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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 226. Köln, 19. Februar 1849.

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* Köln, 18. Febr.
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X Berlin, 16. Februar.

Es ist thatsächlich, daß die Partei Brandenburg- Ladenberg- Bülow- Rintelen die Vertagung der Kammern gewollt hat und noch heute will. Von ihr gingen die betreffenden Artikel in den Frankfurter Blättern, in der "Deutschen Reform" und Parlaments- Correspondenz und zuletzt auch der vorgestrige halboffizielle Artikel der "Spener'schen Ztg.' aus. Dagegen war die Partei Manteuffel- Kühne- v. d. Heydt- Strotha entschieden für die Einberufung. Da keine der beiden Parteien eine Majorität im Kabinet erlangen konnte, so ließ man es darauf inkommen, wie die öffentliche Meinung sich über dieses Projekt aussprechen werde. Nachdem nun hier, sowohl an der Börse als an anderen einflußreichen Kreisen der Vertagungsplan keinen Beifall gefunden, ist man in einem gestern gehaltenen Ministerrath von demselben abgekommen. Eine seit gestern Abend allen hiesigen Blättern zugesandte halboffizielle Note bringt diesen Beschluß zur öffentlichen Kunde und beruhigt zugleich das Publikum betreffs der früher nicht ohne guten Grund verbreitet gewesenen Nachricht von der Verlegung der Kammern nach Brandenburg. Es ist jedoch hierdurch die Eventualität einer Vertagung der Kammern sofort nach ihrem Zusammentritt noch nicht ausgeschlossen.

Bekanntlich hat der im Sommer und Herbst v. J. in Frankfurt abgehaltene Handels- Kongreß einen neuen Zolltarif für Deutschland entworfen und an das Frankfurter Parlament so wie an die einzelnen Regierungen übersandt. Derselbe geht von der Grundansicht aus, es solle kein höherer Zollsatz als 10 pCt. des Werthes angenommen werden, wie dies auch in dem preußischen Zollgesetze von 1818, das in seinen Hauptbestimmungen noch dem jetzigen Zollvereinstarif zu Grunde liegt, festgestellt war. Da aber jenes Gesetz nicht Werth- sondern Gewichtszölle angenommen habe, der Werth eines Centners der meisten Waaren aber seit 1818 bedeutend gefallen sei, so repräsentirten die jetzigen Zollsätze nicht mehr 10 pCt., sondern oft 50 bis 100 pCt. Daher sei eine durchgreifende Modifikation aller Zollsätze und eine feststehende Normirung derselben nach dem Werth durchaus nöthig. Diese Vorschläge des Frankfurter Kongresses waren vom hiesigen Ministerium an unsere Fabrikanten und Kaufleute zur Begutachtung überwiesen worden, und die einzelnen Fabrikationszweige halten nun Berathungen darüber. In einer solchen vorgestern Abend stattgehabten Berathung der Wollenwaarenfabrikanten wurde von den Meisten der Anwesenden erklärt, daß 25 bis 40 pCt. die Sätze wären, ohne deren Einführung sie nicht bestehen könnten.

Im dritten Wahlbezirk fand gestern eine Versammlung von Wahlmännern statt, in der die Abgeordneten der aufgelös'ten Nationalversammlung Schramm (Striegau) und Ziegler auftraten. Ersterer, der in der Nähe von Berlin lebt, war trotz seiner wiederholten Ausweisung zu Fuß hier eingetroffen, hat jedoch die Hauptstadt sofort nach dem Schluß der Versammlung wieder verlassen. Seine Kandidatur soll nicht ohne Aussichten sein, und findet namentlich von den Provinzen her Unterstützung. So ist namentlich aus Striegau und der Umgegend dem hiesigen Centralcomite ein Schreiben zugegangen, worin dasselbe dringend ersucht wird, Schramm's Kandidatur hier zu begünstigen, weil die Demokratie des Kreises Striegau und der Umgegend durch die dortigen reaktionär ausgefallenen Wahlen gar nicht vertreten sei, Schramm aber die meiste Befähigung zur Vertretung der dortigen Lokalinteressen besitze.

* Berlin, 16. Februar.

Schramm (Striegau) sagt in seiner eben erschienenen Broschüre: "der Standpunkt der Demokratie in und zur oktroyirten zweiten Kammer" u. A. Folgendes:

"Ich komme aus Schlesien zurück und kann über den Zustand der ländlichen Kreise dieser Provinz einige nützliche Auskunft ertheilen. Dort ist durch Preußen- und Veteranen- Vereine, durch die Vereine für Gesetz und Ordnung und andere von gleicher Tendenz, die Verleumdung, Einschüchterung, Verfolgung und Bestechung im ausgedehntesten Maßstabe organisirt. Die politischen Tendenzen dieser Vereine werden durch die höheren und niedern Verwaltungsbeamten, durch die Stadt- und Landgerichte, durch die katholische Geistlichkeit der Provinz auf jede gesetzlich zulässige und oft auch auf unzulässige Weise gefördert und unterstützt. - Das Landproletariat, die zahlreichen Tagelöhner auf den großen Gütern und Dominien stehen wegen der Noth ihres täglichen kümmerlichen Brodes unter der Botmäßigkeit der Gutsherren und die Gutsherren haben bei den diesjährigen Wahlen, wo nicht wie im vorigen Jahre die Furcht vor sofortiger Volksjustiz sie in Schranken hielt, von dieser Gewalt den schamlosesten Gebrauch gemacht, und werden ihn, sofern keine energischen Strafbestimmungen hiergegen erlassen werden, noch fernerhin machen."

"Auf den Gütern wohnt außer dem eigentlichen Gesinde eine sehr große Anzahl Tagelöhner, welche bei äußerst kärglichem, zum genügenden Lebensunterhalt in den meisten Fällen nicht zureichenden Lohn, von der Hand in den Mund leben, und namentlich in der Zeit der mangelnden Feldarbeit vom Gutsherrn leihweise Lebensmittel entnehmen müssen, um den Kaufwerth derselben im Frühjahr und Sommer durch Arbeit abzuverdienen. - Sie vermögen sich aus diesem Abhängigkeits- Verhältnisse ohne staatliche Hülfe nicht zu befreien, weil der ganze Landbesitz seit undenklichen Zeiten in festen Händen ist, und Niemand parzellenweise Aecker verkauft oder verpachtet. Auch von den weitläuftigen, zu ihrer Aushülfe bei parzellenweiser Verpachtung in sehr vielen Kreisen genügenden Staatsdomainen sind sie heute noch wie vor 50 Jahren ausgeschlossen. Man scheint ihren Abhängigkeitszustand, nachdem er rechtlich aufgehoben, faktisch erhalten zu wollen, damit das Ansehen der Gutsherren ungeschmälert bleibe und der Lohn der Feldarbeiten für sie nicht steige."

"Von diesen gedrückten, aber unter dem Drucke zum Staatsbürgerthum gereiften Leuten haben die Gutsherren fast ohne Ausnahme, wie auf Grund einer Verschwörung, durch öffentliche, sehr ernstlich gemeinte Drohungen mit sofortiger Verstoßung aus der Arbeit, mit sofortiger exekutivischer Eintreibung der Lebensmittelschulden die Stimmen zu den Wahlmänner- Wahlen erpreßt, und mancher wird als sanfter Menschenfreund in der Kammer sich erheben, der nur diesen Erpressungen seinen Sitz verdankt. Sie bilden für diejenigen, welche sie übten, eine böse und gefährliche Saat, welche vielleicht in späteren Zeiten böse Früchte tragen kann und tragen wird; aber einstweilen wuchert sie fort. Einstweilen kann, bis der Krug bricht, derselbe Gewissenszwang bei jeder neuen Wahl, sowohl für den Staat als die Gemeinde, bei jeder durch die Zahl der Unterschriften zu unterstützenden Adresse oder Bittschrift wiederholt werden, und er wird wiederholt werden."

Berlin, 16. Februar.

Zur Krautjunker- und Geldsack- Kammer wurden ferner gewählt:

Provinz Preußen.

Ober- Landesgerichts- Präsident v. Kirchmann; Kommerzienrath Lutterkorth;Gutsbesitzer Baron von Paleske; Deichgräf Friese.

12 Magdeburg, 16. Febr.

Aus unsrer Stadt ergeht folgender Aufruf an alle Arbeiter Deutschlands:

Aufruf

an alle Fabrikarbeiter, Handwerkergehülfen, Tagelöhner und Dienstboten.

Der Gesetzentwurf über die Wahlen zur deutschen Volkskammer ist veröffentlicht und wird in den nächsten Tagen in der Frankfurter Nationalversammlung berathen werden.

Dieser Entwurf erklärt jeden fünf und zwanzigjährigen, selbstständigen, unbescholtenen Deutschen für berechtigt, zu wählen und gewählt zu werden.

Nur der eigentliche Lebensnerv des deutschen Volks, die große Klasse der Arbeiter, ob sie ihre Arbeitskraft in den Fabriken eines Industriellen, in den Werkstätten eines Gewerbmeisters, auf dem Hofe oder den Feldern eines Grundbesitzers oder in einer einzelnen Haushaltung zum Nutzen der Genannten verwenden - sie alle sind unmündig, sind politisch rechtlos, gleich den Bankerotteurs, den Blödsinnigen und Verbrechern.

Ein solches Machwerk wagt man einer deutschen Nationalversammlung vorzulegen, einer Versammlung, die wir berufen glaubten, die Rechte des deutschen Volks, also auch die unsrigen festzustellen; die wir gewählt haben, um für die Verbesserung unserer schwer gedrückten Lage etwas Bedeutendes zu leisten - einer Versammlung, die in ihren Grundrechten erklärt hat:

Alle Standesvorrechte sind aufgehoben!!

Ihr seid Alle mit uns auf's Tiefste entrüstet über diese dem ganzen Arbeiterstande angethane Schmach, uns zugefügt von einer Versammlung, die der Revolution ihre Existenz verdankt; um so tiefer entrüstet; da selbst das contrerevolutionäre Ministerium Brandenburg- Manteuffel den Märzverheißungen nicht so schnöde in's Gesicht zu schlagen wagte und doch wenigstens an dem allgemeinen Wahlrechte nicht rüttelte.

Die deutsche Nationalversammlung hat uns zwar schon in vielen unsrer gerechten Erwartungen bitter getäuscht, doch hoffen wir zuversichtlich, daß sie einen so schmachvollen Gesetzentwurf, wie er aus der Kommission hervorgegangen ist, nicht zum Gesetz erheben wird, wenn wir, die ungeheure Mehrzahl der deutschen Nation, durch unzählige Proteste aus allen Theilen Deutschlands ihr zeigen, wie tief uns die bloße Vorlegung eines solchen Gesetzes empört hat.

Auf, deutsche Arbeiter, sendet Adressen über Adressen an diejenigen Vertreter, von denen ihr wißt, daß sie stets die Rechte des deutschen Volks geschützt haben, um gegen dies schmachvolle Gesetz mit allen Kräften zu protestiren!

Der deutsche Arbeiter kann und will die Hoffnung nicht aufgeben, auf dem Wege der Reform seine Forderungen durchgesetzt zu sehen; er ist sich bewußt, fähig zu sein, an den Arbeiten für die Wohlfahrt aller Klassen des Volkes mitzuwirken. Nie und Nimmer läßt er sich die theuerste Errungenschaft der Märzrevolution, das allgemeine Wahlrecht, rauben. Will die Gesellschaft ihm das wichtigste aller staatsbürgerlichen Rechte entziehen, will sie ihn zur politischen Willenlosigkeit verdammen, so macht sie ihn aus ihrem wärmsten Freunde zu ihrem ergrimmtesten Feinde.

Im Namen des Cigarrenmachergewerks.

Der Vorstand der Cigarrenmacher:

Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche.

Aufforderung

an alle Fabrikarbeiter, Handwerksgehülfen, Dienstboten und Tagelöhner der Stadt und Umgegend!

Im Reichswahlgesetz- Entwurf wird den genannten Ständen das Recht entzogen, zur Volkskammer zu wählen und gewählt zu werden und sie dadurch für politisch rechtlos erklärt. Dagegen soll ein Protest zur Wahrung dieser Rechte an die Nationalversammlung gerichtet werden. Die Versammlung zur Berathung und Abfassung dieses Protestes findet am Sonntag, 18. Februar, Morgens 10 Uhr, im Friedrichsstädter Elbpavillon statt, und werden die Betreffenden dazu hiermit eingeladen.

Im Namen des Cigarrenmachergewerks.

Der Vorstand der Cigarrenmacher.

Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche.

