Jch sagte ihm, da er es wissen wollte, was es ge- geben hatte. Er zuckte die Achsel und sagte: "Es wird dir schon nichts weiter übrig bleiben, als dich in diese Launen zu schicken." -- Jch weiß, daß mir nichts weiter übrig bleibt, aber welche Härte von ihm, mir das zu sagen!
Wenn mich schon der Betrug, den Braun gegen arme, beschränkte Menschen ausübt, die ihn wie ei- nen Heiligen und Gottbegabten verehren und ihm eine fast göttliche Anbetung weihen, auf's Höchste empört, wenn ich ihn seiner Laster und Selbstsucht wegen mit jedem Tage mehr verachten muß, so übersteigt dieser Abscheu, diese Verachtung doch fast jedes Maß, wenn ich höre, welchen heillosen Spott er mit dem frommen Glauben, mit dem ihm von den Gläubigen geschenkten unbedingten Vertrauen treibt. Wie ein Schauspieler sich über die am Abend gespielte Rolle mit seinen Kunstgenossen etwa unterhalten würde, un- terhält er sich mit Marien über die von Zeit zu Zeit im Tempel von ihm verrichteten Functionen, bei denen er das Amt des Priesters, des gottbegeisterten Pro- pheten ausübt, und wie ein Mime vor der Auf- führung seine Stellungen vor dem Spiegel studiren, seinen Anzug mustern würde, macht er vor Marien
Jch ſagte ihm, da er es wiſſen wollte, was es ge- geben hatte. Er zuckte die Achſel und ſagte: „Es wird dir ſchon nichts weiter übrig bleiben, als dich in dieſe Launen zu ſchicken.“ — Jch weiß, daß mir nichts weiter übrig bleibt, aber welche Härte von ihm, mir das zu ſagen!
Wenn mich ſchon der Betrug, den Braun gegen arme, beſchränkte Menſchen ausübt, die ihn wie ei- nen Heiligen und Gottbegabten verehren und ihm eine faſt göttliche Anbetung weihen, auf’s Höchſte empört, wenn ich ihn ſeiner Laſter und Selbſtſucht wegen mit jedem Tage mehr verachten muß, ſo überſteigt dieſer Abſcheu, dieſe Verachtung doch faſt jedes Maß, wenn ich höre, welchen heilloſen Spott er mit dem frommen Glauben, mit dem ihm von den Gläubigen geſchenkten unbedingten Vertrauen treibt. Wie ein Schauſpieler ſich über die am Abend geſpielte Rolle mit ſeinen Kunſtgenoſſen etwa unterhalten würde, un- terhält er ſich mit Marien über die von Zeit zu Zeit im Tempel von ihm verrichteten Functionen, bei denen er das Amt des Prieſters, des gottbegeiſterten Pro- pheten ausübt, und wie ein Mime vor der Auf- führung ſeine Stellungen vor dem Spiegel ſtudiren, ſeinen Anzug muſtern würde, macht er vor Marien
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Jch ſagte ihm, da er es wiſſen wollte, was es ge-
geben hatte. Er zuckte die Achſel und ſagte: „Es
wird dir ſchon nichts weiter übrig bleiben, als dich
in dieſe Launen zu ſchicken.“ — Jch weiß, daß mir
nichts weiter übrig bleibt, aber welche Härte von
ihm, mir das zu ſagen!
Wenn mich ſchon der Betrug, den Braun gegen
arme, beſchränkte Menſchen ausübt, die ihn wie ei-
nen Heiligen und Gottbegabten verehren und ihm eine
faſt göttliche Anbetung weihen, auf’s Höchſte empört,
wenn ich ihn ſeiner Laſter und Selbſtſucht wegen
mit jedem Tage mehr verachten muß, ſo überſteigt
dieſer Abſcheu, dieſe Verachtung doch faſt jedes Maß,
wenn ich höre, welchen heilloſen Spott er mit dem
frommen Glauben, mit dem ihm von den Gläubigen
geſchenkten unbedingten Vertrauen treibt. Wie ein
Schauſpieler ſich über die am Abend geſpielte Rolle
mit ſeinen Kunſtgenoſſen etwa unterhalten würde, un-
terhält er ſich mit Marien über die von Zeit zu Zeit
im Tempel von ihm verrichteten Functionen, bei denen
er das Amt des Prieſters, des gottbegeiſterten Pro-
pheten ausübt, und wie ein Mime vor der Auf-
führung ſeine Stellungen vor dem Spiegel ſtudiren,
ſeinen Anzug muſtern würde, macht er vor Marien
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/161>, abgerufen am 15.06.2024.
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