In der Nacht schrieb Theoda an ihre Freundin: "Vor Verdruß mag ich Dir vom dummen Heute gar nichts erzählen, das ohne Menschenverstand bleibt bis morgen früh, wenn wir in Maul- bronn einfahren. Denke, wir nachtlagern noch drey Stunden davon. Himmel, wie könnt' ich morgen dort aufwachen, und meinem Kopf aus dem Fenster stecken in die Aurora und in Alles hinein! Aber dieses Feindschafts-Stückchen hab' ich bloß dem Freundschafts-Stückchen zu dan- ken, daß Hr. v. Nieß nach mir etwas fragt, ob ich ihm gleich meine Person und Seele so komisch geschildert habe, daß er selber lachen mußte. Aber sieh', so kann eine Mädchenseele dem Män- ner-Poltergeist auch nicht unter einem Kutschen- himmel nahe kommen, ohne wund gezwickt zu werden. Gib dem Teufel ein Haar, so bist Du
20. Summula. Zweyten Tages Buch.
In der Nacht ſchrieb Theoda an ihre Freundin: „Vor Verdruß mag ich Dir vom dummen Heute gar nichts erzaͤhlen, das ohne Menſchenverſtand bleibt bis morgen fruͤh, wenn wir in Maul- bronn einfahren. Denke, wir nachtlagern noch drey Stunden davon. Himmel, wie koͤnnt’ ich morgen dort aufwachen, und meinem Kopf aus dem Fenſter ſtecken in die Aurora und in Alles hinein! Aber dieſes Feindſchafts-Stuͤckchen hab’ ich bloß dem Freundſchafts-Stuͤckchen zu dan- ken, daß Hr. v. Nieß nach mir etwas fragt, ob ich ihm gleich meine Perſon und Seele ſo komiſch geſchildert habe, daß er ſelber lachen mußte. Aber ſieh’, ſo kann eine Maͤdchenſeele dem Maͤn- ner-Poltergeiſt auch nicht unter einem Kutſchen- himmel nahe kommen, ohne wund gezwickt zu werden. Gib dem Teufel ein Haar, ſo biſt Du
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20. Summula.
Zweyten Tages Buch.
In der Nacht ſchrieb Theoda an ihre Freundin:
„Vor Verdruß mag ich Dir vom dummen Heute
gar nichts erzaͤhlen, das ohne Menſchenverſtand
bleibt bis morgen fruͤh, wenn wir in Maul-
bronn einfahren. Denke, wir nachtlagern noch
drey Stunden davon. Himmel, wie koͤnnt’ ich
morgen dort aufwachen, und meinem Kopf aus
dem Fenſter ſtecken in die Aurora und in Alles
hinein! Aber dieſes Feindſchafts-Stuͤckchen hab’
ich bloß dem Freundſchafts-Stuͤckchen zu dan-
ken, daß Hr. v. Nieß nach mir etwas fragt, ob
ich ihm gleich meine Perſon und Seele ſo komiſch
geſchildert habe, daß er ſelber lachen mußte.
Aber ſieh’, ſo kann eine Maͤdchenſeele dem Maͤn-
ner-Poltergeiſt auch nicht unter einem Kutſchen-
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/135>, abgerufen am 26.04.2024.
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