[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.von ihnen keinen Trost erwarten. Denn sie hat- ten sich für meinen Feind erkläret, ob ich ihnen gleich niemals das geringste zuwider gethan hat- te. Denn - - - dieß sagte sie in ihrem gewöhn- lichen Tone, indem sie durch die Nase heulte - - was ging Fräulein Harlowe sie an? - - Allein sie ist glücklich! - - Aber ach! wie wird es mit mir werden? - - Jedoch sagen sie mir; denn die Wundärzte haben ihnen sonder Zweifel die Wahrheit gesagt; sagen sie mir: Wird es wieder besser mit mir werden? Kann ich wieder aufkom- men? Wo das seyn kann: so will ich eine ganz andere Lebensart anfangen; so wahr als ich selig zu werden hoffe, ich will es thun. Jch will mich eurer aller entsagen - - einer jeden von euch - - Sie sahe hierbey um sich herum - - Jch will al- les zusammenscharren und ein bußfertiges Leben führen: und wenn ich sterbe, es alles zu Liebes- werken vermachen - - Bey meiner Seele, ich will es thun - - Einen jeden Heller will ich zu einem Liebeswerk vermachen - - Nur noch dieß einzige mal; setzte sie hinzu mit Aufschlagung ih- rer herumrollenden Augen und Aufhebung ihrer gefalteten Hände, mit einem Eifer, worüber sie das Maul verzog, so daß alle Muskeln und Zü- ge ihres Gesichtes Theil daran nahmen - - Gnädiger Gott des Himmels und der Erden, nur noch dieß einzige mal! dieß einzige mal! - - die- se Worte wiederhohlte sie fünf oder sechs male - - schone deines armen Geschöpfes und erhalte es: und eine jede Stunde meines Lebens soll Reue und
von ihnen keinen Troſt erwarten. Denn ſie hat- ten ſich fuͤr meinen Feind erklaͤret, ob ich ihnen gleich niemals das geringſte zuwider gethan hat- te. Denn ‒ ‒ ‒ dieß ſagte ſie in ihrem gewoͤhn- lichen Tone, indem ſie durch die Naſe heulte ‒ ‒ was ging Fraͤulein Harlowe ſie an? ‒ ‒ Allein ſie iſt gluͤcklich! ‒ ‒ Aber ach! wie wird es mit mir werden? ‒ ‒ Jedoch ſagen ſie mir; denn die Wundaͤrzte haben ihnen ſonder Zweifel die Wahrheit geſagt; ſagen ſie mir: Wird es wieder beſſer mit mir werden? Kann ich wieder aufkom- men? Wo das ſeyn kann: ſo will ich eine ganz andere Lebensart anfangen; ſo wahr als ich ſelig zu werden hoffe, ich will es thun. Jch will mich eurer aller entſagen ‒ ‒ einer jeden von euch ‒ ‒ Sie ſahe hierbey um ſich herum ‒ ‒ Jch will al- les zuſammenſcharren und ein bußfertiges Leben fuͤhren: und wenn ich ſterbe, es alles zu Liebes- werken vermachen ‒ ‒ Bey meiner Seele, ich will es thun ‒ ‒ Einen jeden Heller will ich zu einem Liebeswerk vermachen ‒ ‒ Nur noch dieß einzige mal; ſetzte ſie hinzu mit Aufſchlagung ih- rer herumrollenden Augen und Aufhebung ihrer gefalteten Haͤnde, mit einem Eifer, woruͤber ſie das Maul verzog, ſo daß alle Muſkeln und Zuͤ- ge ihres Geſichtes Theil daran nahmen ‒ ‒ Gnaͤdiger Gott des Himmels und der Erden, nur noch dieß einzige mal! dieß einzige mal! ‒ ‒ die- ſe Worte wiederhohlte ſie fuͤnf oder ſechs male ‒ ‒ ſchone deines armen Geſchoͤpfes und erhalte es: und eine jede Stunde meines Lebens ſoll Reue und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0562" n="556"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> von ihnen keinen Troſt erwarten. Denn ſie hat-<lb/> ten ſich fuͤr meinen Feind erklaͤret, ob ich ihnen<lb/> gleich niemals das