werfen, aber nur einen flüchtigen Blick: denn um alles auf einmal zu sehen, würden wir wahr- scheinlich nichts sehen.
Die Physiognomie der Residenz ist la- chend. Gerade, breite und zum Theil sehr lan- ge Straßen, die sich häufig in stumpfen und spi- tzen Winkeln durchschneiden -- große freye Plätze -- Mannigfaltigkeit in der Bauart der Häuser -- endlich die vielen Kanäle und der schöne Newafluß mit ihren dauerhaften und ge- schmackvollen Einfassungen, machen den großen Anblick heiter und angenehm. In Ansehung der Regelmäßigkeit und Anlage zur Schönheit läßt Petersburg sich nur mit wenigen großen Städten in Europa vergleichen. Paris, trotz der Menge seiner Palläste und der fortdaurenden Aufmerk- samkeit auf die Verbesserung seiner fehlerhaften Anlage, kann nie eine schöne Stadt werden, und London ist es nur in seinen neuerbauten Theilen. Berlin wetteifert mit jeder andern Stadt in Rück- sicht auf schöne Regelmäßigkeit, aber Petersburg hat mehr große Anlagen. Dort stößt das Auge seltner auf leere unbebaute Plätze oder hölzerne Hütten; hier findet man mehrere Paläste und große Privatgebäude, breitere Straßen und eine
werfen, aber nur einen fluͤchtigen Blick: denn um alles auf einmal zu ſehen, wuͤrden wir wahr- ſcheinlich nichts ſehen.
Die Phyſiognomie der Reſidenz iſt la- chend. Gerade, breite und zum Theil ſehr lan- ge Straßen, die ſich haͤufig in ſtumpfen und ſpi- tzen Winkeln durchſchneiden — große freye Plaͤtze — Mannigfaltigkeit in der Bauart der Haͤuſer — endlich die vielen Kanaͤle und der ſchoͤne Newafluß mit ihren dauerhaften und ge- ſchmackvollen Einfaſſungen, machen den großen Anblick heiter und angenehm. In Anſehung der Regelmaͤßigkeit und Anlage zur Schoͤnheit laͤßt Petersburg ſich nur mit wenigen großen Staͤdten in Europa vergleichen. Paris, trotz der Menge ſeiner Pallaͤſte und der fortdaurenden Aufmerk- ſamkeit auf die Verbeſſerung ſeiner fehlerhaften Anlage, kann nie eine ſchoͤne Stadt werden, und London iſt es nur in ſeinen neuerbauten Theilen. Berlin wetteifert mit jeder andern Stadt in Ruͤck- ſicht auf ſchoͤne Regelmaͤßigkeit, aber Petersburg hat mehr große Anlagen. Dort ſtoͤßt das Auge ſeltner auf leere unbebaute Plaͤtze oder hoͤlzerne Huͤtten; hier findet man mehrere Palaͤſte und große Privatgebaͤude, breitere Straßen und eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0048"n="14"/>
werfen, aber nur einen fluͤchtigen Blick: denn<lb/>
um alles auf einmal zu ſehen, wuͤrden wir wahr-<lb/>ſcheinlich nichts ſehen.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Phyſiognomie</hi> der Reſidenz iſt la-<lb/>
chend. Gerade, breite und zum Theil ſehr lan-<lb/>
ge Straßen, die ſich haͤufig in ſtumpfen und ſpi-<lb/>
tzen Winkeln durchſchneiden — große freye<lb/>
Plaͤtze — Mannigfaltigkeit in der Bauart der<lb/>
Haͤuſer — endlich die vielen Kanaͤle und der<lb/>ſchoͤne Newafluß mit ihren dauerhaften und ge-<lb/>ſchmackvollen Einfaſſungen, machen den großen<lb/>
Anblick heiter und angenehm. In Anſehung der<lb/>
Regelmaͤßigkeit und Anlage zur Schoͤnheit laͤßt<lb/>
Petersburg ſich nur mit wenigen großen Staͤdten<lb/>
in Europa vergleichen. Paris, trotz der Menge<lb/>ſeiner Pallaͤſte und der fortdaurenden Aufmerk-<lb/>ſamkeit auf die Verbeſſerung ſeiner fehlerhaften<lb/>
Anlage, kann nie eine ſchoͤne Stadt werden, und<lb/>
London iſt es nur in ſeinen neuerbauten Theilen.<lb/>
Berlin wetteifert mit jeder andern Stadt in Ruͤck-<lb/>ſicht auf ſchoͤne Regelmaͤßigkeit, aber Petersburg<lb/>
hat mehr große Anlagen. Dort ſtoͤßt das Auge<lb/>ſeltner auf leere unbebaute Plaͤtze oder hoͤlzerne<lb/>
Huͤtten; hier findet man mehrere Palaͤſte und<lb/>
große Privatgebaͤude, breitere Straßen und eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0048]
werfen, aber nur einen fluͤchtigen Blick: denn
um alles auf einmal zu ſehen, wuͤrden wir wahr-
ſcheinlich nichts ſehen.
Die Phyſiognomie der Reſidenz iſt la-
chend. Gerade, breite und zum Theil ſehr lan-
ge Straßen, die ſich haͤufig in ſtumpfen und ſpi-
tzen Winkeln durchſchneiden — große freye
Plaͤtze — Mannigfaltigkeit in der Bauart der
Haͤuſer — endlich die vielen Kanaͤle und der
ſchoͤne Newafluß mit ihren dauerhaften und ge-
ſchmackvollen Einfaſſungen, machen den großen
Anblick heiter und angenehm. In Anſehung der
Regelmaͤßigkeit und Anlage zur Schoͤnheit laͤßt
Petersburg ſich nur mit wenigen großen Staͤdten
in Europa vergleichen. Paris, trotz der Menge
ſeiner Pallaͤſte und der fortdaurenden Aufmerk-
ſamkeit auf die Verbeſſerung ſeiner fehlerhaften
Anlage, kann nie eine ſchoͤne Stadt werden, und
London iſt es nur in ſeinen neuerbauten Theilen.
Berlin wetteifert mit jeder andern Stadt in Ruͤck-
ſicht auf ſchoͤne Regelmaͤßigkeit, aber Petersburg
hat mehr große Anlagen. Dort ſtoͤßt das Auge
ſeltner auf leere unbebaute Plaͤtze oder hoͤlzerne
Huͤtten; hier findet man mehrere Palaͤſte und
große Privatgebaͤude, breitere Straßen und eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/48>, abgerufen am 06.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.