Komm Kröte, (ich war kranck wie der Teufel) ich will sehen, ob du betrübt und bestürtzt ausse- hen kannst.
Noch nicht recht! Du läßt die Kinnbacken zu wunderlich hängen, und verziehest den Mund so, daß du mehr fürchterlich als betrübt aussiehest.
Dein Plintzen und Wincken mit den garsti- gen Augen (wie sie mein Kind einmahl nennete) hilft auch zu nichts.
Jetzt war es ein wenig besser: aber doch noch nicht, wie es seyn soll. Den Mund dichter zu! Jch weiß nicht, du kannst zwey Muskeln zwi- schen den Kinnbacken und Lippen gar nicht rüh- ren, wie du sollst.
So recht! Packe dich fort! Renne die Trep- pen auf und nieder; mache ein gräuliches Lerm: stelle dich als wenn du etwas aus dem Speise- Saal holetest, bis du dich endlich aus dem Athem gelaufen hast, und dir das schluchsen natürlich ist.
Was ist, Dorcas?
Ach nichts, ihre Gnaden.
Mein Kind wundert sich ohne Zweifel, daß es mich heute noch nicht gesehen hat; allein es ist zu scheu, seine Verwunderung zu erkennen zu geben. Sie fragt aber nochmahls, was unten zu thun sey, als Dorcas beständig ab und zu läufft.
O gnädige Frau, mein Herr! mein Herr!
Was? - - wie? wem? Alle verwun- dernden einsylbigen Wörter brachen aus.
(Jch muß dir hiebey den weisen Gedancken mittheilen, den ich sehr oft gehabt habe. Die
kleinen
Komm Kroͤte, (ich war kranck wie der Teufel) ich will ſehen, ob du betruͤbt und beſtuͤrtzt ausſe- hen kannſt.
Noch nicht recht! Du laͤßt die Kinnbacken zu wunderlich haͤngen, und verzieheſt den Mund ſo, daß du mehr fuͤrchterlich als betruͤbt ausſieheſt.
Dein Plintzen und Wincken mit den garſti- gen Augen (wie ſie mein Kind einmahl nennete) hilft auch zu nichts.
Jetzt war es ein wenig beſſer: aber doch noch nicht, wie es ſeyn ſoll. Den Mund dichter zu! Jch weiß nicht, du kannſt zwey Muskeln zwi- ſchen den Kinnbacken und Lippen gar nicht ruͤh- ren, wie du ſollſt.
So recht! Packe dich fort! Renne die Trep- pen auf und nieder; mache ein graͤuliches Lerm: ſtelle dich als wenn du etwas aus dem Speiſe- Saal holeteſt, bis du dich endlich aus dem Athem gelaufen haſt, und dir das ſchluchſen natuͤrlich iſt.
Was iſt, Dorcas?
Ach nichts, ihre Gnaden.
Mein Kind wundert ſich ohne Zweifel, daß es mich heute noch nicht geſehen hat; allein es iſt zu ſcheu, ſeine Verwunderung zu erkennen zu geben. Sie fragt aber nochmahls, was unten zu thun ſey, als Dorcas beſtaͤndig ab und zu laͤufft.
O gnaͤdige Frau, mein Herr! mein Herr!
Was? ‒ ‒ wie? wem? Alle verwun- dernden einſylbigen Woͤrter brachen aus.
(Jch muß dir hiebey den weiſen Gedancken mittheilen, den ich ſehr oft gehabt habe. Die
kleinen
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Komm Kroͤte, (ich war kranck wie der Teufel)
ich will ſehen, ob du betruͤbt und beſtuͤrtzt ausſe-
hen kannſt.
Noch nicht recht! Du laͤßt die Kinnbacken zu
wunderlich haͤngen, und verzieheſt den Mund ſo,
daß du mehr fuͤrchterlich als betruͤbt ausſieheſt.
Dein Plintzen und Wincken mit den garſti-
gen Augen (wie ſie mein Kind einmahl nennete)
hilft auch zu nichts.
Jetzt war es ein wenig beſſer: aber doch noch
nicht, wie es ſeyn ſoll. Den Mund dichter zu!
Jch weiß nicht, du kannſt zwey Muskeln zwi-
ſchen den Kinnbacken und Lippen gar nicht ruͤh-
ren, wie du ſollſt.
So recht! Packe dich fort! Renne die Trep-
pen auf und nieder; mache ein graͤuliches Lerm:
ſtelle dich als wenn du etwas aus dem Speiſe-
Saal holeteſt, bis du dich endlich aus dem Athem
gelaufen haſt, und dir das ſchluchſen natuͤrlich iſt.
Was iſt, Dorcas?
Ach nichts, ihre Gnaden.
Mein Kind wundert ſich ohne Zweifel, daß es
mich heute noch nicht geſehen hat; allein es iſt zu
ſcheu, ſeine Verwunderung zu erkennen zu geben.
Sie fragt aber nochmahls, was unten zu thun ſey,
als Dorcas beſtaͤndig ab und zu laͤufft.
O gnaͤdige Frau, mein Herr! mein Herr!
Was? ‒ ‒ wie? wem? Alle verwun-
dernden einſylbigen Woͤrter brachen aus.
(Jch muß dir hiebey den weiſen Gedancken
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/330>, abgerufen am 16.06.2024.
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