geringſte zuwider gethan hat-<lb/> te. Denn ‒ ‒ ‒ dieß ſagte ſie in ihrem gewoͤhn-<lb/> lichen Tone, indem ſie durch die Naſe heulte ‒ ‒<lb/> was ging Fraͤulein Harlowe ſie an? ‒ ‒ Allein<lb/><hi rendition="#fr">ſie</hi> iſt gluͤcklich! ‒ ‒ Aber ach! wie wird es mit<lb/> mir werden? ‒ ‒ Jedoch ſagen ſie mir; denn<lb/> die Wundaͤrzte haben ihnen ſonder Zweifel die<lb/> Wahrheit geſagt; ſagen ſie mir: Wird es wieder<lb/> beſſer mit mir werden? Kann ich wieder aufkom-<lb/> men? Wo das ſeyn <hi rendition="#fr">kann:</hi> ſo will ich eine ganz<lb/> andere Lebensart anfangen; ſo wahr als ich ſelig<lb/> zu werden hoffe, ich will es thun. Jch will mich<lb/> eurer aller entſagen ‒ ‒ einer jeden von euch ‒ ‒<lb/> Sie ſahe hierbey um ſich herum ‒ ‒ Jch will al-<lb/> les zuſammenſcharren und ein bußfertiges Leben<lb/> fuͤhren: und wenn ich ſterbe, es alles zu Liebes-<lb/> werken vermachen ‒ ‒ Bey meiner Seele, ich<lb/> will es thun ‒ ‒ Einen jeden Heller will ich zu<lb/> einem Liebeswerk vermachen ‒ ‒ Nur noch dieß<lb/> einzige mal; ſetzte ſie hinzu mit Aufſchlagung ih-<lb/> rer herumrollenden Augen und Aufhebung ihrer<lb/> gefalteten Haͤnde, mit einem Eifer, woruͤber ſie<lb/> das Maul verzog, ſo daß alle Muſkeln und Zuͤ-<lb/> ge ihres Geſichtes Theil daran nahmen ‒ ‒<lb/> Gnaͤdiger Gott des Himmels und der Erden, nur<lb/> noch dieß einzige mal! dieß einzige mal! ‒ ‒ die-<lb/> ſe Worte wiederhohlte ſie fuͤnf oder ſechs male ‒ ‒<lb/> ſchone deines armen Geſchoͤpfes und erhalte es:<lb/> und eine jede Stunde meines Lebens ſoll Reue<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [556/0562]
von ihnen keinen Troſt erwarten. Denn ſie hat-
ten ſich fuͤr meinen Feind erklaͤret, ob ich ihnen
gleich niemals das geringſte zuwider gethan hat-
te. Denn ‒ ‒ ‒ dieß ſagte ſie in ihrem gewoͤhn-
lichen Tone, indem ſie durch die Naſe heulte ‒ ‒
was ging Fraͤulein Harlowe ſie an? ‒ ‒ Allein
ſie iſt gluͤcklich! ‒ ‒ Aber ach! wie wird es mit
mir werden? ‒ ‒ Jedoch ſagen ſie mir; denn
die Wundaͤrzte haben ihnen ſonder Zweifel die
Wahrheit geſagt; ſagen ſie mir: Wird es wieder
beſſer mit mir werden? Kann ich wieder aufkom-
men? Wo das ſeyn kann: ſo will ich eine ganz
andere Lebensart anfangen; ſo wahr als ich ſelig
zu werden hoffe, ich will es thun. Jch will mich
eurer aller entſagen ‒ ‒ einer jeden von euch ‒ ‒
Sie ſahe hierbey um ſich herum ‒ ‒ Jch will al-
les zuſammenſcharren und ein bußfertiges Leben
fuͤhren: und wenn ich ſterbe, es alles zu Liebes-
werken vermachen ‒ ‒ Bey meiner Seele, ich
will es thun ‒ ‒ Einen jeden Heller will ich zu
einem Liebeswerk vermachen ‒ ‒ Nur noch dieß
einzige mal; ſetzte ſie hinzu mit Aufſchlagung ih-
rer herumrollenden Augen und Aufhebung ihrer
gefalteten Haͤnde, mit einem Eifer, woruͤber ſie
das Maul verzog, ſo daß alle Muſkeln und Zuͤ-
ge ihres Geſichtes Theil daran nahmen ‒ ‒
Gnaͤdiger Gott des Himmels und der Erden, nur
noch dieß einzige mal! dieß einzige mal! ‒ ‒ die-
ſe Worte wiederhohlte ſie fuͤnf oder ſechs male ‒ ‒
ſchone deines armen Geſchoͤpfes und erhalte es:
und eine jede Stunde meines Lebens ſoll Reue
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/562 |
Zitationshilfe: | [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/562>, abgerufen am 17.06.2024. |