diesen Zügen den unumstösslichen Beweis, dass Leib und Leben Jesu nach der Auferstehung noch immer als natür- lich menschliche gedacht werden müssen 3). Diese Behaup- tung unterstüzt man noch durch die Bemerkung, dass in dem Befinden des Auferstandenen sich ganz derjenige Fort- schritt zeige, welcher bei der allmähligen natürlichen Ge- nesung eines schwer Verwundeten zu erwarten sei. In den ersten Stunden nach der Auferstehung müsse er sich noch in der Nähe des Grabes halten; am Nachmittag rei- chen seine Kräfte zu einem Gang nach dem benachbarten Emmaus; erst später finde er sich im Stande, die weitere Reise nach Galiläa zu unternehmen. Dann auch in dem Betastenlassen finde der bemerkenswerthe Fortschritt statt, dass am Auferstehungsmorgen zwar Jesus der Maria Mag- dalena verbiete, ihn anzurühren, weil sein verwundeter Leib noch zu leidend und empfindlich war: acht Tage später aber, nachdem seine Heilung weiter fortgeschritten war, fordre er selber den Thomas zur Berührung seiner Wunden auf. Selbst auch das, dass Jesus nach seiner Auferstehung so selten und kurz mit seinen Jüngern zu- sammen war, zeugt nach diesen Erklärern dafür, dass er seinen natürlichen menschlichen Leib aus dem Grabe wie- dergebracht hatte, indem eben ein solcher von der Verwun- dung und Qual am Kreuze her sich so schwach fühlen musste, um nach kurzen Momenten der Thätigkeit immer wieder längere Zwischenperioden ruhiger Zurückgezogen- heit nöthig zu haben.
Da indess, wie wir gesehen haben, die N. T.lichen Erzählungen ebenso auch Züge enthalten, welche die ent- gegengesezte Vorstellung von der Leiblichkeit Jesu nach der Auferstehung begünstigen: so muss die bisher dargelegte
3)Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 834 ff. L. J. 1, b, S. 265 ff. Vgl. Hase, L. J. §. 149. -- Michaelis, a. a. O. S. 251 f. Tholuck, S. 352.
Dritter Abschnitt.
diesen Zügen den unumstöſslichen Beweis, daſs Leib und Leben Jesu nach der Auferstehung noch immer als natür- lich menschliche gedacht werden müssen 3). Diese Behaup- tung unterstüzt man noch durch die Bemerkung, daſs in dem Befinden des Auferstandenen sich ganz derjenige Fort- schritt zeige, welcher bei der allmähligen natürlichen Ge- nesung eines schwer Verwundeten zu erwarten sei. In den ersten Stunden nach der Auferstehung müsse er sich noch in der Nähe des Grabes halten; am Nachmittag rei- chen seine Kräfte zu einem Gang nach dem benachbarten Emmaus; erst später finde er sich im Stande, die weitere Reise nach Galiläa zu unternehmen. Dann auch in dem Betastenlassen finde der bemerkenswerthe Fortschritt statt, daſs am Auferstehungsmorgen zwar Jesus der Maria Mag- dalena verbiete, ihn anzurühren, weil sein verwundeter Leib noch zu leidend und empfindlich war: acht Tage später aber, nachdem seine Heilung weiter fortgeschritten war, fordre er selber den Thomas zur Berührung seiner Wunden auf. Selbst auch das, daſs Jesus nach seiner Auferstehung so selten und kurz mit seinen Jüngern zu- sammen war, zeugt nach diesen Erklärern dafür, daſs er seinen natürlichen menschlichen Leib aus dem Grabe wie- dergebracht hatte, indem eben ein solcher von der Verwun- dung und Qual am Kreuze her sich so schwach fühlen muſste, um nach kurzen Momenten der Thätigkeit immer wieder längere Zwischenperioden ruhiger Zurückgezogen- heit nöthig zu haben.
Da indeſs, wie wir gesehen haben, die N. T.lichen Erzählungen ebenso auch Züge enthalten, welche die ent- gegengesezte Vorstellung von der Leiblichkeit Jesu nach der Auferstehung begünstigen: so muſs die bisher dargelegte
3)Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 834 ff. L. J. 1, b, S. 265 ff. Vgl. Hase, L. J. §. 149. — Michaelis, a. a. O. S. 251 f. Tholuck, S. 352.
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Dritter Abschnitt.
diesen Zügen den unumstöſslichen Beweis, daſs Leib und
Leben Jesu nach der Auferstehung noch immer als natür-
lich menschliche gedacht werden müssen 3). Diese Behaup-
tung unterstüzt man noch durch die Bemerkung, daſs in
dem Befinden des Auferstandenen sich ganz derjenige Fort-
schritt zeige, welcher bei der allmähligen natürlichen Ge-
nesung eines schwer Verwundeten zu erwarten sei. In
den ersten Stunden nach der Auferstehung müsse er sich
noch in der Nähe des Grabes halten; am Nachmittag rei-
chen seine Kräfte zu einem Gang nach dem benachbarten
Emmaus; erst später finde er sich im Stande, die weitere
Reise nach Galiläa zu unternehmen. Dann auch in dem
Betastenlassen finde der bemerkenswerthe Fortschritt statt,
daſs am Auferstehungsmorgen zwar Jesus der Maria Mag-
dalena verbiete, ihn anzurühren, weil sein verwundeter
Leib noch zu leidend und empfindlich war: acht Tage
später aber, nachdem seine Heilung weiter fortgeschritten
war, fordre er selber den Thomas zur Berührung seiner
Wunden auf. Selbst auch das, daſs Jesus nach seiner
Auferstehung so selten und kurz mit seinen Jüngern zu-
sammen war, zeugt nach diesen Erklärern dafür, daſs er
seinen natürlichen menschlichen Leib aus dem Grabe wie-
dergebracht hatte, indem eben ein solcher von der Verwun-
dung und Qual am Kreuze her sich so schwach fühlen
muſste, um nach kurzen Momenten der Thätigkeit immer
wieder längere Zwischenperioden ruhiger Zurückgezogen-
heit nöthig zu haben.
Da indeſs, wie wir gesehen haben, die N. T.lichen
Erzählungen ebenso auch Züge enthalten, welche die ent-
gegengesezte Vorstellung von der Leiblichkeit Jesu nach der
Auferstehung begünstigen: so muſs die bisher dargelegte
3) Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 834 ff. L. J. 1, b, S. 265 ff.
Vgl. Hase, L. J. §. 149. — Michaelis, a. a. O. S. 251 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/653>, abgerufen am 18.06.2024.
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