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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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lungsborn bei jedem dritten Schritte ausglitt und
stolperte. "Hm, hm, wenn der Knabe nicht draußen
unter den Todten läge, möchte ich wohl sagen, daß
mir der Raben Bataille über dem Odfelde nicht bloß
zum bösen Zeichen für die künftigen Tage gewiesen
worden sei."

Auch er schüttelte das Haupt und trotz seines
schweren Kummers mußte er lächeln:

"Ei, ei, wie reden wir doch? wie laufen unsere
Gedanken! der Mensch auf Erden kann doch keine Ein¬
bildung in sich verhindern, ob sie schlimm oder gut
sei! ... aber er kann sich fassen und zusammennehmen
in christlicher und heidnischer Weisheit und kann sagen:
Buchius, es kommt für dich Alten nicht mehr darauf
an, wie Du heut' Abend die Stelle findest, allwo Dein
Bette gestanden hat, auf welchem Du nur zu oft in
boshaften Gedanken und ärgerlichen Einbildungen Dich
um und um gewendet hast. Kehre bei Dir selber ein,
Menschenkind, und lege Dich da, wo Du Deine Stätte
zugerichtet findest."

Er fand das Stück von Kloster Amelungsborn, wo
ihm seine Stätte bereitet war, wahrlich ebenfalls sauber
zugerichtet. Wie die wilden Thiere hatten sie auch da
gewirthschaftet, Feind und Freund. Was in den alten
schon so verstörten Auditorien von der alten gelehrten
Herrlichkeit und Würde sich noch bis gestern erhalten hatte,
das war jetzo ganz hin. Das letzte Subsellium, das
letzte Katheder war in Feuer aufgegangen, dem fremden

lungsborn bei jedem dritten Schritte ausglitt und
ſtolperte. „Hm, hm, wenn der Knabe nicht draußen
unter den Todten läge, möchte ich wohl ſagen, daß
mir der Raben Bataille über dem Odfelde nicht bloß
zum böſen Zeichen für die künftigen Tage gewieſen
worden ſei.“

Auch er ſchüttelte das Haupt und trotz ſeines
ſchweren Kummers mußte er lächeln:

„Ei, ei, wie reden wir doch? wie laufen unſere
Gedanken! der Menſch auf Erden kann doch keine Ein¬
bildung in ſich verhindern, ob ſie ſchlimm oder gut
ſei! ... aber er kann ſich faſſen und zuſammennehmen
in chriſtlicher und heidniſcher Weisheit und kann ſagen:
Buchius, es kommt für dich Alten nicht mehr darauf
an, wie Du heut' Abend die Stelle findeſt, allwo Dein
Bette geſtanden hat, auf welchem Du nur zu oft in
boshaften Gedanken und ärgerlichen Einbildungen Dich
um und um gewendet haſt. Kehre bei Dir ſelber ein,
Menſchenkind, und lege Dich da, wo Du Deine Stätte
zugerichtet findeſt.“

Er fand das Stück von Kloſter Amelungsborn, wo
ihm ſeine Stätte bereitet war, wahrlich ebenfalls ſauber
zugerichtet. Wie die wilden Thiere hatten ſie auch da
gewirthſchaftet, Feind und Freund. Was in den alten
ſchon ſo verſtörten Auditorien von der alten gelehrten
Herrlichkeit und Würde ſich noch bis geſtern erhalten hatte,
das war jetzo ganz hin. Das letzte Subſellium, das
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[290/0298] lungsborn bei jedem dritten Schritte ausglitt und ſtolperte. „Hm, hm, wenn der Knabe nicht draußen unter den Todten läge, möchte ich wohl ſagen, daß mir der Raben Bataille über dem Odfelde nicht bloß zum böſen Zeichen für die künftigen Tage gewieſen worden ſei.“ Auch er ſchüttelte das Haupt und trotz ſeines ſchweren Kummers mußte er lächeln: „Ei, ei, wie reden wir doch? wie laufen unſere Gedanken! der Menſch auf Erden kann doch keine Ein¬ bildung in ſich verhindern, ob ſie ſchlimm oder gut ſei! ... aber er kann ſich faſſen und zuſammennehmen in chriſtlicher und heidniſcher Weisheit und kann ſagen: Buchius, es kommt für dich Alten nicht mehr darauf an, wie Du heut' Abend die Stelle findeſt, allwo Dein Bette geſtanden hat, auf welchem Du nur zu oft in boshaften Gedanken und ärgerlichen Einbildungen Dich um und um gewendet haſt. Kehre bei Dir ſelber ein, Menſchenkind, und lege Dich da, wo Du Deine Stätte zugerichtet findeſt.“ Er fand das Stück von Kloſter Amelungsborn, wo ihm ſeine Stätte bereitet war, wahrlich ebenfalls ſauber zugerichtet. Wie die wilden Thiere hatten ſie auch da gewirthſchaftet, Feind und Freund. Was in den alten ſchon ſo verſtörten Auditorien von der alten gelehrten Herrlichkeit und Würde ſich noch bis geſtern erhalten hatte, das war jetzo ganz hin. Das letzte Subſellium, das letzte Katheder war in Feuer aufgegangen, dem fremden

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/298>, abgerufen am 30.04.2024.