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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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auch anderweitig nutzbaren Gutes bedeutet, so sehr auch im Endresultat
die eudämonistische Mehrung überwiege.

Dass alle Wirtschaft Wechselwirkung, und zwar i[n] [d]em spe-
zifischen Sinne des aufopfernden Tausches ist, hat einem Einwand zu
begegnen, den man gegen die Gleichsetzung des wirtschaftlichen Wertes
überhaupt mit dem Tauschwert erhoben hat. Auch der ganz isolierte
Wirt, so hat man gesagt -- der also weder kaufe noch verkaufe --
müsse doch seine Produkte und Produktionsmittel abschätzen, also
einen von allem Tausche unabhängigen Wertbegriff bilden, wenn seine
Aufwendungen und seine Ergebnisse im richtigen Verhältnis zu einander
stehen sollen. Allein diese Thatsache beweist grade, was sie wider-
legen soll. Denn alle Abwägung, ob ein bestimmtes Produkt einen be-
stimmten Aufwand an Arbeit oder sonstigen Gütern rechtfertigt, ist für
das wirtschaftende Subjekt genau dieselbe, wie die beim Tausche vor
sich gehende Wertung dessen, was man hingiebt, gegen das, was man
erhält. Es wird nämlich gegenüber dem Begriffe des Tausches oft
jene Denkunklarheit begangen, infolge deren man von einer Beziehung,
einem Verhältnis so spricht, als wäre es etwas ausserhalb der Elemente,
zwischen denen es spielt. Es bedeutet doch nur einen Zustand oder
eine Veränderung innerhalb jedes derselben, aber nichts, was zwischen
denselben, im Sinne der räumlichen Besonderung eines zwischen zwei
anderen befindlichen Objekts, existierte. Indem man die beiden Akte
oder Zustandsänderungen, die in Wirklichkeit vor sich gehen, in den
Begriff "Tausch" zusammenfasst, liegt die Vorstellung verlockend nahe,
als wäre mit dem Tausch etwas neben oder über demjenigen geschehen,
was in dem einen und in dem anderen Kontrahenten geschieht. Auf
seinen unmittelbaren Inhalt angesehen, ist der Tausch nichts als die
zweimalige Wiederholung der Thatsache, dass ein Subjekt jetzt etwas
hat, was es vorher nicht hatte, und dafür etwas nicht hat, was es vor-
her hatte. Dann aber verhält sich jener isolierte Wirt, der gewisse
Opfer zur Erzielung gewisser Früchte bringen muss, genau so, wie der
Tauschende: nur dass sein Kontrahent nicht ein zweites wollendes Sub-
jekt ist, sondern die natürliche Ordnung und Gesetzmässigkeit der
Dinge, die unsere Begehrungen so wenig ohne ein Opfer unsererseits
zu erfüllen pflegt, wie ein anderer Mensch es thut. Seine Wertberech-
nungen, nach denen er seine Handlungen bestimmt, sind generell genau
dieselben, wie beim Tausch. Für das wirtschaftende Subjekt als
solches ist es sicherlich vollkommen gleichgültig, ob es in seinem Be-
sitz befindliche Substanzen oder Arbeitskräfte in den Boden versenkt
oder einem anderen Menschen hingiebt, wenn nur das Resultat der
Hingabe für ihn das gleiche ist. Dieser subjektive Prozess von Opfer

auch anderweitig nutzbaren Gutes bedeutet, so sehr auch im Endresultat
die eudämonistische Mehrung überwiege.

