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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Heizmaterialien.
Entwicklung brennbarer Gase und Dämpfe während der Verbrennung
ab. Daher ist wiederum die Flammbarkeit von dem Gehalte an
freiem Wasserstoff abhängig, weil dieser mit der Kohle die brennbaren
Kohlenwasserstoffe liefert.

Gut brennbare Heizmaterialien braucht man vor allem bei weniger
vollkommenen, den Luftzutritt wenig befördernden Heizvorrichtungen,
weil es in diesem Falle darauf ankommt, die Entzündungstemperatur
schnell zu erreichen. Dieser Fall gilt für die eigentliche Heizung. Gut
flammbare wird man hingegen anwenden, wenn die Zugvorrichtungen
gute sind, so daß man große Flächen mit Erfolg von der Flamme be-
streichen lassen kann; dies ist bei Kesselheizungen und vielen metallurgischen
Arbeiten der Fall.

Der absolute Wärmeeffekt wird durch möglichst vollkommene Ver-
brennung, sowie durch möglichste Vermeidung von Wärmeverlusten
erreicht. Zu letzteren gehört z. B. die Verdampfung von vorhandenem
hygroskopischem Wasser. Die Vollkommenheit der Verbrennung hängt
bekanntlich von der Sauerstoff- resp. Luftzufuhr ab. Um theoretisch
die nötige Luftmenge zu berechnen, hat man zu berücksichtigen, daß 1 g
Kohle zur Verbrennung 2 2/3 g Sauerstoff oder, da die Luft nur etwa zum
fünften Teil aus Sauerstoff besteht, ca. 111/2 g Luft bedarf, was für
1 kg Kohle ca. 8,7 Kubikmeter Luft ergiebt. Für das gleiche Gewicht
Wasserstoff ergeben sich durch eine ähnliche Rechnung 26,1 Kubikmeter
Luft. Hiernach findet man, daß theoretisch 1 kg trocknes Holz 6,5,
Torf 7,4, Braunkohle 7,4, Steinkohle 9,0, Anthracit 9,6, Holzkohle 9,1,
Koks 9,0 Kubikmeter Luft zur Verbrennung brauchen müßten. Es
ist aber eine Erfahrung, daß Kohle und Kohlenwasserstoffe zur voll-
kommenen Verbrennung mehr als die berechneten Mengen, nämlich
bis gegen das doppelte an Luft verbrauchen; nur in Gegenwart von
überschüssigem Sauerstoff erfolgt eine vollkommene Verbrennung. Es
zeigt sich dies besonders auffallend im Vergleich mit reinem Wasserstoff.
Dieser explodiert, mit der berechneten Menge Sauerstoff gemischt,
vollkommen, während alle Kohlenwasserstoffe mit derselben entweder gar
nicht oder nur höchst unvollkommen explodieren; erst ein sehr großer
Überschuß von Sauerstoff bewirkt vollkommene Explosion.

Leider ist der notwendige Luftüberschuß keineswegs förderlich
für den Wärmeeffekt, weil er viele Wärme entführt. Daher kann
es kommen, daß zuweilen eine unvollkommene Verbrennung eine
höhere Temperatur erzielt, als eine vollkommene; eine Thatsache,
von welcher man bei manchen metallurgischen Operationen Gebrauch
macht.

Man unterscheidet den absoluten und den pyrometrischen Wärme-
effekt oder Brennkraft und Heizkraft. Die erstere wird gemessen durch
die Wärme, welche 1 kg des Heizstoffes überhaupt produziert, die
letztere durch die Temperatur, welche dieselbe Menge, ausgehend von
einer Anfangstemperatur von 0°, erreicht. Die Brennkraft mißt man

Heizmaterialien.
Entwicklung brennbarer Gaſe und Dämpfe während der Verbrennung
ab. Daher iſt wiederum die Flammbarkeit von dem Gehalte an
freiem Waſſerſtoff abhängig, weil dieſer mit der Kohle die brennbaren
Kohlenwaſſerſtoffe liefert.

Gut brennbare Heizmaterialien braucht man vor allem bei weniger
vollkommenen, den Luftzutritt wenig befördernden Heizvorrichtungen,
weil es in dieſem Falle darauf ankommt, die Entzündungstemperatur
ſchnell zu erreichen. Dieſer Fall gilt für die eigentliche Heizung. Gut
flammbare wird man hingegen anwenden, wenn die Zugvorrichtungen
gute ſind, ſo daß man große Flächen mit Erfolg von der Flamme be-
ſtreichen laſſen kann; dies iſt bei Keſſelheizungen und vielen metallurgiſchen
Arbeiten der Fall.