Zu gleicher Zeit hat der Lehrer Banse, einer unsrer wackersten Männer und eifrigsten Demokraten zum Sonntag eine Volksversammlung für Magdeburg und die umliegende Gegend ausgeschrieben. In ihr soll ebenfalls die berüchtigte Vorlage vom Wahlgesetz der Frankfurter Paulsbrüderschaft den Gegenstand der Besprechung und eines Protestes bilden. Wenn es nur etwas hülfe! Man setzt damit im besten Falle doch nur einen neuen Flicken auf ein altes Kleid, und die Herren am Main werden nicht aufhören, Schwabenstreiche zu machen bis an ihr seliges Ende. Freilich jagt es 'mal wieder, wie jede Lebensregung, unseren Philistern ein wenig Schreck ein. - Es war gar zu fatal mit den "gemeinen Kerls," den Arbeitern und Hausknechten nun schon zweimal wählen zu müssen. Dabei waren meist die "Kerls" so unverschämt, trotz der Drohung, aus dem Hause gejagt zu werden, doch einen andern Namen, als dem Herrn beliebte, aufzuschreiben. Drum horchte man mit gespannter Erwartung, die Hand am schweren Berlok und den Goldknopf des spanischen Rohrs unter die Nase gequetscht, nach Frankfurt. - Und nun - es ist wahrhaftig zum Verrücktwerden - nun beginnen die Cigarrenmacher da ein Geschrei, als ob ihnen Wunder was gethan würde. Sehen denn die Leute gar nicht ein, daß der Fabrikant für sie sorgen wird; er hat ja schon so Manchem etwas geschenkt, namentlich den armen Mädchen.

Neulich wackelten sämmtlichen Börsenherrn die Manschetten. Es war auch ein gräuliches Ding! Unser früherer Kommandant nämlich, Christ. von Fischer, hatte, wahrscheinlich durch Drigalsky und seine Hämorrhoiden angeregt, soziale Gedanken. Natürlich war er weit entfernt von dem Frevel jenes Düsseldorfers, sich einen Kommunisten zu nennen, aber er fühlte sich doch getrieben, seine zeitgemäßen Ideen zu veröffentlichen. In beinahe lyrischem Schwunge pries er in den geduldigen Spalten der Magdeburgerin das selige Loos der Arbeiter. Diese aber gut kommunistisch - "gefährlich ist's den Leu zu wecken! " - boten ihm Hacke und Spaten, damit auch er die Seligkeit genieße. In hübschem Humor that dies der Arbeiter Morth. Da kommt grimmig in einem folgenden Blatte sein Brodherr angeritten und gibt ihm die "wohlmeinende aber ernste Weisung, sich künftig der Zeitungspolemik zu enthalten." - Solche Hanswurstiaden zeigen besser als die gründlichste Abhandlung, wie weit die politische Freiheit Wurzel gefaßt hat. So ist's hier, wie aller Orten. Da thut sich der Dickbauch etwas drauf zu gut, wenn er einmal einen Pfennig in die Armenbüchse geworfen hat und meint, dafür vom Herrgott die ganze Welt in Erbpacht bekommen zu haben.

Der Philister wird nicht eher gescheut, bis ihm, wie dem Fuchse, das Fell über die Ohren gezogen ist.

24 Wien, 14. Februar.

Die standrechtliche Polizei versteht ihr Handwerk so gut wie die Louis- Philippistische. Für die enormen Summen, die sie verschlingt, muß sie doch auch irgend etwas leisten. Und sie leistet sogar Vorzügliches. Längere Zeit hat sie sich hie und da mit Schüssen auf's Militär versucht, um Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes herbeizuschaffen, und jetzt, da der Kniff schon sehr, sehr abgenutzt ist, wirft sie sich auf ein anderes Genre. Man kann das am besten aus einer Verordnung des k. k. Scharfrichterknechts Welden ersehen, die er heut' in der "Wiener Ztg." hat abdrucken lassen. Diese Kundmachung besagt:

Am 12. d. 6 1/2 Uhr früh wurde am Glacis eine Rakete abgebrannt, welche bei 2 Klaftern hoch aufstieg und nach der Explosior herabfiel. An derselben Stelle und in einem weiten Umkreise fanden sich eine größere Anzahl Musketenkugeln vor. Am selben Tage Nachmittags 3 Uhr wurde am Schanzel nächst der Stadtmauen eine gefüllte Granate zur Hälfte eingegraben entdeckt, welche zum Abbrennen mittelst eines hervorragenden Zunders vorbereitet war. - Indem das Gouvernement diese wiederholten schändlichen Attentate gegen die öffentliche Sicherheit zur allgemeinen Kenntniß bringt, wendet es sich zugleich an alle Gutgesinnten um ihre Mitwirkung zur Zustandebringung (!) solcher Thäter und sichert insbesondere Jenem, der einen solchen Thäter auf frischer That ergreift, zur Haft und Strafe bringt, eine Belohnung von Hundert Dukaten zu.

Wer die östreichischen Standrechtsbestien kennt, braucht keinen Fingerzeig, um zu wissen, von wem die "abgebrannten Raketen",die "gefüllten Granaten", die "größere Anzahl Musketenkugeln", der "hervorragende Zunder" etc. herrühren. Blos ein deutsches und christlich- germanisches Schafsgemüth kann darüber im Zweifel sein. Nun wohl, raketet, granatet und brandzundert immerhin noch einige Zeit, aber wißt auch, daß der Augenblick auf Sturmesflügeln herannaht, wo man euch und das ganze gottbegnadete, gesalbte und bestialische Geschmeiß dergestalt raketen, granaten und brandzundern wird, daß das Volk dieser Höllenbrut von gekrönten, besternten und geldsäckigen Banditen, Nothzüchtern und Raubmördern auf ewig entledigt ist.

* Wien, 13. Febr.

Sehr bezeichnend für den politischen Bildungsstand nach Sprachvarietäten ist die Uebersicht der österreichischen Journalistik laut dem eben erschienenen Posttarifausweise. Ungeachtet des so sehr hervorgehobenen Uebergewichts der Slaven gegen die Deutschen (15 1/2 gegen 7 Mill.) erscheinen im gesammten Kaiserstaate nur 72 in den verschiedenen slavischen Idiomen (31 czechische, 20 polnische, 6 kroatische, 8 slovenische und krainerische, 2 slovakische, 2 ruthenische, 2 serbische und 1 illyrische) gegen 224 deutsche Journale.

61 Wien, 14. Feb.

Der Riesensturm über den östreichischen Völkerocean rückt mit immer größerer Furchtbarkeit heran, und wird zum kolossalsten Ausbruch kommen, noch bevor die große pariser Hochzeit gefeiert wird. Ich habe mich nicht getäuscht, als ich Ihnen den Oktobersturm prophezeite; ich täusche mich jetzt noch weniger. Alle unheilvollen Vögel flattern schon wieder über den Wogen des östreich. Völkerknäuels. Die Stadt ist seit einigen Tagen voll Aufregung und selbst das Standrecht ist nicht länger im Stande, sie zu beschwichtigen. Cholera, Gerüchte über ganz bedeutende Niederlagen der Armee in Ungarn, die Erhebung Italiens, der Einmarsch der Russen, der in Aussicht gestellte Zwangskurs von 25 Mill. Kassenanweisungen, der bestimmteste Bankerott vor der Thüre, die Unzufriedenheit in Kroatien, Böhmen, Oberöstreich, im ganzen Lande, die Geldverlegenheit überall, die fortwährenden standrechtlichen Hinrichtungen, die Stellung Deutschland gegenüber, das sind die Sturmvögel, die uns täglich entgegenkrächzen: Oestreich, deine letzte Stunde hat geschlagen, der Tag der Rache naht, deine Völker kennen jetzt ihre Feinde! Halten wir uns zuerst bei Ungarn. Ein Hauptmann der Armee schreibt mir aus Neuhäusel an der Waag vom 8., daß sie gegen eine Abtheilung Görgey's dort ein blutiges Gefecht bestanden, ohne etwas auszurichten, und jetzt Befehl erhalten hätten, nach Italien zu marschiren. Ein geheimer Vertrag, schreibt er, ist zwischen Rußland und den beiden deutschen Großmächten abgeschlossen worden, demzufolge diese sich mit allen ihren Mitteln auf Italien und gegen den Westen werfen, während Rußland Ungarn und ganz Ostdeutschland besetzt und standrechtlich behandelt. Dagegen entwickeln die Magyaren einen immer trotzigern Widerstand aus Völkerschaften, die früher ihre Feinde gewesen, verbrüdern sich mit ihnen. Daß die Russen in Siebenbürgen eingerückt, ist Thatsache; als Freiwillige befinden sie sich aber schon seit Oktober in der östreichischen Armee. Die deutsche Bourgeoisie von Hermannstadt und General Puchner haben sie gerufen.

Die ganze längs der galizisch- ungarischen Grenze stationirte russische Armee hat überhaupt den Befehl, auf den ersten Wink Oestreichs von allen Seiten hereinzustürzen. Nikolaus zittert vor den Polen und Franzosen, die in Ungarn das Kommando führen, Oestreichs olmützer Bestien aber zittern nicht nur davor, sondern noch mehr vor der täglich stärker hervortretenden Gesinnungs- Umwälzung unter den ungarischen Slaven. - Die Unterwerfung der Szekler Siebenbürgens war nur eine List; sie stürzen sich jetzt wüthender und mächtiger auf die deutschen Bourgeois im dortigen Sachsenlande als früher; sie werden diese Schläuche diesmal nicht verschonen. Diese Szekler sind keine ausgehungerten Proletarier, es sind die kühnen Kaukasier Ungarns, seine Tscherkessen.

Genug, die Sache sieht in Ungarn schlimm aus, denn man ist genöthigt gewesen, die hiesige Garnison abermals zu vermindern und einen Theil davon nach Ungarn zu entsenden. Wien wird dadurch immer mehr einer dem Platzen nahen Bombe gleich; die Erhebung kann jeden Augenblick um so mehr erfolgen, als die Bourgeoisie sie gerne sehen würde. Sie sehen, wie weit es gekommen ist, wenn eine wiener Bourgeoisie so gesinnt wird. Nun vergleichen Sie hiemit das 22. Armeebülletin. Wie nichtssagend ist es, wo es nicht offenbar lügen kann? Danach soll Bem von Puchner vor Hermannstadt zurückgeworfen worden sein. Wozu dann die Russen? Auch hat das Armeebülletin Komorn fast schon eingenommen, Windischgrätz aber will sich angeblich in Szolnok befinden. Statt zu sagen: "Wir sind bei Neuhäusel von Görgeys Soldaten geprügelt worden," sagt man nur: "Wir haben tapfer angegriffen." Was enthält dies Bülletin, mit welchem hier so viel Effekt gemacht werden sollte, weil wir solange darauf gewartet haben, am Ende anders, als pia desideria, den unangenehmen Görgey, welcher sich nach der Slowakei hinzieht und immerfort Pesth bedroht, zu schlagen?

Auf der andern Seite wird die Stimmung der Slaven immer bedenklicher. Jellachich soll sich darüber beschwert haben, daß er, statt Kroaten, andere Truppen kommandire, und jetzt sieht man ein, was das Ministerium unter Gleichberechtigung aller Nationalitäten verstanden hat. Ich habe es Ihnen schon früher auseinandergesetzt, das Const. Blatt aus Böhmen begreift jetzt endlich auch diese Gleichberechtigung zum Belagerungszustande. Man glaubt, Jellachich werde wegen Karlowitz ernstliche Vorstellungen machen; er soll mit Stratimirowich unter einer Decke und im Einverständnisse sein. Wer weiß! Im Allgemeinen beschweren die Slaven sich über das Uebergewicht, welches die von ihnen besiegten Deutschen und Magyaren wieder am Olmützer Hofe erhalten. Sie sind namentlich darüber unzufrieden, daß magyarische Kommissarien sowohl nach Kroatien, als nach der Slovakei geschickt worden. Olmütz riecht die Gefahr von allen Seiten, es möchte sich daher versöhnen, aber trop tard.

Die Slavanska lipa von Agram hat beschlossen, zu bewirken, daß der kroatische Landtag berufen werde; an ihn wollen sich die Südslaven anschließen. In Oberöstreich werden die Rekruten nur mit der äußersten Gewalt zusammengebracht. Stadion hat befohlen, daß die Studenten von der Rekrutirung, welcher sie durch Gesetz vom 5. Dez. 1848 enthoben waren, nicht mehr ausgeschlossen sein sollen. - Die Emission der 25 Millionen Kassenanweisungen bezeigt hinlänglich unsere ganze Finanzohnmacht, die Nähe des Staatsuntergangs. Die 80 Mill. waren trotz aller Anstrengungen nirgend zu bekommen, der Kredit bei der Bank ist übermäßig erschöpft, Steuern gehen schlecht, in Ungarn und Italien aber fast gar nicht ein, die Armee verschlingt alles, ebenso die Spionage und erkaufte Lobhudelei. Die Kassenanweisungen werden den Papierkredit vollends annulliren. Dennoch sagt das Abendblatt der Wiener Zeitung: "Es ist dies der erste Gebrauch, den der Finanzminister von dem mit allerh. Entschließung vom 8. d. Mts. genehmigten Reichstagsbeschlusse vom 3. desselben Mts. gemacht hat." - Was war denn das Anlehen bei der Bank? Sodann spricht sie mehr als bestialisch- naiv vom "unerschütterten Ver-

* Köln, 18. Febr.
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X Berlin, 16. Februar.

