sein können, sich fangen zu lassen, zumal er ein Seitengewehr habe, mit dem er doch um sich habe stechen können und läßt ihn laufen. Unterdessen hatte sich der Markt und die Hauptstraßen der Stadt theilweise mit Menschen gefüllt. Die Erbitterung war furchtbar. Die Soldaten der Hauptwache, die unterdeß verstärkt worden, so wie die der zahlreich ausgesandten Patrouillen und ausgestellten Trupps wurden mit den lautesten Vorwürfen und dem Geschrei: „Räuber, Mörder,“ die Offiziere mit „Räuberhauptmann“ u. s. w. begleitet und angerufen. Hier und da kleine Handgemenge und Prügeleien, doch die grimmige Kälte der Januarnacht zerstreute allmählig das aufgebrachte Volk. Eine Sommernacht und es entstand eine furchtbare Metzelei! Der Magistrat hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen: 1) Sofortiger Antrag auf strengste Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen beim Oberpräsidenten. Einsetzung einer gemischten Kommission dafür. Bereits heute sind eine große Anzahl Zeugen vernommen und die Anzeichen, welche auf einen tief angelegten Plan, in welchen Leute von einer gewissen bürgerlichen und militärischen Stellung verwickelt scheinen, häufen sich. Darnach sollten sich die Mordscenen heute erneuern und eine ganze Liste volksthümlicher Männer treffen. 2) Verlegung der Garnison. Die hiesige Regierung und der General v. Stößer sind mit diesen Anträgen offiziell bekannt gemacht worden. Das Bürgerwehrkommando hat noch besondere Beschwerde eingelegt. Mordanfälle in der eigenen Wohnung werden laut Landrecht mit 20 Jahren Zuchthaus bestraft. Schweidnitz, im Jan. Die Reaktion in und um Schweidnitz wühlt auf eine tolle Weise, um den Herrn Minister-Präsidenten Grafen Brandenburg als Deputirten für die erste Kammer bei den Wahlen durchzubringen. Sie legt durch dieses Treiben ihre ganze Bornirtheit auf ergötzliche Weise an den Tag, und fügt dabei zugleich eine solche Beleidigung den Urwählern und Wahlmännern zu, daß diese sich auf eine glänzende Art werden rächen müssen. Die Agitation geschieht durch den Gorkauer-, den hiesigen Veteranen- und den Denunzianten-Verein, alles Sippschaften, die von unserem gesunden Volk mit der höchsten Verachtung gestraft werden. Der bekannte, jetzt sehr berühmt gewordene Exbürgermeister soll Regierungsrath in Bromberg werden. Möglich wäre es, denn der Herr Major v. Gersdorf, der das Niederschießen Schweidnitzer Bürgerwehr für Blitze eines Gewitters oder für einen Nordschein u. s. w. angesehen, ist zum Oberstlieutenant avancirt, und der Hauptmann v. Skribenski, der diejenige Kompagnie kommandirte, welche die Bürger erschoß, ist unter Versetzung in das Kriegsministerium zum Major befördert worden; ergo! (Freischütz.) Posen, 4. Jan. In unserer, im Allgemeinen sehr konservativ gesinnten Stadt herrscht heute eine ungemeine Aufregung unter der deutschen Bevölkerung, über eine Rede, welche unser Deputirter bei der Nationalversammlung in Berlin, Landgerichtsrath Neumann, vorgestern Abend in der Versammlung des hiesigen demokratisch-konstitutionellen Vereins gehalten hat, und in welcher er die dem preußischen Staate von dem Könige verliehene Verfassung, nach einer heute bereits erfolgten Mittheilung, ein „perfides Machwerk“ genannt hat. (D. A. Z.) 121 Wien, 10. Januar. Die uns von Windischgrätz versprochenen Details über die Einnahme Budapesth's sind noch nicht eingetroffen, wenigstens habe ich weder etwas davon vernommen, noch gesehen. Statt ihrer haben wir gestern Abend ein 13. Armeebulletin