ten, und der darüber befragte Konrad es selbst nicht läugnete, so fieng der alte Vater an, Ver- dacht zu schöpfen. Daß seine reiche, so vornehm erzogne Tochter sich in diesen armen Schuster wirklich verliebt habe, in seinen Armen aus dem väterlichen Hause entflohen sei, kam ihm zwar gar nicht in den Sinn, aber um so stärker quälte ihn der Gedanke, daß solcher vielleicht der Un- glücklichen Räuber und Mörder seyn könne.
Die Antworten, welche Konrad, der Karoli- nens Ruf absichtlich schonen wollte, auf die vor- gelegten Fragen ertheilte, waren allerdings von der Art, daß sie diesen Verdacht mit vollem Rech- te zu bestärken vermochten. Er stotterte oft, er widersprach sich mehr als einmal, kurz, es schien allen unglaublich, daß die vernünftige Karoline einen unbekannten Schuster zu ihrem Reisegefähr- den erwählt, mit schönen Kleidern beschenkt, und so unbesorgt ihr ganzes Reichthum, alle diese Wechsel zur Umsetzung anvertraut habe. Weil er aber offen bekannte, daß Karoline seiner im Gast- hofe zum drei Mohren zu Augsburg harre, und dort noch bei seiner plötzlichen Verhaftnehmung gewohnt habe, so achtete man jede fernere Unter- suchung des Möglichen und Wahrscheinlichen für überflüßig, und war nur bedacht, sich aufs schnell- ste zu überzeugen: Ob diese Aussage Wahrheit enthalte?
Der Buchhalter des Fabrikanten mußte des- wegen noch am nemlichen Tage mit Extrapost
ten, und der daruͤber befragte Konrad es ſelbſt nicht laͤugnete, ſo fieng der alte Vater an, Ver- dacht zu ſchoͤpfen. Daß ſeine reiche, ſo vornehm erzogne Tochter ſich in dieſen armen Schuſter wirklich verliebt habe, in ſeinen Armen aus dem vaͤterlichen Hauſe entflohen ſei, kam ihm zwar gar nicht in den Sinn, aber um ſo ſtaͤrker quaͤlte ihn der Gedanke, daß ſolcher vielleicht der Un- gluͤcklichen Raͤuber und Moͤrder ſeyn koͤnne.
Die Antworten, welche Konrad, der Karoli- nens Ruf abſichtlich ſchonen wollte, auf die vor- gelegten Fragen ertheilte, waren allerdings von der Art, daß ſie dieſen Verdacht mit vollem Rech- te zu beſtaͤrken vermochten. Er ſtotterte oft, er widerſprach ſich mehr als einmal, kurz, es ſchien allen unglaublich, daß die vernuͤnftige Karoline einen unbekannten Schuſter zu ihrem Reiſegefaͤhr- den erwaͤhlt, mit ſchoͤnen Kleidern beſchenkt, und ſo unbeſorgt ihr ganzes Reichthum, alle dieſe Wechſel zur Umſetzung anvertraut habe. Weil er aber offen bekannte, daß Karoline ſeiner im Gaſt- hofe zum drei Mohren zu Augsburg harre, und dort noch bei ſeiner ploͤtzlichen Verhaftnehmung gewohnt habe, ſo achtete man jede fernere Unter- ſuchung des Moͤglichen und Wahrſcheinlichen fuͤr uͤberfluͤßig, und war nur bedacht, ſich aufs ſchnell- ſte zu uͤberzeugen: Ob dieſe Ausſage Wahrheit enthalte?
Der Buchhalter des Fabrikanten mußte des- wegen noch am nemlichen Tage mit Extrapoſt
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ten, und der daruͤber befragte Konrad es ſelbſt
nicht laͤugnete, ſo fieng der alte Vater an, Ver-
dacht zu ſchoͤpfen. Daß ſeine reiche, ſo vornehm
erzogne Tochter ſich in dieſen armen Schuſter
wirklich verliebt habe, in ſeinen Armen aus dem
vaͤterlichen Hauſe entflohen ſei, kam ihm zwar
gar nicht in den Sinn, aber um ſo ſtaͤrker quaͤlte
ihn der Gedanke, daß ſolcher vielleicht der Un-
gluͤcklichen Raͤuber und Moͤrder ſeyn koͤnne.
Die Antworten, welche Konrad, der Karoli-
nens Ruf abſichtlich ſchonen wollte, auf die vor-
gelegten Fragen ertheilte, waren allerdings von
der Art, daß ſie dieſen Verdacht mit vollem Rech-
te zu beſtaͤrken vermochten. Er ſtotterte oft, er
widerſprach ſich mehr als einmal, kurz, es ſchien
allen unglaublich, daß die vernuͤnftige Karoline
einen unbekannten Schuſter zu ihrem Reiſegefaͤhr-
den erwaͤhlt, mit ſchoͤnen Kleidern beſchenkt, und
ſo unbeſorgt ihr ganzes Reichthum, alle dieſe
Wechſel zur Umſetzung anvertraut habe. Weil er
aber offen bekannte, daß Karoline ſeiner im Gaſt-
hofe zum drei Mohren zu Augsburg harre, und
dort noch bei ſeiner ploͤtzlichen Verhaftnehmung
gewohnt habe, ſo achtete man jede fernere Unter-
ſuchung des Moͤglichen und Wahrſcheinlichen fuͤr
uͤberfluͤßig, und war nur bedacht, ſich aufs ſchnell-
ſte zu uͤberzeugen: Ob dieſe Ausſage Wahrheit
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/127>, abgerufen am 17.06.2024.
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