Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.Theologis sich kranck gemacht / auch ihre vota sehr kaltsinnig und zweydeutig sind. Jedoch hat es der Theologus bald noch manierlicher gemacht als der Politicus, indem er persönlich erschienen, und sein votum mündlich gegeben, hernach aber sub praetextu seiner Schwachheit weggegangen, ehe die vota ferner erwogen und ein conclusum gemacht worden. So hat er auch darinnen der Klugheit des ungerechten Haushalters sich bedienet, indem er sein votum also eingerichtet, daß er diese Ehe nicht rathen noch für selbige votiren könte; weil aber die quaestio nicht mehr de matrimonio contrahendo, sondern de jam contracto sey; als wolle er dazu Glück und Seegen wünschen: Denn ob schon etliche mahl angemerckt worden, daß diese distinction absurd sey, so ist doch auch zugleich gemeldet worden, daß sie schon lange Zeit apud orthodoxos Mode gewesen (vide §. 1. circa finem & §. 4. in medio). Ich bin endlich versichert, daß der Abdruck dieses colloquii und der bey diesem negotio eingeholten Bedencken dem communi dominatui der bißher behaupteten Gegenmeynung vielmehr Schaden gethan, als wenn noch so viel mit Zanck und personalibus angefüllte Schrifften ferner darwieder wären geschrieben worden. Wiewohl nicht die Meynung ist, daß die dissentientes dadurch eben wären bekehret worden, und ihre Meynung geändert hätten, sondern ich ziele nur darauf, daß um und nach derselbigen Zeit unterschiedene Fürsten angefangen, auch bey privatis in dergleichen Ehen zu dispensiren, und sowohl Collegia Theologica als Juridica gefunden, die ihre facta approbiret; auch nachhero eine zeitlang keine fernere Zanckschrifften wegen dieser Ehe-Sache ediret worden. §. XIIX. Alleine etlichen und zwantzig Jahr nachhero trug sichNeuer Streit Anno 1706. der zu gegenwärtigem Responso Gelegenheit gegeben. ein besonderer casus zu, der bishero noch nicht vorkommen. Nehmlich es hatte der Herr D. Götze, Superintendens zu Halberstadt nach seiner Eheliebsten Tode eine eheliche affection auf dero Schwester geworffen, und deßhalb bey Seiner Königlichen Majestät in Preussen umb dispensation gebührende Ansuchung gethan, auch selbige Anno 1706. erhalten und darauf solche Ehe vollzogen. Hierüber entstund nun (secundum definitionem scandali accepti in Compendio Hutteri) ein grausames Aergerniß bey denen sogenannten Zeloten, die sich selbst den Titul [fremdsprachliches Material] Lutheranorum zu geben pflegen, und zwar nicht ohne Ursache. Denn man kan sich leicht einbilden, was dieses der bisherigen Haberechterey für einen mercklichen Schaden zufügen müsse, wennein Lutherischer Theologus, ja gar ein Superintendens, denen Evangelischen Königen und Fürsten ein solches Recht einzuräumen, und dabey Theologis sich kranck gemacht / auch ihre vota sehr kaltsinnig und zweydeutig sind. Jedoch hat es der Theologus bald noch manierlicher gemacht als der Politicus, indem er persönlich erschienen, und sein votum mündlich gegeben, hernach aber sub praetextu seiner Schwachheit weggegangen, ehe die vota ferner erwogen und ein conclusum gemacht worden. So hat er auch darinnen der Klugheit des ungerechten Haushalters sich bedienet, indem er sein votum also eingerichtet, daß er diese Ehe nicht rathen noch für selbige votiren könte; weil aber die quaestio nicht mehr de matrimonio contrahendo, sondern de jam contracto sey; als wolle er dazu Glück und Seegen wünschen: Denn ob schon etliche mahl angemerckt worden, daß diese distinction absurd sey, so ist doch auch zugleich gemeldet worden, daß sie schon lange Zeit apud orthodoxos Mode gewesen (vide §. 1. circa finem & §. 