Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.fasst vor Grundlegung der Welt (Ephes. I. 1-15.). Ich weiss zwar, dass es nicht wohl möglich Es war jüngst eine Zeit, in der nur Witz, chen H 2
faſst vor Grundlegung der Welt (Epheſ. I. 1-15.). Ich weiſs zwar, daſs es nicht wohl möglich Es war jüngſt eine Zeit, in der nur Witz, chen H 2
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faſst vor Grundlegung der Welt (Epheſ. I. 1-15.).
Nun ſollte, nach aller Vernunft, das erkannte (und
dieſe Erkenntniſs ſollte doch bey einem Prediger vor-
ausgeſetzt werden dürfen?) das erkannte Unwandel-
bare, Göttliche eine Norm für das Wandelbare, Menſch-
liche, und nicht umgekehrt, das Wandelbare eine
Norm für das Unwandelbare ſeyn. Alſo iſt es nach
aller Vernunft ein offenbarer Fehler, das erkannte Un-
wandelbare dem Wandelbaren zu unterwerfen, und
weil es die erſte Angelegenheit, gut und ſelig zu wer-
den, betrifft, ein ſchädlicher Fehler.
Ich weiſs zwar, daſs es nicht wohl möglich
ſey, einen geſunden Saft in ein Gefäſs zu gieſſen, und
darinn aufzubehalten, ohne daſs er nach und nach den
Geruch des Gefäſses annimmt. Allein: ein anders iſt,
den geſunden Saft in ein Gefäſs gieſſen, und in dieſem
Gefäſse darreichen, und ein anders: die Form des Ge-
fäſses für den geſunden Saft ſelbſt ausgeben, oder we-
nigſt das Behältniſs zur Quelle und zum Richter des
Saftes machen.
Es war jüngſt eine Zeit, in der nur Witz,
(manchmal ſo lahm als niedrig), auf der Kanzel er-
ſchien, und die Zuhörer waren wenigſt unterhalten,
daſs ſie nicht gähnten. Wenn nun eine andere Zeit
käme, in der ſich nur willkührliche Vorſtellungsart
unter dem Namen Vernunft auf der Kanzel zur Schau
ausſtellte: ſo dürfte man wohl fragen: wann werden
denn die Tage kommen, die Jeſum Chriſtum —
dieſs Aergerniſs für Juden und dieſen Unſinn für Grie-
chen
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