Es ist thatsächlich, daß die Partei Brandenburg- Ladenberg- Bülow- Rintelen die Vertagung der Kammern gewollt hat und noch heute will. Von ihr gingen die betreffenden Artikel in den Frankfurter Blättern, in der „Deutschen Reform“ und Parlaments- Correspondenz und zuletzt auch der vorgestrige halboffizielle Artikel der „Spener'schen Ztg.' aus. Dagegen war die Partei Manteuffel- Kühne- v. d. Heydt- Strotha entschieden für die Einberufung. Da keine der beiden Parteien eine Majorität im Kabinet erlangen konnte, so ließ man es darauf inkommen, wie die öffentliche Meinung sich über dieses Projekt aussprechen werde. Nachdem nun hier, sowohl an der Börse als an anderen einflußreichen Kreisen der Vertagungsplan keinen Beifall gefunden, ist man in einem gestern gehaltenen Ministerrath von demselben abgekommen. Eine seit gestern Abend allen hiesigen Blättern zugesandte halboffizielle Note bringt diesen Beschluß zur öffentlichen Kunde und beruhigt zugleich das Publikum betreffs der früher nicht ohne guten Grund verbreitet gewesenen Nachricht von der Verlegung der Kammern nach Brandenburg. Es ist jedoch hierdurch die Eventualität einer Vertagung der Kammern sofort nach ihrem Zusammentritt noch nicht ausgeschlossen.

Bekanntlich hat der im Sommer und Herbst v. J. in Frankfurt abgehaltene Handels- Kongreß einen neuen Zolltarif für Deutschland entworfen und an das Frankfurter Parlament so wie an die einzelnen Regierungen übersandt. Derselbe geht von der Grundansicht aus, es solle kein höherer Zollsatz als 10 pCt. des Werthes angenommen werden, wie dies auch in dem preußischen Zollgesetze von 1818, das in seinen Hauptbestimmungen noch dem jetzigen Zollvereinstarif zu Grunde liegt, festgestellt war. Da aber jenes Gesetz nicht Werth- sondern Gewichtszölle angenommen habe, der Werth eines Centners der meisten Waaren aber seit 1818 bedeutend gefallen sei, so repräsentirten die jetzigen Zollsätze nicht mehr 10 pCt., sondern oft 50 bis 100 pCt. Daher sei eine durchgreifende Modifikation aller Zollsätze und eine feststehende Normirung derselben nach dem Werth durchaus nöthig. Diese Vorschläge des Frankfurter Kongresses waren vom hiesigen Ministerium an unsere Fabrikanten und Kaufleute zur Begutachtung überwiesen worden, und die einzelnen Fabrikationszweige halten nun Berathungen darüber. In einer solchen vorgestern Abend stattgehabten Berathung der Wollenwaarenfabrikanten wurde von den Meisten der Anwesenden erklärt, daß 25 bis 40 pCt. die Sätze wären, ohne deren Einführung sie nicht bestehen könnten.

Im dritten Wahlbezirk fand gestern eine Versammlung von Wahlmännern statt, in der die Abgeordneten der aufgelös'ten Nationalversammlung Schramm (Striegau) und Ziegler auftraten. Ersterer, der in der Nähe von Berlin lebt, war trotz seiner wiederholten Ausweisung zu Fuß hier eingetroffen, hat jedoch die Hauptstadt sofort nach dem Schluß der Versammlung wieder verlassen. Seine Kandidatur soll nicht ohne Aussichten sein, und findet namentlich von den Provinzen her Unterstützung. So ist namentlich aus Striegau und der Umgegend dem hiesigen Centralcomité ein Schreiben zugegangen, worin dasselbe dringend ersucht wird, Schramm's Kandidatur hier zu begünstigen, weil die Demokratie des Kreises Striegau und der Umgegend durch die dortigen reaktionär ausgefallenen Wahlen gar nicht vertreten sei, Schramm aber die meiste Befähigung zur Vertretung der dortigen Lokalinteressen besitze.

* Berlin, 16. Februar.

Schramm (Striegau) sagt in seiner eben erschienenen Broschüre: „der Standpunkt der Demokratie in und zur oktroyirten zweiten Kammer“ u. A. Folgendes:

„Ich komme aus Schlesien zurück und kann über den Zustand der ländlichen Kreise dieser Provinz einige nützliche Auskunft ertheilen. Dort ist durch Preußen- und Veteranen- Vereine, durch die Vereine für Gesetz und Ordnung und andere von gleicher Tendenz, die Verleumdung, Einschüchterung, Verfolgung und Bestechung im ausgedehntesten Maßstabe organisirt. Die politischen Tendenzen dieser Vereine werden durch die höheren und niedern Verwaltungsbeamten, durch die Stadt- und Landgerichte, durch die katholische Geistlichkeit der Provinz auf jede gesetzlich zulässige und oft auch auf unzulässige Weise gefördert und unterstützt. ‒ Das Landproletariat, die zahlreichen Tagelöhner auf den großen Gütern und Dominien stehen wegen der Noth ihres täglichen kümmerlichen Brodes unter der Botmäßigkeit der Gutsherren und die Gutsherren haben bei den diesjährigen Wahlen, wo nicht wie im vorigen Jahre die Furcht vor sofortiger Volksjustiz sie in Schranken hielt, von dieser Gewalt den schamlosesten Gebrauch gemacht, und werden ihn, sofern keine energischen Strafbestimmungen hiergegen erlassen werden, noch fernerhin machen.“

„Auf den Gütern wohnt außer dem eigentlichen Gesinde eine sehr große Anzahl Tagelöhner, welche bei äußerst kärglichem, zum genügenden Lebensunterhalt in den meisten Fällen nicht zureichenden Lohn, von der Hand in den Mund leben, und namentlich in der Zeit der mangelnden Feldarbeit vom Gutsherrn leihweise Lebensmittel entnehmen müssen, um den Kaufwerth derselben im Frühjahr und Sommer durch Arbeit abzuverdienen. ‒ Sie vermögen sich aus diesem Abhängigkeits- Verhältnisse ohne staatliche Hülfe nicht zu befreien, weil der ganze Landbesitz seit undenklichen Zeiten in festen Händen ist, und Niemand parzellenweise Aecker verkauft oder verpachtet. Auch von den weitläuftigen, zu ihrer Aushülfe bei parzellenweiser Verpachtung in sehr vielen Kreisen genügenden Staatsdomainen sind sie heute noch wie vor 50 Jahren ausgeschlossen. Man scheint ihren Abhängigkeitszustand, nachdem er rechtlich aufgehoben, faktisch erhalten zu wollen, damit das Ansehen der Gutsherren ungeschmälert bleibe und der Lohn der Feldarbeiten für sie nicht steige.“

„Von diesen gedrückten, aber unter dem Drucke zum Staatsbürgerthum gereiften Leuten haben die Gutsherren fast ohne Ausnahme, wie auf Grund einer Verschwörung, durch öffentliche, sehr ernstlich gemeinte Drohungen mit sofortiger Verstoßung aus der Arbeit, mit sofortiger exekutivischer Eintreibung der Lebensmittelschulden die Stimmen zu den Wahlmänner- Wahlen erpreßt, und mancher wird als sanfter Menschenfreund in der Kammer sich erheben, der nur diesen Erpressungen seinen Sitz verdankt. Sie bilden für diejenigen, welche sie übten, eine böse und gefährliche Saat, welche vielleicht in späteren Zeiten böse Früchte tragen kann und tragen wird; aber einstweilen wuchert sie fort. Einstweilen kann, bis der Krug bricht, derselbe Gewissenszwang bei jeder neuen Wahl, sowohl für den Staat als die Gemeinde, bei jeder durch die Zahl der Unterschriften zu unterstützenden Adresse oder Bittschrift wiederholt werden, und er wird wiederholt werden.“

Berlin, 16. Februar.

Zur Krautjunker- und Geldsack- Kammer wurden ferner gewählt:

Provinz Preußen.

Ober- Landesgerichts- Präsident v. Kirchmann; Kommerzienrath Lutterkorth;Gutsbesitzer Baron von Paleske; Deichgräf Friese.

12 Magdeburg, 16. Febr.

Aus unsrer Stadt ergeht folgender Aufruf an alle Arbeiter Deutschlands:

Aufruf

an alle Fabrikarbeiter, Handwerkergehülfen, Tagelöhner und Dienstboten.

Der Gesetzentwurf über die Wahlen zur deutschen Volkskammer ist veröffentlicht und wird in den nächsten Tagen in der Frankfurter Nationalversammlung berathen werden.

Dieser Entwurf erklärt jeden fünf und zwanzigjährigen, selbstständigen, unbescholtenen Deutschen für berechtigt, zu wählen und gewählt zu werden.

Nur der eigentliche Lebensnerv des deutschen Volks, die große Klasse der Arbeiter, ob sie ihre Arbeitskraft in den Fabriken eines Industriellen, in den Werkstätten eines Gewerbmeisters, auf dem Hofe oder den Feldern eines Grundbesitzers oder in einer einzelnen Haushaltung zum Nutzen der Genannten verwenden ‒ sie alle sind unmündig, sind politisch rechtlos, gleich den Bankerotteurs, den Blödsinnigen und Verbrechern.

Ein solches Machwerk wagt man einer deutschen Nationalversammlung vorzulegen, einer Versammlung, die wir berufen glaubten, die Rechte des deutschen Volks, also auch die unsrigen festzustellen; die wir gewählt haben, um für die Verbesserung unserer schwer gedrückten Lage etwas Bedeutendes zu leisten ‒ einer Versammlung, die in ihren Grundrechten erklärt hat:

Alle Standesvorrechte sind aufgehoben!!

Ihr seid Alle mit uns auf's Tiefste entrüstet über diese dem ganzen Arbeiterstande angethane Schmach, uns zugefügt von einer Versammlung, die der Revolution ihre Existenz verdankt; um so tiefer entrüstet; da selbst das contrerevolutionäre Ministerium Brandenburg- Manteuffel den Märzverheißungen nicht so schnöde in's Gesicht zu schlagen wagte und doch wenigstens an dem allgemeinen Wahlrechte nicht rüttelte.

Die deutsche Nationalversammlung hat uns zwar schon in vielen unsrer gerechten Erwartungen bitter getäuscht, doch hoffen wir zuversichtlich, daß sie einen so schmachvollen Gesetzentwurf, wie er aus der Kommission hervorgegangen ist, nicht zum Gesetz erheben wird, wenn wir, die ungeheure Mehrzahl der deutschen Nation, durch unzählige Proteste aus allen Theilen Deutschlands ihr zeigen, wie tief uns die bloße Vorlegung eines solchen Gesetzes empört hat.

Auf, deutsche Arbeiter, sendet Adressen über Adressen an diejenigen Vertreter, von denen ihr wißt, daß sie stets die Rechte des deutschen Volks geschützt haben, um gegen dies schmachvolle Gesetz mit allen Kräften zu protestiren!

Der deutsche Arbeiter kann und will die Hoffnung nicht aufgeben, auf dem Wege der Reform seine Forderungen durchgesetzt zu sehen; er ist sich bewußt, fähig zu sein, an den Arbeiten für die Wohlfahrt aller Klassen des Volkes mitzuwirken. Nie und Nimmer läßt er sich die theuerste Errungenschaft der Märzrevolution, das allgemeine Wahlrecht, rauben. Will die Gesellschaft ihm das wichtigste aller staatsbürgerlichen Rechte entziehen, will sie ihn zur politischen Willenlosigkeit verdammen, so macht sie ihn aus ihrem wärmsten Freunde zu ihrem ergrimmtesten Feinde.

Im Namen des Cigarrenmachergewerks.

Der Vorstand der Cigarrenmacher:

Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche.

Aufforderung

an alle Fabrikarbeiter, Handwerksgehülfen, Dienstboten und Tagelöhner der Stadt und Umgegend!

Im Reichswahlgesetz- Entwurf wird den genannten Ständen das Recht entzogen, zur Volkskammer zu wählen und gewählt zu werden und sie dadurch für politisch rechtlos erklärt. Dagegen soll ein Protest zur Wahrung dieser Rechte an die Nationalversammlung gerichtet werden. Die Versammlung zur Berathung und Abfassung dieses Protestes findet am Sonntag, 18. Februar, Morgens 10 Uhr, im Friedrichsstädter Elbpavillon statt, und werden die Betreffenden dazu hiermit eingeladen.

Im Namen des Cigarrenmachergewerks.

Der Vorstand der Cigarrenmacher.

Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche.

Zu gleicher Zeit hat der Lehrer Banse, einer unsrer wackersten Männer und eifrigsten Demokraten zum Sonntag eine Volksversammlung für Magdeburg und die umliegende Gegend ausgeschrieben. In ihr soll ebenfalls die berüchtigte Vorlage vom Wahlgesetz der Frankfurter Paulsbrüderschaft den Gegenstand der Besprechung und eines Protestes bilden. Wenn es nur etwas hülfe! Man setzt damit im besten Falle doch nur einen neuen Flicken auf ein altes Kleid, und die Herren am Main werden nicht aufhören, Schwabenstreiche zu machen bis an ihr seliges Ende. Freilich jagt es 'mal wieder, wie jede Lebensregung, unseren Philistern ein wenig Schreck ein. ‒ Es war gar zu fatal mit den „gemeinen Kerls,“ den Arbeitern und Hausknechten nun schon zweimal wählen zu müssen. Dabei waren meist die „Kerls“ so unverschämt, trotz der Drohung, aus dem Hause gejagt zu werden, doch einen andern Namen, als dem Herrn beliebte, aufzuschreiben. Drum horchte man mit gespannter Erwartung, die Hand am schweren Berlok und den Goldknopf des spanischen Rohrs unter die Nase gequetscht, nach Frankfurt. ‒ Und nun ‒ es ist wahrhaftig zum Verrücktwerden ‒ nun beginnen die Cigarrenmacher da ein Geschrei, als ob ihnen Wunder was gethan würde. Sehen denn die Leute gar nicht ein, daß der Fabrikant für sie sorgen wird; er hat ja schon so Manchem etwas geschenkt, namentlich den armen Mädchen.

