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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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men möge, was er ins künfftige von diesen Gesprächen zu hoffen habe, will ich ihme nur etwas weniges von meiner Profession melden. Wenn ich demjenigen Glauben beymessen wolte, was ich vernommen, das auch meine Feinde mir nachsagten, wolte ich sprechen, ich wäre ein Gelehrter. Aber obgleich sonsten die Zeugnüsse derer, die uns zuwieder sind, in Sachen, so zu unsern Vortheil gedeuter werden könten, für sehr gültig gehalten werden, so wird mir doch jedermann leichte Beyfall geben, daß ich selbsten am besten wissen müste, ob ich gelehrt sey oder nicht. Ja ich getraue mir augenscheinlich darzuthun, daß ich dieses Praedicuts gantz nicht fähig bin, weil ich zu keiner Facultät gebracht werden kan. Ich bin kein Theologus, denn ich kan nicht predigen, viel weniger mit denen Ketzern disputiren. Kein Juriste bin ich auch nicht, dieweil ich durch die auream praxin die Zeit meines Lebens nicht viel erworben, auch die wunderliche persuasion und Einbildung habe, daß die meisten Theile der Jurisprudenz von Triboniano, und denen alten Glossatoribus nebst denen pragmaticis so verhuntzt worden, daß nunmehro unmöglich ist, dieselbige in formam artis zuredigiren, und man sich solchergestalt gantz nicht wundern darf, wie es doch komme, daß heut zu Tage ein Rabula ja so leichte in diesem Studio fortkommer, als ein gelehrter Mann. Vielweniger bin ich ein Medieus, denn ich habe mich von Jugend auf gehüter, daß ich nicht mit anderer Leute Schaden klug werden möchte, und halte von einem Trunck Rhein-Wein mehr, als von der besten Perl-Essentz; ja ich habe mich auch noch nicht resolviren können / ob ich es mir dem Galeno oder Hippocrate, oder Theophrasto, oder mit einem von denen Neotericis halten solte. Am allerwenigsten aber bin ich ein Philosophus. Denn erstlich glaube ich in der Logica nicht, daß fünff Praedicabilia, zehen praedicamenta und drey figurae / yllogismorum seyn. Ich halte dafür / daß die Logic, die wir in Schulen und Academien lernen, zu Erforschung der Wahrheit ja so viel helffe, als wenn ich mit einem Strohhalm ein Schiff Pfund aufheben wolte. Von der Metaphysic habe ich mir eine wiederwärtige Impression gemacht, indem ich mir eingebilder, daß die darinnen enthaltenen Grillen fähig sind, einen gesunden Menschen solchergestalt zu verderben, daß ihme

men möge, was er ins künfftige von diesen Gesprächen zu hoffen habe, will ich ihme nur etwas weniges von meiner Profession melden. Wenn ich demjenigen Glauben beymessen wolte, was ich vernommen, das auch meine Feinde mir nachsagten, wolte ich sprechen, ich wäre ein Gelehrter. Aber obgleich sonsten die Zeugnüsse derer, die uns zuwieder sind, in Sachen, so zu unsern Vortheil gedeuter werden könten, für sehr gültig gehalten werden, so wird mir doch jedermann leichte Beyfall geben, daß ich selbsten am besten wissen müste, ob ich gelehrt sey oder nicht. Ja ich getraue mir augenscheinlich darzuthun, daß ich dieses Praedicuts gantz nicht fähig bin, weil ich zu keiner Facultät gebracht werden kan. Ich bin kein Theologus, denn ich kan nicht predigen, viel weniger mit denen Ketzern disputiren. Kein Juriste bin ich auch nicht, dieweil ich durch die auream praxin die Zeit meines Lebens nicht viel erworben, auch die wunderliche persuasion und Einbildung habe, daß die meisten Theile der Jurisprudenz von Triboniano, und denen alten Glossatoribus nebst denen pragmaticis so verhuntzt worden, daß nunmehro unmöglich ist, dieselbige in formam artis zuredigiren, und man sich solchergestalt gantz nicht wundern darf, wie es doch komme, daß heut zu Tage ein Rabula ja so leichte in diesem Studio fortkommer, als ein gelehrter Mann. Vielweniger bin ich ein Medieus, denn ich habe mich von Jugend auf gehüter, daß ich nicht mit anderer Leute Schaden klug werden möchte, und halte von einem Trunck Rhein-Wein mehr, als von der besten Perl-Essentz; ja ich habe mich auch noch nicht resolviren können / ob ich es mir dem Galeno oder Hippoçrate, oder Theophrasto, oder mit einem von denen Neotericis halten solte. Am allerwenigsten aber bin ich ein Philosophus. Denn erstlich glaube ich in der Logica nicht, daß fünff Praedicabilia, zehen praedicamenta und drey figurae / yllogismorum seyn. Ich halte dafür / daß die Logic, die wir in Schulen und Academien lernen, zu Erforschung der Wahrheit ja so viel helffe, als wenn ich mit einem Strohhalm ein Schiff Pfund aufheben wolte. Von der Metaphysic habe ich mir eine wiederwärtige Impression gemacht, indem ich mir eingebilder, daß die darinnen enthaltenen Grillen fähig sind, einen gesunden Menschen solchergestalt zu verderben, daß ihme

