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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Ope
men kann, wenn das Gemähld mit Eyerweiß über-
zogen wird.

Man nimmt insgemein Nußöl oder Mahnöl,
weil diese troknen, da viel andre gepreßte Oele nie-
mal austroknen. Zu einigen Farben, die schwee-
rer troknen, nimmt man in der Bearbeitung Firnis,
der auch überhaupt dem Oele mehr oder weniger
beygemischt wird. Die Farben, denen der Firnis
am nothwendigsten ist, sind, Ultramarin, Lak, Schütt-
gelb, und das Schwarze.

Oper; Opera.

Bey dem außerordentlichen Schauspiehl, dem die
Jtaliäner den Namen Opera gegeben haben, herrscht
eine so seltsame Vermischung des Großen und Klei-
nen, des Schönen und Abgeschmakten, daß ich ver-
legen bin, wie und was ich davon schreiben soll.
Jn den besten Opern siehet und höret man Dinge,
die so läppisch und so abgeschmakt sind, daß man
denken sollte, sie seyen nur da um Kinder, oder ei-
nen kindisch gesinnten Pöbel in Erstaunen zu sezen;
und mitten unter diesem höchst elenden, den Ge-
schmak von allen Seiten beleidigenden Zeuge, kom-
men Sachen vor, die tief ins Herz dringen, die das
Gemüth auf eine höchstreizende Weise mit süßer
Wollust, mit dem zärtlichsten Mitleiden, oder mit
Furcht und Schreken erfüllen. Auf eine Scene
bey der wir uns selbst vergessen, und für die han-
delnden Personen mit dem lebhaftesten Jntresse ein-
genommen werden, folget sehr oft eine, wo uns
eben diese Personen als bloße Gaukler vorkommen,
die mit lächerlichem Aufwand, aber zugleich auf
die ungeschikteste Weise, den tummen Pöbel in Schre-
ken, oder in Verwunderung zu sezen suchen. Jn
dem man von dem Unsinn, der sich so oft in der
Oper zeiget, beleidiget wird, kann man sich nicht
entschließen, darüber nachzudenken: aber so bald
man sich jene reizende Scenen der lebhaftesten Em-
pfindung erinnert, wünschet man, daß alle Men-
schen von Geschmak sich vereinigen möchten, um
diesem großen Schauspiel die Vollkommenheit zu
geben, deren es fähig ist. Jch muß hier wieder-
holen, was ich schon anderswo gesagt habe. (+)
Die Oper kann das Größte und Wichtigste aller
dramatischen Schauspiehle seyn, weil darin alle schö-
nen Künste ihre Kräfte vereinigen: aber eben dieses
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Ope
Schauspiehl beweißt den Leichtsinn der Neuern, die
in demselben alle diese Künste zugleich erniedriget
und verächtlich gemacht haben.

Da ich mich also nicht entschließen kann, die Oper
in diesem Werk ganz zu übergehen; so scheinet mir
das Beste zu seyn, daß ich zuerst das, was mir da-
rin anstößig und den guten Geschmak beleidigend
vorkommt, anzeige, hernach aber meine Gedanken
über die Verbesserung dieses Schauspiels an den Tag
lege. Poesie, Musik, Tanzkunst, Mahlerey und
Baukunst vereinigen sich zu Darstellung der Opera.
Wir müssen also, um die Verwirrung zu vermeiden,
das was jede dieser Künste dabey thut, besonders be-
trachten.

Die Dichtkunst liefert den Hauptstoff, in dem
sie die dramatische Handlung dazu hergiebt. Jn
den vorigen Zeiten war es in Jtalien, wo die Oper
zuerst aufgekommen ist, gebräuchlich, den Steff zur
Handlung aus der fabelhaften Welt zu nehmen.
Die alte Mythologie, das Reich der Feen und der
Zauberer, und hernach auch die fabelhaften Ritter-
zeiten, gaben die Personen und Handlungen dazu
an die Hand. Gegenwärtig aber haben die Opern-
dichter zwar diesen fabelhaften Stoff nicht ganz weg-
geworfen, aber sie wechseln doch auch mit wahrem
historischen Stoff, so wie das Trauerspiehl ihn wählt,
ab. Man kann also überhaupt annehmen, daß der
Trauerspiehldichter und der Dichter der Oper, ei-
nerley Stoff bearbeiten. Beyde stellen uns eine
große und wegen der darin verschiedentlich gegen
einander würkenden Leidenschaften merkwürdige Hand-
lung vor, die von kurzer Dauer ist, und sich durch
einen merkwürdigen Ausgang endiget. Aber in Be-
handlung dieses Stoffes, scheinet der Operndichter
sich zum Geseze zu machen, die Bahn der Natur
gänzlich zu verlassen. Seine Maxime ist, alles so zu
behandeln, daß das Aug durch öfters abgewechselte
Scenen, durch prächtige Aufzüge, und durch Man-
nigfaltigkeit stark ins Gesicht fallender Dinge in Ver-
wunderung gesezt werde, diese Dinge seyen so un-
natürlich als sie wollen, wenn nur das Aug des Zu-
schauers ofte mit neuen und allemal mit blendenden
Gegenständen gerührt wird. Schlachten, Trium-
phe, Schiffbrüche, Ungewitter, Gespenster, wilde
Thiere und dergleichen Dinge, müssen, wo es ir-
gend möglich dem Zuschauer vor Augen gelegt wer-