Neulich wackelten sämmtlichen Börsenherrn die Manschetten. Es war auch ein gräuliches Ding! Unser früherer Kommandant nämlich, Christ. von Fischer, hatte, wahrscheinlich durch Drigalsky und seine Hämorrhoiden angeregt, soziale Gedanken. Natürlich war er weit entfernt von dem Frevel jenes Düsseldorfers, sich einen Kommunisten zu nennen, aber er fühlte sich doch getrieben, seine zeitgemäßen Ideen zu veröffentlichen. In beinahe lyrischem Schwunge pries er in den geduldigen Spalten der Magdeburgerin das selige Loos der Arbeiter. Diese aber gut kommunistisch ‒ „gefährlich ist's den Leu zu wecken! “ ‒ boten ihm Hacke und Spaten, damit auch er die Seligkeit genieße. In hübschem Humor that dies der Arbeiter Morth. Da kommt grimmig in einem folgenden Blatte sein Brodherr angeritten und gibt ihm die „wohlmeinende aber ernste Weisung, sich künftig der Zeitungspolemik zu enthalten.“ ‒ Solche Hanswurstiaden zeigen besser als die gründlichste Abhandlung, wie weit die politische Freiheit Wurzel gefaßt hat. So ist's hier, wie aller Orten. Da thut sich der Dickbauch etwas drauf zu gut, wenn er einmal einen Pfennig in die Armenbüchse geworfen hat und meint, dafür vom Herrgott die ganze Welt in Erbpacht bekommen zu haben.

Der Philister wird nicht eher gescheut, bis ihm, wie dem Fuchse, das Fell über die Ohren gezogen ist.

24 Wien, 14. Februar.

Die standrechtliche Polizei versteht ihr Handwerk so gut wie die Louis- Philippistische. Für die enormen Summen, die sie verschlingt, muß sie doch auch irgend etwas leisten. Und sie leistet sogar Vorzügliches. Längere Zeit hat sie sich hie und da mit Schüssen auf's Militär versucht, um Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes herbeizuschaffen, und jetzt, da der Kniff schon sehr, sehr abgenutzt ist, wirft sie sich auf ein anderes Genre. Man kann das am besten aus einer Verordnung des k. k. Scharfrichterknechts Welden ersehen, die er heut' in der „Wiener Ztg.“ hat abdrucken lassen. Diese Kundmachung besagt:

Am 12. d. 6 1/2 Uhr früh wurde am Glacis eine Rakete abgebrannt, welche bei 2 Klaftern hoch aufstieg und nach der Explosior herabfiel. An derselben Stelle und in einem weiten Umkreise fanden sich eine größere Anzahl Musketenkugeln vor. Am selben Tage Nachmittags 3 Uhr wurde am Schanzel nächst der Stadtmauen eine gefüllte Granate zur Hälfte eingegraben entdeckt, welche zum Abbrennen mittelst eines hervorragenden Zunders vorbereitet war. ‒ Indem das Gouvernement diese wiederholten schändlichen Attentate gegen die öffentliche Sicherheit zur allgemeinen Kenntniß bringt, wendet es sich zugleich an alle Gutgesinnten um ihre Mitwirkung zur Zustandebringung (!) solcher Thäter und sichert insbesondere Jenem, der einen solchen Thäter auf frischer That ergreift, zur Haft und Strafe bringt, eine Belohnung von Hundert Dukaten zu.

Wer die östreichischen Standrechtsbestien kennt, braucht keinen Fingerzeig, um zu wissen, von wem die „abgebrannten Raketen“,die „gefüllten Granaten“, die „größere Anzahl Musketenkugeln“, der „hervorragende Zunder“ etc. herrühren. Blos ein deutsches und christlich- germanisches Schafsgemüth kann darüber im Zweifel sein. Nun wohl, raketet, granatet und brandzundert immerhin noch einige Zeit, aber wißt auch, daß der Augenblick auf Sturmesflügeln herannaht, wo man euch und das ganze gottbegnadete, gesalbte und bestialische Geschmeiß dergestalt raketen, granaten und brandzundern wird, daß das Volk dieser Höllenbrut von gekrönten, besternten und geldsäckigen Banditen, Nothzüchtern und Raubmördern auf ewig entledigt ist.

* Wien, 13. Febr.

Sehr bezeichnend für den politischen Bildungsstand nach Sprachvarietäten ist die Uebersicht der österreichischen Journalistik laut dem eben erschienenen Posttarifausweise. Ungeachtet des so sehr hervorgehobenen Uebergewichts der Slaven gegen die Deutschen (15 1/2 gegen 7 Mill.) erscheinen im gesammten Kaiserstaate nur 72 in den verschiedenen slavischen Idiomen (31 czechische, 20 polnische, 6 kroatische, 8 slovenische und krainerische, 2 slovakische, 2 ruthenische, 2 serbische und 1 illyrische) gegen 224 deutsche Journale.

61 Wien, 14. Feb.

Der Riesensturm über den östreichischen Völkerocean rückt mit immer größerer Furchtbarkeit heran, und wird zum kolossalsten Ausbruch kommen, noch bevor die große pariser Hochzeit gefeiert wird. Ich habe mich nicht getäuscht, als ich Ihnen den Oktobersturm prophezeite; ich täusche mich jetzt noch weniger. Alle unheilvollen Vögel flattern schon wieder über den Wogen des östreich. Völkerknäuels. Die Stadt ist seit einigen Tagen voll Aufregung und selbst das Standrecht ist nicht länger im Stande, sie zu beschwichtigen. Cholera, Gerüchte über ganz bedeutende Niederlagen der Armee in Ungarn, die Erhebung Italiens, der Einmarsch der Russen, der in Aussicht gestellte Zwangskurs von 25 Mill. Kassenanweisungen, der bestimmteste Bankerott vor der Thüre, die Unzufriedenheit in Kroatien, Böhmen, Oberöstreich, im ganzen Lande, die Geldverlegenheit überall, die fortwährenden standrechtlichen Hinrichtungen, die Stellung Deutschland gegenüber, das sind die Sturmvögel, die uns täglich entgegenkrächzen: Oestreich, deine letzte Stunde hat geschlagen, der Tag der Rache naht, deine Völker kennen jetzt ihre Feinde! Halten wir uns zuerst bei Ungarn. Ein Hauptmann der Armee schreibt mir aus Neuhäusel an der Waag vom 8., daß sie gegen eine Abtheilung Görgey's dort ein blutiges Gefecht bestanden, ohne etwas auszurichten, und jetzt Befehl erhalten hätten, nach Italien zu marschiren. Ein geheimer Vertrag, schreibt er, ist zwischen Rußland und den beiden deutschen Großmächten abgeschlossen worden, demzufolge diese sich mit allen ihren Mitteln auf Italien und gegen den Westen werfen, während Rußland Ungarn und ganz Ostdeutschland besetzt und standrechtlich behandelt. Dagegen entwickeln die Magyaren einen immer trotzigern Widerstand aus Völkerschaften, die früher ihre Feinde gewesen, verbrüdern sich mit ihnen. Daß die Russen in Siebenbürgen eingerückt, ist Thatsache; als Freiwillige befinden sie sich aber schon seit Oktober in der östreichischen Armee. Die deutsche Bourgeoisie von Hermannstadt und General Puchner haben sie gerufen.

Die ganze längs der galizisch- ungarischen Grenze stationirte russische Armee hat überhaupt den Befehl, auf den ersten Wink Oestreichs von allen Seiten hereinzustürzen. Nikolaus zittert vor den Polen und Franzosen, die in Ungarn das Kommando führen, Oestreichs olmützer Bestien aber zittern nicht nur davor, sondern noch mehr vor der täglich stärker hervortretenden Gesinnungs- Umwälzung unter den ungarischen Slaven. ‒ Die Unterwerfung der Szekler Siebenbürgens war nur eine List; sie stürzen sich jetzt wüthender und mächtiger auf die deutschen Bourgeois im dortigen Sachsenlande als früher; sie werden diese Schläuche diesmal nicht verschonen. Diese Szekler sind keine ausgehungerten Proletarier, es sind die kühnen Kaukasier Ungarns, seine Tscherkessen.

Genug, die Sache sieht in Ungarn schlimm aus, denn man ist genöthigt gewesen, die hiesige Garnison abermals zu vermindern und einen Theil davon nach Ungarn zu entsenden. Wien wird dadurch immer mehr einer dem Platzen nahen Bombe gleich; die Erhebung kann jeden Augenblick um so mehr erfolgen, als die Bourgeoisie sie gerne sehen würde. Sie sehen, wie weit es gekommen ist, wenn eine wiener Bourgeoisie so gesinnt wird. Nun vergleichen Sie hiemit das 22. Armeebülletin. Wie nichtssagend ist es, wo es nicht offenbar lügen kann? Danach soll Bem von Puchner vor Hermannstadt zurückgeworfen worden sein. Wozu dann die Russen? Auch hat das Armeebülletin Komorn fast schon eingenommen, Windischgrätz aber will sich angeblich in Szolnok befinden. Statt zu sagen: „Wir sind bei Neuhäusel von Görgeys Soldaten geprügelt worden,“ sagt man nur: „Wir haben tapfer angegriffen.“ Was enthält dies Bülletin, mit welchem hier so viel Effekt gemacht werden sollte, weil wir solange darauf gewartet haben, am Ende anders, als pia desideria, den unangenehmen Görgey, welcher sich nach der Slowakei hinzieht und immerfort Pesth bedroht, zu schlagen?

Auf der andern Seite wird die Stimmung der Slaven immer bedenklicher. Jellachich soll sich darüber beschwert haben, daß er, statt Kroaten, andere Truppen kommandire, und jetzt sieht man ein, was das Ministerium unter Gleichberechtigung aller Nationalitäten verstanden hat. Ich habe es Ihnen schon früher auseinandergesetzt, das Const. Blatt aus Böhmen begreift jetzt endlich auch diese Gleichberechtigung zum Belagerungszustande. Man glaubt, Jellachich werde wegen Karlowitz ernstliche Vorstellungen machen; er soll mit Stratimirowich unter einer Decke und im Einverständnisse sein. Wer weiß! Im Allgemeinen beschweren die Slaven sich über das Uebergewicht, welches die von ihnen besiegten Deutschen und Magyaren wieder am Olmützer Hofe erhalten. Sie sind namentlich darüber unzufrieden, daß magyarische Kommissarien sowohl nach Kroatien, als nach der Slovakei geschickt worden. Olmütz riecht die Gefahr von allen Seiten, es möchte sich daher versöhnen, aber trop tard.

Die Slavanska lipa von Agram hat beschlossen, zu bewirken, daß der kroatische Landtag berufen werde; an ihn wollen sich die Südslaven anschließen. In Oberöstreich werden die Rekruten nur mit der äußersten Gewalt zusammengebracht. Stadion hat befohlen, daß die Studenten von der Rekrutirung, welcher sie durch Gesetz vom 5. Dez. 1848 enthoben waren, nicht mehr ausgeschlossen sein sollen. ‒ Die Emission der 25 Millionen Kassenanweisungen bezeigt hinlänglich unsere ganze Finanzohnmacht, die Nähe des Staatsuntergangs. Die 80 Mill. waren trotz aller Anstrengungen nirgend zu bekommen, der Kredit bei der Bank ist übermäßig erschöpft, Steuern gehen schlecht, in Ungarn und Italien aber fast gar nicht ein, die Armee verschlingt alles, ebenso die Spionage und erkaufte Lobhudelei. Die Kassenanweisungen werden den Papierkredit vollends annulliren. Dennoch sagt das Abendblatt der Wiener Zeitung: „Es ist dies der erste Gebrauch, den der Finanzminister von dem mit allerh. Entschließung vom 8. d. Mts. genehmigten Reichstagsbeschlusse vom 3. desselben Mts. gemacht hat.“ ‒ Was war denn das Anlehen bei der Bank? Sodann spricht sie mehr als bestialisch- naiv vom „unerschütterten Ver-

