Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

stenmal ausgeblieben, und wir waren in die Noth¬
wendigkeit gesezt, unsre Zuflucht zu einem Wuche¬
rer zu nehmen, weil der Prinz das Geheimniß gern
etwas theurer bezahlt. Das Schlimmste an diesem
unangenehmen Vorfalle ist, daß er unsre Abreise
verzögert.

Bey dieser Gelegenheit kam es zu einigen Er¬
läuterungen zwischen mir und dem Prinzen. Das
ganze Geschäft war durch Biondello's Hände gegan¬
gen, und der Ebräer war da, ehe ich etwas davon
ahndete. Den Prinzen zu dieser Extremität ge¬
bracht zu sehen, preßte mir das Herz, und mach¬
te alle Erinnerungen der Vergangenheit, alle Schre¬
cken für die Zukunft in mir lebendig, daß ich frey¬
lich etwas grämlich und düster ausgesehen haben
mochte, als der Wucherer hinaus war. Der
Prinz, den der vorhergehende Auftritt ohnehin
sehr reizbar gemacht hatte, ging mit Unmuth im
Zimmer auf und nieder, die Rollen lagen noch auf
dem Tische, ich stand am Fenster, und beschäftigte
mich, die Scheiben in der Prokuratie zu zählen, es
war eine lange Stille, endlich brach er los.

"F***!" fing er an: "Ich kann keine finstern
Gesichter um mich leiden."

Ich schwieg.

"Warum antworten Sie mir nicht? -- Seh'
ich nicht, daß es Ihnen das Herz abdrücken will,
Ihren Verdruß auszugießen? und ich will haben,

daß

ſtenmal ausgeblieben, und wir waren in die Noth¬
wendigkeit geſezt, unſre Zuflucht zu einem Wuche¬
rer zu nehmen, weil der Prinz das Geheimniß gern
etwas theurer bezahlt. Das Schlimmſte an dieſem
unangenehmen Vorfalle iſt, daß er unſre Abreiſe
verzögert.

Bey dieſer Gelegenheit kam es zu einigen Er¬
läuterungen zwiſchen mir und dem Prinzen. Das
ganze Geſchäft war durch Biondello's Hände gegan¬
gen, und der Ebräer war da, ehe ich etwas davon
ahndete. Den Prinzen zu dieſer Extremität ge¬
bracht zu ſehen, preßte mir das Herz, und mach¬
te alle Erinnerungen der Vergangenheit, alle Schre¬
cken für die Zukunft in mir lebendig, daß ich frey¬
lich etwas grämlich und düſter ausgeſehen haben
mochte, als der Wucherer hinaus war. Der
Prinz, den der vorhergehende Auftritt ohnehin
ſehr reizbar gemacht hatte, ging mit Unmuth im
Zimmer auf und nieder, die Rollen lagen noch auf
dem Tiſche, ich ſtand am Fenſter, und beſchäftigte
mich, die Scheiben in der Prokuratie zu zählen, es
war eine lange Stille, endlich brach er los.

„F***!“ fing er an: „Ich kann keine finſtern
Geſichter um mich leiden.“

Ich ſchwieg.

„Warum antworten Sie mir nicht? — Seh'
ich nicht, daß es Ihnen das Herz abdrücken will,
Ihren Verdruß auszugießen? und ich will haben,

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0131" n="123"/>
&#x017F;tenmal ausgeblieben, und wir waren in die Noth¬<lb/>
wendigkeit ge&#x017F;ezt, un&#x017F;re Zuflucht zu einem Wuche¬<lb/>
rer zu nehmen, weil der Prinz das Geheimniß gern<lb/>
etwas theurer bezahlt. Das Schlimm&#x017F;te an die&#x017F;em<lb/>
unangenehmen Vorfalle i&#x017F;t, daß er un&#x017F;re Abrei&#x017F;e<lb/>
verzögert.</p><lb/>
            <p>Bey die&#x017F;er Gelegenheit kam es zu einigen Er¬<lb/>
läuterungen zwi&#x017F;chen mir und dem Prinzen. Das<lb/>
ganze Ge&#x017F;chäft war durch Biondello's Hände gegan¬<lb/>
gen, und der Ebräer war da, ehe ich etwas davon<lb/>
ahndete. Den Prinzen zu die&#x017F;er Extremität ge¬<lb/>
bracht zu &#x017F;ehen, preßte mir das Herz, und mach¬<lb/>
te alle Erinnerungen der Vergangenheit, alle Schre¬<lb/>
cken für die Zukunft in mir lebendig, daß ich frey¬<lb/>
lich etwas grämlich und dü&#x017F;ter ausge&#x017F;ehen haben<lb/>
mochte, als der Wucherer hinaus war. Der<lb/>
Prinz, den der vorhergehende Auftritt ohnehin<lb/>
&#x017F;ehr reizbar gemacht hatte, ging mit Unmuth im<lb/>
Zimmer auf und nieder, die Rollen lagen noch auf<lb/>
dem Ti&#x017F;che, ich &#x017F;tand am Fen&#x017F;ter, und be&#x017F;chäftigte<lb/>
mich, die Scheiben in der Prokuratie zu zählen, es<lb/>
war eine lange Stille, endlich brach er los.</p><lb/>
            <p>&#x201E;F***!&#x201C; fing er an: &#x201E;Ich kann keine fin&#x017F;tern<lb/>
Ge&#x017F;ichter um mich leiden.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Ich &#x017F;chwieg.</p><lb/>
            <p>&#x201E;Warum antworten Sie mir nicht? &#x2014; Seh'<lb/>
ich nicht, daß es Ihnen das Herz abdrücken will,<lb/>
Ihren Verdruß auszugießen? und ich will haben,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0131] ſtenmal ausgeblieben, und wir waren in die Noth¬ wendigkeit geſezt, unſre Zuflucht zu einem Wuche¬ rer zu nehmen, weil der Prinz das Geheimniß gern etwas theurer bezahlt. Das Schlimmſte an dieſem unangenehmen Vorfalle iſt, daß er unſre Abreiſe verzögert. Bey dieſer Gelegenheit kam es zu einigen Er¬ läuterungen zwiſchen mir und dem Prinzen. Das ganze Geſchäft war durch Biondello's Hände gegan¬ gen, und der Ebräer war da, ehe ich etwas davon ahndete. Den Prinzen zu dieſer Extremität ge¬ bracht zu ſehen, preßte mir das Herz, und mach¬ te alle Erinnerungen der Vergangenheit, alle Schre¬ cken für die Zukunft in mir lebendig, daß ich frey¬ lich etwas grämlich und düſter ausgeſehen haben mochte, als der Wucherer hinaus war. Der Prinz, den der vorhergehende Auftritt ohnehin ſehr reizbar gemacht hatte, ging mit Unmuth im Zimmer auf und nieder, die Rollen lagen noch auf dem Tiſche, ich ſtand am Fenſter, und beſchäftigte mich, die Scheiben in der Prokuratie zu zählen, es war eine lange Stille, endlich brach er los. „F***!“ fing er an: „Ich kann keine finſtern Geſichter um mich leiden.“ Ich ſchwieg. „Warum antworten Sie mir nicht? — Seh' ich nicht, daß es Ihnen das Herz abdrücken will, Ihren Verdruß auszugießen? und ich will haben, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/131
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/131>, abgerufen am 30.04.2024.