aber etwas anderes als Sinnen, man geb' uns tausend neue; der Lebensfaden bleibt doch auf dieselbe Weise leer-verglimmend, der leichte Punkt des Augenblicks lodert an ihm hinauf, und der lebendige Funke läuft zwischen dünner Asche und leerer weißer Zukunft. Die Zeit ist ein Augenblick, unser Erden-Seyn wie unser Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Au- genblick. Unser Sehnen wird uns für dessen Gegenstand, so wie der wirkliche Durst im Traum für sein wirkliches Löschen im Wachen Bürge, so oft auch der Traum mit ge- träumtem Trinken hinhalte. Ja diese Aehn- lichkeit wird Gleichheit; denn gerade dann, wann dieses Leben am reichsten austheilt z. B. in der Jugend und wie eine Sonne uns mit Morgenroth und Mittagslichtern und Mond- schein blendet, gerade dann, wenn das Leben unsere höchsten Wünsche ausfüllt, da erscheint das fremde Sehnen am stärksten, und nur um ein ebenes Paradies des Erdbodens wölbt sich der tiefe gestirnte Himmel der Sehnsucht am größten. Woher das sogar bey den geistigsten
aber etwas anderes als Sinnen, man geb’ uns tauſend neue; der Lebensfaden bleibt doch auf dieſelbe Weiſe leer-verglimmend, der leichte Punkt des Augenblicks lodert an ihm hinauf, und der lebendige Funke laͤuft zwiſchen duͤnner Aſche und leerer weißer Zukunft. Die Zeit iſt ein Augenblick, unſer Erden-Seyn wie unſer Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Au- genblick. Unſer Sehnen wird uns fuͤr deſſen Gegenſtand, ſo wie der wirkliche Durſt im Traum fuͤr ſein wirkliches Loͤſchen im Wachen Buͤrge, ſo oft auch der Traum mit ge- träumtem Trinken hinhalte. Ja dieſe Aehn- lichkeit wird Gleichheit; denn gerade dann, wann dieſes Leben am reichſten austheilt z. B. in der Jugend und wie eine Sonne uns mit Morgenroth und Mittagslichtern und Mond- ſchein blendet, gerade dann, wenn das Leben unſere hoͤchſten Wuͤnſche ausfuͤllt, da erſcheint das fremde Sehnen am ſtaͤrkſten, und nur um ein ebenes Paradies des Erdbodens woͤlbt ſich der tiefe geſtirnte Himmel der Sehnſucht am groͤßten. Woher das ſogar bey den geiſtigſten
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aber etwas anderes als Sinnen, man geb’ uns
tauſend neue; der Lebensfaden bleibt doch auf
dieſelbe Weiſe leer-verglimmend, der leichte
Punkt des Augenblicks lodert an ihm hinauf,
und der lebendige Funke laͤuft zwiſchen duͤnner
Aſche und leerer weißer Zukunft. Die Zeit iſt
ein Augenblick, unſer Erden-Seyn wie unſer
Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Au-
genblick. Unſer Sehnen wird uns fuͤr deſſen
Gegenſtand, ſo wie der wirkliche Durſt im
Traum fuͤr ſein wirkliches Loͤſchen im Wachen
Buͤrge, ſo oft auch der Traum mit ge-
träumtem Trinken hinhalte. Ja dieſe Aehn-
lichkeit wird Gleichheit; denn gerade dann,
wann dieſes Leben am reichſten austheilt
z. B. in der Jugend und wie eine Sonne uns
mit Morgenroth und Mittagslichtern und Mond-
ſchein blendet, gerade dann, wenn das Leben
unſere hoͤchſten Wuͤnſche ausfuͤllt, da erſcheint
das fremde Sehnen am ſtaͤrkſten, und nur um
ein ebenes Paradies des Erdbodens woͤlbt ſich
der tiefe geſtirnte Himmel der Sehnſucht am
groͤßten. Woher das ſogar bey den geiſtigſten
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/267>, abgerufen am 29.04.2024.
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