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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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den sie zwaren dort Wassers genug/ aber eine so dünne Luft in denselben/
welche nicht genugsam ist/ die grosse Machine ihrer Leiberen in erforderli-
cher Außdehn- und bewegung zu erhalten. Wann hiemit eine Zeitung komt/
das auf die Schottischen/ Norwegischen/ Dänischen/ Niderländischen Kü-
sten außgeworffen worden ein grosser Wallfisch/ und ins gemein darüber ge-
urtheilet wird/ das dessen ursach gewesen ein starker Sturm/ so sage ich auß
bisherigen Grundsätzen/ er seye vilmehr gestorben/ oder crepirt an dem
Heimwehe.

Von dem Unterscheid der Kräuteren/ und Bäumen/ so auf
hohen Bergen/ und tieffen Thäleren wachsen.

MErkwürdig ist/ daß die Buchen-Berg-Fichten-Lerchen- und andere
Bäume nicht wachsen auf den obersten Alp-Spitzen/ sondern nur
bis auf eine gewisse höhe/ über welche alles bloß/ und dann nichts als
Felsen/ und Kräuter zusehen/ und zwaren wachsen die Bäume nicht in gleicher
grösse auf bis sie obgemeldte höhe erreichen/ sondern werden allezeit kleiner.
Dise blösse der Berg Firsten hat schon angemerket Polybius Hist. L. III. ton
A"lpeon ta men akra, etc. Es sind die obersten Spitzen der Alpen/ und
auch um etwas nidrigere Orte/ überal bloß/ und ohne Bäume.
Da finden sich keine Baumgärten/ keine anmutigen Wälder/ alles sihet kahl/
kalt/ und traurig auß; Jch verstehe/ denen/ welche ihre Freude an der Baum-
pflantzung/ und dero Früchten haben: Weilen ein/ sonderlich Kräuter ver-
ständiger Naturforscher und Aelpler an solchen wilden/ rauhen Orten seine
gröste belustigung findet/ jener zwar/ weilen er auf disen hohen Berg-Firsten/
und von denselben/ kan besehen die grossen Naturwunder des Schöpfers/
und solche Kräuter/ und Kräutlein antriffet/ die er vergebens anderstwo/ in
niedrigen Orten/ Länderen/ und Thäleren/ wurde suchen; diser aber zu sei-
nem grossen Nutzen vor sein Viehe findet die schönsten und fruchtbarsten
Alpen/ oder Weyden. Wann ich dise kahlköpfichten Gebirge mit verwun-
derenden Augen ansihe/ und dem Mangel so wol als kleinheit der Bäumen
nachdenke/ so kommen mir vor verschiedene ursachen/ von welchen sie kan her-
rühren: Vorderst zwar die geringe höhe der aufstehenden Luft/ welche an
disen Ohrten das Quecksilber im Wetterglaß 3. 4. 5. und mehr Zohl tieffer
fallen machet/ als in den Thäleren/ wie oben bereits bey anlas der abmessung
der Berghöhenen angemerket worden. Es findet disere ursach bey vernünf-
tigen Gemütheren um so vil mehr platz/ wann man bedenket/ daß der in die

Pflanzen

den ſie zwaren dort Waſſers genug/ aber eine ſo duͤnne Luft in denſelben/
welche nicht genugſam iſt/ die groſſe Machine ihrer Leiberen in erforderli-
cher Außdehn- und bewegung zu erhalten. Wann hiemit eine Zeitung komt/
das auf die Schottiſchen/ Norwegiſchen/ Daͤniſchen/ Niderlaͤndiſchen Kuͤ-
ſten außgeworffen worden ein groſſer Wallfiſch/ und ins gemein daruͤber ge-
urtheilet wird/ das deſſen urſach geweſen ein ſtarker Sturm/ ſo ſage ich auß
bisherigen Grundſaͤtzen/ er ſeye vilmehr geſtorben/ oder crepirt an dem
Heimwehe.

Von dem Unterſcheid der Kraͤuteren/ und Baͤumen/ ſo auf
hohen Bergen/ und tieffen Thaͤleren wachſen.