den.
(+) Jn der Abhandlung sur l'Energie in den Memoires de
[Spaltenumbruch] l'Acad. Roy. des Scien. et Belles-Lettrespourl' Annee mdcclxv.

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Ope
men kann, wenn das Gemaͤhld mit Eyerweiß uͤber-
zogen wird.

Man nimmt insgemein Nußoͤl oder Mahnoͤl,
weil dieſe troknen, da viel andre gepreßte Oele nie-
mal austroknen. Zu einigen Farben, die ſchwee-
rer troknen, nimmt man in der Bearbeitung Firnis,
der auch uͤberhaupt dem Oele mehr oder weniger
beygemiſcht wird. Die Farben, denen der Firnis
am nothwendigſten iſt, ſind, Ultramarin, Lak, Schuͤtt-
gelb, und das Schwarze.

Oper; Opera.

Bey dem außerordentlichen Schauſpiehl, dem die
Jtaliaͤner den Namen Opera gegeben haben, herrſcht
eine ſo ſeltſame Vermiſchung des Großen und Klei-
nen, des Schoͤnen und Abgeſchmakten, daß ich ver-
legen bin, wie und was ich davon ſchreiben ſoll.
Jn den beſten Opern ſiehet und hoͤret man Dinge,
die ſo laͤppiſch und ſo abgeſchmakt ſind, daß man
denken ſollte, ſie ſeyen nur da um Kinder, oder ei-
nen kindiſch geſinnten Poͤbel in Erſtaunen zu ſezen;
und mitten unter dieſem hoͤchſt elenden, den Ge-
ſchmak von allen Seiten beleidigenden Zeuge, kom-
men Sachen vor, die tief ins Herz dringen, die das
Gemuͤth auf eine hoͤchſtreizende Weiſe mit ſuͤßer
Wolluſt, mit dem zaͤrtlichſten Mitleiden, oder mit
Furcht und Schreken erfuͤllen. Auf eine Scene
bey der wir uns ſelbſt vergeſſen, und fuͤr die han-
delnden Perſonen mit dem lebhafteſten Jntreſſe ein-
genommen werden, folget ſehr oft eine, wo uns
eben dieſe Perſonen als bloße Gaukler vorkommen,
die mit laͤcherlichem Aufwand, aber zugleich auf
die ungeſchikteſte Weiſe, den tummen Poͤbel in Schre-
ken, oder in Verwunderung zu ſezen ſuchen. Jn
dem man von dem Unſinn, der ſich ſo oft in der
Oper zeiget, beleidiget wird, kann man ſich nicht
entſchließen, daruͤber nachzudenken: aber ſo bald
man ſich jene reizende Scenen der lebhafteſten Em-
pfindung erinnert, wuͤnſchet man, daß alle Men-
ſchen von Geſchmak ſich vereinigen moͤchten, um
dieſem großen Schauſpiel die Vollkommenheit zu
geben, deren es faͤhig iſt. Jch muß hier wieder-
holen, was ich ſchon anderswo geſagt habe. (†)
Die Oper kann das Groͤßte und Wichtigſte aller
dramatiſchen Schauſpiehle ſeyn, weil darin alle ſchoͤ-
nen Kuͤnſte ihre Kraͤfte vereinigen: aber eben dieſes
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Ope
Schauſpiehl beweißt den Leichtſinn der Neuern, die
in demſelben alle dieſe Kuͤnſte zugleich erniedriget
und veraͤchtlich gemacht haben.

