und murrte (zum erstenmal in seiner Erzählung machte sich hier so etwas wie ein leises Knurren geltend) und murrte: "Ja, ja, ja! da sie mich zu grüßen hatten, so grüßten sie auch ihn wieder, und der Mensch ist so, Eduard! es machte dem greisen Sünder wirklich Spaß, es machte ihm das höchste Vergnügen, noch einmal seine Zipfelkappe vor der albernen Welt freundlich zum Gegengruß lupfen zu dürfen. Er ist hinübergegangen in der vollen Über- zeugung, unter der Menschheit in integrum restituirt wor[de]n zu sein. Was für eine Ehrenerklärung ihm drüben, droben, vom aller- allerhöchsten Thron und Gerichtssitz zu theil geworden ist, kann ich leider nicht sagen. Und nun -- nun, Tinchen, altes, tapferes Herz, und Du, Eduard, fernster, das heißt entferntest wohnender Freund meiner Jugend, nun werde auch ich ihm sein letztes Recht zu theil werden lassen. Wer weiß, ob der höchste und letzte Richter mich nicht bloß deshal[b] so fett und so gelassen in die hiesige Gegend abgesetzt hat? Was die Gelassenheit anbe- trifft, [so]ll er wirklich den Richtigen an mir gefunden habe[n]. Also, wenn Du nichts dagegen hast, begleite ich Dich nachher ein Stück Weges auf Deiner Rück- fahrt nach Afrika."
"Heinrich?!" rief die Frau, beide Hände zu- sammenschlagend.
"Frau Valentine Schaumann?!" mimte der Gatte ihr den Ton alleräußerster Verwunderung nach.
"Herr Eduard," rief die Frau, "er hat mir Rom, Neapel, Berlin und Paris und dergleichen nicht ge-
und murrte (zum erſtenmal in ſeiner Erzählung machte ſich hier ſo etwas wie ein leiſes Knurren geltend) und murrte: „Ja, ja, ja! da ſie mich zu grüßen hatten, ſo grüßten ſie auch ihn wieder, und der Menſch iſt ſo, Eduard! es machte dem greiſen Sünder wirklich Spaß, es machte ihm das höchſte Vergnügen, noch einmal ſeine Zipfelkappe vor der albernen Welt freundlich zum Gegengruß lupfen zu dürfen. Er iſt hinübergegangen in der vollen Über- zeugung, unter der Menſchheit in integrum reſtituirt wor[de]n zu ſein. Was für eine Ehrenerklärung ihm drüben, droben, vom aller- allerhöchſten Thron und Gerichtsſitz zu theil geworden iſt, kann ich leider nicht ſagen. Und nun — nun, Tinchen, altes, tapferes Herz, und Du, Eduard, fernſter, das heißt entfernteſt wohnender Freund meiner Jugend, nun werde auch ich ihm ſein letztes Recht zu theil werden laſſen. Wer weiß, ob der höchſte und letzte Richter mich nicht bloß deshal[b] ſo fett und ſo gelaſſen in die hieſige Gegend abgeſetzt hat? Was die Gelaſſenheit anbe- trifft, [ſo]ll er wirklich den Richtigen an mir gefunden habe[n]. Alſo, wenn Du nichts dagegen haſt, begleite ich Dich nachher ein Stück Weges auf Deiner Rück- fahrt nach Afrika.“
„Heinrich?!“ rief die Frau, beide Hände zu- ſammenſchlagend.
„Frau Valentine Schaumann?!“ mimte der Gatte ihr den Ton alleräußerſter Verwunderung nach.
„Herr Eduard,“ rief die Frau, „er hat mir Rom, Neapel, Berlin und Paris und dergleichen nicht ge-
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[201/0211]
und murrte (zum erſtenmal in ſeiner Erzählung
machte ſich hier ſo etwas wie ein leiſes Knurren
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grüßen hatten, ſo grüßten ſie auch ihn wieder, und
der Menſch iſt ſo, Eduard! es machte dem greiſen
Sünder wirklich Spaß, es machte ihm das höchſte
Vergnügen, noch einmal ſeine Zipfelkappe vor der
albernen Welt freundlich zum Gegengruß lupfen zu
dürfen. Er iſt hinübergegangen in der vollen Über-
zeugung, unter der Menſchheit in integrum reſtituirt
worden zu ſein. Was für eine Ehrenerklärung ihm
drüben, droben, vom aller- allerhöchſten Thron und
Gerichtsſitz zu theil geworden iſt, kann ich leider nicht
ſagen. Und nun — nun, Tinchen, altes, tapferes
Herz, und Du, Eduard, fernſter, das heißt entfernteſt
wohnender Freund meiner Jugend, nun werde auch
ich ihm ſein letztes Recht zu theil werden laſſen. Wer
weiß, ob der höchſte und letzte Richter mich nicht
bloß deshalb ſo fett und ſo gelaſſen in die hieſige
Gegend abgeſetzt hat? Was die Gelaſſenheit anbe-
trifft, ſoll er wirklich den Richtigen an mir gefunden
haben. Alſo, wenn Du nichts dagegen haſt, begleite
ich Dich nachher ein Stück Weges auf Deiner Rück-
fahrt nach Afrika.“
„Heinrich?!“ rief die Frau, beide Hände zu-
ſammenſchlagend.
„Frau Valentine Schaumann?!“ mimte der
Gatte ihr den Ton alleräußerſter Verwunderung nach.
„Herr Eduard,“ rief die Frau, „er hat mir Rom,
Neapel, Berlin und Paris und dergleichen nicht ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/211>, abgerufen am 10.06.2024.
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