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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 267. Köln, 8. April 1849.

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* Preßburg, 31. März.

Gestern wurde Joseph Barta, 32 Jahre alt, verheirathet, früher Komitats-Hayduk, zuletzt Honved-Feldwebel bei der Simony'schen Freischaar, wegen Theilnahme am bewaffneten Aufruhr, zum Strange verurtheilt, durch gnädigste Milderung mit Pulver und Blei hingerichtet.

* Ofen, 28. März.

Kohn und Grünecke (2 Israeliten) und Brunner, Spielwaarenhändler zu Pesth, sind wegen "versuchter Lieferung von Monturs- und Rüstungssorten an die Rebellen" zum Strange, und ein dritter Israelit, Spitzer, wegen Betheiligung an diesem Versuch, zu 8jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen verurtheilt, durch die Standrechtsbestie Windischgrätz aber Kohn zu 12-, Brunner zu 8jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigt, das Urtel in Betreff Spitzer's dagegen pure bestätigt worden. Außerdem hat jede der Judengemeinden, denen die einzelnen der 3 gedachten Israeliten angehören, dem Herrn Windischgrätz 20,000 Fl. K.-M. als Strafe, daß unter ihnen so schreckliche Verbrecher sich aufgehalten, bald und unweigerlich zu entrichten.

Französische Republik.
12 Paris, 4. April.

Changarnier und Faucher! Wer hätte je gedacht, daß diese beiden Namen zusammen kommen könnten? Dieser Faucher, der bei den Journalisten allgemein als der Lückenfüller bekannt war, weil er, bei Ermangelung des Stoffs, seine langen Papier-Rollen zusammengetragenen Zeugs zu 10 Sous die Linie lieferte, -- dieser Mann, der aus Verzweiflung sich auf ökonomische Literatur geworfen, weil alle andere literarischen Branchen überfüllt waren, und der als reiner Politiker mitleidslos zurückgewiesen worden, dieser Literat, der sich glücklich geschätzt haben würde, wenn er an einer Universität eine fixe Professor- oder Bibliothekar-Stelle hatte erhalten können -- dieser verfehlte Professor ist Minister bei Napoleon, dem fehlgeschlagenen Kaiser, neben Barrot dem fünften Rad am Wagen eines Königs, und verleiht dem Changarnier die einzige wahre Macht im Staate, die größte Macht, weit größer als die Napoleon's, weil diese Macht unabhängig vom Kriegsministerium, diktatorisch gebraucht werden kann, zu jeder Stunde, bei jeder Gelegenheit -- die Macht eines obersten Commandanten über die Nationalgarde und die Linientruppen von ganz Paris.

Und als wenn es nicht genug wäre mit dieser Macht, will der romantische Schriftsteller der Oekonomie seinen Helden, der Fleisch und Blut gewonnen, auch äußerlich reich ausstatten, und oktroyirt ihm außer seinem gewöhnlichen Gehalt eines obersten Generals noch 50,000 Fr. als Kommandant der Bürgergarde. In der Konstitution heißt es, diese beiden Stellen sind unvereinbar! Was kummert das einen Faucher? Handelt es sich nicht darum, das Vaterland zu retten, das Faucher jeden Augenblick in Gefahr sieht, und jeden Augenblick auf's Neue rettet? Und dann ist das ja eine bloß temporäre Maßregel, eben so temporär, wie Hr. Faucher selbst, obgleich im Grunde der temporäre Changarnier dazu dienen soll, den temporären Faucher zu verewigen, auf ewige Zeiten an das Ministerium anzunageln. Die Frage kam heute in der Kammer zur Erörterung bei Gelegenheit der Finanzregel, also als bloße Büdgetfrage.

Ledru-Rollin nahm das Wort, und schleuderte dem Herrn Faucher die 50,000 Fr. an den Kopf: das ist die einzige Manier, einen Mann wie Faucher zu behandeln, der alle Menschen vor den Kopf stößt. Das Mittel ist dem Herrn Ledru-Rollin geglückt, und die Bourgeoiskammer hat richtig dem Hrn. Changarnier die 50,000 Fr. gestrichen. Auf der Stelle gingen die Bourgeois von der Börse hin und eröffneten für Changarnier eine Subscription. Das Wesentliche für die Börse war, daß Changarnier seine Macht behält. Changarnier ist für die Börse ebenso unentbehrlich, wie es Cavaignac war. Und da die Kammer, indem sie ihm die 50,000 Fr. strich, die Kommandantenstelle gelassen hatte, so beeilte sich die Börse, den Fehler der Kammer so schnell als möglich wieder gut zu machen. Die Patrie, die im vertrautesten Einverständniß mit dem Ministerium lebt, kündigt uns in pompösen Ausdrücken an, daß in einem Nu die 50,000 Fr. jährlichen Gehalts für Changarnier gesammelt waren.

Die Börse ist vielvermögend, wenn es sich darum handelt, ihre persönlichen Interessen zu schützen. Das Wahlcomite der Rue Poitiers ist ein Wahlcomite der Börse: Fould und Rothschild sind die natürlichen Protektoren desselben; und jeden Tag sammelt dieses Comite über 50,000 Frs., die im Interesse der Wahlen verwandt werden sollen.

Es ist ein Fortschritt, wenn die Börse direkt ihre Beamten besoldet. So hat sie Louis Bonaparte an sich gekauft, so jetzt Changarnier öffentlich proklamirt als den General der Börse. Zu Bourges saßen die Geschwornen und Richter der Börse. Bald wird jeder Beamte doppelte Buchhandlung führen, so viel Gehalt von der Regierung, so viel Zuschuß von der Börse.

# Paris, 5. April.

Das Program der demokratisch-socialen Presse lautet:

Vorbemerkung.

Die Republik und die ganze Gesellschaft sind in Gefahr. Eine unverbesserliche Fraktion träumt die Ruckkehr der Monarchie; sie weiß, daß in kurzer Zeit die regelmäßige Entwickelung des demokratischen Prinzips hinreichen wurde, um von Grund aus die Mißbräuche und die Privilegien auszurotten. Gegenüber gehässigen Verlaumdungen, wodurch man sich bemüht, die Bevölkerung über die Vergangenheit und die Tendenzen der Demokratie zu täuschen, fuhlten die Organe der demokratisch-socialen Presse die Nothwendigkeit, sich zu vereinen, um die treulosen Feinde des Volkes wirksamer zu bekämpfen. Der Augenblick erheischt um so mehr diese Allianz, als die Privilegirten aller Regime sich verbündet haben in einem gemeinsamen Gedanken gegen die Revolution, so ihre verbrecherischen Hoffnungen offen zur Schau tragend. Bei den nächsten Wahlen würde das allgemeine Wahlrecht selbst, erobert durch die Republik, unter den Händen der Royalisten zur Waffe gegen die Republik selbst werden, wenn die Demokraten sich nicht beeilten, sie zu enthüllen. Man klagt die socialistischen Republikaner an, die Familie, das Eigenthum zerstören zu wollen. Die, welche die Vortheile des Eigenthums und die Freuden der Familie allen zugänglich machen wollen, greifen weder die Familie noch das Eigenthum an. Jene dagegen, welche sie zum Privilegium einer kleinen Zahl Auserwählter machen und die Exploitation der Arbeiter aufrecht erhalten wollen, sind die wahren Feinde der Familie und des Eigenthums.

Die Organe der demokratischen und socialen Presse, indem jedes derselben in seiner Sphäre seine Unabhängigkeit und seine Individualität behauptet, haben sich in einer Kommission, die sich mit ahnlichen Komite's derselben Richtung in ganz Frankreich in Verbindung setzen wird, über folgende Punkte geeinigt:

Programm.