Da ich mich alſo nicht entſchließen kann, die Oper
in dieſem Werk ganz zu uͤbergehen; ſo ſcheinet mir
das Beſte zu ſeyn, daß ich zuerſt das, was mir da-
rin anſtoͤßig und den guten Geſchmak beleidigend
vorkommt, anzeige, hernach aber meine Gedanken
uͤber die Verbeſſerung dieſes Schauſpiels an den Tag
lege. Poeſie, Muſik, Tanzkunſt, Mahlerey und
Baukunſt vereinigen ſich zu Darſtellung der Opera.
Wir muͤſſen alſo, um die Verwirrung zu vermeiden,
das was jede dieſer Kuͤnſte dabey thut, beſonders be-
trachten.

Die Dichtkunſt liefert den Hauptſtoff, in dem
ſie die dramatiſche Handlung dazu hergiebt. Jn
den vorigen Zeiten war es in Jtalien, wo die Oper
zuerſt aufgekommen iſt, gebraͤuchlich, den Steff zur
Handlung aus der fabelhaften Welt zu nehmen.
Die alte Mythologie, das Reich der Feen und der
Zauberer, und hernach auch die fabelhaften Ritter-
zeiten, gaben die Perſonen und Handlungen dazu
an die Hand. Gegenwaͤrtig aber haben die Opern-
dichter zwar dieſen fabelhaften Stoff nicht ganz weg-
geworfen, aber ſie wechſeln doch auch mit wahrem
hiſtoriſchen Stoff, ſo wie das Trauerſpiehl ihn waͤhlt,
ab. Man kann alſo uͤberhaupt annehmen, daß der
Trauerſpiehldichter und der Dichter der Oper, ei-
nerley Stoff bearbeiten. Beyde ſtellen uns eine
große und wegen der darin verſchiedentlich gegen
einander wuͤrkenden Leidenſchaften merkwuͤrdige Hand-
lung vor, die von kurzer Dauer iſt, und ſich durch
einen merkwuͤrdigen Ausgang endiget. Aber in Be-
handlung dieſes Stoffes, ſcheinet der Operndichter
ſich zum Geſeze zu machen, die Bahn der Natur
gaͤnzlich zu verlaſſen. Seine Maxime iſt, alles ſo zu
behandeln, daß das Aug durch oͤfters abgewechſelte
Scenen, durch praͤchtige Aufzuͤge, und durch Man-
nigfaltigkeit ſtark ins Geſicht fallender Dinge in Ver-
wunderung geſezt werde, dieſe Dinge ſeyen ſo un-
natuͤrlich als ſie wollen, wenn nur das Aug des Zu-
ſchauers ofte mit neuen und allemal mit blendenden
Gegenſtaͤnden geruͤhrt wird. Schlachten, Trium-
phe, Schiffbruͤche, Ungewitter, Geſpenſter, wilde
Thiere und dergleichen Dinge, muͤſſen, wo es ir-
gend moͤglich dem Zuſchauer vor Augen gelegt wer-