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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Kriegskunst, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 18. Febr.</head>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 16. Februar.</head>
          <p>Es ist thatsächlich, daß die Partei Brandenburg- Ladenberg- Bülow- Rintelen die Vertagung der Kammern gewollt hat und noch heute will. Von ihr gingen die betreffenden Artikel in den Frankfurter Blättern, in der &#x201E;Deutschen Reform&#x201C; und Parlaments- Correspondenz und zuletzt auch der vorgestrige halboffizielle Artikel der &#x201E;Spener'schen Ztg.' aus. Dagegen war die Partei Manteuffel- Kühne- v. d. Heydt- Strotha entschieden für die Einberufung. Da keine der beiden Parteien eine Majorität im Kabinet erlangen konnte, so ließ man es darauf inkommen, wie die öffentliche Meinung sich über dieses Projekt aussprechen werde. Nachdem nun hier, sowohl an der Börse als an anderen einflußreichen Kreisen der Vertagungsplan keinen Beifall gefunden, ist man in einem gestern gehaltenen Ministerrath von demselben abgekommen. Eine seit gestern Abend allen hiesigen Blättern zugesandte halboffizielle Note bringt diesen Beschluß zur öffentlichen Kunde und beruhigt zugleich das Publikum betreffs der früher nicht ohne guten Grund verbreitet gewesenen Nachricht von der Verlegung der Kammern nach Brandenburg. Es ist jedoch hierdurch die Eventualität einer Vertagung der Kammern sofort nach ihrem Zusammentritt noch nicht ausgeschlossen.</p>
          <p>Bekanntlich hat der im Sommer und Herbst v. J. in Frankfurt abgehaltene Handels- Kongreß einen neuen Zolltarif für Deutschland entworfen und an das Frankfurter Parlament so wie an die einzelnen Regierungen übersandt. Derselbe geht von der Grundansicht aus, es solle kein höherer Zollsatz als 10 pCt. des Werthes angenommen werden, wie dies auch in dem preußischen Zollgesetze von 1818, das in seinen Hauptbestimmungen noch dem jetzigen Zollvereinstarif zu Grunde liegt, festgestellt war. Da aber jenes Gesetz nicht Werth- sondern Gewichtszölle angenommen habe, der Werth eines Centners der meisten Waaren aber seit 1818 bedeutend gefallen sei, so repräsentirten die jetzigen Zollsätze nicht mehr 10 pCt., sondern oft 50 bis 100 pCt. Daher sei eine durchgreifende Modifikation aller Zollsätze und eine feststehende Normirung derselben nach dem Werth durchaus nöthig. Diese Vorschläge des Frankfurter Kongresses waren vom hiesigen Ministerium an unsere Fabrikanten und Kaufleute zur Begutachtung überwiesen worden, und die einzelnen Fabrikationszweige halten nun Berathungen darüber. In einer solchen vorgestern Abend stattgehabten Berathung der Wollenwaarenfabrikanten wurde von den Meisten der Anwesenden erklärt, daß 25 bis 40 pCt. die Sätze wären, ohne deren Einführung sie nicht bestehen könnten.</p>
          <p>Im dritten Wahlbezirk fand gestern eine Versammlung von Wahlmännern statt, in der die Abgeordneten der aufgelös'ten Nationalversammlung <hi rendition="#g">Schramm</hi> (Striegau) und <hi rendition="#g">Ziegler</hi> auftraten. Ersterer, der in der Nähe von Berlin lebt, war trotz seiner wiederholten Ausweisung zu Fuß hier eingetroffen, hat jedoch die Hauptstadt sofort nach dem Schluß der Versammlung wieder verlassen. Seine Kandidatur soll nicht ohne Aussichten sein, und findet namentlich von den Provinzen her Unterstützung. So ist namentlich aus Striegau und der Umgegend dem hiesigen Centralcomité ein Schreiben zugegangen, worin dasselbe dringend ersucht wird, Schramm's Kandidatur hier zu begünstigen, weil die Demokratie des Kreises Striegau und der Umgegend durch die dortigen reaktionär ausgefallenen Wahlen gar nicht vertreten sei, Schramm aber die meiste Befähigung zur Vertretung der dortigen Lokalinteressen besitze.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 16. Februar.</head>
          <p><hi rendition="#g">Schramm</hi> (Striegau) sagt in seiner eben erschienenen Broschüre: &#x201E;der Standpunkt der Demokratie in und zur oktroyirten zweiten Kammer&#x201C; u. A. Folgendes:</p>
          <p>&#x201E;Ich komme aus Schlesien zurück und kann über den Zustand der ländlichen Kreise dieser Provinz einige nützliche Auskunft ertheilen. Dort ist durch Preußen- und Veteranen- Vereine, durch die Vereine für Gesetz und Ordnung und andere von gleicher Tendenz, die Verleumdung, Einschüchterung, Verfolgung und Bestechung im ausgedehntesten Maßstabe organisirt. Die politischen Tendenzen dieser Vereine werden durch die höheren und niedern Verwaltungsbeamten, durch die Stadt- und Landgerichte, durch die katholische Geistlichkeit der Provinz auf jede gesetzlich zulässige und oft auch auf unzulässige Weise gefördert und unterstützt. &#x2012; Das Landproletariat, die zahlreichen Tagelöhner auf den großen Gütern und Dominien stehen wegen der Noth ihres täglichen kümmerlichen Brodes unter der Botmäßigkeit der Gutsherren und die Gutsherren haben bei den diesjährigen Wahlen, wo nicht wie im vorigen Jahre die Furcht vor sofortiger Volksjustiz sie in Schranken hielt, von dieser Gewalt den schamlosesten Gebrauch gemacht, und werden ihn, sofern keine energischen Strafbestimmungen hiergegen erlassen werden, noch fernerhin machen.&#x201C;</p>
          <p> &#x201E;Auf den Gütern wohnt außer dem eigentlichen Gesinde eine sehr große Anzahl Tagelöhner, welche bei äußerst kärglichem, zum genügenden Lebensunterhalt in den meisten Fällen nicht zureichenden Lohn, von der Hand in den Mund leben, und namentlich in der Zeit der mangelnden Feldarbeit vom Gutsherrn leihweise Lebensmittel entnehmen müssen, um den Kaufwerth derselben im Frühjahr und Sommer durch Arbeit abzuverdienen. &#x2012; Sie vermögen sich aus diesem Abhängigkeits- Verhältnisse ohne staatliche Hülfe nicht zu befreien, weil der ganze Landbesitz seit undenklichen Zeiten in festen Händen ist, und Niemand parzellenweise Aecker verkauft oder verpachtet. Auch von den weitläuftigen, zu ihrer Aushülfe bei parzellenweiser Verpachtung in sehr vielen Kreisen genügenden Staatsdomainen sind sie heute noch wie vor 50 Jahren ausgeschlossen. Man scheint ihren Abhängigkeitszustand, nachdem er rechtlich aufgehoben, faktisch erhalten zu wollen, damit das Ansehen der Gutsherren ungeschmälert bleibe und der Lohn der Feldarbeiten für sie nicht steige.&#x201C;</p>
          <p> &#x201E;Von diesen gedrückten, aber unter dem Drucke zum Staatsbürgerthum gereiften Leuten haben die Gutsherren fast ohne Ausnahme, wie auf Grund einer Verschwörung, durch öffentliche, sehr ernstlich gemeinte Drohungen mit sofortiger Verstoßung aus der Arbeit, mit sofortiger exekutivischer Eintreibung der Lebensmittelschulden die Stimmen zu den Wahlmänner- Wahlen erpreßt, und mancher wird als sanfter Menschenfreund in der Kammer sich erheben, der nur diesen Erpressungen seinen Sitz verdankt. Sie bilden für diejenigen, welche sie übten, eine böse und gefährliche Saat, welche vielleicht in späteren Zeiten böse Früchte tragen kann und tragen wird; aber einstweilen wuchert sie fort. Einstweilen kann, bis der Krug bricht, derselbe Gewissenszwang bei jeder neuen Wahl, sowohl für den Staat als die Gemeinde, bei jeder durch die Zahl der Unterschriften zu unterstützenden Adresse oder Bittschrift wiederholt werden, und er <hi rendition="#g">wird</hi> wiederholt werden.&#x201C;</p>
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          <head>Berlin, 16. Februar.</head>
          <p>Zur Krautjunker- und Geldsack- Kammer wurden ferner gewählt:</p>
          <p rendition="#c #g">Provinz Preußen.</p>
          <p>Ober- Landesgerichts- Präsident <hi rendition="#g">v. Kirchmann;</hi> Kommerzienrath <hi rendition="#g">Lutterkorth;</hi>Gutsbesitzer Baron <hi rendition="#g">von Paleske;</hi> Deichgräf <hi rendition="#g">Friese.</hi> </p>
        </div>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Magdeburg, 16. Febr.</head>
          <p>Aus unsrer Stadt ergeht folgender Aufruf an alle Arbeiter Deutschlands:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Aufruf</hi> </p>
          <p>an alle Fabrikarbeiter, Handwerkergehülfen, Tagelöhner und Dienstboten.</p>
          <p>Der Gesetzentwurf über die Wahlen zur deutschen Volkskammer ist veröffentlicht und wird in den nächsten Tagen in der Frankfurter Nationalversammlung berathen werden.</p>
          <p>Dieser Entwurf erklärt jeden fünf und zwanzigjährigen, selbstständigen, unbescholtenen Deutschen für berechtigt, zu wählen und gewählt zu werden.</p>
          <p>Nur der eigentliche Lebensnerv des deutschen Volks, die große Klasse der Arbeiter, ob sie ihre Arbeitskraft in den Fabriken eines Industriellen, in den Werkstätten eines Gewerbmeisters, auf dem Hofe oder den Feldern eines Grundbesitzers oder in einer einzelnen Haushaltung zum Nutzen der Genannten verwenden &#x2012; sie alle sind unmündig, sind politisch rechtlos, gleich den Bankerotteurs, den Blödsinnigen und Verbrechern.</p>
          <p>Ein solches Machwerk wagt man einer deutschen Nationalversammlung vorzulegen, einer Versammlung, die wir berufen glaubten, die Rechte des deutschen Volks, also auch die unsrigen festzustellen; die wir gewählt haben, um für die Verbesserung unserer schwer gedrückten Lage etwas Bedeutendes zu leisten &#x2012; einer Versammlung, die in ihren Grundrechten erklärt hat:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Alle Standesvorrechte sind aufgehoben!!</hi> </p>
          <p>Ihr seid Alle mit uns auf's Tiefste entrüstet über diese dem ganzen Arbeiterstande angethane Schmach, uns zugefügt von einer Versammlung, die der Revolution ihre Existenz verdankt; um so tiefer entrüstet; da selbst das contrerevolutionäre Ministerium Brandenburg- Manteuffel den Märzverheißungen nicht so schnöde in's Gesicht zu schlagen wagte und doch wenigstens an dem allgemeinen Wahlrechte nicht rüttelte.</p>
          <p>Die deutsche Nationalversammlung hat uns zwar schon in vielen unsrer gerechten Erwartungen bitter getäuscht, doch hoffen wir zuversichtlich, daß sie einen so schmachvollen Gesetzentwurf, wie er aus der Kommission hervorgegangen ist, nicht zum Gesetz erheben wird, wenn wir, die ungeheure Mehrzahl der deutschen Nation, durch unzählige Proteste aus allen Theilen Deutschlands ihr zeigen, wie tief uns die bloße Vorlegung eines solchen Gesetzes empört hat.</p>
          <p>Auf, deutsche Arbeiter, sendet Adressen über Adressen an diejenigen Vertreter, von denen ihr wißt, daß sie stets die Rechte des deutschen Volks geschützt haben, um gegen dies schmachvolle Gesetz mit allen Kräften zu protestiren!</p>
          <p>Der deutsche Arbeiter kann und will die Hoffnung nicht aufgeben, auf dem Wege der Reform seine Forderungen durchgesetzt zu sehen; er ist sich bewußt, fähig zu sein, an den Arbeiten für die Wohlfahrt aller Klassen des Volkes mitzuwirken. Nie und Nimmer läßt er sich die theuerste Errungenschaft der Märzrevolution, das allgemeine Wahlrecht, rauben. Will die Gesellschaft ihm das wichtigste aller staatsbürgerlichen Rechte entziehen, will sie ihn zur politischen Willenlosigkeit verdammen, so macht sie ihn aus ihrem wärmsten Freunde zu ihrem ergrimmtesten Feinde.</p>
          <p>Im Namen des Cigarrenmachergewerks.</p>
          <p>Der Vorstand der Cigarrenmacher:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Aufforderung</hi> </p>
          <p>an alle Fabrikarbeiter, Handwerksgehülfen, Dienstboten und Tagelöhner der Stadt und Umgegend!</p>
          <p>Im Reichswahlgesetz- Entwurf wird den genannten Ständen das Recht entzogen, zur Volkskammer zu wählen und gewählt zu werden und sie dadurch für politisch rechtlos erklärt. Dagegen soll ein Protest zur Wahrung dieser Rechte an die Nationalversammlung gerichtet werden. Die Versammlung zur Berathung und Abfassung dieses Protestes findet am Sonntag, 18. Februar, Morgens 10 Uhr, im Friedrichsstädter Elbpavillon statt, und werden die Betreffenden dazu hiermit eingeladen.</p>