erhalten, welches Sie in der heutigen Wiener Zeitung finden werden, und dessen radikale Bedeutungslosigkeit in die Augen springt. Sonderbares Schweigen! Auf der andern Seite versichern die Standrechtsblätter, obwohl sie über Ungarn heute gänzlich schweigen, die Postverbindung zwischen hier und Pesth sei wieder hergestellt. Dies ist insofern eine offenbare Lüge, als bisher nur Briefe aus dem Rücken der Armee, die freilich „Pesth“ datirt sind, hier anlangten. Im Dunkeln ist gut munkeln. Windischgrätz belügt Europa, indessen er mit Russen, Türken und einem halben hundert auffanatisirter Natiönchen Ungarn zu Boden schlägt. Die Blätter besprechen heute vorzugsweise das Ereigniß in Kremsier. Die „Presse“ sagt unter andern: „Das Kabinet ist sich selbst untreu geworden. Das jetzige Ministerium übernahm die Geschäfte zu einer Zeit, wo sie sehr zerrüttet waren, sie versprachen zu regieren und die Ordnung im höhern Sinne zu gründen. Es war unserer Meinung nach ihnen ganz Ernst damit. Aber der Eifer der Subalternen ging weiter. Man trieb das Ministerium in eine Theorie; sie war keine glückliche; ein einzigesmal verließen sie die praktische Ansicht und wurden Dogmatiker, aber sie verletzten dadurch die reizbarste Seite berathender Versammlungen; sie verletzten das Gefühl der Unabhängigkeit, das in ihnen wohnen muß.“ Der „Lloyd“ aber bemerkt im Abendblatt: „Wir müssen uns dahin aussprechen, daß der Vorwurf, der jetzt dem Ministerium gemacht worden, einer ist, welcher in den parlamentarischen Geschäften der Welt bisher unerhört gewesen. Das Benehmen der Majorität der Kammer hat nur ein Verdienst — das Verdienst der Neuheit.“ Die Sprache beider Blätter heißt nicht viel, wenn man bedenkt, daß sie beide halboffiziell sind, und ein abgekartetes Duell halten, zwischen welchem das Ministerium agirt, während die Schafe stutzen und geschoren werden. — Derselbe Lloyd lobt auch den Herrn Schuselka „wegen seines würdigen Vortrags und seines edeln Anstandes, und weil er sich ausdrücklich gegen die Auslegung gewahrt, als ob der Antrag (Pinka's), wenn angenommen, als ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium angesehen werden könne.“ Viel standrechtliche Ehre für den Ministerkandidaten Schuselka, der zu jeder Erbärmlichkeit die Hand bietet. Die Minister blieben in einer Minorität von 97 Stimmen. Aber nicht das Ministerium, sondern der Reichstag wird weichen. Man versteht hier das konstitutionelle Leben, wenn überhaupt ernstliche Rede davon sein kann, umgekehrt. Daß der Reichstag aufgelöst worden, bestätigt sich den Zeitungen nach heute noch nicht, aber gestern war es hier ein allgemeines Gerücht. Bei der Hartnäckigkeit, Bosheit und Macht der Czechen über die andern Slaven könnte die Auflösung des Reichstages bedenkliche Folgen haben. Man wird daher zur List seine Zuflucht nehmen. Die Abendbeilage zur Wienerin enthält einen geharnischten Aufsatz wider das preußische Primat in Deutschland, worin unter andern vorkommt: „Oesterreich bildet den Schlußstein zu Deutschland's Größe“ (d. h. unter standrechtlichen Bedingungen). Das Werben für Friedrich Wilhelm's Kaiserkrone „der Deutschen“ (soll heißen: einiger Preußen) geht eigentlich zunächst nur von 3 Schleswiger Professoren aus“ u. s. w. Gestern sind wieder 89 Fremde mit dem Schub forttransportirt worden, bei einer Kälte von 18 Graden. Arme Leute ohne Kleider und Mittel. Mit welcher Bestialität die Subalternbeamten bei Ausweisungen verfahren, davon werde ich Ihnen nächstens ein Beispiel erzählen. 