Energische Vertheidigung der republikanischen Form und des direkten allgemeinen Wahlrechts, Aufrechterhaltung und Entwicklung der Konstitution im demokratischen Sinn, Einheit der Gewalt, formelle Unterordnung der vollziehenden Gewalt unter die Nationalversammlung, wirkliche Preßfreiheit, Abschaffung der Kautionen und der Privilegien der Druckereien, Unverletzlichkeit des Vereins- und Associationsrechts, Recht auf Arbeit, Versorgungsanstalten für Kranke und Greise, gemeinschaftliche, unentgeldliche Erziehung, die zugleich obligatorisch und erschöpfend sein wird den verschiedenen Anlagen entsprechend; von heute an Ausdehnung des Primärunterrichts auf einer breiten Grundlage, bessere Besoldung und Stellung der Volkslehrer; Administrative und gerichtliche Reform, Vereinfachung des Räderwerks in der Administration und der Formalitäten in der Rechtspflege; demokratische Organisation des öffentlichen Dienstes, Bedingungen der Zulässigkeit, Garantieen der Befähigung, Unabhängigkeit des Beamten außerhalb seines Amtes. Revision der Gesetzbücher. Wirklich unentgeldliche Rechtspflege. Abschaffung der Zwangshaft für Schulden. Abschaffung der Todesstrafe in Kriminalsachen. Demokratische Reorganisation des Land- und Seeheers. Revision der Militärgesetze. Verbesserung des Lohns der Soldaten und der Unteroffiziere. Abschaffung der Conscription. Finanzreform. Demokratische Organisation des Credits für Ackerbau, Industrie und Handel. Centralisation und Ausbeutung der Assekuranzen, der Bank, der Eisenbahnen, Kanälen, aller Kommunikationswege und Minen im allgemein gesellschaftlichen Interesse. Reform des Hypothekenwesens. Abschaffung des Wuchers. Verminderung des Büdgets und billige Vertheilung der Steuerlasten. Abschaffung der Salz- und Getränkesteuer, der Naturalleistungen, der Octrois; Revision der Zollgesetze; Verwerthung der unbebauten Ländereien, großes System der Bewässerung und Holzzucht; Schöpfung von Entrepots und Nationalbazars; Ermuthigung zu Agrikultur- und Industrieassociationen; Ackerbaukolonieen im Inland und den Kolonieen; Vermehrung des öffentlichen Reichthums durch Association der Hauptelemente der Production; Anerkennung der Nationalitäten, Allianz der Völker und Befreiung der unterdrückten Völker.

Unterzeichnet ist dies Programm von der Reform, der Republik, dem Peuple, der Revolution demokratique et social, dem Populaire, der Travail affranchie und der Democratie pacifique.

-- Die Cholera wüthet unter den Deputirten. Von 9 Erkrankten wurde heute der Tod von Dreien gemeldet, darunter auch Fayet, Bischof von Orleans, den wir gestern vergebens wieder aufstehen ließen. unter denen, die den alten Voltairianer am Sterbebette besuchten, erwähnt man auch Coquerel, den Bischof der Protestanten. Als der Sterbende denselben eintreten sah, soll er gerufen haben: M. Coquerel helas! je crains bien que nous ne puissions nous revoir dans l'autre monde! Die drei Deputirten heißen: Fayet, Culmann (Elsaß) und Ballon.

-- Die Nationalversammlung diskutirt heute das Büdget des Ministeriums des Auswärtigen.

Bei dieser Gelegenheit sehen wir den Kampf der Voltairianer und Jesuiten wieder erwachen.

-- Morgen erwarten wir nahe an 3000 Shopekepers aus London, welche den Besuch der Pariser heldenmüthigen Bürgerwehr nach der Junischlacht (im Septbr.) erwidern.

-- Changarnier hat seine Entlassung nicht gegeben. Bonaparte und Barrot halten ihn für unentbehrlich. Changarnier dankt der "Patrie" für ihren guten Willen und erklärt, den Ertrag jeder Collekte zurückzuweisen.

Diese Großmüthigkeit ist Veranlassung zur Erfindung folgender Anekdote.

Als Ledru-Rollin seinen Vorschlag, die 50,000 fr. betr. durchgesetzt sah, äußerte er zu Changarnier, der in der Kammer dicht neben ihm sitzt: Mein lieber Changarnier, in Finanzangelegenheiten darf man auch seine besten Freunde nicht schonen. Worauf Changarnier geantwortet haben soll: Sehr richtig. Aber kommen Sie und die Ihrigen nur hinab in die Straßen; ich werde Euch auch umsonst (gratis) gehörig bürsten."

-- Die Nationalversammlung zählt in diesem Augenblicke 9 Cholerafälle. Diese Herren verdauen zu schlecht oder strengen ihre Nerven zu sehr an. Von Mittags bis 6 Uhr in der Sitzung, von 6 bis 8 Uhr beim Diner und von 8 bis Mitternacht im Theater..... Das ist in der That des Guten zu viel gethan.

-- Ein Morgenblatt will wissen: Gioberti bleibe in Paris an der Stelle des bisherigen sardinischen Gesandten Russini.

Dieses Morgenblatt ist die "Ere Nouvelle", welche aus Lacordaire's Händen in die Hände Larochejacquelein's übergegangen ist, der den süßen Lamartine'schen De la Guerroniere (vermeintlichen Sozialisten) als Hauptredakteur vorschob.

-- Am Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung trug Wolowski darauf an, daß man den Gesetzentwurf wegen der Majorate erledige. (Man lachte.) Lachen Sie nicht, meine Herren, setzte Wolowski hinzu, ich weiß, daß seit vierzehn Tagen neue Majorate gestiftet worden sind, Majorate unter der Republik! -- nagelneue Erfindung.

-- "Peuple" enthält heute folgenden Artikel:

Einer der Vertrauten des Elysee National erzählt uns folgende Anekdote, von der wir recht herzlich wünschen, daß sie der Moniteur widerlege: Die telegraphischen Depeschen, welche die Niederlage der Piemontesen anzeigten, wurden am Mittwoch 28. März, Mittags (12 Uhr), in die Hände des Präsidenten der Republik gelegt. Bonaparte ließ unmittelbar den Herrn Achilles Fould in das Elysee rufen. Ihre Unterredung dauerte nicht lange. Gleich nach Eröffnung der Börse machte das Haus Fould bedeutende Einkäufe in öffentlichen Fonds und spekulirte a la hausse. Es hat enorme Benefizien realisirt, die es mit den Comperen theilte, die mit ihm für diese Spekulation assoziirt sind. Die Depeschen selbst wurden erst um 2 Uhr veröffentlicht."

Wie man sagt, macht die Rebillotsche Polizei so eben auf die wenigen Exemplare des "Peuple" Jagd, die noch an den Straßenecken übrig bleiben. Die Ernte soll sehr mager ausfallen.

-- Karl Albert ist nicht in Paris, sondern in Spanien.

Laut Briefen aus Bayonne vom 2. April passirte Karl Albert jene Stadt an diesem Tage.

-- Man kann selbst dem großen Moniteur nicht mehr aufs Wort glauben! Gestern meldete er, daß Peuple weggenommen worden sei, weil er behauptet, daß eine fürchterliche Schuldenlast den Präsidenten Bonaparte erdrücke.

Heute zeigt Peuple an, daß es nicht weggenommen worden sei. Der Moniteur irre sich!! "Dennoch sagt er, wollen wir die Notiz im Faucherschen "Moniteur" als den Vorläufer eines zehnten Preßprozesses betrachten."

Dann knüpft er eine Protestation gegen die ministerielle Rechtstheorie daran stets für den Präsidenten zu klagen, statt den Präsidenten selbst klagen zu lassen. Der Präsident als "erster Beamter" der Republik, habe nicht mehr Recht als der zweite, dritte oder letzte Beamte (Galeerenwächter) der Republik.

-- National-Versammlung. Sitzung vom 5 April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.

Nach Vortrag des Protokolls vertieft Marrast zwei Briefe, welche ihm den Tod Fayet's, des Bischofs von Orleans und Culman's (Elsaß) anzeigen. (Sensation.)

Das Gerucht geht, auch Ballon, ein alter Centrier, sei an der Cholera gestorben Ein allgemeines Angstfieber durchzieht die Bänke.

Marrast zieht 2 Deputationen durchs Loos, um den Begräbnissen beizuwohnen.

Marrast: Ich erhalte ferner 2 Briefe, die mir das plötzliche Erkranken zweier anderer Deputirten: Payer und Laumondais anzeigen und um Urlaub bitten. (Die Angst verräth sich immer deutlicher. Mehrere Glieder verlassen den Saal.)

Unter diesem peinlichen Eindrucke schreitet die Versammlung zur Tagesordnung. (Büdget des Ministeriums des Auswärtigen.)

Kapitel 1, (405,000 Frk. Personalgehalte der Centralverwaltung.)

Die Kommission beantragt, eine Ersparniß von 36,000 Frk., vom 1. Januar 1850 an.

Corne, Berichterstatter, unterstützt die Ersparniß.

Fallour, Unterrichtsminister, bekämpft sie.

