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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Viertes Capitel.

Dagegen sagte wohl auch Granvella, er habe seine
weiten Ärmel voll von Beschwerden gegen Frankreich, doch
sey die Zeit noch nicht gekommen sie geltend zu machen.

Seitdem beobachtete jeder Theil den andern mit bewuß-
ter und nur wenig verborgener Feindseligkeit.

Von Anfang an aber waren hiebei die Franzosen in
Vortheil. Der Kaiser verfolgte ein ideales, kaum jemals
erreichbares Ziel. Sie dagegen nahmen mit voller Überle-
gung sich vor, nur erst ihre englisch-schottische Angelegenheit
zu beendigen und sich dann gegen den Kaiser zu wenden.

Wir sahen so eben, wie gut es dem König damit ge-
lang. Er hatte die Vereinigung von Schottland und Eng-
land zu Einem Reiche dieß Mal wirklich verhindert, die junge
Königin nach Frankreich geführt, um sie mit dem Dauphin
zu vermählen, Boulogne wiedererobert, und dabei noch ein
gutes Verständniß mit England gestiftet. Dergestalt nahm
er eine sehr starke Stellung in Europa ein. Er war sieg-
reich, jung und kriegsbegierig. Er konnte darauf denken die
Opposition zu erneuern, die einst sein Vater gehalten.

Den nächsten Anlaß dazu gaben ihm die italienischen,
namentlich die farnesischen Angelegenheiten.

Nach der unglücklichen Katastrophe Pier Luigis in Pia-
cenza hatte Paul III Parma an die Kirche zurückgenommen:
Camillo Orsino hielt es bei seinem Tode im Namen der
Kirche besetzt. Einem im Conclave gegebenen Versprechen
zufolge fieng Julius III seine Regierung damit an, daß er
Parma dem Sohn Pier Luigis, Ottavio, wieder zurückgab.
Man wollte wissen, der Kaiser habe hoffen lassen, diesen seinen
Eidam auch in Piacenza herzustellen. Die Farnesen schmei-

Neuntes Buch. Viertes Capitel.

Dagegen ſagte wohl auch Granvella, er habe ſeine
weiten Ärmel voll von Beſchwerden gegen Frankreich, doch
ſey die Zeit noch nicht gekommen ſie geltend zu machen.

Seitdem beobachtete jeder Theil den andern mit bewuß-
ter und nur wenig verborgener Feindſeligkeit.

Von Anfang an aber waren hiebei die Franzoſen in
Vortheil. Der Kaiſer verfolgte ein ideales, kaum jemals
erreichbares Ziel. Sie dagegen nahmen mit voller Überle-
gung ſich vor, nur erſt ihre engliſch-ſchottiſche Angelegenheit
zu beendigen und ſich dann gegen den Kaiſer zu wenden.

Wir ſahen ſo eben, wie gut es dem König damit ge-
lang. Er hatte die Vereinigung von Schottland und Eng-
land zu Einem Reiche dieß Mal wirklich verhindert, die junge
Königin nach Frankreich geführt, um ſie mit dem Dauphin
zu vermählen, Boulogne wiedererobert, und dabei noch ein
gutes Verſtändniß mit England geſtiftet. Dergeſtalt nahm
er eine ſehr ſtarke Stellung in Europa ein. Er war ſieg-
reich, jung und kriegsbegierig. Er konnte darauf denken die
Oppoſition zu erneuern, die einſt ſein Vater gehalten.

Den nächſten Anlaß dazu gaben ihm die italieniſchen,
namentlich die farneſiſchen Angelegenheiten.

Nach der unglücklichen Kataſtrophe Pier Luigis in Pia-
cenza hatte Paul III Parma an die Kirche zurückgenommen:
Camillo Orſino hielt es bei ſeinem Tode im Namen der
Kirche beſetzt. Einem im Conclave gegebenen Verſprechen
zufolge fieng Julius III ſeine Regierung damit an, daß er
Parma dem Sohn Pier Luigis, Ottavio, wieder zurückgab.
Man wollte wiſſen, der Kaiſer habe hoffen laſſen, dieſen ſeinen
Eidam auch in Piacenza herzuſtellen. Die Farneſen ſchmei-

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[172/0184] Neuntes Buch. Viertes Capitel. Dagegen ſagte wohl auch Granvella, er habe ſeine weiten Ärmel voll von Beſchwerden gegen Frankreich, doch ſey die Zeit noch nicht gekommen ſie geltend zu machen. Seitdem beobachtete jeder Theil den andern mit bewuß- ter und nur wenig verborgener Feindſeligkeit. Von Anfang an aber waren hiebei die Franzoſen in Vortheil. Der Kaiſer verfolgte ein ideales, kaum jemals erreichbares Ziel. Sie dagegen nahmen mit voller Überle- gung ſich vor, nur erſt ihre engliſch-ſchottiſche Angelegenheit zu beendigen und ſich dann gegen den Kaiſer zu wenden. Wir ſahen ſo eben, wie gut es dem König damit ge- lang. Er hatte die Vereinigung von Schottland und Eng- land zu Einem Reiche dieß Mal wirklich verhindert, die junge Königin nach Frankreich geführt, um ſie mit dem Dauphin zu vermählen, Boulogne wiedererobert, und dabei noch ein gutes Verſtändniß mit England geſtiftet. Dergeſtalt nahm er eine ſehr ſtarke Stellung in Europa ein. Er war ſieg- reich, jung und kriegsbegierig. Er konnte darauf denken die Oppoſition zu erneuern, die einſt ſein Vater gehalten. Den nächſten Anlaß dazu gaben ihm die italieniſchen, namentlich die farneſiſchen Angelegenheiten. Nach der unglücklichen Kataſtrophe Pier Luigis in Pia- cenza hatte Paul III Parma an die Kirche zurückgenommen: Camillo Orſino hielt es bei ſeinem Tode im Namen der Kirche beſetzt. Einem im Conclave gegebenen Verſprechen zufolge fieng Julius III ſeine Regierung damit an, daß er Parma dem Sohn Pier Luigis, Ottavio, wieder zurückgab. Man wollte wiſſen, der Kaiſer habe hoffen laſſen, dieſen ſeinen Eidam auch in Piacenza herzuſtellen. Die Farneſen ſchmei-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/184>, abgerufen am 26.04.2024.