den.
(†) Jn der Abhandlung ſur l’Energie in den Memoires de
[Spaltenumbruch] l’Acad. Roy. des Scien. et Belles-Lettrespourl’ Année mdcclxv.
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[642[824]/0259] Ope Ope men kann, wenn das Gemaͤhld mit Eyerweiß uͤber- zogen wird. Man nimmt insgemein Nußoͤl oder Mahnoͤl, weil dieſe troknen, da viel andre gepreßte Oele nie- mal austroknen. Zu einigen Farben, die ſchwee- rer troknen, nimmt man in der Bearbeitung Firnis, der auch uͤberhaupt dem Oele mehr oder weniger beygemiſcht wird. Die Farben, denen der Firnis am nothwendigſten iſt, ſind, Ultramarin, Lak, Schuͤtt- gelb, und das Schwarze. Oper; Opera. Bey dem außerordentlichen Schauſpiehl, dem die Jtaliaͤner den Namen Opera gegeben haben, herrſcht eine ſo ſeltſame Vermiſchung des Großen und Klei- nen, des Schoͤnen und Abgeſchmakten, daß ich ver- legen bin, wie und was ich davon ſchreiben ſoll. Jn den beſten Opern ſiehet und hoͤret man Dinge, die ſo laͤppiſch und ſo abgeſchmakt ſind, daß man denken ſollte, ſie ſeyen nur da um Kinder, oder ei- nen kindiſch geſinnten Poͤbel in Erſtaunen zu ſezen; und mitten unter dieſem hoͤchſt elenden, den Ge- ſchmak von allen Seiten beleidigenden Zeuge, kom- men Sachen vor, die tief ins Herz dringen, die das Gemuͤth auf eine hoͤchſtreizende Weiſe mit ſuͤßer Wolluſt, mit dem zaͤrtlichſten Mitleiden, oder mit Furcht und Schreken erfuͤllen. Auf eine Scene bey der wir uns ſelbſt vergeſſen, und fuͤr die han- delnden Perſonen mit dem lebhafteſten Jntreſſe ein- genommen werden, folget ſehr oft eine, wo uns eben dieſe Perſonen als bloße Gaukler vorkommen, die mit laͤcherlichem Aufwand, aber zugleich auf die ungeſchikteſte Weiſe, den tummen Poͤbel in Schre- ken, oder in Verwunderung zu ſezen ſuchen. Jn dem man von dem Unſinn, der ſich ſo oft in der Oper zeiget, beleidiget wird, kann man ſich nicht entſchließen, daruͤber nachzudenken: aber ſo bald man ſich jene reizende Scenen der lebhafteſten Em- pfindung erinnert, wuͤnſchet man, daß alle Men- ſchen von Geſchmak ſich vereinigen moͤchten, um dieſem großen Schauſpiel die Vollkommenheit zu geben, deren es faͤhig iſt. Jch muß hier wieder- holen, was ich ſchon anderswo geſagt habe. (†) Die Oper kann das Groͤßte und Wichtigſte aller dramatiſchen Schauſpiehle ſeyn, weil darin alle ſchoͤ- nen Kuͤnſte ihre Kraͤfte vereinigen: aber eben dieſes Schauſpiehl beweißt den Leichtſinn der Neuern, die in demſelben alle dieſe Kuͤnſte zugleich erniedriget und veraͤchtlich gemacht haben. Da ich mich alſo nicht entſchließen kann, die Oper in dieſem Werk ganz zu uͤbergehen; ſo ſcheinet mir das Beſte zu ſeyn, daß ich zuerſt das, was mir da- rin anſtoͤßig und den guten Geſchmak beleidigend vorkommt, anzeige, hernach aber meine Gedanken uͤber die Verbeſſerung dieſes Schauſpiels an den Tag lege. Poeſie, Muſik, Tanzkunſt, Mahlerey und Baukunſt vereinigen ſich zu Darſtellung der Opera. Wir muͤſſen alſo, um die Verwirrung zu vermeiden, das was jede dieſer Kuͤnſte dabey thut, beſonders be- trachten. Die Dichtkunſt liefert den Hauptſtoff, in dem ſie die dramatiſche Handlung dazu hergiebt. Jn den vorigen Zeiten war es in Jtalien, wo die Oper zuerſt aufgekommen iſt, gebraͤuchlich, den Steff zur Handlung aus der fabelhaften Welt zu nehmen. Die alte Mythologie, das Reich der Feen und der Zauberer, und hernach auch die fabelhaften Ritter- zeiten, gaben die Perſonen und Handlungen dazu an die Hand. Gegenwaͤrtig aber haben die Opern- dichter zwar dieſen fabelhaften Stoff nicht ganz weg- geworfen, aber ſie wechſeln doch auch mit wahrem hiſtoriſchen Stoff, ſo wie das Trauerſpiehl ihn waͤhlt, ab. Man kann alſo uͤberhaupt annehmen, daß der Trauerſpiehldichter und der Dichter der Oper, ei- nerley Stoff bearbeiten. Beyde ſtellen uns eine große und wegen der darin verſchiedentlich gegen einander wuͤrkenden Leidenſchaften merkwuͤrdige Hand- lung vor, die von kurzer Dauer iſt, und ſich durch einen merkwuͤrdigen Ausgang endiget. Aber in Be- handlung dieſes Stoffes, ſcheinet der Operndichter ſich zum Geſeze zu machen, die Bahn der Natur gaͤnzlich zu verlaſſen. Seine Maxime iſt, alles ſo zu behandeln, daß das Aug durch oͤfters abgewechſelte Scenen, durch praͤchtige Aufzuͤge, und durch Man- nigfaltigkeit ſtark ins Geſicht fallender Dinge in Ver- wunderung geſezt werde, dieſe Dinge ſeyen ſo un- natuͤrlich als ſie wollen, wenn nur das Aug des Zu- ſchauers ofte mit neuen und allemal mit blendenden Gegenſtaͤnden geruͤhrt wird. Schlachten, Trium- phe, Schiffbruͤche, Ungewitter, Geſpenſter, wilde Thiere und dergleichen Dinge, muͤſſen, wo es ir- gend moͤglich dem Zuſchauer vor Augen gelegt wer- den. (†) Jn der Abhandlung ſur l’Energie in den Memoires de l’Acad. Roy. des Scien. et Belles-Lettrespourl’ Année mdcclxv.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 642[824]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/259>, abgerufen am 26.04.2024.