Hierzu eine Beilage.

[Deutschland]
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Preßburg, 31. März.

Gestern wurde Joseph Barta, 32 Jahre alt, verheirathet, früher Komitats-Hayduk, zuletzt Honved-Feldwebel bei der Simony'schen Freischaar, wegen Theilnahme am bewaffneten Aufruhr, zum Strange verurtheilt, durch gnädigste Milderung mit Pulver und Blei hingerichtet.

* Ofen, 28. März.

Kohn und Grünecke (2 Israeliten) und Brunner, Spielwaarenhändler zu Pesth, sind wegen „versuchter Lieferung von Monturs- und Rüstungssorten an die Rebellen“ zum Strange, und ein dritter Israelit, Spitzer, wegen Betheiligung an diesem Versuch, zu 8jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen verurtheilt, durch die Standrechtsbestie Windischgrätz aber Kohn zu 12-, Brunner zu 8jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigt, das Urtel in Betreff Spitzer's dagegen pure bestätigt worden. Außerdem hat jede der Judengemeinden, denen die einzelnen der 3 gedachten Israeliten angehören, dem Herrn Windischgrätz 20,000 Fl. K.-M. als Strafe, daß unter ihnen so schreckliche Verbrecher sich aufgehalten, bald und unweigerlich zu entrichten.

Französische Republik.
12 Paris, 4. April.

Changarnier und Faucher! Wer hätte je gedacht, daß diese beiden Namen zusammen kommen könnten? Dieser Faucher, der bei den Journalisten allgemein als der Lückenfüller bekannt war, weil er, bei Ermangelung des Stoffs, seine langen Papier-Rollen zusammengetragenen Zeugs zu 10 Sous die Linie lieferte, — dieser Mann, der aus Verzweiflung sich auf ökonomische Literatur geworfen, weil alle andere literarischen Branchen überfüllt waren, und der als reiner Politiker mitleidslos zurückgewiesen worden, dieser Literat, der sich glücklich geschätzt haben würde, wenn er an einer Universität eine fixe Professor- oder Bibliothekar-Stelle hatte erhalten können — dieser verfehlte Professor ist Minister bei Napoleon, dem fehlgeschlagenen Kaiser, neben Barrot dem fünften Rad am Wagen eines Königs, und verleiht dem Changarnier die einzige wahre Macht im Staate, die größte Macht, weit größer als die Napoleon's, weil diese Macht unabhängig vom Kriegsministerium, diktatorisch gebraucht werden kann, zu jeder Stunde, bei jeder Gelegenheit — die Macht eines obersten Commandanten über die Nationalgarde und die Linientruppen von ganz Paris.

Und als wenn es nicht genug wäre mit dieser Macht, will der romantische Schriftsteller der Oekonomie seinen Helden, der Fleisch und Blut gewonnen, auch äußerlich reich ausstatten, und oktroyirt ihm außer seinem gewöhnlichen Gehalt eines obersten Generals noch 50,000 Fr. als Kommandant der Bürgergarde. In der Konstitution heißt es, diese beiden Stellen sind unvereinbar! Was kummert das einen Faucher? Handelt es sich nicht darum, das Vaterland zu retten, das Faucher jeden Augenblick in Gefahr sieht, und jeden Augenblick auf's Neue rettet? Und dann ist das ja eine bloß temporäre Maßregel, eben so temporär, wie Hr. Faucher selbst, obgleich im Grunde der temporäre Changarnier dazu dienen soll, den temporären Faucher zu verewigen, auf ewige Zeiten an das Ministerium anzunageln. Die Frage kam heute in der Kammer zur Erörterung bei Gelegenheit der Finanzregel, also als bloße Büdgetfrage.

Ledru-Rollin nahm das Wort, und schleuderte dem Herrn Faucher die 50,000 Fr. an den Kopf: das ist die einzige Manier, einen Mann wie Faucher zu behandeln, der alle Menschen vor den Kopf stößt. Das Mittel ist dem Herrn Ledru-Rollin geglückt, und die Bourgeoiskammer hat richtig dem Hrn. Changarnier die 50,000 Fr. gestrichen. Auf der Stelle gingen die Bourgeois von der Börse hin und eröffneten für Changarnier eine Subscription. Das Wesentliche für die Börse war, daß Changarnier seine Macht behält. Changarnier ist für die Börse ebenso unentbehrlich, wie es Cavaignac war. Und da die Kammer, indem sie ihm die 50,000 Fr. strich, die Kommandantenstelle gelassen hatte, so beeilte sich die Börse, den Fehler der Kammer so schnell als möglich wieder gut zu machen. Die Patrie, die im vertrautesten Einverständniß mit dem Ministerium lebt, kündigt uns in pompösen Ausdrücken an, daß in einem Nu die 50,000 Fr. jährlichen Gehalts für Changarnier gesammelt waren.

Die Börse ist vielvermögend, wenn es sich darum handelt, ihre persönlichen Interessen zu schützen. Das Wahlcomité der Rue Poitiers ist ein Wahlcomité der Börse: Fould und Rothschild sind die natürlichen Protektoren desselben; und jeden Tag sammelt dieses Comité über 50,000 Frs., die im Interesse der Wahlen verwandt werden sollen.

Es ist ein Fortschritt, wenn die Börse direkt ihre Beamten besoldet. So hat sie Louis Bonaparte an sich gekauft, so jetzt Changarnier öffentlich proklamirt als den General der Börse. Zu Bourges saßen die Geschwornen und Richter der Börse. Bald wird jeder Beamte doppelte Buchhandlung führen, so viel Gehalt von der Regierung, so viel Zuschuß von der Börse.

# Paris, 5. April.

Das Program der demokratisch-socialen Presse lautet:

Vorbemerkung.

Die Republik und die ganze Gesellschaft sind in Gefahr. Eine unverbesserliche Fraktion träumt die Ruckkehr der Monarchie; sie weiß, daß in kurzer Zeit die regelmäßige Entwickelung des demokratischen Prinzips hinreichen wurde, um von Grund aus die Mißbräuche und die Privilegien auszurotten. Gegenüber gehässigen Verlaumdungen, wodurch man sich bemüht, die Bevölkerung über die Vergangenheit und die Tendenzen der Demokratie zu täuschen, fuhlten die Organe der demokratisch-socialen Presse die Nothwendigkeit, sich zu vereinen, um die treulosen Feinde des Volkes wirksamer zu bekämpfen. Der Augenblick erheischt um so mehr diese Allianz, als die Privilegirten aller Regime sich verbündet haben in einem gemeinsamen Gedanken gegen die Revolution, so ihre verbrecherischen Hoffnungen offen zur Schau tragend. Bei den nächsten Wahlen würde das allgemeine Wahlrecht selbst, erobert durch die Republik, unter den Händen der Royalisten zur Waffe gegen die Republik selbst werden, wenn die Demokraten sich nicht beeilten, sie zu enthüllen. Man klagt die socialistischen Republikaner an, die Familie, das Eigenthum zerstören zu wollen. Die, welche die Vortheile des Eigenthums und die Freuden der Familie allen zugänglich machen wollen, greifen weder die Familie noch das Eigenthum an. Jene dagegen, welche sie zum Privilegium einer kleinen Zahl Auserwählter machen und die Exploitation der Arbeiter aufrecht erhalten wollen, sind die wahren Feinde der Familie und des Eigenthums.

Die Organe der demokratischen und socialen Presse, indem jedes derselben in seiner Sphäre seine Unabhängigkeit und seine Individualität behauptet, haben sich in einer Kommission, die sich mit ahnlichen Komité's derselben Richtung in ganz Frankreich in Verbindung setzen wird, über folgende Punkte geeinigt:

Programm.

