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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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Was die Reise des kleinen Titus betrift,
(ich erinnere mich jetzo des Kerls bei seinem
Namen) laßt das seinen Gang gehen. Ein
Frauenzimmer, das vor achtzehen Monaten im
Kindbette gestorben ist, da man bei ihrem Le-
ben keine Klage angestellet hat, die in ihrem
Leben kein Zeugniß gegen mich ablegen wollte,
- - das sind schöne Umstände, mich wegen ei-
ner Nothzucht zu belangen!

Wegen eurer jungen Fräulein, der ewig
anbetungswürdigen Fräulein Clarissa Har-
lowe,
muß ich euch sagen, ich habe ihr alle-
zeit als meiner künftigen Frau aufgewartet.
Andre erwarteten mehr, daß ich sie heirathen
sollte, von der Eitelkeit ihrer eignen Herzen,
als von meinen Versprechungen. Denn ich
habe allezeit dahin gesehen, mein Versprechen
zu erfüllen. Jhr wisset, Joseph, daß ich
an euch mehr gethan habe, als ich versprochen
hatte. Und so mache ichs mit allen Leuten.
Warum? Das ist der beste Weg zu zeigen, daß
ich kein Pinsel oder Knicker bin. Ein Ver-
sprechen ist eine Verpflichtung. Ein ehrli-
cher Mann hält sein Wort, aber ein
großmüthiger Mann thut noch mehr,
als er verspricht.
Das ist meine Regel.

Jhr zweifelt, ob ich es mit eurer jungen
Fräulein ehrlich meine? Das ist mehr, als sie
selber thut. Wenn sie das dächte, so würde
sie nicht eine Stunde bei mir bleiben. Jch ha-
be das beständigste Herz von der Welt. Hast

du


Was die Reiſe des kleinen Titus betrift,
(ich erinnere mich jetzo des Kerls bei ſeinem
Namen) laßt das ſeinen Gang gehen. Ein
Frauenzimmer, das vor achtzehen Monaten im
Kindbette geſtorben iſt, da man bei ihrem Le-
ben keine Klage angeſtellet hat, die in ihrem
Leben kein Zeugniß gegen mich ablegen wollte,
‒ ‒ das ſind ſchoͤne Umſtaͤnde, mich wegen ei-
ner Nothzucht zu belangen!

Wegen eurer jungen Fraͤulein, der ewig
anbetungswuͤrdigen Fraͤulein Clariſſa Har-
lowe,
muß ich euch ſagen, ich habe ihr alle-
zeit als meiner kuͤnftigen Frau aufgewartet.
Andre erwarteten mehr, daß ich ſie heirathen
ſollte, von der Eitelkeit ihrer eignen Herzen,
als von meinen Verſprechungen. Denn ich
habe allezeit dahin geſehen, mein Verſprechen
zu erfuͤllen. Jhr wiſſet, Joſeph, daß ich
an euch mehr gethan habe, als ich verſprochen
hatte. Und ſo mache ichs mit allen Leuten.
Warum? Das iſt der beſte Weg zu zeigen, daß
ich kein Pinſel oder Knicker bin. Ein Ver-
ſprechen iſt eine Verpflichtung. Ein ehrli-
cher Mann haͤlt ſein Wort, aber ein
großmuͤthiger Mann thut noch mehr,
als er verſpricht.
Das iſt meine Regel.

Jhr zweifelt, ob ich es mit eurer jungen
Fraͤulein ehrlich meine? Das iſt mehr, als ſie
ſelber thut. Wenn ſie das daͤchte, ſo wuͤrde
ſie nicht eine Stunde bei mir bleiben. Jch ha-
be das beſtaͤndigſte Herz von der Welt. Haſt

du
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[91/0099] Was die Reiſe des kleinen Titus betrift, (ich erinnere mich jetzo des Kerls bei ſeinem Namen) laßt das ſeinen Gang gehen. Ein Frauenzimmer, das vor achtzehen Monaten im Kindbette geſtorben iſt, da man bei ihrem Le- ben keine Klage angeſtellet hat, die in ihrem Leben kein Zeugniß gegen mich ablegen wollte, ‒ ‒ das ſind ſchoͤne Umſtaͤnde, mich wegen ei- ner Nothzucht zu belangen! Wegen eurer jungen Fraͤulein, der ewig anbetungswuͤrdigen Fraͤulein Clariſſa Har- lowe, muß ich euch ſagen, ich habe ihr alle- zeit als meiner kuͤnftigen Frau aufgewartet. Andre erwarteten mehr, daß ich ſie heirathen ſollte, von der Eitelkeit ihrer eignen Herzen, als von meinen Verſprechungen. Denn ich habe allezeit dahin geſehen, mein Verſprechen zu erfuͤllen. Jhr wiſſet, Joſeph, daß ich an euch mehr gethan habe, als ich verſprochen hatte. Und ſo mache ichs mit allen Leuten. Warum? Das iſt der beſte Weg zu zeigen, daß ich kein Pinſel oder Knicker bin. Ein Ver- ſprechen iſt eine Verpflichtung. Ein ehrli- cher Mann haͤlt ſein Wort, aber ein großmuͤthiger Mann thut noch mehr, als er verſpricht. Das iſt meine Regel. Jhr zweifelt, ob ich es mit eurer jungen Fraͤulein ehrlich meine? Das iſt mehr, als ſie ſelber thut. Wenn ſie das daͤchte, ſo wuͤrde ſie nicht eine Stunde bei mir bleiben. Jch ha- be das beſtaͤndigſte Herz von der Welt. Haſt du

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/99>, abgerufen am 30.04.2024.