          <p>Im Namen des Cigarrenmachergewerks.</p>
          <p>Der Vorstand der Cigarrenmacher.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche.</hi> </p>
          <p>Zu gleicher Zeit hat der Lehrer <hi rendition="#g">Banse,</hi> einer unsrer wackersten Männer und eifrigsten Demokraten zum Sonntag eine Volksversammlung für Magdeburg und die umliegende Gegend ausgeschrieben. In ihr soll ebenfalls die berüchtigte Vorlage vom Wahlgesetz der Frankfurter Paulsbrüderschaft den Gegenstand der Besprechung und eines Protestes bilden. Wenn es nur etwas hülfe! Man setzt damit im besten Falle doch nur einen neuen Flicken auf ein altes Kleid, und die Herren am Main werden nicht aufhören, Schwabenstreiche zu machen bis an ihr seliges Ende. Freilich jagt es 'mal wieder, wie jede Lebensregung, unseren Philistern ein wenig Schreck ein. &#x2012; Es war gar zu fatal mit den &#x201E;gemeinen Kerls,&#x201C; den Arbeitern und Hausknechten nun schon zweimal wählen zu müssen. Dabei waren meist die &#x201E;Kerls&#x201C; so unverschämt, trotz der Drohung, aus dem Hause gejagt zu werden, doch einen andern Namen, als dem Herrn beliebte, aufzuschreiben. Drum horchte man mit gespannter Erwartung, die Hand am schweren Berlok und den Goldknopf des spanischen Rohrs unter die Nase gequetscht, nach Frankfurt. &#x2012; Und nun &#x2012; es ist wahrhaftig zum Verrücktwerden &#x2012; nun beginnen die Cigarrenmacher da ein Geschrei, als ob ihnen Wunder was gethan würde. Sehen denn die Leute gar nicht ein, daß der Fabrikant für sie sorgen wird; er hat ja schon so Manchem etwas geschenkt, namentlich den armen Mädchen.</p>
          <p>Neulich wackelten sämmtlichen Börsenherrn die Manschetten. Es war auch ein gräuliches Ding! Unser früherer Kommandant nämlich, <hi rendition="#g">Christ. von Fischer,</hi> hatte, wahrscheinlich durch Drigalsky und seine Hämorrhoiden angeregt, soziale Gedanken. Natürlich war er weit entfernt von dem Frevel jenes Düsseldorfers, sich einen Kommunisten zu nennen, aber er fühlte sich doch getrieben, seine zeitgemäßen Ideen zu veröffentlichen. In beinahe lyrischem Schwunge pries er in den geduldigen Spalten der Magdeburgerin das selige Loos der Arbeiter. Diese aber gut kommunistisch &#x2012; &#x201E;gefährlich ist's den Leu zu wecken! &#x201C; &#x2012; boten ihm Hacke und Spaten, damit auch er die Seligkeit genieße. In hübschem Humor that dies der Arbeiter Morth. Da kommt grimmig in einem folgenden Blatte sein Brodherr angeritten und gibt ihm die &#x201E;wohlmeinende aber ernste Weisung, sich künftig der Zeitungspolemik zu enthalten.&#x201C; &#x2012; Solche Hanswurstiaden zeigen besser als die gründlichste Abhandlung, wie weit die politische Freiheit Wurzel gefaßt hat. So ist's hier, wie aller Orten. Da thut sich der Dickbauch etwas drauf zu gut, wenn er einmal einen Pfennig in die Armenbüchse geworfen hat und meint, dafür vom Herrgott die ganze Welt in Erbpacht bekommen zu haben.</p>
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          <head><bibl><author>24</author></bibl> Wien, 14. Februar.</head>
          <p>Die standrechtliche Polizei versteht ihr Handwerk so gut wie die Louis- Philippistische. Für die enormen Summen, die sie verschlingt, muß sie doch auch irgend etwas leisten. Und sie leistet sogar Vorzügliches. Längere Zeit hat sie sich hie und da mit Schüssen auf's Militär versucht, um Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes herbeizuschaffen, und jetzt, da der Kniff schon sehr, sehr abgenutzt ist, wirft sie sich auf ein anderes Genre. Man kann das am besten aus einer Verordnung des k. k. Scharfrichterknechts Welden ersehen, die er heut' in der &#x201E;Wiener Ztg.&#x201C; hat abdrucken lassen. Diese Kundmachung besagt:</p>
          <p>Am 12. d. 6 1/2 Uhr früh wurde am Glacis eine Rakete abgebrannt, welche bei 2 Klaftern hoch aufstieg und nach der Explosior herabfiel. An derselben Stelle und in einem weiten Umkreise fanden sich eine größere Anzahl Musketenkugeln vor. Am selben Tage Nachmittags 3 Uhr wurde am Schanzel nächst der Stadtmauen eine gefüllte Granate zur Hälfte eingegraben entdeckt, welche zum Abbrennen mittelst eines hervorragenden Zunders vorbereitet war. &#x2012; Indem das Gouvernement diese wiederholten schändlichen Attentate gegen die öffentliche Sicherheit zur allgemeinen Kenntniß bringt, wendet es sich zugleich an alle Gutgesinnten um ihre Mitwirkung zur Zustandebringung (!) solcher Thäter und sichert insbesondere Jenem, der einen solchen Thäter auf frischer That ergreift, zur Haft und Strafe bringt, eine Belohnung von Hundert Dukaten zu.</p>
          <p>Wer die östreichischen Standrechtsbestien kennt, braucht keinen Fingerzeig, um zu wissen, von wem die &#x201E;abgebrannten Raketen&#x201C;,die &#x201E;gefüllten Granaten&#x201C;, die &#x201E;größere Anzahl Musketenkugeln&#x201C;, der &#x201E;hervorragende Zunder&#x201C; etc. herrühren. Blos ein deutsches und christlich- germanisches Schafsgemüth kann darüber im Zweifel sein. Nun wohl, raketet, granatet und brandzundert immerhin noch einige Zeit, aber wißt auch, daß der Augenblick auf Sturmesflügeln herannaht, wo man euch und das ganze gottbegnadete, gesalbte und bestialische Geschmeiß dergestalt raketen, granaten und brandzundern wird, daß das Volk dieser Höllenbrut von gekrönten, besternten und geldsäckigen Banditen, Nothzüchtern und Raubmördern auf ewig entledigt ist.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl>Wien, 13. Febr.</head>
          <p>Sehr bezeichnend für den politischen Bildungsstand nach Sprachvarietäten ist die Uebersicht der österreichischen Journalistik laut dem eben erschienenen Posttarifausweise. Ungeachtet des so sehr hervorgehobenen Uebergewichts der Slaven gegen die Deutschen (15 1/2 gegen 7 Mill.) erscheinen im gesammten Kaiserstaate nur 72 in den verschiedenen slavischen Idiomen (31 czechische, 20 polnische, 6 kroatische, 8 slovenische und krainerische, 2 slovakische, 2 ruthenische, 2 serbische und 1 illyrische) gegen 224 deutsche Journale.</p>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 14. Feb.</head>
          <p>Der Riesensturm über den östreichischen Völkerocean rückt mit immer größerer Furchtbarkeit heran, und wird zum kolossalsten Ausbruch kommen, noch bevor die große pariser Hochzeit gefeiert wird. Ich habe mich nicht getäuscht, als ich Ihnen den Oktobersturm prophezeite; ich täusche mich jetzt noch weniger. Alle unheilvollen Vögel flattern schon wieder über den Wogen des östreich. Völkerknäuels. Die Stadt ist seit einigen Tagen voll Aufregung und selbst das Standrecht ist nicht länger im Stande, sie zu beschwichtigen. Cholera, Gerüchte über ganz bedeutende Niederlagen der Armee in Ungarn, die Erhebung Italiens, der Einmarsch der Russen, der in Aussicht gestellte Zwangskurs von 25 Mill. Kassenanweisungen, der bestimmteste Bankerott vor der Thüre, die Unzufriedenheit in Kroatien, Böhmen, Oberöstreich, im ganzen Lande, die Geldverlegenheit überall, die fortwährenden standrechtlichen Hinrichtungen, die Stellung Deutschland gegenüber, das sind die Sturmvögel, die uns täglich entgegenkrächzen: Oestreich, deine letzte Stunde hat geschlagen, der Tag der Rache naht, deine Völker kennen jetzt ihre Feinde! Halten wir uns zuerst bei Ungarn. Ein Hauptmann der Armee schreibt mir aus Neuhäusel an der Waag vom 8., daß sie gegen eine Abtheilung Görgey's dort ein blutiges Gefecht bestanden, ohne etwas auszurichten, und jetzt Befehl erhalten hätten, nach Italien zu marschiren. Ein geheimer Vertrag, schreibt er, ist zwischen Rußland und den beiden deutschen Großmächten abgeschlossen worden, demzufolge diese sich mit allen ihren Mitteln auf Italien und gegen den Westen werfen, während Rußland Ungarn und ganz Ostdeutschland besetzt und standrechtlich behandelt. Dagegen entwickeln die Magyaren einen immer trotzigern Widerstand aus Völkerschaften, die früher ihre Feinde gewesen, verbrüdern sich mit ihnen. Daß die Russen in Siebenbürgen eingerückt, ist Thatsache; als Freiwillige befinden sie sich aber schon seit Oktober in der östreichischen Armee. Die deutsche Bourgeoisie von Hermannstadt und General Puchner haben sie gerufen.</p>
          <p>Die ganze längs der galizisch- ungarischen Grenze stationirte russische Armee hat überhaupt den Befehl, auf den ersten Wink Oestreichs von allen Seiten hereinzustürzen. Nikolaus zittert vor den Polen und Franzosen, die in Ungarn das Kommando führen, Oestreichs olmützer Bestien aber zittern nicht nur davor, sondern noch mehr vor der täglich stärker hervortretenden Gesinnungs- Umwälzung unter den ungarischen Slaven. &#x2012; Die Unterwerfung der Szekler Siebenbürgens war nur eine List; sie stürzen sich jetzt wüthender und mächtiger auf die deutschen Bourgeois im dortigen Sachsenlande als früher; sie werden diese Schläuche diesmal nicht verschonen. Diese Szekler sind keine ausgehungerten Proletarier, es sind die kühnen Kaukasier Ungarns, seine Tscherkessen.</p>
          <p>Genug, die Sache sieht in Ungarn schlimm aus, denn man ist genöthigt gewesen, die hiesige Garnison abermals zu vermindern und einen Theil davon nach Ungarn zu entsenden. Wien wird dadurch immer mehr einer dem Platzen nahen Bombe gleich; die Erhebung kann jeden Augenblick um so mehr erfolgen, als die Bourgeoisie sie gerne sehen würde. Sie sehen, wie weit es gekommen ist, wenn eine wiener Bourgeoisie so gesinnt wird. Nun vergleichen Sie hiemit das 22. Armeebülletin. Wie nichtssagend ist es, wo es nicht offenbar lügen kann? Danach soll Bem von Puchner vor Hermannstadt zurückgeworfen worden sein. Wozu dann die Russen? Auch hat das Armeebülletin Komorn fast schon eingenommen, Windischgrätz aber will sich angeblich in Szolnok befinden. Statt zu sagen: &#x201E;Wir sind bei Neuhäusel von Görgeys Soldaten geprügelt worden,&#x201C; sagt man nur: &#x201E;Wir haben tapfer angegriffen.&#x201C; Was enthält dies Bülletin, mit welchem hier so viel Effekt gemacht werden sollte, weil wir solange darauf gewartet haben, am Ende anders, als pia desideria, den unangenehmen Görgey, welcher sich nach der Slowakei hinzieht und immerfort Pesth bedroht, zu schlagen?</p>
          <p>Auf der andern Seite wird die Stimmung der Slaven immer bedenklicher. Jellachich soll sich darüber beschwert haben, daß er, statt Kroaten, andere Truppen kommandire, und jetzt sieht man ein, was das Ministerium unter Gleichberechtigung aller Nationalitäten verstanden hat. Ich habe es Ihnen schon früher auseinandergesetzt, das Const. Blatt aus Böhmen begreift jetzt endlich auch diese Gleichberechtigung zum Belagerungszustande. Man glaubt, Jellachich werde wegen Karlowitz ernstliche Vorstellungen machen; er soll mit Stratimirowich unter einer Decke und im Einverständnisse sein. Wer weiß! Im Allgemeinen beschweren die Slaven sich über das Uebergewicht, welches die von ihnen besiegten Deutschen und Magyaren wieder am Olmützer Hofe erhalten. Sie sind namentlich darüber unzufrieden, daß magyarische Kommissarien sowohl nach Kroatien, als nach der Slovakei geschickt worden. Olmütz riecht die Gefahr von allen Seiten, es möchte sich daher versöhnen, aber trop tard.</p>