Energische Vertheidigung der republikanischen Form und des direkten allgemeinen Wahlrechts, Aufrechterhaltung und Entwicklung der Konstitution im demokratischen Sinn, Einheit der Gewalt, formelle Unterordnung der vollziehenden Gewalt unter die Nationalversammlung, wirkliche Preßfreiheit, Abschaffung der Kautionen und der Privilegien der Druckereien, Unverletzlichkeit des Vereins- und Associationsrechts, Recht auf Arbeit, Versorgungsanstalten für Kranke und Greise, gemeinschaftliche, unentgeldliche Erziehung, die zugleich obligatorisch und erschöpfend sein wird den verschiedenen Anlagen entsprechend; von heute an Ausdehnung des Primärunterrichts auf einer breiten Grundlage, bessere Besoldung und Stellung der Volkslehrer; Administrative und gerichtliche Reform, Vereinfachung des Räderwerks in der Administration und der Formalitäten in der Rechtspflege; demokratische Organisation des öffentlichen Dienstes, Bedingungen der Zulässigkeit, Garantieen der Befähigung, Unabhängigkeit des Beamten außerhalb seines Amtes. Revision der Gesetzbücher. Wirklich unentgeldliche Rechtspflege. Abschaffung der Zwangshaft für Schulden. Abschaffung der Todesstrafe in Kriminalsachen. Demokratische Reorganisation des Land- und Seeheers. Revision der Militärgesetze. Verbesserung des Lohns der Soldaten und der Unteroffiziere. Abschaffung der Conscription. Finanzreform. Demokratische Organisation des Credits für Ackerbau, Industrie und Handel. Centralisation und Ausbeutung der Assekuranzen, der Bank, der Eisenbahnen, Kanälen, aller Kommunikationswege und Minen im allgemein gesellschaftlichen Interesse. Reform des Hypothekenwesens. Abschaffung des Wuchers. Verminderung des Büdgets und billige Vertheilung der Steuerlasten. Abschaffung der Salz- und Getränkesteuer, der Naturalleistungen, der Octrois; Revision der Zollgesetze; Verwerthung der unbebauten Ländereien, großes System der Bewässerung und Holzzucht; Schöpfung von Entrepôts und Nationalbazars; Ermuthigung zu Agrikultur- und Industrieassociationen; Ackerbaukolonieen im Inland und den Kolonieen; Vermehrung des öffentlichen Reichthums durch Association der Hauptelemente der Production; Anerkennung der Nationalitäten, Allianz der Völker und Befreiung der unterdrückten Völker.

Unterzeichnet ist dies Programm von der Reform, der Republik, dem Peuple, der Revolution demokratique et social, dem Populaire, der Travail affranchie und der Democratie pacifique.

— Die Cholera wüthet unter den Deputirten. Von 9 Erkrankten wurde heute der Tod von Dreien gemeldet, darunter auch Fayet, Bischof von Orleans, den wir gestern vergebens wieder aufstehen ließen. unter denen, die den alten Voltairianer am Sterbebette besuchten, erwähnt man auch Coquerel, den Bischof der Protestanten. Als der Sterbende denselben eintreten sah, soll er gerufen haben: M. Coquerel hélas! je crains bien que nous ne puissions nous revoir dans l'autre monde! Die drei Deputirten heißen: Fayet, Culmann (Elsaß) und Ballon.

— Die Nationalversammlung diskutirt heute das Büdget des Ministeriums des Auswärtigen.

Bei dieser Gelegenheit sehen wir den Kampf der Voltairianer und Jesuiten wieder erwachen.

— Morgen erwarten wir nahe an 3000 Shopekepers aus London, welche den Besuch der Pariser heldenmüthigen Bürgerwehr nach der Junischlacht (im Septbr.) erwidern.

— Changarnier hat seine Entlassung nicht gegeben. Bonaparte und Barrot halten ihn für unentbehrlich. Changarnier dankt der „Patrie“ für ihren guten Willen und erklärt, den Ertrag jeder Collekte zurückzuweisen.

Diese Großmüthigkeit ist Veranlassung zur Erfindung folgender Anekdote.

Als Ledru-Rollin seinen Vorschlag, die 50,000 fr. betr. durchgesetzt sah, äußerte er zu Changarnier, der in der Kammer dicht neben ihm sitzt: Mein lieber Changarnier, in Finanzangelegenheiten darf man auch seine besten Freunde nicht schonen. Worauf Changarnier geantwortet haben soll: Sehr richtig. Aber kommen Sie und die Ihrigen nur hinab in die Straßen; ich werde Euch auch umsonst (gratis) gehörig bürsten.“

— Die Nationalversammlung zählt in diesem Augenblicke 9 Cholerafälle. Diese Herren verdauen zu schlecht oder strengen ihre Nerven zu sehr an. Von Mittags bis 6 Uhr in der Sitzung, von 6 bis 8 Uhr beim Diner und von 8 bis Mitternacht im Theater‥… Das ist in der That des Guten zu viel gethan.

— Ein Morgenblatt will wissen: Gioberti bleibe in Paris an der Stelle des bisherigen sardinischen Gesandten Russini.

Dieses Morgenblatt ist die „Ere Nouvelle“, welche aus Lacordaire's Händen in die Hände Larochejacquelein's übergegangen ist, der den süßen Lamartine'schen De la Guerroniere (vermeintlichen Sozialisten) als Hauptredakteur vorschob.

— Am Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung trug Wolowski darauf an, daß man den Gesetzentwurf wegen der Majorate erledige. (Man lachte.) Lachen Sie nicht, meine Herren, setzte Wolowski hinzu, ich weiß, daß seit vierzehn Tagen neue Majorate gestiftet worden sind, Majorate unter der Republik! — nagelneue Erfindung.

— „Peuple“ enthält heute folgenden Artikel:

Einer der Vertrauten des Elysée National erzählt uns folgende Anekdote, von der wir recht herzlich wünschen, daß sie der Moniteur widerlege: Die telegraphischen Depeschen, welche die Niederlage der Piemontesen anzeigten, wurden am Mittwoch 28. März, Mittags (12 Uhr), in die Hände des Präsidenten der Republik gelegt. Bonaparte ließ unmittelbar den Herrn Achilles Fould in das Elysée rufen. Ihre Unterredung dauerte nicht lange. Gleich nach Eröffnung der Börse machte das Haus Fould bedeutende Einkäufe in öffentlichen Fonds und spekulirte à la hausse. Es hat enorme Benefizien realisirt, die es mit den Compèren theilte, die mit ihm für diese Spekulation assoziirt sind. Die Depeschen selbst wurden erst um 2 Uhr veröffentlicht.“

Wie man sagt, macht die Rebillotsche Polizei so eben auf die wenigen Exemplare des „Peuple“ Jagd, die noch an den Straßenecken übrig bleiben. Die Ernte soll sehr mager ausfallen.

— Karl Albert ist nicht in Paris, sondern in Spanien.

Laut Briefen aus Bayonne vom 2. April passirte Karl Albert jene Stadt an diesem Tage.

— Man kann selbst dem großen Moniteur nicht mehr aufs Wort glauben! Gestern meldete er, daß Peuple weggenommen worden sei, weil er behauptet, daß eine fürchterliche Schuldenlast den Präsidenten Bonaparte erdrücke.

Heute zeigt Peuple an, daß es nicht weggenommen worden sei. Der Moniteur irre sich!! „Dennoch sagt er, wollen wir die Notiz im Faucherschen „Moniteur“ als den Vorläufer eines zehnten Preßprozesses betrachten.“

Dann knüpft er eine Protestation gegen die ministerielle Rechtstheorie daran stets für den Präsidenten zu klagen, statt den Präsidenten selbst klagen zu lassen. Der Präsident als „erster Beamter“ der Republik, habe nicht mehr Recht als der zweite, dritte oder letzte Beamte (Galeerenwächter) der Republik.

National-Versammlung. Sitzung vom 5 April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.

Nach Vortrag des Protokolls vertieft Marrast zwei Briefe, welche ihm den Tod Fayet's, des Bischofs von Orleans und Culman's (Elsaß) anzeigen. (Sensation.)

Das Gerucht geht, auch Ballon, ein alter Centrier, sei an der Cholera gestorben Ein allgemeines Angstfieber durchzieht die Bänke.

Marrast zieht 2 Deputationen durchs Loos, um den Begräbnissen beizuwohnen.

Marrast: Ich erhalte ferner 2 Briefe, die mir das plötzliche Erkranken zweier anderer Deputirten: Payer und Laumondais anzeigen und um Urlaub bitten. (Die Angst verräth sich immer deutlicher. Mehrere Glieder verlassen den Saal.)

Unter diesem peinlichen Eindrucke schreitet die Versammlung zur Tagesordnung. (Büdget des Ministeriums des Auswärtigen.)

Kapitel 1, (405,000 Frk. Personalgehalte der Centralverwaltung.)

Die Kommission beantragt, eine Ersparniß von 36,000 Frk., vom 1. Januar 1850 an.

Corne, Berichterstatter, unterstützt die Ersparniß.

Fallour, Unterrichtsminister, bekämpft sie.