121 Wien, 9. Jan. Budapesth ohne Schwertstreich, der Reichstag in Kremsier aufgelöst, die Czechen mit der äußersten Linken (das Wort äußerste bedeutet hier nicht gar viel) verbrüdert, das sind seit gestern die Angelpunkte, um welche sich unser politisches Leben dreht. Außer diesen gibt's indessen noch einen andern Angelpunkt, den die politischen Rechner gerne übersehen möchten. Die Kälte wird immer intensiver, die Erwerbsquellen versiegen immer mehr, der Hunger steigt im Preise, das Proletariat an Zahl; der Zorn des Volkes beginnt zu donnern. Einstweilen erfriert dies Volk noch in den Straßen, wird wahnsinnig oder verhungert, während das Militär besoffen einhertölpelt; das sind aber nur die ersten Töne der Verzweiflung, denen die Thaten der Verzweiflung unvermeidlich folgen müssen. In Galizien ist eine neue Nation entdeckt worden: die Nation der Hukuler. Diese Nation wird gebildet von Banditen, wie die der Seresanen oder besser Sarazenen. Sie tragen rothe Mäntel, Pistolen, Dolche, ellenlange Messer u. s. w., wie diese. Der jugendliche Standrechtskaiser mit seinen unvermeidlichen Kalbsaugen hat ihnen einen Banditengeneral zugesandt, der sie nun gegen die Magyaren führt. Die sogenannten Ruthenen genügten nicht, denn diese sind in der Wirklichkeit lauter Juden und deutsche Beamte. Die Hukuler aber sind reine 1846ger. Die Lemberger Universität wird unterdessen mit ruthenischen Professoren versorgt; wer polnisch dozirt, ist ein Hochverräther. Ein gewisser Glowacki hält dort Vorlesungen über hukulische Literatur und Sprache. Während die hukulischen Banditen im Norden wider die Magyaren gehetzt werden, werden die Banditenschaaren des Südens, die Seresaner, Ottochaner, Likaner, Opuliner gegen Venedig und die Lombardei losgelassen, um von dort in Toskana und in die päbstlichen Staaten getrieben zu werden. Es lebe die Ehrlichkeit und Narrheit des Bourgeois-Frankreichs! Es sah zu, daß die Russen und Türken in Ungarn einmarschiren und bleibt natürlich, was es ist, ehrlos und verrückt. Kossuth wird sich den Winter über vielleicht dennoch halten können, er und die Magyaren hoffen auf ein gesegnetes Frühlingsdonnerwetter im Westen. Die Standrechtsblätter selbst geben heute zu, daß mit der Einnahme Pesth's die Sache in Ungarn noch lange nicht entschieden ist; sie verlangen die komplete Vernichtung der ungarischen Krone und die totale Einverschmelzung mit Oesterreich. Da sie sämmtlich die jüdische Bourgeoisie, d. h. die allerhöchste Schurkerei, vertreten, so heulen sie darüber, daß das ungarische Papiergeld noch nicht für nichtig erklärt worden ist. — Die im 12ten Armeebülletin versprochenen Details über die Einnahme Budapesth's sind bis heute noch nicht bekannt geworden; man wird Gründe haben, sie zu verheimlichen, oder zu erlügen. Kossuth's beste Truppen befinden sich in Südungarn und behaupten dort das Feld trotz Serben, Bulgaren, Russen und Türken. Der Patriarch Razacsich hat vom Standrechtskaiser für seinen Banditeneifer den Orden der eisernen Krone erster Klasse mit Insignien erhalten, seine Serben sind aber dennoch auf's Haupt geschlagen worden. Pulszky's Güter, 700,000 Fl. C. M. an Werth, sind konfiszirt, Deak, Mailoth, die beiden Bathyany und andere hohe ungarische Adlige angeblich erschossen worden. Alle gefangenen Magyaren kommen unter's Militär, sie müssen nach Italien, und die Franzosen werden sie nun als Feinde bekommen, weil sie zu ehrlos gewesen sind, sie als Brudervolk zu unterstützen. — Die Beamten in den der