MErkwuͤrdig iſt/ daß die Buchen-Berg-Fichten-Lerchen- und andere
Baͤume nicht wachſen auf den oberſten Alp-Spitzen/ ſondern nur
bis auf eine gewiſſe hoͤhe/ uͤber welche alles bloß/ und dann nichts als
Felſen/ und Kraͤuter zuſehen/ und zwaren wachſen die Baͤume nicht in gleicher
groͤſſe auf bis ſie obgemeldte hoͤhe erꝛeichen/ ſondern werden allezeit kleiner.
Diſe bloͤſſe der Berg Firſten hat ſchon angemerket Polybius Hiſt. L. III. τῶν
Α῎λπεων τὰ μὲν ἄκρα, ꝛc. Es ſind die oberſten Spitzen der Alpen/ und
auch um etwas nidrigere Orte/ uͤberal bloß/ und ohne Baͤume.
Da finden ſich keine Baumgaͤrten/ keine anmutigen Waͤlder/ alles ſihet kahl/
kalt/ und traurig auß; Jch verſtehe/ denen/ welche ihre Freude an der Baum-
pflantzung/ und dero Fruͤchten haben: Weilen ein/ ſonderlich Kraͤuter ver-
ſtaͤndiger Naturforſcher und Aelpler an ſolchen wilden/ rauhen Orten ſeine
groͤſte beluſtigung findet/ jener zwar/ weilen er auf diſen hohen Berg-Firſten/
und von denſelben/ kan beſehen die groſſen Naturwunder des Schoͤpfers/
und ſolche Kraͤuter/ und Kraͤutlein antriffet/ die er vergebens anderſtwo/ in
niedrigen Orten/ Laͤnderen/ und Thaͤleren/ wurde ſuchen; diſer aber zu ſei-
nem groſſen Nutzen vor ſein Viehe findet die ſchoͤnſten und fruchtbarſten
Alpen/ oder Weyden. Wann ich diſe kahlkoͤpfichten Gebirge mit verwun-
derenden Augen anſihe/ und dem Mangel ſo wol als kleinheit der Baͤumen
nachdenke/ ſo kommen mir vor verſchiedene urſachen/ von welchen ſie kan her-
ruͤhren: Vorderſt zwar die geringe hoͤhe der aufſtehenden Luft/ welche an
diſen Ohrten das Queckſilber im Wetterglaß 3. 4. 5. und mehr Zohl tieffer
fallen machet/ als in den Thaͤleren/ wie oben bereits bey anlas der abmeſſung
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[(62)[62]/0085] den ſie zwaren dort Waſſers genug/ aber eine ſo duͤnne Luft in denſelben/ welche nicht genugſam iſt/ die groſſe Machine ihrer Leiberen in erforderli- cher Außdehn- und bewegung zu erhalten. Wann hiemit eine Zeitung komt/ das auf die Schottiſchen/ Norwegiſchen/ Daͤniſchen/ Niderlaͤndiſchen Kuͤ- ſten außgeworffen worden ein groſſer Wallfiſch/ und ins gemein daruͤber ge- urtheilet wird/ das deſſen urſach geweſen ein ſtarker Sturm/ ſo ſage ich auß bisherigen Grundſaͤtzen/ er ſeye vilmehr geſtorben/ oder crepirt an dem Heimwehe. Von dem Unterſcheid der Kraͤuteren/ und Baͤumen/ ſo auf hohen Bergen/ und tieffen Thaͤleren wachſen. MErkwuͤrdig iſt/ daß die Buchen-Berg-Fichten-Lerchen- und andere Baͤume nicht wachſen auf den oberſten Alp-Spitzen/ ſondern nur bis auf eine gewiſſe hoͤhe/ uͤber welche alles bloß/ und dann nichts als Felſen/ und Kraͤuter zuſehen/ und zwaren wachſen die Baͤume nicht in gleicher groͤſſe auf bis ſie obgemeldte hoͤhe erꝛeichen/ ſondern werden allezeit kleiner. Diſe bloͤſſe der Berg Firſten hat ſchon angemerket Polybius Hiſt. L. III. τῶν Α῎λπεων τὰ μὲν ἄκρα, ꝛc. Es ſind die oberſten Spitzen der Alpen/ und auch um etwas nidrigere Orte/ uͤberal bloß/ und ohne Baͤume. Da finden ſich keine Baumgaͤrten/ keine anmutigen Waͤlder/ alles ſihet kahl/ kalt/ und traurig auß; Jch verſtehe/ denen/ welche ihre Freude an der Baum- pflantzung/ und dero Fruͤchten haben: Weilen ein/ ſonderlich Kraͤuter ver- ſtaͤndiger Naturforſcher und Aelpler an ſolchen wilden/ rauhen Orten ſeine groͤſte beluſtigung findet/ jener zwar/ weilen er auf diſen hohen Berg-Firſten/ und von denſelben/ kan beſehen die groſſen Naturwunder des Schoͤpfers/ und ſolche Kraͤuter/ und Kraͤutlein antriffet/ die er vergebens anderſtwo/ in niedrigen Orten/ Laͤnderen/ und Thaͤleren/ wurde ſuchen; diſer aber zu ſei- nem groſſen Nutzen vor ſein Viehe findet die ſchoͤnſten und fruchtbarſten Alpen/ oder Weyden. Wann ich diſe kahlkoͤpfichten Gebirge mit verwun- derenden Augen anſihe/ und dem Mangel ſo wol als kleinheit der Baͤumen nachdenke/ ſo kommen mir vor verſchiedene urſachen/ von welchen ſie kan her- ruͤhren: Vorderſt zwar die geringe hoͤhe der aufſtehenden Luft/ welche an diſen Ohrten das Queckſilber im Wetterglaß 3. 4. 5. und mehr Zohl tieffer fallen machet/ als in den Thaͤleren/ wie oben bereits bey anlas der abmeſſung der Berghoͤhenen angemerket worden. Es findet diſere urſach bey vernuͤnf- tigen Gemuͤtheren um ſo vil mehr platz/ wann man bedenket/ daß der in die Pflanzen

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. (62)[62]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/85>, abgerufen am 30.04.2024.