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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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"oder zehn Tagen auf seyn gen Venedig wieder zu
"reiten, darnach will ich mit dem nächsten Boten
"kommen. O wie wird mich nach der Sonne
"frieren! hier bin ich ein Herr, daheim ein Schma-
"rotzer."

Jn Bologna ward er von den dortigen Malern
wie zuvor in Venedig ehrenvoll empfangen, und
langte wahrscheinlich erst im Spätherbst desselben
Jahres wieder in Nürnberg an, wo er in ununter-
brochnem Fleiß das gewohnte Leben von neuem
begann. Lange gefühlte Liebe und Bewunderung,
noch erhöht durch die unsterblichen Werke Raphaels,
welche ihm wahrscheinlich in Venedig und Bologna
zu Gesichte gekommen, trieben ihn jetzt unwidersteh-
lich, diesem hohen Meister zu schreiben und ihm
sein eignes Bildniß zu übersenden; eine Zeichnung,
die er höchst kunstreich, ohne alles aufgesetzte Licht,
mit täuschender Wahrheit ausgeführt. Beides
langte glücklich in Rom an, und Raphael erkannte
mit Freuden den ihm verwandten Genius, dessen
Ruhm gewiß schon früher bis zu ihm gedrungen war.
Er nahm das Schreiben wie die Gabe dankbar

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„oder zehn Tagen auf ſeyn gen Venedig wieder zu
„reiten, darnach will ich mit dem nächſten Boten
„kommen. O wie wird mich nach der Sonne
„frieren! hier bin ich ein Herr, daheim ein Schma-
„rotzer.“

Jn Bologna ward er von den dortigen Malern
wie zuvor in Venedig ehrenvoll empfangen, und
langte wahrſcheinlich erſt im Spätherbſt deſſelben
Jahres wieder in Nürnberg an, wo er in ununter-
brochnem Fleiß das gewohnte Leben von neuem
begann. Lange gefühlte Liebe und Bewunderung,
noch erhöht durch die unſterblichen Werke Raphaels,
welche ihm wahrſcheinlich in Venedig und Bologna
zu Geſichte gekommen, trieben ihn jetzt unwiderſteh-
lich, dieſem hohen Meiſter zu ſchreiben und ihm
ſein eignes Bildniß zu überſenden; eine Zeichnung,
die er höchſt kunſtreich, ohne alles aufgeſetzte Licht,
mit täuſchender Wahrheit ausgeführt. Beides
langte glücklich in Rom an, und Raphael erkannte
mit Freuden den ihm verwandten Genius, deſſen
Ruhm gewiß ſchon früher bis zu ihm gedrungen war.
Er nahm das Schreiben wie die Gabe dankbar

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[241/0253] „oder zehn Tagen auf ſeyn gen Venedig wieder zu „reiten, darnach will ich mit dem nächſten Boten „kommen. O wie wird mich nach der Sonne „frieren! hier bin ich ein Herr, daheim ein Schma- „rotzer.“ Jn Bologna ward er von den dortigen Malern wie zuvor in Venedig ehrenvoll empfangen, und langte wahrſcheinlich erſt im Spätherbſt deſſelben Jahres wieder in Nürnberg an, wo er in ununter- brochnem Fleiß das gewohnte Leben von neuem begann. Lange gefühlte Liebe und Bewunderung, noch erhöht durch die unſterblichen Werke Raphaels, welche ihm wahrſcheinlich in Venedig und Bologna zu Geſichte gekommen, trieben ihn jetzt unwiderſteh- lich, dieſem hohen Meiſter zu ſchreiben und ihm ſein eignes Bildniß zu überſenden; eine Zeichnung, die er höchſt kunſtreich, ohne alles aufgeſetzte Licht, mit täuſchender Wahrheit ausgeführt. Beides langte glücklich in Rom an, und Raphael erkannte mit Freuden den ihm verwandten Genius, deſſen Ruhm gewiß ſchon früher bis zu ihm gedrungen war. Er nahm das Schreiben wie die Gabe dankbar 16

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/253>, abgerufen am 30.04.2024.