"Von Herrn Timm," sagte sie erstaunt, den Brief erbrechend; "ich bin doch neugierig, was mir der zu schreiben hat. Er hat doch sein Geld richtig erhalten. Entschuldigen Sie, lieber Felix."
Das Erstaunen, die Bestürzung, der Schrecken, welche sich, während die Baronin las, auf ihrem Ge¬ sicht malten, waren so ausgeprägt, daß Felix nicht umhin konnte, zu sagen:
"Aber Tante, was haben Sie? Sie sind ja wie die Wand so weiß geworden?"
"Oh, es ist schändlich!" sagte die Baronin: "es ist schändlich! diese Buben! es ist eine abgekartete Sache! ein gemeines Complot! diese Buben!"
"Aber, um Himmelswillen, was giebt es denn?" rief Felix.
"Hier, lesen Sie!" sagte die Baronin, ihm mit zitternder Hand den Brief hinhaltend. "Wie finden
Sie das? Lesen Sie laut! Das Ding ist so amüsant, daß man es wol zweimal hören kann."
Felix nahm den Brief und las:
"Gnädige Frau! Es ist nicht meine Schuld, wenn
Ihnen der Inhalt dieses Schreibens mißfallen sollte.
Sie wissen, mit wie großer Verehrung ich an Ihnen und Ihrer ganzen Familie hänge, mit welchem Eifer ich Ihnen stets meine geringen Dienste gewidmet habe,
F. Spielhagen, Problematische Naturen. IV. 15
„Von Herrn Timm,“ ſagte ſie erſtaunt, den Brief erbrechend; „ich bin doch neugierig, was mir der zu ſchreiben hat. Er hat doch ſein Geld richtig erhalten. Entſchuldigen Sie, lieber Felix.“
Das Erſtaunen, die Beſtürzung, der Schrecken, welche ſich, während die Baronin las, auf ihrem Ge¬ ſicht malten, waren ſo ausgeprägt, daß Felix nicht umhin konnte, zu ſagen:
„Aber Tante, was haben Sie? Sie ſind ja wie die Wand ſo weiß geworden?“
„Oh, es iſt ſchändlich!“ ſagte die Baronin: „es iſt ſchändlich! dieſe Buben! es iſt eine abgekartete Sache! ein gemeines Complot! dieſe Buben!“
„Aber, um Himmelswillen, was giebt es denn?“ rief Felix.
„Hier, leſen Sie!“ ſagte die Baronin, ihm mit zitternder Hand den Brief hinhaltend. „Wie finden
Sie das? Leſen Sie laut! Das Ding iſt ſo amüſant, daß man es wol zweimal hören kann.“
Felix nahm den Brief und las:
„Gnädige Frau! Es iſt nicht meine Schuld, wenn
Ihnen der Inhalt dieſes Schreibens mißfallen ſollte.
Sie wiſſen, mit wie großer Verehrung ich an Ihnen und Ihrer ganzen Familie hänge, mit welchem Eifer ich Ihnen ſtets meine geringen Dienſte gewidmet habe,
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. IV. 15
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0235"n="225"/><p>„Von Herrn Timm,“ſagte ſie erſtaunt, den Brief<lb/>
erbrechend; „ich bin doch neugierig, was mir der zu<lb/>ſchreiben hat. Er hat doch ſein Geld richtig erhalten.<lb/>
Entſchuldigen Sie, lieber Felix.“</p><lb/><p>Das Erſtaunen, die Beſtürzung, der Schrecken,<lb/>
welche ſich, während die Baronin las, auf ihrem Ge¬<lb/>ſicht malten, waren ſo ausgeprägt, daß Felix nicht<lb/>
umhin konnte, zu ſagen:</p><lb/><p>„Aber Tante, was haben Sie? Sie ſind ja wie<lb/>
die Wand ſo weiß geworden?“</p><lb/><p>„Oh, es iſt ſchändlich!“ſagte die Baronin: „es<lb/>
iſt ſchändlich! dieſe Buben! es iſt eine abgekartete<lb/>
Sache! ein gemeines Complot! dieſe Buben!“</p><lb/><p>„Aber, um Himmelswillen, was giebt es denn?“<lb/>
rief Felix.</p><lb/><p>„Hier, leſen Sie!“ſagte die Baronin, ihm mit<lb/>
zitternder Hand den Brief hinhaltend. „Wie finden</p><lb/><p>Sie das? Leſen Sie laut! Das Ding iſt ſo amüſant,<lb/>
daß man es wol zweimal hören kann.“</p><lb/><p>Felix nahm den Brief und las:</p><lb/><p>„Gnädige Frau! Es iſt nicht meine Schuld, wenn</p><lb/><p>Ihnen der Inhalt dieſes Schreibens mißfallen ſollte.</p><lb/><p>Sie wiſſen, mit wie großer Verehrung ich an Ihnen<lb/>
und Ihrer ganzen Familie hänge, mit welchem Eifer<lb/>
ich Ihnen ſtets meine geringen Dienſte gewidmet habe,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. <hirendition="#aq">IV</hi>. 15<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[225/0235]
„Von Herrn Timm,“ ſagte ſie erſtaunt, den Brief
erbrechend; „ich bin doch neugierig, was mir der zu
ſchreiben hat. Er hat doch ſein Geld richtig erhalten.
Entſchuldigen Sie, lieber Felix.“
Das Erſtaunen, die Beſtürzung, der Schrecken,
welche ſich, während die Baronin las, auf ihrem Ge¬
ſicht malten, waren ſo ausgeprägt, daß Felix nicht
umhin konnte, zu ſagen:
„Aber Tante, was haben Sie? Sie ſind ja wie
die Wand ſo weiß geworden?“
„Oh, es iſt ſchändlich!“ ſagte die Baronin: „es
iſt ſchändlich! dieſe Buben! es iſt eine abgekartete
Sache! ein gemeines Complot! dieſe Buben!“
„Aber, um Himmelswillen, was giebt es denn?“
rief Felix.
„Hier, leſen Sie!“ ſagte die Baronin, ihm mit
zitternder Hand den Brief hinhaltend. „Wie finden
Sie das? Leſen Sie laut! Das Ding iſt ſo amüſant,
daß man es wol zweimal hören kann.“
Felix nahm den Brief und las:
„Gnädige Frau! Es iſt nicht meine Schuld, wenn
Ihnen der Inhalt dieſes Schreibens mißfallen ſollte.
Sie wiſſen, mit wie großer Verehrung ich an Ihnen
und Ihrer ganzen Familie hänge, mit welchem Eifer
ich Ihnen ſtets meine geringen Dienſte gewidmet habe,
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. IV. 15
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/235>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.