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[9/0015] men möge, was er ins künfftige von diesen Gesprächen zu hoffen habe, will ich ihme nur etwas weniges von meiner Profession melden. Wenn ich demjenigen Glauben beymessen wolte, was ich vernommen, das auch meine Feinde mir nachsagten, wolte ich sprechen, ich wäre ein Gelehrter. Aber obgleich sonsten die Zeugnüsse derer, die uns zuwieder sind, in Sachen, so zu unsern Vortheil gedeuter werden könten, für sehr gültig gehalten werden, so wird mir doch jedermann leichte Beyfall geben, daß ich selbsten am besten wissen müste, ob ich gelehrt sey oder nicht. Ja ich getraue mir augenscheinlich darzuthun, daß ich dieses Praedicuts gantz nicht fähig bin, weil ich zu keiner Facultät gebracht werden kan. Ich bin kein Theologus, denn ich kan nicht predigen, viel weniger mit denen Ketzern disputiren. Kein Juriste bin ich auch nicht, dieweil ich durch die auream praxin die Zeit meines Lebens nicht viel erworben, auch die wunderliche persuasion und Einbildung habe, daß die meisten Theile der Jurisprudenz von Triboniano, und denen alten Glossatoribus nebst denen pragmaticis so verhuntzt worden, daß nunmehro unmöglich ist, dieselbige in formam artis zuredigiren, und man sich solchergestalt gantz nicht wundern darf, wie es doch komme, daß heut zu Tage ein Rabula ja so leichte in diesem Studio fortkommer, als ein gelehrter Mann. Vielweniger bin ich ein Medieus, denn ich habe mich von Jugend auf gehüter, daß ich nicht mit anderer Leute Schaden klug werden möchte, und halte von einem Trunck Rhein-Wein mehr, als von der besten Perl-Essentz; ja ich habe mich auch noch nicht resolviren können / ob ich es mir dem Galeno oder Hippoçrate, oder Theophrasto, oder mit einem von denen Neotericis halten solte. Am allerwenigsten aber bin ich ein Philosophus. Denn erstlich glaube ich in der Logica nicht, daß fünff Praedicabilia, zehen praedicamenta und drey figurae / yllogismorum seyn. Ich halte dafür / daß die Logic, die wir in Schulen und Academien lernen, zu Erforschung der Wahrheit ja so viel helffe, als wenn ich mit einem Strohhalm ein Schiff Pfund aufheben wolte. Von der Metaphysic habe ich mir eine wiederwärtige Impression gemacht, indem ich mir eingebilder, daß die darinnen enthaltenen Grillen fähig sind, einen gesunden Menschen solchergestalt zu verderben, daß ihme

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/15>, abgerufen am 30.04.2024.