[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Lebenslauf eines Märtyrers. ner Wohnung todt gefunden worden, wo man ver-muthet, daß er vor Frost und Hunger gestorben sey. Sein Körper ward auf die Anatomie ver- kauft, um die nöthigsten Schulden zu bezahlen, und ich glaube, daß sein betrübtes Beyspiel allen denen zur nachdrücklichen Warnung dienen kann, welche sich einbilden, es sey ein großmüthiger Eifer für die Wahrheit, wenn sie ohne Ansehen der Per- son, ohne Freunde und Vorgesetzte zu schonen, das- jenige mit einer unverschämten Stirne andern un- ter die Augen sagen, was ihnen oftmals Eigenliebe, Hochmuth, Undank, und Unvernunft in den Mund legen. Send-
Lebenslauf eines Maͤrtyrers. ner Wohnung todt gefunden worden, wo man ver-muthet, daß er vor Froſt und Hunger geſtorben ſey. Sein Koͤrper ward auf die Anatomie ver- kauft, um die noͤthigſten Schulden zu bezahlen, und ich glaube, daß ſein betruͤbtes Beyſpiel allen denen zur nachdruͤcklichen Warnung dienen kann, welche ſich einbilden, es ſey ein großmuͤthiger Eifer fuͤr die Wahrheit, wenn ſie ohne Anſehen der Per- ſon, ohne Freunde und Vorgeſetzte zu ſchonen, das- jenige mit einer unverſchaͤmten Stirne andern un- ter die Augen ſagen, was ihnen oftmals Eigenliebe, Hochmuth, Undank, und Unvernunft in den Mund legen. Send-
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Lebenslauf eines Maͤrtyrers.
ner Wohnung todt gefunden worden, wo man ver-
muthet, daß er vor Froſt und Hunger geſtorben
ſey. Sein Koͤrper ward auf die Anatomie ver-
kauft, um die noͤthigſten Schulden zu bezahlen,
und ich glaube, daß ſein betruͤbtes Beyſpiel allen
denen zur nachdruͤcklichen Warnung dienen kann,
welche ſich einbilden, es ſey ein großmuͤthiger Eifer
fuͤr die Wahrheit, wenn ſie ohne Anſehen der Per-
ſon, ohne Freunde und Vorgeſetzte zu ſchonen, das-
jenige mit einer unverſchaͤmten Stirne andern un-
ter die Augen ſagen, was ihnen oftmals Eigenliebe,
Hochmuth, Undank, und Unvernunft in den
Mund legen.
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Zitationshilfe: | [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/206>, abgerufen am 16.06.2024. |