Hierzu eine Beilage.

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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 4. April.</head>
          <p>Changarnier und Faucher! Wer hätte je gedacht, daß diese beiden Namen zusammen kommen könnten? Dieser Faucher, der bei den Journalisten allgemein als der Lückenfüller bekannt war, weil er, bei Ermangelung des Stoffs, seine langen Papier-Rollen zusammengetragenen Zeugs zu 10 Sous die Linie lieferte, &#x2014; dieser Mann, der aus Verzweiflung sich auf ökonomische Literatur geworfen, weil alle andere literarischen Branchen überfüllt waren, und der als reiner Politiker mitleidslos zurückgewiesen worden, dieser Literat, der sich glücklich geschätzt haben würde, wenn er an einer Universität eine fixe Professor- oder Bibliothekar-Stelle hatte erhalten können &#x2014; dieser verfehlte Professor ist Minister bei Napoleon, dem fehlgeschlagenen Kaiser, neben Barrot dem fünften Rad am Wagen eines Königs, und verleiht dem Changarnier die einzige wahre Macht im Staate, die größte Macht, weit größer als die Napoleon's, weil diese Macht unabhängig vom Kriegsministerium, diktatorisch gebraucht werden kann, zu jeder Stunde, bei jeder Gelegenheit &#x2014; die Macht eines obersten Commandanten über die Nationalgarde und die Linientruppen von ganz Paris.</p>
          <p>Und als wenn es nicht genug wäre mit dieser Macht, will der romantische Schriftsteller der Oekonomie seinen Helden, der Fleisch und Blut gewonnen, auch äußerlich reich ausstatten, und oktroyirt ihm außer seinem gewöhnlichen Gehalt eines obersten Generals noch 50,000 Fr. als Kommandant der Bürgergarde. In der Konstitution heißt es, diese beiden Stellen sind unvereinbar! Was kummert das einen Faucher? Handelt es sich nicht darum, das Vaterland zu retten, das Faucher jeden Augenblick in Gefahr sieht, und jeden Augenblick auf's Neue rettet? Und dann ist das ja eine bloß temporäre Maßregel, eben so temporär, wie Hr. Faucher selbst, obgleich im Grunde der temporäre Changarnier dazu dienen soll, den temporären Faucher zu verewigen, auf ewige Zeiten an das Ministerium anzunageln. Die Frage kam heute in der Kammer zur Erörterung bei Gelegenheit der Finanzregel, also als bloße Büdgetfrage.</p>
          <p>Ledru-Rollin nahm das Wort, und schleuderte dem Herrn Faucher die 50,000 Fr. an den Kopf: das ist die einzige Manier, einen Mann wie Faucher zu behandeln, der alle Menschen vor den Kopf stößt. Das Mittel ist dem Herrn Ledru-Rollin geglückt, und die Bourgeoiskammer hat richtig dem Hrn. Changarnier die 50,000 Fr. gestrichen. Auf der Stelle gingen die Bourgeois von der Börse hin und eröffneten für Changarnier eine Subscription. Das Wesentliche für die Börse war, daß Changarnier seine Macht behält. Changarnier ist für die Börse ebenso unentbehrlich, wie es Cavaignac war. Und da die Kammer, indem sie ihm die 50,000 Fr. strich, die Kommandantenstelle gelassen hatte, so beeilte sich die Börse, den Fehler der Kammer so schnell als möglich wieder gut zu machen. Die Patrie, die im vertrautesten Einverständniß mit dem Ministerium lebt, kündigt uns in pompösen Ausdrücken an, daß in einem Nu die 50,000 Fr. jährlichen Gehalts für Changarnier gesammelt waren.</p>
          <p>Die Börse ist vielvermögend, wenn es sich darum handelt, ihre persönlichen Interessen zu schützen. Das Wahlcomité der Rue Poitiers ist ein Wahlcomité der Börse: Fould und Rothschild sind die natürlichen Protektoren desselben; und jeden Tag sammelt dieses Comité über 50,000 Frs., die im Interesse der Wahlen verwandt werden sollen.</p>
          <p>Es ist ein Fortschritt, wenn die Börse direkt ihre Beamten besoldet. So hat sie Louis Bonaparte an sich gekauft, so jetzt Changarnier öffentlich proklamirt als den General der Börse. Zu Bourges saßen die Geschwornen und Richter der Börse. Bald wird jeder Beamte doppelte Buchhandlung führen, so viel Gehalt von der Regierung, so viel Zuschuß von der Börse.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar267-1_020" type="jArticle">
          <head># Paris, 5. April.</head>
          <p>Das Program der demokratisch-socialen Presse lautet:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Vorbemerkung.</hi> </p>
          <p>Die Republik und die ganze Gesellschaft sind in Gefahr. Eine unverbesserliche Fraktion träumt die Ruckkehr der Monarchie; sie weiß, daß in kurzer Zeit die regelmäßige Entwickelung des demokratischen Prinzips hinreichen wurde, um von Grund aus die Mißbräuche und die Privilegien auszurotten. Gegenüber gehässigen Verlaumdungen, wodurch man sich bemüht, die Bevölkerung über die Vergangenheit und die Tendenzen der Demokratie zu täuschen, fuhlten die Organe der demokratisch-socialen Presse die Nothwendigkeit, sich zu vereinen, um die treulosen Feinde des Volkes wirksamer zu bekämpfen. Der Augenblick erheischt um so mehr diese Allianz, als die Privilegirten aller Regime sich verbündet haben in einem gemeinsamen Gedanken gegen die Revolution, so ihre verbrecherischen Hoffnungen offen zur Schau tragend. Bei den nächsten Wahlen würde das allgemeine Wahlrecht selbst, erobert durch die Republik, unter den Händen der Royalisten zur Waffe gegen die Republik selbst werden, wenn die Demokraten sich nicht beeilten, sie zu enthüllen. Man klagt die socialistischen Republikaner an, die Familie, das Eigenthum zerstören zu wollen. Die, welche die Vortheile des Eigenthums und die Freuden der Familie allen zugänglich machen wollen, greifen weder die Familie noch das Eigenthum an. Jene dagegen, welche sie zum Privilegium einer kleinen Zahl Auserwählter machen und die Exploitation der Arbeiter aufrecht erhalten wollen, sind die wahren Feinde der Familie und des Eigenthums.</p>
          <p>Die Organe der demokratischen und socialen Presse, indem jedes derselben in seiner Sphäre seine Unabhängigkeit und seine Individualität behauptet, haben sich in einer Kommission, die sich mit ahnlichen Komité's derselben Richtung in ganz Frankreich in Verbindung setzen wird, über folgende Punkte geeinigt:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Programm.</hi> </p>
          <p>Energische Vertheidigung der republikanischen Form und des direkten allgemeinen Wahlrechts, Aufrechterhaltung und Entwicklung der Konstitution im demokratischen Sinn, Einheit der Gewalt, formelle Unterordnung der vollziehenden Gewalt unter die Nationalversammlung, wirkliche Preßfreiheit, Abschaffung der Kautionen und der Privilegien der Druckereien, Unverletzlichkeit des Vereins- und Associationsrechts, Recht auf Arbeit, Versorgungsanstalten für Kranke und Greise, gemeinschaftliche, unentgeldliche Erziehung, die zugleich obligatorisch und erschöpfend sein wird den verschiedenen Anlagen entsprechend; von heute an Ausdehnung des Primärunterrichts auf einer breiten Grundlage, bessere Besoldung und Stellung der Volkslehrer; Administrative und gerichtliche Reform, Vereinfachung des Räderwerks in der Administration und der Formalitäten in der Rechtspflege; demokratische Organisation des öffentlichen Dienstes, Bedingungen der Zulässigkeit, Garantieen der Befähigung, Unabhängigkeit des Beamten außerhalb seines Amtes. Revision der Gesetzbücher. Wirklich unentgeldliche Rechtspflege. Abschaffung der Zwangshaft für Schulden. Abschaffung der Todesstrafe in Kriminalsachen. Demokratische Reorganisation des Land- und Seeheers. Revision der Militärgesetze. Verbesserung des Lohns der Soldaten und der Unteroffiziere. Abschaffung der Conscription. Finanzreform. Demokratische Organisation des Credits für Ackerbau, Industrie und Handel. Centralisation und Ausbeutung der Assekuranzen, der Bank, der Eisenbahnen, Kanälen, aller Kommunikationswege und Minen im allgemein gesellschaftlichen Interesse. Reform des Hypothekenwesens. Abschaffung des Wuchers. Verminderung des Büdgets und billige Vertheilung der Steuerlasten. Abschaffung der Salz- und Getränkesteuer, der Naturalleistungen, der Octrois; Revision der Zollgesetze; Verwerthung der unbebauten Ländereien, großes System der Bewässerung und Holzzucht; Schöpfung von Entrepôts und Nationalbazars; Ermuthigung zu Agrikultur- und Industrieassociationen; Ackerbaukolonieen im Inland und den Kolonieen; Vermehrung des öffentlichen Reichthums durch Association der Hauptelemente der Production; Anerkennung der Nationalitäten, Allianz der Völker und Befreiung der unterdrückten Völker.</p>