4. in medio). Ich bin endlich versichert, daß der Abdruck dieses colloquii und der bey diesem negotio eingeholten Bedencken dem communi dominatui der bißher behaupteten Gegenmeynung vielmehr Schaden gethan, als wenn noch so viel mit Zanck und personalibus angefüllte Schrifften ferner darwieder wären geschrieben worden. Wiewohl nicht die Meynung ist, daß die dissentientes dadurch eben wären bekehret worden, und ihre Meynung geändert hätten, sondern ich ziele nur darauf, daß um und nach derselbigen Zeit unterschiedene Fürsten angefangen, auch bey privatis in dergleichen Ehen zu dispensiren, und sowohl Collegia Theologica als Juridica gefunden, die ihre facta approbiret; auch nachhero eine zeitlang keine fernere Zanckschrifften wegen dieser Ehe-Sache ediret worden. §. XIIX. Alleine etlichen und zwantzig Jahr nachhero trug sichNeuer Streit Anno 1706. der zu gegenwärtigem Responso Gelegenheit gegeben. ein besonderer casus zu, der bishero noch nicht vorkommen. Nehmlich es hatte der Herr D. Götze, Superintendens zu Halberstadt nach seiner Eheliebsten Tode eine eheliche affection auf dero Schwester geworffen, und deßhalb bey Seiner Königlichen Majestät in Preussen umb dispensation gebührende Ansuchung gethan, auch selbige Anno 1706. erhalten und darauf solche Ehe vollzogen. Hierüber entstund nun (secundum definitionem scandali accepti in Compendio Hutteri) ein grausames Aergerniß bey denen sogenannten Zeloten, die sich selbst den Titul [fremdsprachliches Material] Lutheranorum zu geben pflegen, und zwar nicht ohne Ursache. Denn man kan sich leicht einbilden, was dieses der bisherigen Haberechterey für einen mercklichen Schaden zufügen müsse, wennein Lutherischer Theologus, ja gar ein Superintendens, denen Evangelischen Königen und Fürsten ein solches Recht einzuräumen, und dabey <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0289" n="281"/> Theologis sich kranck gemacht / auch ihre vota sehr kaltsinnig und zweydeutig sind. Jedoch hat es der Theologus bald noch manierlicher gemacht als der Politicus, indem er persönlich erschienen, und sein votum mündlich gegeben, hernach aber sub praetextu seiner Schwachheit weggegangen, ehe die vota ferner erwogen und ein conclusum gemacht worden. So hat er auch darinnen der Klugheit des ungerechten Haushalters sich bedienet, indem er sein votum also eingerichtet, daß er diese Ehe nicht rathen noch für selbige votiren könte; weil aber die quaestio nicht mehr de matrimonio contrahendo, sondern de jam contracto sey; als wolle er dazu Glück und Seegen wünschen: Denn ob schon etliche mahl angemerckt worden, daß diese distinction absurd sey, so ist doch auch zugleich gemeldet worden, daß sie schon lange Zeit apud orthodoxos Mode gewesen (vide §. 1. circa finem & §. 4. in medio). Ich bin endlich versichert, daß der Abdruck dieses colloquii und der bey diesem negotio eingeholten Bedencken dem communi dominatui der bißher behaupteten Gegenmeynung vielmehr Schaden gethan, als wenn noch so viel mit Zanck und personalibus angefüllte Schrifften ferner darwieder wären geschrieben worden. Wiewohl nicht die Meynung ist, daß die dissentientes dadurch eben wären bekehret worden, und ihre Meynung geändert hätten, sondern ich ziele nur darauf, daß um und nach derselbigen Zeit unterschiedene Fürsten angefangen, auch bey privatis in dergleichen Ehen zu dispensiren, und sowohl Collegia Theologica als Juridica gefunden, die ihre facta approbiret; auch nachhero eine zeitlang keine fernere Zanckschrifften wegen dieser Ehe-Sache ediret worden.</p> <p>§. XIIX. Alleine etlichen und zwantzig Jahr nachhero trug sich<note place="right">Neuer Streit <hi rendition="#i">Anno</hi> 1706. der zu gegenwärtigem <hi rendition="#i">Responso</hi> Gelegenheit gegeben.