          <p>Die Slavanska lipa von Agram hat beschlossen, zu bewirken, daß der kroatische Landtag berufen werde; an ihn wollen sich die Südslaven anschließen. In Oberöstreich werden die Rekruten nur mit der äußersten Gewalt zusammengebracht. Stadion hat befohlen, daß die Studenten von der Rekrutirung, welcher sie durch Gesetz vom 5. Dez. 1848 enthoben waren, nicht mehr ausgeschlossen sein sollen. &#x2012; Die Emission der 25 Millionen Kassenanweisungen bezeigt hinlänglich unsere ganze Finanzohnmacht, die Nähe des Staatsuntergangs. Die 80 Mill. waren trotz aller Anstrengungen nirgend zu bekommen, der Kredit bei der Bank ist übermäßig erschöpft, Steuern gehen schlecht, in Ungarn und Italien aber fast gar nicht ein, die Armee verschlingt alles, ebenso die Spionage und erkaufte Lobhudelei. Die Kassenanweisungen werden den Papierkredit vollends annulliren. Dennoch sagt das Abendblatt der Wiener Zeitung: &#x201E;Es ist dies der erste Gebrauch, den der Finanzminister von dem mit allerh. Entschließung vom 8. d. Mts. genehmigten Reichstagsbeschlusse vom 3. desselben Mts. gemacht hat.&#x201C; &#x2012; Was war denn das Anlehen bei der Bank? Sodann spricht sie mehr als bestialisch- naiv vom &#x201E;unerschütterten Ver-
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[1246/0002] * Köln, 18. Febr. _ X Berlin, 16. Februar. Es ist thatsächlich, daß die Partei Brandenburg- Ladenberg- Bülow- Rintelen die Vertagung der Kammern gewollt hat und noch heute will. Von ihr gingen die betreffenden Artikel in den Frankfurter Blättern, in der „Deutschen Reform“ und Parlaments- Correspondenz und zuletzt auch der vorgestrige halboffizielle Artikel der „Spener'schen Ztg.' aus. Dagegen war die Partei Manteuffel- Kühne- v. d. Heydt- Strotha entschieden für die Einberufung. Da keine der beiden Parteien eine Majorität im Kabinet erlangen konnte, so ließ man es darauf inkommen, wie die öffentliche Meinung sich über dieses Projekt aussprechen werde. Nachdem nun hier, sowohl an der Börse als an anderen einflußreichen Kreisen der Vertagungsplan keinen Beifall gefunden, ist man in einem gestern gehaltenen Ministerrath von demselben abgekommen. Eine seit gestern Abend allen hiesigen Blättern zugesandte halboffizielle Note bringt diesen Beschluß zur öffentlichen Kunde und beruhigt zugleich das Publikum betreffs der früher nicht ohne guten Grund verbreitet gewesenen Nachricht von der Verlegung der Kammern nach Brandenburg. Es ist jedoch hierdurch die Eventualität einer Vertagung der Kammern sofort nach ihrem Zusammentritt noch nicht ausgeschlossen. Bekanntlich hat der im Sommer und Herbst v. J. in Frankfurt abgehaltene Handels- Kongreß einen neuen Zolltarif für Deutschland entworfen und an das Frankfurter Parlament so wie an die einzelnen Regierungen übersandt. Derselbe geht von der Grundansicht aus, es solle kein höherer Zollsatz als 10 pCt. des Werthes angenommen werden, wie dies auch in dem preußischen Zollgesetze von 1818, das in seinen Hauptbestimmungen noch dem jetzigen Zollvereinstarif zu Grunde liegt, festgestellt war. Da aber jenes Gesetz nicht Werth- sondern Gewichtszölle angenommen habe, der Werth eines Centners der meisten Waaren aber seit 1818 bedeutend gefallen sei, so repräsentirten die jetzigen Zollsätze nicht mehr 10 pCt., sondern oft 50 bis 100 pCt. Daher sei eine durchgreifende Modifikation aller Zollsätze und eine feststehende Normirung derselben nach dem Werth durchaus nöthig. Diese Vorschläge des Frankfurter Kongresses waren vom hiesigen Ministerium an unsere Fabrikanten und Kaufleute zur Begutachtung überwiesen worden, und die einzelnen Fabrikationszweige halten nun Berathungen darüber. In einer solchen vorgestern Abend stattgehabten Berathung der Wollenwaarenfabrikanten wurde von den Meisten der Anwesenden erklärt, daß 25 bis 40 pCt. die Sätze wären, ohne deren Einführung sie nicht bestehen könnten. Im dritten Wahlbezirk fand gestern eine Versammlung von Wahlmännern statt, in der die Abgeordneten der aufgelös'ten Nationalversammlung Schramm (Striegau) und Ziegler auftraten. Ersterer, der in der Nähe von Berlin lebt, war trotz seiner wiederholten Ausweisung zu Fuß hier eingetroffen, hat jedoch die Hauptstadt sofort nach dem Schluß der Versammlung wieder verlassen. Seine Kandidatur soll nicht ohne Aussichten sein, und findet namentlich von den Provinzen her Unterstützung. So ist namentlich aus Striegau und der Umgegend dem hiesigen Centralcomité ein Schreiben zugegangen, worin dasselbe dringend ersucht wird, Schramm's Kandidatur hier zu begünstigen, weil die Demokratie des Kreises Striegau und der Umgegend durch die dortigen reaktionär ausgefallenen Wahlen gar nicht vertreten sei, Schramm aber die meiste Befähigung zur Vertretung der dortigen Lokalinteressen besitze. * Berlin, 16. Februar. Schramm (Striegau) sagt in seiner eben erschienenen Broschüre: „der Standpunkt der Demokratie in und zur oktroyirten zweiten Kammer“ u. A. Folgendes: „Ich komme aus Schlesien zurück und kann über den Zustand der ländlichen Kreise dieser Provinz einige nützliche Auskunft ertheilen. Dort ist durch Preußen- und Veteranen- Vereine, durch die Vereine für Gesetz und Ordnung und andere von gleicher Tendenz, die Verleumdung, Einschüchterung, Verfolgung und Bestechung im ausgedehntesten Maßstabe organisirt. Die politischen Tendenzen dieser Vereine werden durch die höheren und niedern Verwaltungsbeamten, durch die Stadt- und Landgerichte, durch die katholische Geistlichkeit der Provinz auf jede gesetzlich zulässige und oft auch auf unzulässige Weise gefördert und unterstützt. ‒ Das Landproletariat, die zahlreichen Tagelöhner auf den großen Gütern und Dominien stehen wegen der Noth ihres täglichen kümmerlichen Brodes unter der Botmäßigkeit der Gutsherren und die Gutsherren haben bei den diesjährigen Wahlen, wo nicht wie im vorigen Jahre die Furcht vor sofortiger Volksjustiz sie in Schranken hielt, von dieser Gewalt den schamlosesten Gebrauch gemacht, und werden ihn, sofern keine energischen Strafbestimmungen hiergegen erlassen werden, noch fernerhin machen.“ „Auf den Gütern wohnt außer dem eigentlichen Gesinde eine sehr große Anzahl Tagelöhner, welche bei äußerst kärglichem, zum genügenden Lebensunterhalt in den meisten Fällen nicht zureichenden Lohn, von der Hand in den Mund leben, und namentlich in der Zeit der mangelnden Feldarbeit vom Gutsherrn leihweise Lebensmittel entnehmen müssen, um den Kaufwerth derselben im Frühjahr und Sommer durch Arbeit abzuverdienen. ‒ Sie vermögen sich aus diesem Abhängigkeits- Verhältnisse ohne staatliche Hülfe nicht zu befreien, weil der ganze Landbesitz seit undenklichen Zeiten in festen Händen ist, und Niemand parzellenweise Aecker verkauft oder verpachtet. Auch von den weitläuftigen, zu ihrer Aushülfe bei parzellenweiser Verpachtung in sehr vielen Kreisen genügenden Staatsdomainen sind sie heute noch wie vor 50 Jahren ausgeschlossen. Man scheint ihren Abhängigkeitszustand, nachdem er rechtlich aufgehoben, faktisch erhalten zu wollen, damit das Ansehen der Gutsherren ungeschmälert bleibe und der Lohn der Feldarbeiten für sie nicht steige.“ „Von diesen gedrückten, aber unter dem Drucke zum Staatsbürgerthum gereiften Leuten haben die Gutsherren fast ohne Ausnahme, wie auf Grund einer Verschwörung, durch öffentliche, sehr ernstlich gemeinte Drohungen mit sofortiger Verstoßung aus der Arbeit, mit sofortiger exekutivischer Eintreibung der Lebensmittelschulden die Stimmen zu den Wahlmänner- Wahlen erpreßt, und mancher wird als sanfter Menschenfreund in der Kammer sich erheben, der nur diesen Erpressungen seinen Sitz verdankt. Sie bilden für diejenigen, welche sie übten, eine böse und gefährliche Saat, welche vielleicht in späteren Zeiten böse Früchte tragen kann und tragen wird; aber einstweilen wuchert sie fort. Einstweilen kann, bis der Krug bricht, derselbe Gewissenszwang bei jeder neuen Wahl, sowohl für den Staat als die Gemeinde, bei jeder durch die Zahl der Unterschriften zu unterstützenden Adresse oder Bittschrift wiederholt werden, und er wird wiederholt werden.“ Berlin, 16. Februar. Zur Krautjunker- und Geldsack- Kammer wurden ferner gewählt: Provinz Preußen. Ober- Landesgerichts- Präsident v. Kirchmann; Kommerzienrath Lutterkorth;Gutsbesitzer Baron von Paleske; Deichgräf Friese. 12 Magdeburg, 16. Febr. Aus unsrer Stadt ergeht folgender Aufruf an alle Arbeiter Deutschlands: Aufruf an alle Fabrikarbeiter, Handwerkergehülfen, Tagelöhner und Dienstboten. Der Gesetzentwurf über die Wahlen zur deutschen Volkskammer ist veröffentlicht und wird in den nächsten Tagen in der Frankfurter Nationalversammlung berathen werden. Dieser Entwurf erklärt jeden fünf und zwanzigjährigen, selbstständigen, unbescholtenen Deutschen für berechtigt, zu wählen und gewählt zu werden. Nur der eigentliche Lebensnerv des deutschen Volks, die große Klasse der Arbeiter, ob sie ihre Arbeitskraft in den Fabriken eines Industriellen, in den Werkstätten eines Gewerbmeisters, auf dem Hofe oder den Feldern eines Grundbesitzers oder in einer einzelnen Haushaltung zum Nutzen der Genannten verwenden ‒ sie alle sind unmündig, sind politisch rechtlos, gleich den Bankerotteurs, den Blödsinnigen und Verbrechern. Ein solches Machwerk wagt man einer deutschen Nationalversammlung vorzulegen, einer Versammlung, die wir berufen glaubten, die Rechte des deutschen Volks, also auch die unsrigen festzustellen; die wir gewählt haben, um für die Verbesserung unserer schwer gedrückten Lage etwas Bedeutendes zu leisten ‒ einer Versammlung, die in ihren Grundrechten erklärt hat: Alle Standesvorrechte sind aufgehoben!! Ihr seid Alle mit uns auf's Tiefste entrüstet über diese dem ganzen Arbeiterstande angethane Schmach, uns zugefügt von einer Versammlung, die der Revolution ihre Existenz verdankt; um so tiefer entrüstet; da selbst das contrerevolutionäre Ministerium Brandenburg- Manteuffel den Märzverheißungen nicht so schnöde in's Gesicht zu schlagen wagte und doch wenigstens an dem allgemeinen Wahlrechte nicht rüttelte. Die deutsche Nationalversammlung hat uns zwar schon in vielen unsrer gerechten Erwartungen bitter getäuscht, doch hoffen wir zuversichtlich, daß sie einen so schmachvollen Gesetzentwurf, wie er aus der Kommission hervorgegangen ist, nicht zum Gesetz erheben wird, wenn wir, die ungeheure Mehrzahl der deutschen Nation, durch unzählige Proteste aus allen Theilen Deutschlands ihr zeigen, wie tief uns die bloße Vorlegung eines solchen Gesetzes empört hat. Auf, deutsche Arbeiter, sendet Adressen über Adressen an diejenigen Vertreter, von denen ihr wißt, daß sie stets die Rechte des deutschen Volks geschützt haben, um gegen dies schmachvolle Gesetz mit allen Kräften zu protestiren! Der deutsche Arbeiter kann und will die Hoffnung nicht aufgeben, auf dem Wege der Reform seine Forderungen durchgesetzt zu sehen; er ist sich bewußt, fähig zu sein, an den Arbeiten für die Wohlfahrt aller Klassen des Volkes mitzuwirken. Nie und Nimmer läßt er sich die theuerste Errungenschaft der Märzrevolution, das allgemeine Wahlrecht, rauben. Will die Gesellschaft ihm das wichtigste aller staatsbürgerlichen Rechte entziehen, will sie ihn zur politischen Willenlosigkeit verdammen, so macht sie ihn aus ihrem wärmsten Freunde zu ihrem ergrimmtesten Feinde. Im Namen des Cigarrenmachergewerks. Der Vorstand der Cigarrenmacher: Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche. Aufforderung an alle Fabrikarbeiter, Handwerksgehülfen, Dienstboten und Tagelöhner der Stadt und Umgegend! Im Reichswahlgesetz- Entwurf wird den genannten Ständen das Recht entzogen, zur Volkskammer zu wählen und gewählt zu werden und sie dadurch für politisch rechtlos erklärt. Dagegen soll ein Protest zur Wahrung dieser Rechte an die Nationalversammlung gerichtet werden. Die Versammlung zur Berathung und Abfassung dieses Protestes findet am Sonntag, 18. Februar, Morgens 10 Uhr, im Friedrichsstädter Elbpavillon statt, und werden die Betreffenden dazu hiermit eingeladen. Im Namen des Cigarrenmachergewerks. Der Vorstand der Cigarrenmacher. Meier, K. Reiche, F. Lieder, Schaaf, Esche. Zu gleicher Zeit hat der Lehrer Banse, einer