Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher er- worbene Rechte keinen Einfluß.
Es gilt hier dieselbe Bemerkung, welche bereits für das Französische Gesetz gemacht worden ist. Ja es ist aus den gebrauchten Ausdrücken noch unzweifelhafter, daß der Gesetzgeber die gesammte im gemeinen Recht anerkannte und ausgebildete Theorie sich hat aneignen wollen.
Bei der geringen Einwirkung der Gesetzgebung auf die vorliegende Lehre ist dem wissenschaftlichen Recht ein um so größerer Einfluß zugefallen, und es scheint daher nöthig, einige allgemeine Bemerkungen über die Stellung unserer Schriftsteller zu dieser Lehre voraus zu schicken. Im Großen und Ganzen findet sich eine größere Uebereinstim- mung, als man erwarten möchte; theils durch die große Autorität, die seit Jahrhunderten die Aussprüche des Rö- mischen Rechts ausgeübt haben (§ 386), theils durch die gerade hierin oft unverkennbare innere Macht der Dinge selbst. Die dennoch vorhandenen Verschiedenheiten haben eine zweifache Natur. Einige gründen sich auf die mehr oder weniger richtige Auffassung der einzelnen Rechtsverhältnisse in Beziehung auf unsere Frage, und von diesen wird erst unten, bei diesen Rechtsverhältnissen selbst, die Rede sein können. Andere sind entstanden aus den verschiedenen Ver-
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Geſetze wirken nicht zurück; ſie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher er- worbene Rechte keinen Einfluß.
Es gilt hier dieſelbe Bemerkung, welche bereits für das Franzöſiſche Geſetz gemacht worden iſt. Ja es iſt aus den gebrauchten Ausdrücken noch unzweifelhafter, daß der Geſetzgeber die geſammte im gemeinen Recht anerkannte und ausgebildete Theorie ſich hat aneignen wollen.
Bei der geringen Einwirkung der Geſetzgebung auf die vorliegende Lehre iſt dem wiſſenſchaftlichen Recht ein um ſo größerer Einfluß zugefallen, und es ſcheint daher nöthig, einige allgemeine Bemerkungen über die Stellung unſerer Schriftſteller zu dieſer Lehre voraus zu ſchicken. Im Großen und Ganzen findet ſich eine größere Uebereinſtim- mung, als man erwarten möchte; theils durch die große Autorität, die ſeit Jahrhunderten die Ausſprüche des Rö- miſchen Rechts ausgeübt haben (§ 386), theils durch die gerade hierin oft unverkennbare innere Macht der Dinge ſelbſt. Die dennoch vorhandenen Verſchiedenheiten haben eine zweifache Natur. Einige gründen ſich auf die mehr oder weniger richtige Auffaſſung der einzelnen Rechtsverhältniſſe in Beziehung auf unſere Frage, und von dieſen wird erſt unten, bei dieſen Rechtsverhältniſſen ſelbſt, die Rede ſein können. Andere ſind entſtanden aus den verſchiedenen Ver-
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Geſetze wirken nicht zurück; ſie haben daher auf
vorhergegangene Handlungen und auf vorher er-
worbene Rechte keinen Einfluß.
Es gilt hier dieſelbe Bemerkung, welche bereits für
das Franzöſiſche Geſetz gemacht worden iſt. Ja es iſt
aus den gebrauchten Ausdrücken noch unzweifelhafter, daß
der Geſetzgeber die geſammte im gemeinen Recht anerkannte
und ausgebildete Theorie ſich hat aneignen wollen.
Bei der geringen Einwirkung der Geſetzgebung auf die
vorliegende Lehre iſt dem wiſſenſchaftlichen Recht ein um
ſo größerer Einfluß zugefallen, und es ſcheint daher nöthig,
einige allgemeine Bemerkungen über die Stellung unſerer
Schriftſteller zu dieſer Lehre voraus zu ſchicken. Im
Großen und Ganzen findet ſich eine größere Uebereinſtim-
mung, als man erwarten möchte; theils durch die große
Autorität, die ſeit Jahrhunderten die Ausſprüche des Rö-
miſchen Rechts ausgeübt haben (§ 386), theils durch die
gerade hierin oft unverkennbare innere Macht der Dinge
ſelbſt. Die dennoch vorhandenen Verſchiedenheiten haben eine
zweifache Natur. Einige gründen ſich auf die mehr oder
weniger richtige Auffaſſung der einzelnen Rechtsverhältniſſe
in Beziehung auf unſere Frage, und von dieſen wird erſt
unten, bei dieſen Rechtsverhältniſſen ſelbſt, die Rede ſein
können. Andere ſind entſtanden aus den verſchiedenen Ver-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/424>, abgerufen am 14.06.2024.
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