          <p>Unterzeichnet ist dies Programm von der Reform, der Republik, dem Peuple, der Revolution demokratique et social, dem Populaire, der Travail affranchie und der Democratie pacifique.</p>
          <p>&#x2014; Die Cholera wüthet unter den Deputirten. Von 9 Erkrankten wurde heute der Tod von Dreien gemeldet, darunter auch Fayet, Bischof von Orleans, den wir gestern vergebens wieder aufstehen ließen. unter denen, die den alten Voltairianer am Sterbebette besuchten, erwähnt man auch Coquerel, den Bischof der Protestanten. Als der Sterbende denselben eintreten sah, soll er gerufen haben: M. Coquerel hélas! je crains bien que nous ne puissions nous revoir dans l'autre monde! Die drei Deputirten heißen: Fayet, Culmann (Elsaß) und Ballon.</p>
          <p>&#x2014; Die Nationalversammlung diskutirt heute das Büdget des Ministeriums des Auswärtigen.</p>
          <p>Bei dieser Gelegenheit sehen wir den Kampf der Voltairianer und Jesuiten wieder erwachen.</p>
          <p>&#x2014; Morgen erwarten wir nahe an 3000 Shopekepers aus London, welche den Besuch der Pariser heldenmüthigen Bürgerwehr nach der Junischlacht (im Septbr.) erwidern.</p>
          <p>&#x2014; Changarnier hat seine Entlassung nicht gegeben. Bonaparte und Barrot halten ihn für unentbehrlich. Changarnier dankt der &#x201E;Patrie&#x201C; für ihren guten Willen und erklärt, den Ertrag jeder Collekte zurückzuweisen.</p>
          <p>Diese Großmüthigkeit ist Veranlassung zur Erfindung folgender Anekdote.</p>
          <p>Als Ledru-Rollin seinen Vorschlag, die 50,000 fr. betr. durchgesetzt sah, äußerte er zu Changarnier, der in der Kammer dicht neben ihm sitzt: Mein lieber Changarnier, in Finanzangelegenheiten darf man auch seine besten Freunde nicht schonen. Worauf Changarnier geantwortet haben soll: Sehr richtig. Aber kommen Sie und die Ihrigen nur hinab in die Straßen; ich werde Euch auch umsonst (gratis) gehörig bürsten.&#x201C;</p>
          <p>&#x2014; Die Nationalversammlung zählt in diesem Augenblicke 9 Cholerafälle. Diese Herren verdauen zu schlecht oder strengen ihre Nerven zu sehr an. Von Mittags bis 6 Uhr in der Sitzung, von 6 bis 8 Uhr beim Diner und von 8 bis Mitternacht im Theater&#x2025;&#x2026; Das ist in der That des Guten zu viel gethan.</p>
          <p>&#x2014; Ein Morgenblatt will wissen: Gioberti bleibe in Paris an der Stelle des bisherigen sardinischen Gesandten Russini.</p>
          <p>Dieses Morgenblatt ist die &#x201E;Ere Nouvelle&#x201C;, welche aus Lacordaire's Händen in die Hände Larochejacquelein's übergegangen ist, der den süßen Lamartine'schen De la Guerroniere (vermeintlichen Sozialisten) als Hauptredakteur vorschob.</p>
          <p>&#x2014; Am Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung trug Wolowski darauf an, daß man den Gesetzentwurf wegen der Majorate erledige. (Man lachte.) Lachen Sie nicht, meine Herren, setzte Wolowski hinzu, ich weiß, daß seit vierzehn Tagen neue Majorate gestiftet worden sind, Majorate unter der Republik! &#x2014; nagelneue Erfindung.</p>
          <p>&#x2014; &#x201E;Peuple&#x201C; enthält heute folgenden Artikel:</p>
          <p>Einer der Vertrauten des Elysée National erzählt uns folgende Anekdote, von der wir recht herzlich wünschen, daß sie der Moniteur widerlege: Die telegraphischen Depeschen, welche die Niederlage der Piemontesen anzeigten, wurden am Mittwoch 28. März, Mittags (12 Uhr), in die Hände des Präsidenten der Republik gelegt. Bonaparte ließ unmittelbar den Herrn Achilles Fould in das Elysée rufen. Ihre Unterredung dauerte nicht lange. Gleich nach Eröffnung der Börse machte das Haus Fould bedeutende Einkäufe in öffentlichen Fonds und spekulirte à la hausse. Es hat enorme Benefizien realisirt, die es mit den Compèren theilte, die mit ihm für diese Spekulation assoziirt sind. Die Depeschen selbst wurden erst um 2 Uhr veröffentlicht.&#x201C;</p>
          <p>Wie man sagt, macht die Rebillotsche Polizei so eben auf die wenigen Exemplare des &#x201E;Peuple&#x201C; Jagd, die noch an den Straßenecken übrig bleiben. Die Ernte soll sehr mager ausfallen.</p>
          <p>&#x2014; Karl Albert ist <hi rendition="#g">nicht</hi> in Paris, sondern in Spanien.</p>
          <p>Laut Briefen aus Bayonne vom 2. April passirte Karl Albert jene Stadt an diesem Tage.</p>
          <p>&#x2014; Man kann selbst dem großen Moniteur nicht mehr aufs Wort glauben! Gestern meldete er, daß Peuple weggenommen worden sei, weil er behauptet, daß eine fürchterliche Schuldenlast den Präsidenten Bonaparte erdrücke.</p>
          <p>Heute zeigt Peuple an, daß es <hi rendition="#g">nicht</hi> weggenommen worden sei. Der Moniteur irre sich!! &#x201E;Dennoch sagt er, wollen wir die Notiz im Faucherschen &#x201E;Moniteur&#x201C; als den Vorläufer eines zehnten Preßprozesses betrachten.&#x201C;</p>
          <p>Dann knüpft er eine Protestation gegen die ministerielle Rechtstheorie daran stets für den Präsidenten zu klagen, statt den Präsidenten selbst klagen zu lassen. Der Präsident als &#x201E;erster Beamter&#x201C; der Republik, habe nicht mehr Recht als der zweite, dritte oder letzte Beamte (Galeerenwächter) der Republik.</p>
          <p>&#x2014; <hi rendition="#g">National-Versammlung.</hi> Sitzung vom 5 April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.</p>
          <p>Nach Vortrag des Protokolls vertieft Marrast zwei Briefe, welche ihm den Tod Fayet's, des Bischofs von Orleans und Culman's (Elsaß) anzeigen. (Sensation.)</p>
          <p>Das Gerucht geht, auch Ballon, ein alter Centrier, sei an der Cholera gestorben Ein allgemeines Angstfieber durchzieht die Bänke.</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> zieht 2 Deputationen durchs Loos, um den Begräbnissen beizuwohnen.</p>
          <p>Marrast: Ich erhalte ferner 2 Briefe, die mir das plötzliche Erkranken zweier anderer Deputirten: Payer und Laumondais anzeigen und um Urlaub bitten. (Die Angst verräth sich immer deutlicher. Mehrere Glieder verlassen den Saal.)</p>
          <p>Unter diesem peinlichen Eindrucke schreitet die Versammlung zur Tagesordnung. (Büdget des Ministeriums des Auswärtigen.)</p>
          <p>Kapitel 1, (405,000 Frk. Personalgehalte der Centralverwaltung.)</p>
          <p>Die Kommission beantragt, eine Ersparniß von 36,000 Frk., vom 1. Januar 1850 an.</p>
          <p><hi rendition="#g">Corne,</hi> Berichterstatter, unterstützt die Ersparniß.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fallour,</hi> Unterrichtsminister, bekämpft sie.</p>
          <p>
