daß die Apostel Petrus und Paulus in allen Gemälden dieser und späterer Zeiten immer dasselbe ganz bildnißartige Ansehen haben, wovon ich durch eine genaue Nachbildung, welche aus einem der schönsten Denkmale des sechsten*) Jahrhunderts entnommen ist, dem man seine grelle Darstellungsweise schon nachsehen wird, der- einst ein Beispiel zu geben hoffe. Allein der Kunstgriff, allen diesen Gestalten ein übermenschliches Ansehen zu geben; durch ihren Charakter, durch ihre Stellung und Gebehrde heilige Schauer zu bewirken, konnte nicht wohl früher in Anwendung kommen, als nachdem Basiliken und andere Tempel von großem Umfang dem neuen Dienste errichtet worden.
In diesen Zeitraum versetzen wir demnach, wenn nicht die erste Auffassung, doch die Ausbildung und Befestigung je- ner Würde des Charakters, jener Feyer in Stellungen und Gebehrden, welche zu allem Ernsten und Gediegenen der neue- ren und christlichen Kunst den Grundton angegeben. Die Nachwirkung der Richtung dieser Zeit versöhnt selbst mit den unförmlichsten Versuchen der roheren Abschnitte des Mittelal- ters; wie sollte es denn nicht erfreulich seyn, zu sehen, wie dieselben Vorstellungen, welche selbst in den schlimmsten Zei- ten nicht durchaus verkümmern konnten, verjüngt und in männlicher Schönheit und Reife in Raphaels gefeyertesten Werken wieder aufleben. Ich bezeichne hier solche, in denen der Gegenstand, gleichwie in den Tapeten, oder auch in der
Kirchen, in der Tribune von S. Cosimo und Damiano, wo Chri- stus und die Apostel in antiker, ein späterer Seeliger, dessen Na- me im Felde angemerkt ist, in Stiefeln und etwas neuerer Klei- dung erscheint.
*) Wahrscheinlicher ward dieß Werk von FelixIII, gest. 530, angeordnet. S. Ciampini vet. mon. P. II. ed. Ro. 1699. p. 56.
daß die Apoſtel Petrus und Paulus in allen Gemaͤlden dieſer und ſpaͤterer Zeiten immer daſſelbe ganz bildnißartige Anſehen haben, wovon ich durch eine genaue Nachbildung, welche aus einem der ſchoͤnſten Denkmale des ſechsten*) Jahrhunderts entnommen iſt, dem man ſeine grelle Darſtellungsweiſe ſchon nachſehen wird, der- einſt ein Beiſpiel zu geben hoffe. Allein der Kunſtgriff, allen dieſen Geſtalten ein uͤbermenſchliches Anſehen zu geben; durch ihren Charakter, durch ihre Stellung und Gebehrde heilige Schauer zu bewirken, konnte nicht wohl fruͤher in Anwendung kommen, als nachdem Baſiliken und andere Tempel von großem Umfang dem neuen Dienſte errichtet worden.
In dieſen Zeitraum verſetzen wir demnach, wenn nicht die erſte Auffaſſung, doch die Ausbildung und Befeſtigung je- ner Wuͤrde des Charakters, jener Feyer in Stellungen und Gebehrden, welche zu allem Ernſten und Gediegenen der neue- ren und chriſtlichen Kunſt den Grundton angegeben. Die Nachwirkung der Richtung dieſer Zeit verſoͤhnt ſelbſt mit den unfoͤrmlichſten Verſuchen der roheren Abſchnitte des Mittelal- ters; wie ſollte es denn nicht erfreulich ſeyn, zu ſehen, wie dieſelben Vorſtellungen, welche ſelbſt in den ſchlimmſten Zei- ten nicht durchaus verkuͤmmern konnten, verjuͤngt und in maͤnnlicher Schoͤnheit und Reife in Raphaels gefeyerteſten Werken wieder aufleben. Ich bezeichne hier ſolche, in denen der Gegenſtand, gleichwie in den Tapeten, oder auch in der
Kirchen, in der Tribune von S. Coſimo und Damiano, wo Chri- ſtus und die Apoſtel in antiker, ein ſpaͤterer Seeliger, deſſen Na- me im Felde angemerkt iſt, in Stiefeln und etwas neuerer Klei- dung erſcheint.
*) Wahrſcheinlicher ward dieß Werk von FelixIII, geſt. 530, angeordnet. S. Ciampini vet. mon. P. II. ed. Ro. 1699. p. 56.
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daß die Apoſtel Petrus und Paulus in allen Gemaͤlden dieſer und
ſpaͤterer Zeiten immer daſſelbe ganz bildnißartige Anſehen haben,
wovon ich durch eine genaue Nachbildung, welche aus einem der
ſchoͤnſten Denkmale des ſechsten *) Jahrhunderts entnommen iſt,
dem man ſeine grelle Darſtellungsweiſe ſchon nachſehen wird, der-
einſt ein Beiſpiel zu geben hoffe. Allein der Kunſtgriff, allen dieſen
Geſtalten ein uͤbermenſchliches Anſehen zu geben; durch ihren
Charakter, durch ihre Stellung und Gebehrde heilige Schauer zu
bewirken, konnte nicht wohl fruͤher in Anwendung kommen, als
nachdem Baſiliken und andere Tempel von großem Umfang
dem neuen Dienſte errichtet worden.
In dieſen Zeitraum verſetzen wir demnach, wenn nicht
die erſte Auffaſſung, doch die Ausbildung und Befeſtigung je-
ner Wuͤrde des Charakters, jener Feyer in Stellungen und
Gebehrden, welche zu allem Ernſten und Gediegenen der neue-
ren und chriſtlichen Kunſt den Grundton angegeben. Die
Nachwirkung der Richtung dieſer Zeit verſoͤhnt ſelbſt mit den
unfoͤrmlichſten Verſuchen der roheren Abſchnitte des Mittelal-
ters; wie ſollte es denn nicht erfreulich ſeyn, zu ſehen, wie
dieſelben Vorſtellungen, welche ſelbſt in den ſchlimmſten Zei-
ten nicht durchaus verkuͤmmern konnten, verjuͤngt und in
maͤnnlicher Schoͤnheit und Reife in Raphaels gefeyerteſten
Werken wieder aufleben. Ich bezeichne hier ſolche, in denen
der Gegenſtand, gleichwie in den Tapeten, oder auch in der
*)
*) Wahrſcheinlicher ward dieß Werk von Felix III, geſt. 530,
angeordnet. S. Ciampini vet. mon. P. II. ed. Ro. 1699. p. 56.
*) Kirchen, in der Tribune von S. Coſimo und Damiano, wo Chri-
ſtus und die Apoſtel in antiker, ein ſpaͤterer Seeliger, deſſen Na-
me im Felde angemerkt iſt, in Stiefeln und etwas neuerer Klei-
dung erſcheint.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/190>, abgerufen am 17.06.2024.
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