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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Metallverarbeitung.
Weiterverarbeitung hergestellt. Drähte werden fast ausschließlich ge-
zogen, nur dünnere Drähte werden gewalzt. Bevor sie dem Zieheisen
überliefert werden, sucht man sie möglichst schon in diejenige Form zu
bringen, welche sie nachher annehmen sollen. Deshalb werden runde
Stäbe gegossen und dann nachgeschmiedet, wie es beim Kupfer, Silber
und Gold geschieht, oder gewalzt, wie es beim Stahl und Eisen üblich
ist. Man schneidet auch Streifen aus Blechen, und rundet sie mit der
Feile ab. Da sich die Drähte beim Ziehen stark verdichten und da-
durch spröde werden, so müssen sie von Zeit zu Zeit ausgeglüht werden,
um ihre vorige Weichheit wieder zu erlangen, namentlich bei Eisen,
Stahl und Messing ist dies öfters nötig. Nach dem Glühen muß dann
der Glühspan durch Abscheuern, Abbröckeln oder Abbeizen mit ver-
dünnter Schwefelsäure losgetrennt werden.

Eine ganze Reihe von Verwandlungen muß das rohe Eisenstück
durchmachen, ehe es als Glühdraht beim Spengler weitere Verwendung
finden kann. Nachdem es der Hochofenhitze glücklich entronnen,
dachte es sich als schmucker Eisenblock schon wunder etwas Schönes
zu sein, um so mehr, als man es unter der Luppenquetsche von allen
Unreinigkeiten und Schlacken gründlich befreit hatte. Aber nun geht
es erst los. Jetzt wird es in den Schweißofen geworfen, und nachdem es
die richtige Schweißtemperatur erlangt hat, mit großen Zangen ergriffen
und vor ein Drahtwalzwerk gebracht. Da drehen sich drei über-
einander gelagerte Walzen mit großer Geschwindigkeit herum, und in die
Walzen sind tiefe Furchen (Kaliber) um den ganzen Umkreis einge-
schnitten, deren Öffnungen stufenweise immer kleiner und kleiner werden.
Nun sollte man meinen, was ein Draht werden will, das rundet sich
bei Zeiten, aber nein. Erst muß sich das Eisen durch quadratische Kaliber
durchwinden, dann wird es oval gepreßt, und erst die letzte Form-
gebung bewirken kreisrunde Furchen. Hierbei muß es lernen, sich
tüchtig zu biegen, denn während sein Ende noch im vorigen Kaliber
steckt, wird der Anfang schon umgewendet und in das folgende Kaliber
geführt, und all' diese Drehungen und Quetschungen gehen mit einer
solchen Geschwindigkeit vor sich, daß ein vorgewalzter Quadratstab von
25 mm Dicke und etwa 70 cm Länge schon nach einer einzigen Minute
als ein Draht von 15 m Länge noch rotglühend aus dem letzten
Kaliber heraustritt. Flugs wickelt man ihn auf eine Art Haspel, be-
stehend aus vier auf einem Kreuz stehenden Eisenstäben, wo man ihn
erkalten läßt, um ihn alsdann durch Scheuern und Beizen vom Zunder
und Glühspan zu befreien und blank zu machen, so daß er nun schon
ein stattliches Aussehen erhält. Will man nur dicken Walzdraht haben,
so ist er jetzt fertig, denn bis zu einem Durchmesser von drei Milli-
meter vermag er es schon auf guten Walzen zu bringen, aber
meist muß er noch weiter, zur Ziehbank. Hier wird er um den
meist konisch geformten Cylinder gewickelt, und muß, so gut es geht,
sich durch das Zieheisen durchpressen und zwar durch 9 bis 12 Löcher,