            <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>
          </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1506/0004] [Deutschland] _ * Preßburg, 31. März. Gestern wurde Joseph Barta, 32 Jahre alt, verheirathet, früher Komitats-Hayduk, zuletzt Honved-Feldwebel bei der Simony'schen Freischaar, wegen Theilnahme am bewaffneten Aufruhr, zum Strange verurtheilt, durch gnädigste Milderung mit Pulver und Blei hingerichtet. * Ofen, 28. März. Kohn und Grünecke (2 Israeliten) und Brunner, Spielwaarenhändler zu Pesth, sind wegen „versuchter Lieferung von Monturs- und Rüstungssorten an die Rebellen“ zum Strange, und ein dritter Israelit, Spitzer, wegen Betheiligung an diesem Versuch, zu 8jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen verurtheilt, durch die Standrechtsbestie Windischgrätz aber Kohn zu 12-, Brunner zu 8jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigt, das Urtel in Betreff Spitzer's dagegen pure bestätigt worden. Außerdem hat jede der Judengemeinden, denen die einzelnen der 3 gedachten Israeliten angehören, dem Herrn Windischgrätz 20,000 Fl. K.-M. als Strafe, daß unter ihnen so schreckliche Verbrecher sich aufgehalten, bald und unweigerlich zu entrichten. Französische Republik. 12 Paris, 4. April. Changarnier und Faucher! Wer hätte je gedacht, daß diese beiden Namen zusammen kommen könnten? Dieser Faucher, der bei den Journalisten allgemein als der Lückenfüller bekannt war, weil er, bei Ermangelung des Stoffs, seine langen Papier-Rollen zusammengetragenen Zeugs zu 10 Sous die Linie lieferte, — dieser Mann, der aus Verzweiflung sich auf ökonomische Literatur geworfen, weil alle andere literarischen Branchen überfüllt waren, und der als reiner Politiker mitleidslos zurückgewiesen worden, dieser Literat, der sich glücklich geschätzt haben würde, wenn er an einer Universität eine fixe Professor- oder Bibliothekar-Stelle hatte erhalten können — dieser verfehlte Professor ist Minister bei Napoleon, dem fehlgeschlagenen Kaiser, neben Barrot dem fünften Rad am Wagen eines Königs, und verleiht dem Changarnier die einzige wahre Macht im Staate, die größte Macht, weit größer als die Napoleon's, weil diese Macht unabhängig vom Kriegsministerium, diktatorisch gebraucht werden kann, zu jeder Stunde, bei jeder Gelegenheit — die Macht eines obersten Commandanten über die Nationalgarde und die Linientruppen von ganz Paris. Und als wenn es nicht genug wäre mit dieser Macht, will der romantische Schriftsteller der Oekonomie seinen Helden, der Fleisch und Blut gewonnen, auch äußerlich reich ausstatten, und oktroyirt ihm außer seinem gewöhnlichen Gehalt eines obersten Generals noch 50,000 Fr. als Kommandant der Bürgergarde. In der Konstitution heißt es, diese beiden Stellen sind unvereinbar! Was kummert das einen Faucher? Handelt es sich nicht darum, das Vaterland zu retten, das Faucher jeden Augenblick in Gefahr sieht, und jeden Augenblick auf's Neue rettet? Und dann ist das ja eine bloß temporäre Maßregel, eben so temporär, wie Hr. Faucher selbst, obgleich im Grunde der temporäre Changarnier dazu dienen soll, den temporären Faucher zu verewigen, auf ewige Zeiten an das Ministerium anzunageln. Die Frage kam heute in der Kammer zur Erörterung bei Gelegenheit der Finanzregel, also als bloße Büdgetfrage. Ledru-Rollin nahm das Wort, und schleuderte dem Herrn Faucher die 50,000 Fr. an den Kopf: das ist die einzige Manier, einen Mann wie Faucher zu behandeln, der alle Menschen vor den Kopf stößt. Das Mittel ist dem Herrn Ledru-Rollin geglückt, und die Bourgeoiskammer hat richtig dem Hrn. Changarnier die 50,000 Fr. gestrichen. Auf der Stelle gingen die Bourgeois von der Börse hin und eröffneten für Changarnier eine Subscription. Das Wesentliche für die Börse war, daß Changarnier seine Macht behält. Changarnier ist für die Börse ebenso unentbehrlich, wie es Cavaignac war. Und da die Kammer, indem sie ihm die 50,000 Fr. strich, die Kommandantenstelle gelassen hatte, so beeilte sich die Börse, den Fehler der Kammer so schnell als möglich wieder gut zu machen. Die Patrie, die im vertrautesten Einverständniß mit dem Ministerium lebt, kündigt uns in pompösen Ausdrücken an, daß in einem Nu die 50,000 Fr. jährlichen Gehalts für Changarnier gesammelt waren. Die Börse ist vielvermögend, wenn es sich darum handelt, ihre persönlichen Interessen zu schützen. Das Wahlcomité der Rue Poitiers ist ein Wahlcomité der Börse: Fould und Rothschild sind die natürlichen Protektoren desselben; und jeden Tag sammelt dieses Comité über 50,000 Frs., die im Interesse der Wahlen verwandt werden sollen. Es ist ein Fortschritt, wenn die Börse direkt ihre Beamten besoldet. So hat sie Louis Bonaparte an sich gekauft, so jetzt Changarnier öffentlich proklamirt als den General der Börse. Zu Bourges saßen die Geschwornen und Richter der Börse. Bald wird jeder Beamte doppelte Buchhandlung führen, so viel Gehalt von der Regierung, so viel Zuschuß von der Börse. # Paris, 5. April. Das Program der demokratisch-socialen Presse lautet: Vorbemerkung. Die Republik und die ganze Gesellschaft sind in Gefahr. Eine unverbesserliche Fraktion träumt die Ruckkehr der Monarchie; sie weiß, daß in kurzer Zeit die regelmäßige Entwickelung des demokratischen Prinzips hinreichen wurde, um von Grund aus die Mißbräuche und die Privilegien auszurotten. Gegenüber gehässigen Verlaumdungen, wodurch man sich bemüht, die Bevölkerung über die Vergangenheit und die Tendenzen der Demokratie zu täuschen, fuhlten die Organe der demokratisch-socialen Presse die Nothwendigkeit, sich zu vereinen, um die treulosen Feinde des Volkes wirksamer zu bekämpfen. Der Augenblick erheischt um so mehr diese Allianz, als die Privilegirten aller Regime sich verbündet haben in einem gemeinsamen Gedanken gegen die Revolution, so ihre verbrecherischen Hoffnungen offen zur Schau tragend. Bei den nächsten Wahlen würde das allgemeine Wahlrecht selbst, erobert durch die Republik, unter den Händen der Royalisten zur Waffe gegen die Republik selbst werden, wenn die Demokraten sich nicht beeilten, sie zu enthüllen. Man klagt die socialistischen Republikaner an, die Familie, das Eigenthum zerstören zu wollen. Die, welche die Vortheile des Eigenthums und die Freuden der Familie allen zugänglich machen wollen, greifen weder die Familie noch das Eigenthum an. Jene dagegen, welche sie zum Privilegium einer kleinen Zahl Auserwählter machen und die Exploitation der Arbeiter aufrecht erhalten wollen, sind die wahren Feinde der Familie und des Eigenthums. Die Organe der demokratischen und socialen Presse, indem jedes derselben in seiner Sphäre seine Unabhängigkeit und seine Individualität behauptet, haben sich in einer Kommission, die sich mit ahnlichen Komité's derselben Richtung in ganz Frankreich in Verbindung setzen wird, über folgende Punkte geeinigt: Programm. Energische Vertheidigung der republikanischen Form und des direkten allgemeinen Wahlrechts, Aufrechterhaltung und Entwicklung der Konstitution im demokratischen Sinn, Einheit der Gewalt, formelle Unterordnung der vollziehenden Gewalt unter die Nationalversammlung, wirkliche Preßfreiheit, Abschaffung der Kautionen und der Privilegien der Druckereien, Unverletzlichkeit des Vereins- und Associationsrechts, Recht auf Arbeit, Versorgungsanstalten für Kranke und Greise, gemeinschaftliche, unentgeldliche Erziehung, die zugleich obligatorisch und erschöpfend sein wird den verschiedenen Anlagen