Der abſolute Wärmeeffekt wird durch möglichſt vollkommene Ver-
brennung, ſowie durch möglichſte Vermeidung von Wärmeverluſten
erreicht. Zu letzteren gehört z. B. die Verdampfung von vorhandenem
hygroſkopiſchem Waſſer. Die Vollkommenheit der Verbrennung hängt
bekanntlich von der Sauerſtoff- reſp. Luftzufuhr ab. Um theoretiſch
die nötige Luftmenge zu berechnen, hat man zu berückſichtigen, daß 1 g
Kohle zur Verbrennung 2⅔ g Sauerſtoff oder, da die Luft nur etwa zum
fünften Teil aus Sauerſtoff beſteht, ca. 11½ g Luft bedarf, was für
1 kg Kohle ca. 8,7 Kubikmeter Luft ergiebt. Für das gleiche Gewicht
Waſſerſtoff ergeben ſich durch eine ähnliche Rechnung 26,1 Kubikmeter
Luft. Hiernach findet man, daß theoretiſch 1 kg trocknes Holz 6,5,
Torf 7,4, Braunkohle 7,4, Steinkohle 9,0, Anthracit 9,6, Holzkohle 9,1,
Koks 9,0 Kubikmeter Luft zur Verbrennung brauchen müßten. Es
iſt aber eine Erfahrung, daß Kohle und Kohlenwaſſerſtoffe zur voll-
kommenen Verbrennung mehr als die berechneten Mengen, nämlich
bis gegen das doppelte an Luft verbrauchen; nur in Gegenwart von
überſchüſſigem Sauerſtoff erfolgt eine vollkommene Verbrennung. Es
zeigt ſich dies beſonders auffallend im Vergleich mit reinem Waſſerſtoff.
Dieſer explodiert, mit der berechneten Menge Sauerſtoff gemiſcht,
vollkommen, während alle Kohlenwaſſerſtoffe mit derſelben entweder gar
nicht oder nur höchſt unvollkommen explodieren; erſt ein ſehr großer
Überſchuß von Sauerſtoff bewirkt vollkommene Exploſion.

Leider iſt der notwendige Luftüberſchuß keineswegs förderlich
für den Wärmeeffekt, weil er viele Wärme entführt. Daher kann
es kommen, daß zuweilen eine unvollkommene Verbrennung eine
höhere Temperatur erzielt, als eine vollkommene; eine Thatſache,
von welcher man bei manchen metallurgiſchen Operationen Gebrauch
macht.

Man unterſcheidet den abſoluten und den pyrometriſchen Wärme-
effekt oder Brennkraft und Heizkraft. Die erſtere wird gemeſſen durch
die Wärme, welche 1 kg des Heizſtoffes überhaupt produziert, die
letztere durch die Temperatur, welche dieſelbe Menge, ausgehend von
einer Anfangstemperatur von 0°, erreicht. Die Brennkraft mißt man

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[319/0337] Heizmaterialien. Entwicklung brennbarer Gaſe und Dämpfe während der Verbrennung ab. Daher iſt wiederum die Flammbarkeit von dem Gehalte an freiem Waſſerſtoff abhängig, weil dieſer mit der Kohle die brennbaren Kohlenwaſſerſtoffe liefert. Gut brennbare Heizmaterialien braucht man vor allem bei weniger vollkommenen, den Luftzutritt wenig befördernden Heizvorrichtungen, weil es in dieſem Falle darauf ankommt, die Entzündungstemperatur ſchnell zu erreichen. Dieſer Fall gilt für die eigentliche Heizung. Gut flammbare wird man hingegen anwenden, wenn die Zugvorrichtungen gute ſind, ſo daß man große Flächen mit Erfolg von der Flamme be- ſtreichen laſſen kann; dies iſt bei Keſſelheizungen und vielen metallurgiſchen Arbeiten der Fall. Der abſolute Wärmeeffekt wird durch möglichſt vollkommene Ver- brennung, ſowie durch möglichſte Vermeidung von Wärmeverluſten erreicht. Zu letzteren gehört z. B. die Verdampfung von vorhandenem hygroſkopiſchem Waſſer. Die Vollkommenheit der Verbrennung hängt bekanntlich von der Sauerſtoff- reſp. Luftzufuhr ab. Um theoretiſch die nötige Luftmenge zu berechnen, hat man zu berückſichtigen, daß 1 g Kohle zur Verbrennung 2⅔ g Sauerſtoff oder, da die Luft nur etwa zum fünften Teil aus Sauerſtoff beſteht, ca. 11½ g Luft bedarf, was für 1 kg Kohle ca. 8,7 Kubikmeter Luft ergiebt. Für das gleiche Gewicht Waſſerſtoff ergeben ſich durch eine ähnliche Rechnung 26,1 Kubikmeter Luft. Hiernach findet man, daß theoretiſch 1 kg trocknes Holz 6,5, Torf 7,4, Braunkohle 7,4, Steinkohle 9,0, Anthracit 9,6, Holzkohle 9,1, Koks 9,0 Kubikmeter Luft zur Verbrennung brauchen müßten. Es iſt aber eine Erfahrung, daß Kohle und Kohlenwaſſerſtoffe zur voll- kommenen Verbrennung mehr als die berechneten Mengen, nämlich bis gegen das doppelte an Luft verbrauchen; nur in Gegenwart von überſchüſſigem Sauerſtoff erfolgt eine vollkommene Verbrennung. Es zeigt ſich dies beſonders auffallend im Vergleich mit reinem Waſſerſtoff. Dieſer explodiert, mit der berechneten Menge Sauerſtoff gemiſcht, vollkommen, während alle Kohlenwaſſerſtoffe mit derſelben entweder gar nicht oder nur höchſt unvollkommen explodieren; erſt ein ſehr großer Überſchuß von Sauerſtoff bewirkt vollkommene Exploſion. Leider iſt der notwendige Luftüberſchuß keineswegs förderlich für den Wärmeeffekt, weil er viele Wärme entführt. Daher kann es kommen, daß zuweilen eine unvollkommene Verbrennung eine höhere Temperatur erzielt, als eine vollkommene; eine Thatſache, von welcher man bei manchen metallurgiſchen Operationen Gebrauch macht. Man unterſcheidet den abſoluten und den pyrometriſchen Wärme- effekt oder Brennkraft und Heizkraft. Die erſtere wird gemeſſen durch die Wärme, welche 1 kg des Heizſtoffes überhaupt produziert, die letztere durch die Temperatur, welche dieſelbe Menge, ausgehend von einer Anfangstemperatur von 0°, erreicht. Die Brennkraft mißt man

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/337>, abgerufen am 30.04.2024.