Die Metallverarbeitung.
Weiterverarbeitung hergeſtellt. Drähte werden faſt ausſchließlich ge-
zogen, nur dünnere Drähte werden gewalzt. Bevor ſie dem Zieheiſen
überliefert werden, ſucht man ſie möglichſt ſchon in diejenige Form zu
bringen, welche ſie nachher annehmen ſollen. Deshalb werden runde
Stäbe gegoſſen und dann nachgeſchmiedet, wie es beim Kupfer, Silber
und Gold geſchieht, oder gewalzt, wie es beim Stahl und Eiſen üblich
iſt. Man ſchneidet auch Streifen aus Blechen, und rundet ſie mit der
Feile ab. Da ſich die Drähte beim Ziehen ſtark verdichten und da-
durch ſpröde werden, ſo müſſen ſie von Zeit zu Zeit ausgeglüht werden,
um ihre vorige Weichheit wieder zu erlangen, namentlich bei Eiſen,
Stahl und Meſſing iſt dies öfters nötig. Nach dem Glühen muß dann
der Glühſpan durch Abſcheuern, Abbröckeln oder Abbeizen mit ver-
dünnter Schwefelſäure losgetrennt werden.

Eine ganze Reihe von Verwandlungen muß das rohe Eiſenſtück
durchmachen, ehe es als Glühdraht beim Spengler weitere Verwendung
finden kann. Nachdem es der Hochofenhitze glücklich entronnen,
dachte es ſich als ſchmucker Eiſenblock ſchon wunder etwas Schönes
zu ſein, um ſo mehr, als man es unter der Luppenquetſche von allen
Unreinigkeiten und Schlacken gründlich befreit hatte. Aber nun geht
es erſt los. Jetzt wird es in den Schweißofen geworfen, und nachdem es
die richtige Schweißtemperatur erlangt hat, mit großen Zangen ergriffen
und vor ein Drahtwalzwerk gebracht. Da drehen ſich drei über-
einander gelagerte Walzen mit großer Geſchwindigkeit herum, und in die
Walzen ſind tiefe Furchen (Kaliber) um den ganzen Umkreis einge-
ſchnitten, deren Öffnungen ſtufenweiſe immer kleiner und kleiner werden.
Nun ſollte man meinen, was ein Draht werden will, das rundet ſich
bei Zeiten, aber nein. Erſt muß ſich das Eiſen durch quadratiſche Kaliber
durchwinden, dann wird es oval gepreßt, und erſt die letzte Form-
gebung bewirken kreisrunde Furchen. Hierbei muß es lernen, ſich
tüchtig zu biegen, denn während ſein Ende noch im vorigen Kaliber
ſteckt, wird der Anfang ſchon umgewendet und in das folgende Kaliber
geführt, und all’ dieſe Drehungen und Quetſchungen gehen mit einer
ſolchen Geſchwindigkeit vor ſich, daß ein vorgewalzter Quadratſtab von
25 mm Dicke und etwa 70 cm Länge ſchon nach einer einzigen Minute
als ein Draht von 15 m Länge noch rotglühend aus dem letzten
Kaliber heraustritt. Flugs wickelt man ihn auf eine Art Haſpel, be-
ſtehend aus vier auf einem Kreuz ſtehenden Eiſenſtäben, wo man ihn
erkalten läßt, um ihn alsdann durch Scheuern und Beizen vom Zunder
und Glühſpan zu befreien und blank zu machen, ſo daß er nun ſchon
ein ſtattliches Ausſehen erhält. Will man nur dicken Walzdraht haben,
ſo iſt er jetzt fertig, denn bis zu einem Durchmeſſer von drei Milli-
meter vermag er es ſchon auf guten Walzen zu bringen, aber
meiſt muß er noch weiter, zur Ziehbank. Hier wird er um den
meiſt koniſch geformten Cylinder gewickelt, und muß, ſo gut es geht,
ſich durch das Zieheiſen durchpreſſen und zwar durch 9 bis 12 Löcher,

