Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung. bereits begnadigt war, und die Ubrigen ihre Wichtigkeitund Gefährlichkeit längst verloren hatten. Drittens das ängstliche Bestreben, die frühere Einwirkung religiöser An- sichten auf das Recht streng abzuwehren. Recht auffallend wird das Resultat dieser siegenden Beweggründe in der Vertheidigungsrede, womit der Tribun Gary das defini- tive Project, d. h. die jetzt in dem Code stehende Abfas- sung, zur Annahme empfahl. Er giebt zu, wenn die Frau dem Deportirten in die Verbannung folge, sey es hart, daß die Kinder unehelich seyen, sie selbst eine Con- cubine; allein Härten gebe es auch sonst wohl im Recht, und eine solche Frau möge sich mit ihrem Gewissen, mit der Religion, mit der Meynung anderer Menschen trösten, daran hindere sie das Gesetz ganz und gar nicht, aber die Consequenz des Gesetzes gehe über Alles (s). Ohne Zweifel wird stets die öffentliche Meynung das Gesetz ent- kräften, ja auch die Gerichte werden es, so wie sie früher thaten, in der Anwendung unvermerkt untergraben, allein dadurch wird dessen völlige Verwerflichkeit nicht vermin- dert, sondern nur noch mehr außer Zweifel gesetzt. Fragt man zuletzt nach der künftigen Wirkung des Ge- (s) Code civil suivi des motifs T. 2 p. 86. II. 11
§. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung. bereits begnadigt war, und die Ubrigen ihre Wichtigkeitund Gefährlichkeit längſt verloren hatten. Drittens das ängſtliche Beſtreben, die frühere Einwirkung religioͤſer An- ſichten auf das Recht ſtreng abzuwehren. Recht auffallend wird das Reſultat dieſer ſiegenden Beweggründe in der Vertheidigungsrede, womit der Tribun Gary das defini- tive Project, d. h. die jetzt in dem Code ſtehende Abfaſ- ſung, zur Annahme empfahl. Er giebt zu, wenn die Frau dem Deportirten in die Verbannung folge, ſey es hart, daß die Kinder unehelich ſeyen, ſie ſelbſt eine Con- cubine; allein Härten gebe es auch ſonſt wohl im Recht, und eine ſolche Frau möge ſich mit ihrem Gewiſſen, mit der Religion, mit der Meynung anderer Menſchen tröſten, daran hindere ſie das Geſetz ganz und gar nicht, aber die Conſequenz des Geſetzes gehe über Alles (s). Ohne Zweifel wird ſtets die öffentliche Meynung das Geſetz ent- kräften, ja auch die Gerichte werden es, ſo wie ſie früher thaten, in der Anwendung unvermerkt untergraben, allein dadurch wird deſſen voͤllige Verwerflichkeit nicht vermin- dert, ſondern nur noch mehr außer Zweifel geſetzt. Fragt man zuletzt nach der künftigen Wirkung des Ge- (s) Code civil suivi des motifs T. 2 p. 86. II. 11
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0175" n="161"/><fw place="top" type="header">§. 75. Rechtsfähigkeit u. <hi rendition="#aq">cap. deminutio.</hi> Heutige Anwendung.</fw><lb/> bereits begnadigt war, und die Ubrigen ihre Wichtigkeit<lb/> und Gefährlichkeit längſt verloren hatten. Drittens das<lb/> ängſtliche Beſtreben, die frühere Einwirkung religioͤſer An-<lb/> ſichten auf das Recht ſtreng abzuwehren. Recht auffallend<lb/> wird das Reſultat dieſer ſiegenden Beweggründe in der<lb/> Vertheidigungsrede, womit der Tribun Gary das defini-<lb/> tive Project, d. h. die jetzt in dem <hi rendition="#aq">Code</hi> ſtehende Abfaſ-<lb/> ſung, zur Annahme empfahl. Er giebt zu, wenn die Frau<lb/> dem Deportirten in die Verbannung folge, ſey es hart,<lb/> daß die Kinder unehelich ſeyen, ſie ſelbſt eine Con-<lb/> cubine; allein Härten gebe es auch ſonſt wohl im Recht,<lb/> und eine ſolche Frau möge ſich mit ihrem Gewiſſen, mit<lb/> der Religion, mit der Meynung anderer Menſchen tröſten,<lb/> daran hindere ſie das Geſetz ganz und gar nicht, aber<lb/> die Conſequenz des Geſetzes gehe über Alles <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">Code civil suivi des motifs T. 2 p.</hi> 86.</note>. Ohne<lb/> Zweifel wird ſtets die öffentliche Meynung das Geſetz ent-<lb/> kräften, ja auch die Gerichte werden es, ſo wie ſie früher<lb/> thaten, in der Anwendung unvermerkt untergraben, allein<lb/> dadurch wird deſſen voͤllige Verwerflichkeit nicht vermin-<lb/> dert, ſondern nur noch mehr außer Zweifel geſetzt.</p><lb/> <p>Fragt man zuletzt nach der künftigen Wirkung des Ge-<lb/> ſetzes, ſo iſt darüber Folgendes zu ſagen. Fuͤr die zum<lb/> Tod oder zu lebenslänglicher Zwangsarbeit Verurtheilten<lb/> iſt es faſt ganz gleichgültig, weil die Natur ihrer Strafe<lb/> ohnehin alles Dasjenige unmöglich macht, worin die An-<lb/> nahme eines bürgerlichen Todes bedenklich ſcheinen könnte;<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> 11</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [161/0175]
§. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung.
bereits begnadigt war, und die Ubrigen ihre Wichtigkeit
und Gefährlichkeit längſt verloren hatten. Drittens das
ängſtliche Beſtreben, die frühere Einwirkung religioͤſer An-
ſichten auf das Recht ſtreng abzuwehren. Recht auffallend
wird das Reſultat dieſer ſiegenden Beweggründe in der
Vertheidigungsrede, womit der Tribun Gary das defini-
tive Project, d. h. die jetzt in dem Code ſtehende Abfaſ-
ſung, zur Annahme empfahl. Er giebt zu, wenn die Frau
dem Deportirten in die Verbannung folge, ſey es hart,
daß die Kinder unehelich ſeyen, ſie ſelbſt eine Con-
cubine; allein Härten gebe es auch ſonſt wohl im Recht,
und eine ſolche Frau möge ſich mit ihrem Gewiſſen, mit
der Religion, mit der Meynung anderer Menſchen tröſten,
daran hindere ſie das Geſetz ganz und gar nicht, aber
die Conſequenz des Geſetzes gehe über Alles (s). Ohne
Zweifel wird ſtets die öffentliche Meynung das Geſetz ent-
kräften, ja auch die Gerichte werden es, ſo wie ſie früher
thaten, in der Anwendung unvermerkt untergraben, allein
dadurch wird deſſen voͤllige Verwerflichkeit nicht vermin-
dert, ſondern nur noch mehr außer Zweifel geſetzt.
Fragt man zuletzt nach der künftigen Wirkung des Ge-
ſetzes, ſo iſt darüber Folgendes zu ſagen. Fuͤr die zum
Tod oder zu lebenslänglicher Zwangsarbeit Verurtheilten
iſt es faſt ganz gleichgültig, weil die Natur ihrer Strafe
ohnehin alles Dasjenige unmöglich macht, worin die An-
nahme eines bürgerlichen Todes bedenklich ſcheinen könnte;
(s) Code civil suivi des motifs T. 2 p. 86.
II. 11
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |