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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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Ich versetze mich gern in den
Frühling unsrer Liebe; ich sehe alle
die Veränderungen und Verwand-
lungen, ich lebe sie noch einmal,
und ich möchte wenigstens einige
von den leisen Umrissen des entflie-
henden Lebens ergreifen und zu ei-
nem bleibenden Bilde gestalten, jetzt
da es noch voller warmer Sommer
in mir ist, ehe auch das vorüber
und es auch dazu zu spät wird.
Wir Sterblichen sind, so wie wir hier
sind, nur die edelsten Gewächse die-
ser schönen Erde. Die Menschen
vergessen das so leicht, höchlich mis-
billigen sie die ewigen Gesetze der
Welt und wollen die geliebte Ober-
fläche durchaus im Mittelpunkte wie-
derfinden. Nicht also du und ich.

O 2

Ich verſetze mich gern in den
Frühling unſrer Liebe; ich ſehe alle
die Veränderungen und Verwand-
lungen, ich lebe ſie noch einmal,
und ich möchte wenigſtens einige
von den leiſen Umriſſen des entflie-
henden Lebens ergreifen und zu ei-
nem bleibenden Bilde geſtalten, jetzt
da es noch voller warmer Sommer
in mir iſt, ehe auch das vorüber
und es auch dazu zu ſpät wird.
Wir Sterblichen ſind, ſo wie wir hier
ſind, nur die edelſten Gewächſe die-
ſer ſchönen Erde. Die Menſchen
vergeſſen das ſo leicht, höchlich mis-
billigen ſie die ewigen Geſetze der
Welt und wollen die geliebte Ober-
fläche durchaus im Mittelpunkte wie-
derfinden. Nicht alſo du und ich.

O 2
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[211/0216] Ich verſetze mich gern in den Frühling unſrer Liebe; ich ſehe alle die Veränderungen und Verwand- lungen, ich lebe ſie noch einmal, und ich möchte wenigſtens einige von den leiſen Umriſſen des entflie- henden Lebens ergreifen und zu ei- nem bleibenden Bilde geſtalten, jetzt da es noch voller warmer Sommer in mir iſt, ehe auch das vorüber und es auch dazu zu ſpät wird. Wir Sterblichen ſind, ſo wie wir hier ſind, nur die edelſten Gewächſe die- ſer ſchönen Erde. Die Menſchen vergeſſen das ſo leicht, höchlich mis- billigen ſie die ewigen Geſetze der Welt und wollen die geliebte Ober- fläche durchaus im Mittelpunkte wie- derfinden. Nicht alſo du und ich. O 2

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/216>, abgerufen am 30.04.2024.