österr. Gränze zunächst gelegenen Komitaten sind bereits alle abgesetzt und ihre Stellen mit gutgesinnten Oesterreichern besetzt worden. Die Kremsier Reichsversammlung erklärte auf den Antrag des Czechen Pinkas: „Sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4. l. M. vor Beginn der Debate über den § 1 des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der loyalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen Paragraph nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nunmehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, eine sowohl nach dem Inhalt, als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung der Würde freier Volksvertreter unangemessene und mit der dem konstituirenden Reichstage durch die k. Manifeste vom 16. Mai und 6. Juni 1843 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungs-Aeußerung.“ Dies Ereigniß ist äußerst wichtig. Die Czechen beherrschen das ganze österreichische Slaventhum und werden es umstimmen; die von den Olmützer Bestien heraufbeschworenen Natiönchen werden umschlagen, um ihre eigenen Schöpfer zu vernichten. Oesterreich ist eine Schöpfung des Absolutismus, ein pures Dynastenreich, das die Freiheit der großen Nationen nicht ertragen kann. Die Slaven haben ausgerufen: „Oesterreich besteht, so lange wir es wollen!“ Davor mag Olmütz nunmehr erzittern. Man erzählt sich, die Familie Zichy verfolge Kossuth mit einer Freischaar und habe 50,000 Fl. C. M. auf den Kopf gesetzt. (Natürlich bezahlt Frau Sophie.) Ferner, eine Freischaar von 30,000 (?) Walachen stehe in Siebenbürgen unter den Befehlen des ehemaligen Postpraktikanten Janko. Der jugendliche Standrechtskaiser fährt fort, sich aus allen Winkeln Huldigungsdeputationen zuschicken zu lassen, nebenbei will er den Oberbefehl über Deutschland durchaus nicht verlieren, und läßt seine Standrechtsblätter darüber reden, als ob Deutschland durch sein Verhalten gegen Oesterreich sich in der Rebellion gegen seinen angestammten Herrscher befinde. Auch lügen uns die Standrechtshyänen bereits von am Rhein ausgebrochenen konfessionellen Zwisten vor, die sie dann im österreichischen Sinne interpretiren. Keine List, keine Schurkerei, keine Höllenthat wird gescheut, um den altehrwürdigen österreichischen Absolutismus vor Europa zu behaupten. — Aus Girardin's Presse werden täglich österr. Artikel übersetzt; in Sardinien arbeiten die österreichischen Agenten wie rasend an einer innern Entzweiung, ebenso in Rom und Toskana. Das Alles geht aus dem Korrespondenten von Olmütz hervor, der alle an Sophie geschickten Briefe der überall hockenden Agenten, insoweit sie hier nützen, abdruckt. Auch die ehemalige „Bremer Zeitung“ die jetzt unter dem Titel: „Zeitung für Norddeutschland“ in Hannover erscheint, ist gewonnen worden. Oesterreich läßt ihr die demokratische Richtung, insofern sie nur tüchtig über Preußen schimpft. Recht so! Der durch Windischgrätz der Stadt Wien verursachte Schaden ist vom Gemeinderath auf nur 4 Mill. Fl. C. M. taxirt worden, während er an 25 Millionen beträgt. Man unterdrückte die hohe Summe unter Einwirkung des Standrechts absichtlich, indem man den angerichteten Schaden nur nach Standesgebühr taxirte, und den der armen und nicht protegirten Leute ganz unberücksichtigt ließ. Das Militär hat neuerdings Befehl erhalten, um 10 Uhr in

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 196. Köln, 16. Januar 1849, S. 1064. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz196_1849/2>, abgerufen am 29.04.2024.