Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite


Der Lord Roscommon, fuhr ich fort, hatte
also eben solche Furcht vor diesem finstern Zustan-
de, als ihr habet: und der vortreffliche Gottes-
gelehrte, dessen ich verwichene Nacht gedachte,
der sich sehr wenig mehr, als menschliche Schwach-
heiten, vorzuwerfen hatte, und dessen vermischte
Betrachtungen mir unter meines Onkels Bü-
chern, als ich ihm in seinen letzten Stunden auf-
wartete, in die Hände fielen, drückt sich so dar-
über aus:

Es muß, o Seele, seyn; doch ist der Wechsel
hart,
Nicht wenig wunderbar, geheimnißvoller Art:
Wenn du genöthigt wirst dieß Haus von Thon
zu fliehen,
Zu einem - - Jrgendwo - - das du nicht
kennst, zu ziehen;
Wenn jene Ewigkeit den Platz der Zeiten
nimmt,
Und dich - du weißt nicht was - - hinfort zu
seyn bestimmt,
Und dich - - du weißt nicht wie - - hinfort zu
leben zwinget!
O schreckensvoller Stand, den solche Furcht
umringet!
Kein Wunder, daß der Tod schon unsern Geist
erschreckt,
Wenn ein Gedanke nur sein Bild in uns er-
weckt;
Kein Wunder, daß die Furcht schon in die Her-
zen steiget,
Wenn


Der Lord Roscommon, fuhr ich fort, hatte
alſo eben ſolche Furcht vor dieſem finſtern Zuſtan-
de, als ihr habet: und der vortreffliche Gottes-
gelehrte, deſſen ich verwichene Nacht gedachte,
der ſich ſehr wenig mehr, als menſchliche Schwach-
heiten, vorzuwerfen hatte, und deſſen vermiſchte
Betrachtungen mir unter meines Onkels Buͤ-
chern, als ich ihm in ſeinen letzten Stunden auf-
wartete, in die Haͤnde fielen, druͤckt ſich ſo dar-
uͤber aus:

Es muß, o Seele, ſeyn; doch iſt der Wechſel
hart,
Nicht wenig wunderbar, geheimnißvoller Art:
Wenn du genoͤthigt wirſt dieß Haus von Thon
zu fliehen,
Zu einem ‒ ‒ Jrgendwo ‒ ‒ das du nicht
kennſt, zu ziehen;
Wenn jene Ewigkeit den Platz der Zeiten
nimmt,
Und dich ‒ du weißt nicht was ‒ ‒ hinfort zu
ſeyn beſtimmt,
Und dich ‒ ‒ du weißt nicht wie ‒ ‒ hinfort zu
leben zwinget!
O ſchreckensvoller Stand, den ſolche Furcht
umringet!
Kein Wunder, daß der Tod ſchon unſern Geiſt
erſchreckt,
Wenn ein Gedanke nur ſein Bild in uns er-
weckt;
Kein Wunder, daß die Furcht ſchon in die Her-
zen ſteiget,
Wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0028" n="22"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Der Lord Roscommon, fuhr ich fort, hatte<lb/>
al&#x017F;o eben &#x017F;olche Furcht vor die&#x017F;em fin&#x017F;tern Zu&#x017F;tan-<lb/>
de, als ihr habet: und der vortreffliche Gottes-<lb/>
gelehrte, de&#x017F;&#x017F;en ich verwichene Nacht gedachte,<lb/>
der &#x017F;ich &#x017F;ehr wenig mehr, als men&#x017F;chliche Schwach-<lb/>
heiten, vorzuwerfen hatte, und de&#x017F;&#x017F;en vermi&#x017F;chte<lb/>
Betrachtungen mir unter meines Onkels Bu&#x0364;-<lb/>
chern, als ich ihm in &#x017F;einen letzten Stunden auf-<lb/>
wartete, in die Ha&#x0364;nde fielen, dru&#x0364;ckt &#x017F;ich &#x017F;o dar-<lb/>
u&#x0364;ber aus:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Es muß, o Seele, &#x017F;eyn; doch i&#x017F;t der Wech&#x017F;el</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">hart,</hi> </l><lb/>
            <l>Nicht wenig wunderbar, geheimnißvoller Art:</l><lb/>
            <l>Wenn du geno&#x0364;thigt wir&#x017F;t dieß Haus von Thon</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">zu fliehen,</hi> </l><lb/>
            <l>Zu einem &#x2012; &#x2012; Jrgendwo &#x2012; &#x2012; das du nicht</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">kenn&#x017F;t, zu ziehen;</hi> </l><lb/>
            <l>Wenn jene Ewigkeit den Platz der Zeiten</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">nimmt,</hi> </l><lb/>
            <l>Und dich &#x2012; du weißt nicht was &#x2012; &#x2012; hinfort zu</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;eyn be&#x017F;timmt,</hi> </l><lb/>
            <l>Und dich &#x2012; &#x2012; du weißt nicht wie &#x2012; &#x2012; hinfort zu</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">leben zwinget!</hi> </l><lb/>
            <l>O &#x017F;chreckensvoller Stand, den &#x017F;olche Furcht</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">umringet!</hi> </l><lb/>
            <l>Kein Wunder, daß der Tod &#x017F;chon un&#x017F;ern Gei&#x017F;t</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">er&#x017F;chreckt,</hi> </l><lb/>
            <l>Wenn ein Gedanke nur &#x017F;ein Bild in uns er-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">weckt;</hi> </l><lb/>
            <l>Kein Wunder, daß die Furcht &#x017F;chon in die Her-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">zen &#x017F;teiget,</hi> </l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0028] Der Lord Roscommon, fuhr ich fort, hatte alſo eben ſolche Furcht vor dieſem finſtern Zuſtan- de, als ihr habet: und der vortreffliche Gottes- gelehrte, deſſen ich verwichene Nacht gedachte, der ſich ſehr wenig mehr, als menſchliche Schwach- heiten, vorzuwerfen hatte, und deſſen vermiſchte Betrachtungen mir unter meines Onkels Buͤ- chern, als ich ihm in ſeinen letzten Stunden auf- wartete, in die Haͤnde fielen, druͤckt ſich ſo dar- uͤber aus: Es muß, o Seele, ſeyn; doch iſt der Wechſel hart, Nicht wenig wunderbar, geheimnißvoller Art: Wenn du genoͤthigt wirſt dieß Haus von Thon zu fliehen, Zu einem ‒ ‒ Jrgendwo ‒ ‒ das du nicht kennſt, zu ziehen; Wenn jene Ewigkeit den Platz der Zeiten nimmt, Und dich ‒ du weißt nicht was ‒ ‒ hinfort zu ſeyn beſtimmt, Und dich ‒ ‒ du weißt nicht wie ‒ ‒ hinfort zu leben zwinget! O ſchreckensvoller Stand, den ſolche Furcht umringet! Kein Wunder, daß der Tod ſchon unſern Geiſt erſchreckt, Wenn ein Gedanke nur ſein Bild in uns er- weckt; Kein Wunder, daß die Furcht ſchon in die Her- zen ſteiget, Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/28
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/28>, abgerufen am 30.04.2024.