Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Von vielen Plafonds kann man recht eigentlich sagen, daß der Himmel voll Geigen hängt. Für die so oft verfehlte Kunst, Gemählde mit Worten zu mahlen, läßt sich im Allgemeinen wohl keine andre Vorschrift ertheilen, als mit der Manier, den Gegenständen gemäß, aufs mannichfaltigste zu wechseln. Manchmal kann der dargestellte Moment aus einer Erzählung lebendig hervorgehn. Zuweilen ist eine fast mathematische Genauigkeit in lokalen Angaben nöthig. Meistens muß der Ton der Beschreibung das Beste thun, um den Leser über das Wie zu verständigen. Hierin ist Diderot Meister. Er musizirt viele Gemählde wie der Abt Vogler. Darf irgend etwas von Deutscher Mahlerey im Vorhofe zu Raphaels Tempel aufgestellt werden, so kommen Albrecht Dürer und Holbein gewiß näher am Heiligthume zu stehn, als der gelehrte Mengs. Tadelt den beschränkten Kunstgeschmack der Holländer nicht. Fürs erste wissen sie ganz bestimmt was sie wollen. Fürs zweyte haben sie sich ihre Gattungen selbst erschaffen. Läßt sich eins von beyden von der Englischen Kunstliebhaberey rühmen? Die bildende Kunst der Griechen ist sehr schamhaft, wo es auf die Reinheit des Edlen ankommt; sie deutet zum Beyspiel an nackten Figuren der Götter und Helden das irdische Bedürfniß auf das bescheidenste Von vielen Plafonds kann man recht eigentlich sagen, daß der Himmel voll Geigen haͤngt. Fuͤr die so oft verfehlte Kunst, Gemaͤhlde mit Worten zu mahlen, laͤßt sich im Allgemeinen wohl keine andre Vorschrift ertheilen, als mit der Manier, den Gegenstaͤnden gemaͤß, aufs mannichfaltigste zu wechseln. Manchmal kann der dargestellte Moment aus einer Erzaͤhlung lebendig hervorgehn. Zuweilen ist eine fast mathematische Genauigkeit in lokalen Angaben noͤthig. Meistens muß der Ton der Beschreibung das Beste thun, um den Leser uͤber das Wie zu verstaͤndigen. Hierin ist Diderot Meister. Er musizirt viele Gemaͤhlde wie der Abt Vogler. Darf irgend etwas von Deutscher Mahlerey im Vorhofe zu Raphaels Tempel aufgestellt werden, so kommen Albrecht Duͤrer und Holbein gewiß naͤher am Heiligthume zu stehn, als der gelehrte Mengs. Tadelt den beschraͤnkten Kunstgeschmack der Hollaͤnder nicht. Fuͤrs erste wissen sie ganz bestimmt was sie wollen. Fuͤrs zweyte haben sie sich ihre Gattungen selbst erschaffen. Laͤßt sich eins von beyden von der Englischen Kunstliebhaberey ruͤhmen? Die bildende Kunst der Griechen ist sehr schamhaft, wo es auf die Reinheit des Edlen ankommt; sie deutet zum Beyspiel an nackten Figuren der Goͤtter und Helden das irdische Beduͤrfniß auf das bescheidenste <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0235" n="46"/> <p>Von vielen Plafonds kann man recht eigentlich sagen, daß der Himmel voll Geigen haͤngt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Fuͤr die so oft verfehlte Kunst, Gemaͤhlde mit Worten zu mahlen, laͤßt sich im Allgemeinen wohl keine andre Vorschrift ertheilen, als mit der Manier, den Gegenstaͤnden gemaͤß, aufs mannichfaltigste zu wechseln. Manchmal kann der dargestellte Moment aus einer Erzaͤhlung lebendig hervorgehn. Zuweilen ist eine fast mathematische Genauigkeit in lokalen Angaben noͤthig. Meistens muß der Ton der Beschreibung das Beste thun, um den Leser uͤber das Wie zu verstaͤndigen. Hierin ist Diderot Meister. Er musizirt viele Gemaͤhlde wie der Abt Vogler.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Darf irgend etwas von Deutscher Mahlerey im Vorhofe zu Raphaels Tempel aufgestellt werden, so kommen Albrecht Duͤrer und Holbein gewiß naͤher am Heiligthume zu stehn, als der gelehrte Mengs.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Tadelt den beschraͤnkten Kunstgeschmack der Hollaͤnder nicht. Fuͤrs erste wissen sie ganz bestimmt was sie wollen. Fuͤrs zweyte haben sie sich ihre Gattungen selbst erschaffen. Laͤßt sich eins von beyden von der Englischen Kunstliebhaberey ruͤhmen?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die bildende Kunst der Griechen ist sehr schamhaft, wo es auf die Reinheit des Edlen ankommt; sie deutet zum Beyspiel an nackten Figuren der Goͤtter und Helden das irdische Beduͤrfniß auf das bescheidenste<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0235]
Von vielen Plafonds kann man recht eigentlich sagen, daß der Himmel voll Geigen haͤngt.
Fuͤr die so oft verfehlte Kunst, Gemaͤhlde mit Worten zu mahlen, laͤßt sich im Allgemeinen wohl keine andre Vorschrift ertheilen, als mit der Manier, den Gegenstaͤnden gemaͤß, aufs mannichfaltigste zu wechseln. Manchmal kann der dargestellte Moment aus einer Erzaͤhlung lebendig hervorgehn. Zuweilen ist eine fast mathematische Genauigkeit in lokalen Angaben noͤthig. Meistens muß der Ton der Beschreibung das Beste thun, um den Leser uͤber das Wie zu verstaͤndigen. Hierin ist Diderot Meister. Er musizirt viele Gemaͤhlde wie der Abt Vogler.
Darf irgend etwas von Deutscher Mahlerey im Vorhofe zu Raphaels Tempel aufgestellt werden, so kommen Albrecht Duͤrer und Holbein gewiß naͤher am Heiligthume zu stehn, als der gelehrte Mengs.
Tadelt den beschraͤnkten Kunstgeschmack der Hollaͤnder nicht. Fuͤrs erste wissen sie ganz bestimmt was sie wollen. Fuͤrs zweyte haben sie sich ihre Gattungen selbst erschaffen. Laͤßt sich eins von beyden von der Englischen Kunstliebhaberey ruͤhmen?
Die bildende Kunst der Griechen ist sehr schamhaft, wo es auf die Reinheit des Edlen ankommt; sie deutet zum Beyspiel an nackten Figuren der Goͤtter und Helden das irdische Beduͤrfniß auf das bescheidenste
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/235>, abgerufen am 15.06.2024. |