bürgerlichen Sachen von aller Appellation an die Reichsgerichte befreyet? (r) Hat nun damit den- noch die bisherige Reichsverfassung bestehen kön- nen, so wird dieselbe auch darunter nicht leiden, wenn gleich von protestantischen Consistorien so we- nig als von bischöflichen oder anderen catholischen geistlichen Gerichten Appellationen an die Reichs- gerichte zugelaßen worden.
Aber wie wenn nun vollends über Nichtigkei-XV. ten Klage geführt wird? (wie eben in obiger Rechtssache der Fall war, daß der Pfarrer Hell- mund klagte, es seyen Nullitäten in seiner Sache begangen worden.) Da scheint eine große Analo- gie aus anderen Reichsgesetzen einzutreten. Wenn gleich in peinlichen Sachen keine Appellation an die Reichsgerichte zugelaßen wird; so ist doch diesen nicht verwehrt, auch in peinlichen Sachen, wenn sich jemand beschweret, daß null und nichtig mit ihm verfahren sey, Nullitätsklagen anzunehmen (s). Also scheint das auch in protestantischen geistlichen Sachen nicht unrecht zu seyn; zumal da es im Ge- gentheile hart zu seyn scheint, irgend jemanden, der sich über ein null und nichtiges Verfahren zu beschweren hat, ungehört und hülflos zu laßen.
Allein man muß wohl bemerken, daß unsereXVI. evangelische Reichsstände, sofern sie die geistliche Gerichtbarkeit über ihre Unterthanen ausüben, völ- lig in eben der Lage sind, wie catholische geistliche
Reichs-
(r) Oben S. 222.
(s) Cammergerichtsordnung 1555. Th. 2. Tit. 28. §. 5., Concept der C. G. O. Th. 2. Tit. 31. §. 14.
5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach.
buͤrgerlichen Sachen von aller Appellation an die Reichsgerichte befreyet? (r) Hat nun damit den- noch die bisherige Reichsverfaſſung beſtehen koͤn- nen, ſo wird dieſelbe auch darunter nicht leiden, wenn gleich von proteſtantiſchen Conſiſtorien ſo we- nig als von biſchoͤflichen oder anderen catholiſchen geiſtlichen Gerichten Appellationen an die Reichs- gerichte zugelaßen worden.
Aber wie wenn nun vollends uͤber Nichtigkei-XV. ten Klage gefuͤhrt wird? (wie eben in obiger Rechtsſache der Fall war, daß der Pfarrer Hell- mund klagte, es ſeyen Nullitaͤten in ſeiner Sache begangen worden.) Da ſcheint eine große Analo- gie aus anderen Reichsgeſetzen einzutreten. Wenn gleich in peinlichen Sachen keine Appellation an die Reichsgerichte zugelaßen wird; ſo iſt doch dieſen nicht verwehrt, auch in peinlichen Sachen, wenn ſich jemand beſchweret, daß null und nichtig mit ihm verfahren ſey, Nullitaͤtsklagen anzunehmen (s). Alſo ſcheint das auch in proteſtantiſchen geiſtlichen Sachen nicht unrecht zu ſeyn; zumal da es im Ge- gentheile hart zu ſeyn ſcheint, irgend jemanden, der ſich uͤber ein null und nichtiges Verfahren zu beſchweren hat, ungehoͤrt und huͤlflos zu laßen.
Allein man muß wohl bemerken, daß unſereXVI. evangeliſche Reichsſtaͤnde, ſofern ſie die geiſtliche Gerichtbarkeit uͤber ihre Unterthanen ausuͤben, voͤl- lig in eben der Lage ſind, wie catholiſche geiſtliche
Reichs-
(r) Oben S. 222.
(s) Cammergerichtsordnung 1555. Th. 2. Tit. 28. §. 5., Concept der C. G. O. Th. 2. Tit. 31. §. 14.
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5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach.
buͤrgerlichen Sachen von aller Appellation an die
Reichsgerichte befreyet? (r) Hat nun damit den-
noch die bisherige Reichsverfaſſung beſtehen koͤn-
nen, ſo wird dieſelbe auch darunter nicht leiden,
wenn gleich von proteſtantiſchen Conſiſtorien ſo we-
nig als von biſchoͤflichen oder anderen catholiſchen
geiſtlichen Gerichten Appellationen an die Reichs-
gerichte zugelaßen worden.
Aber wie wenn nun vollends uͤber Nichtigkei-
ten Klage gefuͤhrt wird? (wie eben in obiger
Rechtsſache der Fall war, daß der Pfarrer Hell-
mund klagte, es ſeyen Nullitaͤten in ſeiner Sache
begangen worden.) Da ſcheint eine große Analo-
gie aus anderen Reichsgeſetzen einzutreten. Wenn
gleich in peinlichen Sachen keine Appellation an die
Reichsgerichte zugelaßen wird; ſo iſt doch dieſen
nicht verwehrt, auch in peinlichen Sachen, wenn
ſich jemand beſchweret, daß null und nichtig mit
ihm verfahren ſey, Nullitaͤtsklagen anzunehmen (s).
Alſo ſcheint das auch in proteſtantiſchen geiſtlichen
Sachen nicht unrecht zu ſeyn; zumal da es im Ge-
gentheile hart zu ſeyn ſcheint, irgend jemanden,
der ſich uͤber ein null und nichtiges Verfahren zu
beſchweren hat, ungehoͤrt und huͤlflos zu laßen.
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Allein man muß wohl bemerken, daß unſere
evangeliſche Reichsſtaͤnde, ſofern ſie die geiſtliche
Gerichtbarkeit uͤber ihre Unterthanen ausuͤben, voͤl-
lig in eben der Lage ſind, wie catholiſche geiſtliche
Reichs-
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(r) Oben S. 222.
(s) Cammergerichtsordnung 1555. Th. 2. Tit.
28. §. 5., Concept der C. G. O. Th. 2. Tit. 31.
§. 14.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/471>, abgerufen am 18.06.2024.
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