</note> ein besonderer casus zu, der bishero noch nicht vorkommen. Nehmlich es hatte der Herr D. Götze, Superintendens zu Halberstadt nach seiner Eheliebsten Tode eine eheliche affection auf dero Schwester geworffen, und deßhalb bey Seiner Königlichen Majestät in Preussen umb dispensation gebührende Ansuchung gethan, auch selbige Anno 1706. erhalten und darauf solche Ehe vollzogen. Hierüber entstund nun (secundum definitionem scandali accepti in Compendio Hutteri) ein grausames Aergerniß bey denen sogenannten Zeloten, die sich selbst den Titul <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> Lutheranorum zu geben pflegen, und zwar nicht ohne Ursache. Denn man kan sich leicht einbilden, was dieses der bisherigen Haberechterey für einen mercklichen Schaden zufügen müsse, wennein Lutherischer Theologus, ja gar ein Superintendens, denen Evangelischen Königen und Fürsten ein solches Recht einzuräumen, und dabey </p> </div> </body> </text> </TEI> [281/0289]
Theologis sich kranck gemacht / auch ihre vota sehr kaltsinnig und zweydeutig sind. Jedoch hat es der Theologus bald noch manierlicher gemacht als der Politicus, indem er persönlich erschienen, und sein votum mündlich gegeben, hernach aber sub praetextu seiner Schwachheit weggegangen, ehe die vota ferner erwogen und ein conclusum gemacht worden. So hat er auch darinnen der Klugheit des ungerechten Haushalters sich bedienet, indem er sein votum also eingerichtet, daß er diese Ehe nicht rathen noch für selbige votiren könte; weil aber die quaestio nicht mehr de matrimonio contrahendo, sondern de jam contracto sey; als wolle er dazu Glück und Seegen wünschen: Denn ob schon etliche mahl angemerckt worden, daß diese distinction absurd sey, so ist doch auch zugleich gemeldet worden, daß sie schon lange Zeit apud orthodoxos Mode gewesen (vide §. 1. circa finem & §. 4. in medio). Ich bin endlich versichert, daß der Abdruck dieses colloquii und der bey diesem negotio eingeholten Bedencken dem communi dominatui der bißher behaupteten Gegenmeynung vielmehr Schaden gethan, als wenn noch so viel mit Zanck und personalibus angefüllte Schrifften ferner darwieder wären geschrieben worden. Wiewohl nicht die Meynung ist, daß die dissentientes dadurch eben wären bekehret worden, und ihre Meynung geändert hätten, sondern ich ziele nur darauf, daß um und nach derselbigen Zeit unterschiedene Fürsten angefangen, auch bey privatis in dergleichen Ehen zu dispensiren, und sowohl Collegia Theologica als Juridica gefunden, die ihre facta approbiret; auch nachhero eine zeitlang keine fernere Zanckschrifften wegen dieser Ehe-Sache ediret worden.
§. XIIX. Alleine etlichen und zwantzig Jahr nachhero trug sich ein besonderer casus zu, der bishero noch nicht vorkommen. Nehmlich es hatte der Herr D. Götze, Superintendens zu Halberstadt nach seiner Eheliebsten Tode eine eheliche affection auf dero Schwester geworffen, und deßhalb bey Seiner Königlichen Majestät in Preussen umb dispensation gebührende Ansuchung gethan, auch selbige Anno 1706. erhalten und darauf solche Ehe vollzogen. Hierüber entstund nun (secundum definitionem scandali accepti in Compendio Hutteri) ein grausames Aergerniß bey denen sogenannten Zeloten, die sich selbst den Titul _ Lutheranorum zu geben pflegen, und zwar nicht ohne Ursache. Denn man kan sich leicht einbilden, was dieses der bisherigen Haberechterey für einen mercklichen Schaden zufügen müsse, wennein Lutherischer Theologus, ja gar ein Superintendens, denen Evangelischen Königen und Fürsten ein solches Recht einzuräumen, und dabey
Neuer Streit Anno 1706. der zu gegenwärtigem Responso Gelegenheit gegeben.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/289 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/289>, abgerufen am 18.06.2024. |