unsrer wackersten Männer und eifrigsten Demokraten zum Sonntag eine Volksversammlung für Magdeburg und die umliegende Gegend ausgeschrieben. In ihr soll ebenfalls die berüchtigte Vorlage vom Wahlgesetz der Frankfurter Paulsbrüderschaft den Gegenstand der Besprechung und eines Protestes bilden. Wenn es nur etwas hülfe! Man setzt damit im besten Falle doch nur einen neuen Flicken auf ein altes Kleid, und die Herren am Main werden nicht aufhören, Schwabenstreiche zu machen bis an ihr seliges Ende. Freilich jagt es 'mal wieder, wie jede Lebensregung, unseren Philistern ein wenig Schreck ein. ‒ Es war gar zu fatal mit den „gemeinen Kerls,“ den Arbeitern und Hausknechten nun schon zweimal wählen zu müssen. Dabei waren meist die „Kerls“ so unverschämt, trotz der Drohung, aus dem Hause gejagt zu werden, doch einen andern Namen, als dem Herrn beliebte, aufzuschreiben. Drum horchte man mit gespannter Erwartung, die Hand am schweren Berlok und den Goldknopf des spanischen Rohrs unter die Nase gequetscht, nach Frankfurt. ‒ Und nun ‒ es ist wahrhaftig zum Verrücktwerden ‒ nun beginnen die Cigarrenmacher da ein Geschrei, als ob ihnen Wunder was gethan würde. Sehen denn die Leute gar nicht ein, daß der Fabrikant für sie sorgen wird; er hat ja schon so Manchem etwas geschenkt, namentlich den armen Mädchen. Neulich wackelten sämmtlichen Börsenherrn die Manschetten. Es war auch ein gräuliches Ding! Unser früherer Kommandant nämlich, Christ. von Fischer, hatte, wahrscheinlich durch Drigalsky und seine Hämorrhoiden angeregt, soziale Gedanken. Natürlich war er weit entfernt von dem Frevel jenes Düsseldorfers, sich einen Kommunisten zu nennen, aber er fühlte sich doch getrieben, seine zeitgemäßen Ideen zu veröffentlichen. In beinahe lyrischem Schwunge pries er in den geduldigen Spalten der Magdeburgerin das selige Loos der Arbeiter. Diese aber gut kommunistisch ‒ „gefährlich ist's den Leu zu wecken! “ ‒ boten ihm Hacke und Spaten, damit auch er die Seligkeit genieße. In hübschem Humor that dies der Arbeiter Morth. Da kommt grimmig in einem folgenden Blatte sein Brodherr angeritten und gibt ihm die „wohlmeinende aber ernste Weisung, sich künftig der Zeitungspolemik zu enthalten.“ ‒ Solche Hanswurstiaden zeigen besser als die gründlichste Abhandlung, wie weit die politische Freiheit Wurzel gefaßt hat. So ist's hier, wie aller Orten. Da thut sich der Dickbauch etwas drauf zu gut, wenn er einmal einen Pfennig in die Armenbüchse geworfen hat und meint, dafür vom Herrgott die ganze Welt in Erbpacht bekommen zu haben. Der Philister wird nicht eher gescheut, bis ihm, wie dem Fuchse, das Fell über die Ohren gezogen ist. 24 Wien, 14. Februar. Die standrechtliche Polizei versteht ihr Handwerk so gut wie die Louis- Philippistische. Für die enormen Summen, die sie verschlingt, muß sie doch auch irgend etwas leisten. Und sie leistet sogar Vorzügliches. Längere Zeit hat sie sich hie und da mit Schüssen auf's Militär versucht, um Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes herbeizuschaffen, und jetzt, da der Kniff schon sehr, sehr abgenutzt ist, wirft sie sich auf ein anderes Genre. Man kann das am besten aus einer Verordnung des k. k. Scharfrichterknechts Welden ersehen, die er heut' in der „Wiener Ztg.“ hat abdrucken lassen. Diese Kundmachung besagt: Am 12. d. 6 1/2 Uhr früh wurde am Glacis eine Rakete abgebrannt, welche bei 2 Klaftern hoch aufstieg und nach der Explosior herabfiel. An derselben Stelle und in einem weiten Umkreise fanden sich eine größere Anzahl Musketenkugeln vor. Am selben Tage Nachmittags 3 Uhr wurde am Schanzel nächst der Stadtmauen eine gefüllte Granate zur Hälfte eingegraben entdeckt, welche zum Abbrennen mittelst eines hervorragenden Zunders vorbereitet war. ‒ Indem das Gouvernement diese wiederholten schändlichen Attentate gegen die öffentliche Sicherheit zur allgemeinen Kenntniß bringt, wendet es sich zugleich an alle Gutgesinnten um ihre Mitwirkung zur Zustandebringung (!) solcher Thäter und sichert insbesondere Jenem, der einen solchen Thäter auf frischer That ergreift, zur Haft und Strafe bringt, eine Belohnung von Hundert Dukaten zu. Wer die östreichischen Standrechtsbestien kennt, braucht keinen Fingerzeig, um zu wissen, von wem die „abgebrannten Raketen“,die „gefüllten Granaten“, die „größere Anzahl Musketenkugeln“, der „hervorragende Zunder“ etc. herrühren. Blos ein deutsches und christlich- germanisches Schafsgemüth kann darüber im Zweifel sein. Nun wohl, raketet, granatet und brandzundert immerhin noch einige Zeit, aber wißt auch, daß der Augenblick auf Sturmesflügeln herannaht, wo man euch und das ganze gottbegnadete, gesalbte und bestialische Geschmeiß dergestalt raketen, granaten und brandzundern wird, daß das Volk dieser Höllenbrut von gekrönten, besternten und geldsäckigen Banditen, Nothzüchtern und Raubmördern auf ewig entledigt ist. * Wien, 13. Febr. Sehr bezeichnend für den politischen Bildungsstand nach Sprachvarietäten ist die Uebersicht der österreichischen Journalistik laut dem eben erschienenen Posttarifausweise. Ungeachtet des so sehr hervorgehobenen Uebergewichts der Slaven gegen die Deutschen (15 1/2 gegen 7 Mill.) erscheinen im gesammten Kaiserstaate nur 72 in den verschiedenen slavischen Idiomen (31 czechische, 20 polnische, 6 kroatische, 8 slovenische und krainerische, 2 slovakische, 2 ruthenische, 2 serbische und 1 illyrische) gegen 224 deutsche Journale. 61 Wien, 14. Feb. Der Riesensturm über den östreichischen Völkerocean rückt mit immer größerer Furchtbarkeit heran, und wird zum kolossalsten Ausbruch kommen, noch bevor die große pariser Hochzeit gefeiert wird. Ich habe mich nicht getäuscht, als ich Ihnen den Oktobersturm prophezeite; ich täusche mich jetzt noch weniger. Alle unheilvollen Vögel flattern schon wieder über den Wogen des östreich. Völkerknäuels. Die Stadt ist seit einigen Tagen voll Aufregung und selbst das Standrecht ist nicht länger im Stande, sie zu beschwichtigen. Cholera, Gerüchte über ganz bedeutende Niederlagen der Armee in Ungarn, die Erhebung Italiens, der Einmarsch der Russen, der in Aussicht gestellte Zwangskurs von 25 Mill. Kassenanweisungen, der bestimmteste Bankerott vor der Thüre, die Unzufriedenheit in Kroatien, Böhmen, Oberöstreich, im ganzen Lande, die Geldverlegenheit überall, die fortwährenden standrechtlichen Hinrichtungen, die Stellung Deutschland gegenüber, das sind die Sturmvögel, die uns täglich entgegenkrächzen: Oestreich, deine letzte Stunde hat geschlagen, der Tag der Rache naht, deine Völker kennen jetzt ihre Feinde! Halten wir uns zuerst bei Ungarn. Ein Hauptmann der Armee schreibt mir aus Neuhäusel an der Waag vom 8., daß sie gegen eine Abtheilung Görgey's dort ein blutiges Gefecht bestanden, ohne etwas auszurichten, und jetzt Befehl erhalten hätten, nach Italien zu marschiren. Ein geheimer Vertrag, schreibt er, ist zwischen Rußland und den beiden deutschen Großmächten abgeschlossen worden, demzufolge diese sich mit allen ihren Mitteln auf Italien und gegen den Westen werfen, während Rußland Ungarn und ganz Ostdeutschland besetzt und standrechtlich behandelt. Dagegen entwickeln die Magyaren einen immer trotzigern Widerstand aus Völkerschaften, die früher ihre Feinde gewesen, verbrüdern sich mit ihnen. Daß die Russen in Siebenbürgen eingerückt, ist Thatsache; als Freiwillige befinden sie sich aber schon seit Oktober in der östreichischen Armee. Die deutsche Bourgeoisie von Hermannstadt und General Puchner haben sie gerufen. Die ganze längs der galizisch- ungarischen Grenze stationirte russische Armee hat überhaupt den Befehl, auf den ersten Wink Oestreichs von allen Seiten hereinzustürzen. Nikolaus zittert vor den Polen und Franzosen, die in Ungarn das Kommando führen, Oestreichs olmützer Bestien aber zittern nicht nur davor, sondern noch mehr vor der täglich stärker hervortretenden Gesinnungs- Umwälzung unter den ungarischen Slaven. ‒ Die Unterwerfung der Szekler Siebenbürgens war nur eine List; sie stürzen sich jetzt wüthender und mächtiger auf die deutschen Bourgeois im dortigen Sachsenlande als früher; sie werden diese Schläuche diesmal nicht verschonen. Diese Szekler sind keine ausgehungerten Proletarier, es sind die kühnen Kaukasier Ungarns, seine Tscherkessen. Genug, die Sache sieht in Ungarn schlimm aus, denn man ist genöthigt gewesen, die hiesige Garnison abermals zu vermindern und einen Theil davon nach Ungarn zu entsenden. Wien wird dadurch immer mehr einer dem Platzen nahen Bombe gleich; die Erhebung kann jeden Augenblick um so mehr erfolgen, als die Bourgeoisie sie gerne sehen würde. Sie sehen, wie weit es gekommen ist, wenn eine wiener Bourgeoisie so gesinnt wird. Nun vergleichen Sie hiemit das 22. Armeebülletin. Wie nichtssagend ist es, wo es nicht offenbar lügen kann? Danach soll Bem von Puchner vor Hermannstadt zurückgeworfen worden sein. Wozu dann die Russen? Auch hat das Armeebülletin Komorn fast schon eingenommen, Windischgrätz aber will sich angeblich in Szolnok befinden. Statt zu sagen: „Wir sind bei Neuhäusel von Görgeys Soldaten geprügelt worden,“ sagt man nur: „Wir haben tapfer angegriffen.“ Was enthält dies Bülletin, mit welchem hier so viel Effekt gemacht werden sollte, weil wir solange darauf gewartet haben, am Ende anders, als pia desideria, den unangenehmen Görgey, welcher sich nach der Slowakei hinzieht und immerfort Pesth bedroht, zu schlagen? Auf der andern Seite wird die Stimmung der Slaven immer bedenklicher. Jellachich soll sich darüber beschwert haben, daß er, statt Kroaten, andere Truppen kommandire, und jetzt sieht man ein, was das Ministerium unter Gleichberechtigung aller Nationalitäten verstanden hat. Ich habe es Ihnen schon früher auseinandergesetzt, das Const. Blatt aus Böhmen begreift jetzt endlich auch diese Gleichberechtigung zum Belagerungszustande. Man glaubt, Jellachich werde wegen Karlowitz ernstliche Vorstellungen machen; er soll mit Stratimirowich unter einer Decke und im Einverständnisse sein. Wer weiß! Im Allgemeinen beschweren die Slaven sich über das Uebergewicht, welches die von ihnen besiegten Deutschen und Magyaren wieder am Olmützer Hofe erhalten. Sie sind namentlich darüber unzufrieden, daß magyarische Kommissarien sowohl nach Kroatien, als nach der Slovakei geschickt worden. Olmütz riecht die Gefahr von allen Seiten, es möchte sich daher versöhnen, aber trop tard. Die Slavanska lipa von Agram hat beschlossen, zu bewirken, daß der kroatische Landtag berufen werde; an ihn wollen sich die Südslaven anschließen. In Oberöstreich werden die Rekruten nur mit der äußersten Gewalt zusammengebracht. Stadion hat befohlen, daß die Studenten von der Rekrutirung, welcher sie durch Gesetz vom 5. Dez. 1848 enthoben waren, nicht mehr ausgeschlossen sein sollen. ‒ Die Emission der 25 Millionen Kassenanweisungen bezeigt hinlänglich unsere ganze Finanzohnmacht, die Nähe des Staatsuntergangs. Die 80 Mill. waren trotz aller Anstrengungen nirgend zu bekommen, der Kredit bei der Bank ist übermäßig erschöpft, Steuern gehen schlecht, in Ungarn und Italien aber fast gar nicht ein, die Armee verschlingt alles, ebenso die Spionage und erkaufte Lobhudelei. Die Kassenanweisungen werden den Papierkredit vollends annulliren. Dennoch sagt das Abendblatt der Wiener Zeitung: „Es ist dies der erste Gebrauch, den der Finanzminister von dem mit allerh. Entschließung vom 8. d. Mts. genehmigten Reichstagsbeschlusse vom 3. desselben Mts. gemacht hat.“ ‒ Was war denn das Anlehen bei der Bank? Sodann spricht sie mehr als bestialisch- naiv vom „unerschütterten Ver-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 226. Köln, 19. Februar 1849, S. 1246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz226_1849/2>, abgerufen am 30.04.2024.