Daſs alle Wirtschaft Wechselwirkung, und zwar i[n] [d]em spe-
zifischen Sinne des aufopfernden Tausches ist, hat einem Einwand zu
begegnen, den man gegen die Gleichsetzung des wirtschaftlichen Wertes
überhaupt mit dem Tauschwert erhoben hat. Auch der ganz isolierte
Wirt, so hat man gesagt — der also weder kaufe noch verkaufe —
müsse doch seine Produkte und Produktionsmittel abschätzen, also
einen von allem Tausche unabhängigen Wertbegriff bilden, wenn seine
Aufwendungen und seine Ergebnisse im richtigen Verhältnis zu einander
stehen sollen. Allein diese Thatsache beweist grade, was sie wider-
legen soll. Denn alle Abwägung, ob ein bestimmtes Produkt einen be-
stimmten Aufwand an Arbeit oder sonstigen Gütern rechtfertigt, ist für
das wirtschaftende Subjekt genau dieselbe, wie die beim Tausche vor
sich gehende Wertung dessen, was man hingiebt, gegen das, was man
erhält. Es wird nämlich gegenüber dem Begriffe des Tausches oft
jene Denkunklarheit begangen, infolge deren man von einer Beziehung,
einem Verhältnis so spricht, als wäre es etwas auſserhalb der Elemente,
zwischen denen es spielt. Es bedeutet doch nur einen Zustand oder
eine Veränderung innerhalb jedes derselben, aber nichts, was zwischen
denselben, im Sinne der räumlichen Besonderung eines zwischen zwei
anderen befindlichen Objekts, existierte. Indem man die beiden Akte
oder Zustandsänderungen, die in Wirklichkeit vor sich gehen, in den
Begriff „Tausch“ zusammenfaſst, liegt die Vorstellung verlockend nahe,
als wäre mit dem Tausch etwas neben oder über demjenigen geschehen,
was in dem einen und in dem anderen Kontrahenten geschieht. Auf
seinen unmittelbaren Inhalt angesehen, ist der Tausch nichts als die
zweimalige Wiederholung der Thatsache, daſs ein Subjekt jetzt etwas
hat, was es vorher nicht hatte, und dafür etwas nicht hat, was es vor-
her hatte. Dann aber verhält sich jener isolierte Wirt, der gewisse
Opfer zur Erzielung gewisser Früchte bringen muſs, genau so, wie der
Tauschende: nur daſs sein Kontrahent nicht ein zweites wollendes Sub-
jekt ist, sondern die natürliche Ordnung und Gesetzmäſsigkeit der
Dinge, die unsere Begehrungen so wenig ohne ein Opfer unsererseits
zu erfüllen pflegt, wie ein anderer Mensch es thut. Seine Wertberech-
nungen, nach denen er seine Handlungen bestimmt, sind generell genau
dieselben, wie beim Tausch. Für das wirtschaftende Subjekt als
solches ist es sicherlich vollkommen gleichgültig, ob es in seinem Be-
sitz befindliche Substanzen oder Arbeitskräfte in den Boden versenkt
oder einem anderen Menschen hingiebt, wenn nur das Resultat der
Hingabe für ihn das gleiche ist. Dieser subjektive Prozeſs von Opfer

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[34/0058] auch anderweitig nutzbaren Gutes bedeutet, so sehr auch im Endresultat die eudämonistische Mehrung überwiege. Daſs alle Wirtschaft Wechselwirkung, und zwar in dem spe- zifischen Sinne des aufopfernden Tausches ist, hat einem Einwand zu begegnen, den man gegen die Gleichsetzung des wirtschaftlichen Wertes überhaupt mit dem Tauschwert erhoben hat. Auch der ganz isolierte Wirt, so hat man gesagt — der also weder kaufe noch verkaufe — müsse doch seine Produkte und Produktionsmittel abschätzen, also einen von allem Tausche unabhängigen Wertbegriff bilden, wenn seine Aufwendungen und seine Ergebnisse im richtigen Verhältnis zu einander stehen sollen. Allein diese Thatsache beweist grade, was sie wider- legen soll. Denn alle Abwägung, ob ein bestimmtes Produkt einen be- stimmten Aufwand an Arbeit oder sonstigen Gütern rechtfertigt, ist für das wirtschaftende Subjekt genau dieselbe, wie die beim Tausche vor sich gehende Wertung dessen, was man hingiebt, gegen das, was man erhält. Es wird nämlich gegenüber dem Begriffe des Tausches oft jene Denkunklarheit begangen, infolge deren man von einer Beziehung, einem Verhältnis so spricht, als wäre es etwas auſserhalb der Elemente, zwischen denen es spielt. Es bedeutet doch nur einen Zustand oder eine Veränderung innerhalb jedes derselben, aber nichts, was zwischen denselben, im Sinne der räumlichen Besonderung eines zwischen zwei anderen befindlichen Objekts, existierte. Indem man die beiden Akte oder Zustandsänderungen, die in Wirklichkeit vor sich gehen, in den Begriff „Tausch“ zusammenfaſst, liegt die Vorstellung verlockend nahe, als wäre mit dem Tausch etwas neben oder über demjenigen geschehen, was in dem einen und in dem anderen Kontrahenten geschieht. Auf seinen unmittelbaren Inhalt angesehen, ist der Tausch nichts als die zweimalige Wiederholung der Thatsache, daſs ein Subjekt jetzt etwas hat, was es vorher nicht hatte, und dafür etwas nicht hat, was es vor- her hatte. Dann aber verhält sich jener isolierte Wirt, der gewisse Opfer zur Erzielung gewisser Früchte bringen muſs, genau so, wie der Tauschende: nur daſs sein Kontrahent nicht ein zweites wollendes Sub- jekt ist, sondern die natürliche Ordnung und Gesetzmäſsigkeit der Dinge, die unsere Begehrungen so wenig ohne ein Opfer unsererseits zu erfüllen pflegt, wie ein anderer Mensch es thut. Seine Wertberech- nungen, nach denen er seine Handlungen bestimmt, sind generell genau dieselben, wie beim Tausch. Für das wirtschaftende Subjekt als solches ist es sicherlich vollkommen gleichgültig, ob es in seinem Be- sitz befindliche Substanzen oder Arbeitskräfte in den Boden versenkt oder einem anderen Menschen hingiebt, wenn nur das Resultat der Hingabe für ihn das gleiche ist. Dieser subjektive Prozeſs von Opfer

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/58>, abgerufen am 30.04.2024.