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[664/0682] Die Metallverarbeitung. Weiterverarbeitung hergeſtellt. Drähte werden faſt ausſchließlich ge- zogen, nur dünnere Drähte werden gewalzt. Bevor ſie dem Zieheiſen überliefert werden, ſucht man ſie möglichſt ſchon in diejenige Form zu bringen, welche ſie nachher annehmen ſollen. Deshalb werden runde Stäbe gegoſſen und dann nachgeſchmiedet, wie es beim Kupfer, Silber und Gold geſchieht, oder gewalzt, wie es beim Stahl und Eiſen üblich iſt. Man ſchneidet auch Streifen aus Blechen, und rundet ſie mit der Feile ab. Da ſich die Drähte beim Ziehen ſtark verdichten und da- durch ſpröde werden, ſo müſſen ſie von Zeit zu Zeit ausgeglüht werden, um ihre vorige Weichheit wieder zu erlangen, namentlich bei Eiſen, Stahl und Meſſing iſt dies öfters nötig. Nach dem Glühen muß dann der Glühſpan durch Abſcheuern, Abbröckeln oder Abbeizen mit ver- dünnter Schwefelſäure losgetrennt werden. Eine ganze Reihe von Verwandlungen muß das rohe Eiſenſtück durchmachen, ehe es als Glühdraht beim Spengler weitere Verwendung finden kann. Nachdem es der Hochofenhitze glücklich entronnen, dachte es ſich als ſchmucker Eiſenblock ſchon wunder etwas Schönes zu ſein, um ſo mehr, als man es unter der Luppenquetſche von allen Unreinigkeiten und Schlacken gründlich befreit hatte. Aber nun geht es erſt los. Jetzt wird es in den Schweißofen geworfen, und nachdem es die richtige Schweißtemperatur erlangt hat, mit großen Zangen ergriffen und vor ein Drahtwalzwerk gebracht. Da drehen ſich drei über- einander gelagerte Walzen mit großer Geſchwindigkeit herum, und in die Walzen ſind tiefe Furchen (Kaliber) um den ganzen Umkreis einge- ſchnitten, deren Öffnungen ſtufenweiſe immer kleiner und kleiner werden. Nun ſollte man meinen, was ein Draht werden will, das rundet ſich bei Zeiten, aber nein. Erſt muß ſich das Eiſen durch quadratiſche Kaliber durchwinden, dann wird es oval gepreßt, und erſt die letzte Form- gebung bewirken kreisrunde Furchen. Hierbei muß es lernen, ſich tüchtig zu biegen, denn während ſein Ende noch im vorigen Kaliber ſteckt, wird der Anfang ſchon umgewendet und in das folgende Kaliber geführt, und all’ dieſe Drehungen und Quetſchungen gehen mit einer ſolchen Geſchwindigkeit vor ſich, daß ein vorgewalzter Quadratſtab von 25 mm Dicke und etwa 70 cm Länge ſchon nach einer einzigen Minute als ein Draht von 15 m Länge noch rotglühend aus dem letzten Kaliber heraustritt. Flugs wickelt man ihn auf eine Art Haſpel, be- ſtehend aus vier auf einem Kreuz ſtehenden Eiſenſtäben, wo man ihn erkalten läßt, um ihn alsdann durch Scheuern und Beizen vom Zunder und Glühſpan zu befreien und blank zu machen, ſo daß er nun ſchon ein ſtattliches Ausſehen erhält. Will man nur dicken Walzdraht haben, ſo iſt er jetzt fertig, denn bis zu einem Durchmeſſer von drei Milli- meter vermag er es ſchon auf guten Walzen zu bringen, aber meiſt muß er noch weiter, zur Ziehbank. Hier wird er um den meiſt koniſch geformten Cylinder gewickelt, und muß, ſo gut es geht, ſich durch das Zieheiſen durchpreſſen und zwar durch 9 bis 12 Löcher,

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/682>, abgerufen am 30.04.2024.