züge des Adels an sich gekauft haben. Weil sie den gänzlichen Mangel andrer Verdienste dadurch eingestehen, daß sie diese Würde für Geld erhan- deln; weil sie die Thorheit haben, sich derer zu schämen, die ihnen an Geburt gleich sind, und sich in die Gesellschaft dererjenigen einzudrängen, die sich ihrer schämen müssen: so will ich beiden, ohne Erlegung einiger Taxe, die Erlaubniß zuge- stehen, über diesen ohne alle Verdienste erlangten, und nur durch baares Geld erhandelten Adel zu spotten. Aber dieser Eitle soll jährlich für sich und seine Nachkommen 50 fl. - steuern. Und hat er so gar eine zahlreiche Familie, und dennoch so viel Vermögen nicht, daß ein jedes von seinen Kindern mit eben der Gemächlichkeit, wie er es vielleicht thut, den nöthigen Aufwand bey seinem neuen Range behaupten kann: so soll er zu Be- strafung dieser Lieblosigkeit gegen seine unschuldi- gen Nachkommen, obige Summe doppelt erlegen, und dadurch das Recht erlangen, sich niemals mit dem traurigen Gedanken zu beunruhigen, daß er durch seine eitle Thorheit bemittelte Bürgerskin- der zu armen Edelleuten gemacht habe.
Die unerwarteten politischen Veränderungen sind oft für die größten Staatsmänner ein unauf- lösliches Räthsel. Man giebt sie gemeiniglich dem Eigensinne des Glücks Schuld. Es ist un- recht. Jch will so mitleidig seyn, und die Welt aus einem Jrrthume reissen, der dem Glücke so nachtheilig ist.
Peter
T 4
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
zuͤge des Adels an ſich gekauft haben. Weil ſie den gaͤnzlichen Mangel andrer Verdienſte dadurch eingeſtehen, daß ſie dieſe Wuͤrde fuͤr Geld erhan- deln; weil ſie die Thorheit haben, ſich derer zu ſchaͤmen, die ihnen an Geburt gleich ſind, und ſich in die Geſellſchaft dererjenigen einzudraͤngen, die ſich ihrer ſchaͤmen muͤſſen: ſo will ich beiden, ohne Erlegung einiger Taxe, die Erlaubniß zuge- ſtehen, uͤber dieſen ohne alle Verdienſte erlangten, und nur durch baares Geld erhandelten Adel zu ſpotten. Aber dieſer Eitle ſoll jaͤhrlich fuͤr ſich und ſeine Nachkommen 50 fl. ‒ ſteuern. Und hat er ſo gar eine zahlreiche Familie, und dennoch ſo viel Vermoͤgen nicht, daß ein jedes von ſeinen Kindern mit eben der Gemaͤchlichkeit, wie er es vielleicht thut, den noͤthigen Aufwand bey ſeinem neuen Range behaupten kann: ſo ſoll er zu Be- ſtrafung dieſer Liebloſigkeit gegen ſeine unſchuldi- gen Nachkommen, obige Summe doppelt erlegen, und dadurch das Recht erlangen, ſich niemals mit dem traurigen Gedanken zu beunruhigen, daß er durch ſeine eitle Thorheit bemittelte Buͤrgerskin- der zu armen Edelleuten gemacht habe.
Die unerwarteten politiſchen Veraͤnderungen ſind oft fuͤr die groͤßten Staatsmaͤnner ein unauf- loͤsliches Raͤthſel. Man giebt ſie gemeiniglich dem Eigenſinne des Gluͤcks Schuld. Es iſt un- recht. Jch will ſo mitleidig ſeyn, und die Welt aus einem Jrrthume reiſſen, der dem Gluͤcke ſo nachtheilig iſt.
Peter
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
zuͤge des Adels an ſich gekauft haben. Weil ſie
den gaͤnzlichen Mangel andrer Verdienſte dadurch
eingeſtehen, daß ſie dieſe Wuͤrde fuͤr Geld erhan-
deln; weil ſie die Thorheit haben, ſich derer zu
ſchaͤmen, die ihnen an Geburt gleich ſind, und
ſich in die Geſellſchaft dererjenigen einzudraͤngen,
die ſich ihrer ſchaͤmen muͤſſen: ſo will ich beiden,
ohne Erlegung einiger Taxe, die Erlaubniß zuge-
ſtehen, uͤber dieſen ohne alle Verdienſte erlangten,
und nur durch baares Geld erhandelten Adel zu
ſpotten. Aber dieſer Eitle ſoll jaͤhrlich fuͤr ſich
und ſeine Nachkommen 50 fl. ‒ ſteuern. Und
hat er ſo gar eine zahlreiche Familie, und dennoch
ſo viel Vermoͤgen nicht, daß ein jedes von ſeinen
Kindern mit eben der Gemaͤchlichkeit, wie er es
vielleicht thut, den noͤthigen Aufwand bey ſeinem
neuen Range behaupten kann: ſo ſoll er zu Be-
ſtrafung dieſer Liebloſigkeit gegen ſeine unſchuldi-
gen Nachkommen, obige Summe doppelt erlegen,
und dadurch das Recht erlangen, ſich niemals mit
dem traurigen Gedanken zu beunruhigen, daß er
durch ſeine eitle Thorheit bemittelte Buͤrgerskin-
der zu armen Edelleuten gemacht habe.
Die unerwarteten politiſchen Veraͤnderungen
ſind oft fuͤr die groͤßten Staatsmaͤnner ein unauf-
loͤsliches Raͤthſel. Man giebt ſie gemeiniglich
dem Eigenſinne des Gluͤcks Schuld. Es iſt un-
recht. Jch will ſo mitleidig ſeyn, und die Welt
aus einem Jrrthume reiſſen, der dem Gluͤcke ſo
nachtheilig iſt.
Peter
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/317>, abgerufen am 15.06.2024.
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