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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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mirable Mann sich mit dem Stimm-Hammer
weg- (nicht zu) geschlagen, und die Stadt
hält es bei so vielen Saiten, die er unter sich
hatte, mehr für ein Wunder als für einen Bok"
sagt' ich, um ihn für deine künftige Nachricht
davon auszurüsten mit dem lindesten Herzen
von der Welt. Es wollte ihm aber schwer ein,
das Herz; und er schimpfte auf deinen Kopf. "Er
erlebe wenig Freude an seinen Söhnen -- be¬
schloß er -- und der Teufel könne die Spizbuben
holen, wenn er wolle." Ich schickte den Bauer
ganz kurz und hochtönig fort, da er zu vergessen
anfieng, daß seine Zwillinge meine Achtung in
einigem Grade besäßen.

Abends -- als ich auf der schönsten Höhe
des Zablockischen Garten lag, und für uns eine
Satire über den Adel entwarf und dabei der un¬
tergehenden Sonne ins große Engels-Auge sah,
die ein lumpiges Dörfgen eben so gut als ihren
Hof von Welten anschauet, und als über mir
auf den leichten rothen Wölkgen manche Bilder
des Lebens dahin schiften, da erklang plözlich
eine köstliche kunstgerechte Singstimme, die mich

mirable Mann ſich mit dem Stimm-Hammer
weg- (nicht zu) geſchlagen, und die Stadt
haͤlt es bei ſo vielen Saiten, die er unter ſich
hatte, mehr fuͤr ein Wunder als fuͤr einen Bok“
ſagt' ich, um ihn fuͤr deine kuͤnftige Nachricht
davon auszuruͤſten mit dem lindeſten Herzen
von der Welt. Es wollte ihm aber ſchwer ein,
das Herz; und er ſchimpfte auf deinen Kopf. „Er
erlebe wenig Freude an ſeinen Soͤhnen — be¬
ſchloß er — und der Teufel koͤnne die Spizbuben
holen, wenn er wolle.“ Ich ſchickte den Bauer
ganz kurz und hochtoͤnig fort, da er zu vergeſſen
anfieng, daß ſeine Zwillinge meine Achtung in
einigem Grade beſaͤßen.

Abends — als ich auf der ſchoͤnſten Hoͤhe
des Zablockiſchen Garten lag, und fuͤr uns eine
Satire uͤber den Adel entwarf und dabei der un¬
tergehenden Sonne ins große Engels-Auge ſah,
die ein lumpiges Doͤrfgen eben ſo gut als ihren
Hof von Welten anſchauet, und als uͤber mir
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[170/0178] mirable Mann ſich mit dem Stimm-Hammer weg- (nicht zu) geſchlagen, und die Stadt haͤlt es bei ſo vielen Saiten, die er unter ſich hatte, mehr fuͤr ein Wunder als fuͤr einen Bok“ ſagt' ich, um ihn fuͤr deine kuͤnftige Nachricht davon auszuruͤſten mit dem lindeſten Herzen von der Welt. Es wollte ihm aber ſchwer ein, das Herz; und er ſchimpfte auf deinen Kopf. „Er erlebe wenig Freude an ſeinen Soͤhnen — be¬ ſchloß er — und der Teufel koͤnne die Spizbuben holen, wenn er wolle.“ Ich ſchickte den Bauer ganz kurz und hochtoͤnig fort, da er zu vergeſſen anfieng, daß ſeine Zwillinge meine Achtung in einigem Grade beſaͤßen. Abends — als ich auf der ſchoͤnſten Hoͤhe des Zablockiſchen Garten lag, und fuͤr uns eine Satire uͤber den Adel entwarf und dabei der un¬ tergehenden Sonne ins große Engels-Auge ſah, die ein lumpiges Doͤrfgen eben ſo gut als ihren Hof von Welten anſchauet, und als uͤber mir auf den leichten rothen Woͤlkgen manche Bilder des Lebens dahin ſchiften, da erklang ploͤzlich eine koͤſtliche kunſtgerechte Singſtimme, die mich

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/178>, abgerufen am 01.11.2024.