entsprechend; von heute an Ausdehnung des Primärunterrichts auf einer breiten Grundlage, bessere Besoldung und Stellung der Volkslehrer; Administrative und gerichtliche Reform, Vereinfachung des Räderwerks in der Administration und der Formalitäten in der Rechtspflege; demokratische Organisation des öffentlichen Dienstes, Bedingungen der Zulässigkeit, Garantieen der Befähigung, Unabhängigkeit des Beamten außerhalb seines Amtes. Revision der Gesetzbücher. Wirklich unentgeldliche Rechtspflege. Abschaffung der Zwangshaft für Schulden. Abschaffung der Todesstrafe in Kriminalsachen. Demokratische Reorganisation des Land- und Seeheers. Revision der Militärgesetze. Verbesserung des Lohns der Soldaten und der Unteroffiziere. Abschaffung der Conscription. Finanzreform. Demokratische Organisation des Credits für Ackerbau, Industrie und Handel. Centralisation und Ausbeutung der Assekuranzen, der Bank, der Eisenbahnen, Kanälen, aller Kommunikationswege und Minen im allgemein gesellschaftlichen Interesse. Reform des Hypothekenwesens. Abschaffung des Wuchers. Verminderung des Büdgets und billige Vertheilung der Steuerlasten. Abschaffung der Salz- und Getränkesteuer, der Naturalleistungen, der Octrois; Revision der Zollgesetze; Verwerthung der unbebauten Ländereien, großes System der Bewässerung und Holzzucht; Schöpfung von Entrepôts und Nationalbazars; Ermuthigung zu Agrikultur- und Industrieassociationen; Ackerbaukolonieen im Inland und den Kolonieen; Vermehrung des öffentlichen Reichthums durch Association der Hauptelemente der Production; Anerkennung der Nationalitäten, Allianz der Völker und Befreiung der unterdrückten Völker. Unterzeichnet ist dies Programm von der Reform, der Republik, dem Peuple, der Revolution demokratique et social, dem Populaire, der Travail affranchie und der Democratie pacifique. — Die Cholera wüthet unter den Deputirten. Von 9 Erkrankten wurde heute der Tod von Dreien gemeldet, darunter auch Fayet, Bischof von Orleans, den wir gestern vergebens wieder aufstehen ließen. unter denen, die den alten Voltairianer am Sterbebette besuchten, erwähnt man auch Coquerel, den Bischof der Protestanten. Als der Sterbende denselben eintreten sah, soll er gerufen haben: M. Coquerel hélas! je crains bien que nous ne puissions nous revoir dans l'autre monde! Die drei Deputirten heißen: Fayet, Culmann (Elsaß) und Ballon. — Die Nationalversammlung diskutirt heute das Büdget des Ministeriums des Auswärtigen. Bei dieser Gelegenheit sehen wir den Kampf der Voltairianer und Jesuiten wieder erwachen. — Morgen erwarten wir nahe an 3000 Shopekepers aus London, welche den Besuch der Pariser heldenmüthigen Bürgerwehr nach der Junischlacht (im Septbr.) erwidern. — Changarnier hat seine Entlassung nicht gegeben. Bonaparte und Barrot halten ihn für unentbehrlich. Changarnier dankt der „Patrie“ für ihren guten Willen und erklärt, den Ertrag jeder Collekte zurückzuweisen. Diese Großmüthigkeit ist Veranlassung zur Erfindung folgender Anekdote. Als Ledru-Rollin seinen Vorschlag, die 50,000 fr. betr. durchgesetzt sah, äußerte er zu Changarnier, der in der Kammer dicht neben ihm sitzt: Mein lieber Changarnier, in Finanzangelegenheiten darf man auch seine besten Freunde nicht schonen. Worauf Changarnier geantwortet haben soll: Sehr richtig. Aber kommen Sie und die Ihrigen nur hinab in die Straßen; ich werde Euch auch umsonst (gratis) gehörig bürsten.“ — Die Nationalversammlung zählt in diesem Augenblicke 9 Cholerafälle. Diese Herren verdauen zu schlecht oder strengen ihre Nerven zu sehr an. Von Mittags bis 6 Uhr in der Sitzung, von 6 bis 8 Uhr beim Diner und von 8 bis Mitternacht im Theater‥… Das ist in der That des Guten zu viel gethan. — Ein Morgenblatt will wissen: Gioberti bleibe in Paris an der Stelle des bisherigen sardinischen Gesandten Russini. Dieses Morgenblatt ist die „Ere Nouvelle“, welche aus Lacordaire's Händen in die Hände Larochejacquelein's übergegangen ist, der den süßen Lamartine'schen De la Guerroniere (vermeintlichen Sozialisten) als Hauptredakteur vorschob. — Am Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung trug Wolowski darauf an, daß man den Gesetzentwurf wegen der Majorate erledige. (Man lachte.) Lachen Sie nicht, meine Herren, setzte Wolowski hinzu, ich weiß, daß seit vierzehn Tagen neue Majorate gestiftet worden sind, Majorate unter der Republik! — nagelneue Erfindung. — „Peuple“ enthält heute folgenden Artikel: Einer der Vertrauten des Elysée National erzählt uns folgende Anekdote, von der wir recht herzlich wünschen, daß sie der Moniteur widerlege: Die telegraphischen Depeschen, welche die Niederlage der Piemontesen anzeigten, wurden am Mittwoch 28. März, Mittags (12 Uhr), in die Hände des Präsidenten der Republik gelegt. Bonaparte ließ unmittelbar den Herrn Achilles Fould in das Elysée rufen. Ihre Unterredung dauerte nicht lange. Gleich nach Eröffnung der Börse machte das Haus Fould bedeutende Einkäufe in öffentlichen Fonds und spekulirte à la hausse. Es hat enorme Benefizien realisirt, die es mit den Compèren theilte, die mit ihm für diese Spekulation assoziirt sind. Die Depeschen selbst wurden erst um 2 Uhr veröffentlicht.“ Wie man sagt, macht die Rebillotsche Polizei so eben auf die wenigen Exemplare des „Peuple“ Jagd, die noch an den Straßenecken übrig bleiben. Die Ernte soll sehr mager ausfallen. — Karl Albert ist nicht in Paris, sondern in Spanien. Laut Briefen aus Bayonne vom 2. April passirte Karl Albert jene Stadt an diesem Tage. — Man kann selbst dem großen Moniteur nicht mehr aufs Wort glauben! Gestern meldete er, daß Peuple weggenommen worden sei, weil er behauptet, daß eine fürchterliche Schuldenlast den Präsidenten Bonaparte erdrücke. Heute zeigt Peuple an, daß es nicht weggenommen worden sei. Der Moniteur irre sich!! „Dennoch sagt er, wollen wir die Notiz im Faucherschen „Moniteur“ als den Vorläufer eines zehnten Preßprozesses betrachten.“ Dann knüpft er eine Protestation gegen die ministerielle Rechtstheorie daran stets für den Präsidenten zu klagen, statt den Präsidenten selbst klagen zu lassen. Der Präsident als „erster Beamter“ der Republik, habe nicht mehr Recht als der zweite, dritte oder letzte Beamte (Galeerenwächter) der Republik. — National-Versammlung. Sitzung vom 5 April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Nach Vortrag des Protokolls vertieft Marrast zwei Briefe, welche ihm den Tod Fayet's, des Bischofs von Orleans und Culman's (Elsaß) anzeigen. (Sensation.) Das Gerucht geht, auch Ballon, ein alter Centrier, sei an der Cholera gestorben Ein allgemeines Angstfieber durchzieht die Bänke. Marrast zieht 2 Deputationen durchs Loos, um den Begräbnissen beizuwohnen. Marrast: Ich erhalte ferner 2 Briefe, die mir das plötzliche Erkranken zweier anderer Deputirten: Payer und Laumondais anzeigen und um Urlaub bitten. (Die Angst verräth sich immer deutlicher. Mehrere Glieder verlassen den Saal.) Unter diesem peinlichen Eindrucke schreitet die Versammlung zur Tagesordnung. (Büdget des Ministeriums des Auswärtigen.) Kapitel 1, (405,000 Frk. Personalgehalte der Centralverwaltung.) Die Kommission beantragt, eine Ersparniß von 36,000 Frk., vom 1. Januar 1850 an. Corne, Berichterstatter, unterstützt die Ersparniß. Fallour, Unterrichtsminister, bekämpft sie. Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 267. Köln, 8. April 1849, S. 1506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz267i_1849/4>, abgerufen am 04.05.2024.