Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.§. III. Ich möchte wohl des Lesers Gedancken wissen, die erAllerhand Anmerckungen über dieselbe. bey attenter Lesung dieser rationum und allegatorum bekommen, und zweiffle ich nicht, es werde nach Unterscheid der Leser selbst bald bey diesen eine Hochachtung, bey jenen aber eine Verachtung, bey diesen eine Belustigung und Freude, bey jenen aber ein Verdruß und Aergernüß entstanden seyn. Meine Gedancken hiervon sind folgende. Der Herr Concipient dieser Frage hatte eine gute intention gehabt, dem Herrn Referenten mit suppeditirung allerhand rationum dubitandi & decidendi eine grosse Mühe zu erspahren: er hatte auch allen Ansehen nach sich selbst in colligiruug derselben keine Mühe dauren lassen, sondern viel Arbeit angewendet, ausser daß er zu Abcopirung derselben einen Menschen gebraucht, der zwar leserlich genung schriebe, aber allen Ansehen nach kein Latein und vielweniger jura verstunde, und also viele allegata und lateinische Wörter falsch abcopiret hatte, die der Herr Concipient nicht wieder durchgelesen, und mir also nicht zu verdenck en seyn wird, wenn noch hier und dar dergleichen sphalmata in dem Abdruck sollten zu befinden seyn, ob ich gleich hin und wieder das gröbste corrigiret, als z. E. wenn in fine rationis dubitandi 2. vermuthlich pro Hecuba ware Hemba geschrieben worden: wie ich dann auch sehr befürchte, daß bey denen allegatis zu weilen die Nahmen der Autorum öffters oder derer loca nicht recht allegiret worden, z. E. in ratione decidendi 8. begreiff ich nicht, was die beyden Oerter Exod XXIIX. 30. und Num. XXVII. 21. beweisen sollen. Sonsten scheinet aus vielen Umbständen, daß der Concipient schon vor langer Zeit seine fundamenta juris auf Universitäten gelegt, in welchen man die Studiosos anwiese, daß sie ja bey allen, auch denen unzweiffelhafften assertis leges und Doctores allegiren müsten, und daß man damahls nur von einen doppelten Jure, Civili & Canonico, nicht aber von Jure Publico, Naturali, und dergleichen Neuerungen wuste. Derowegen hat auch der Concipient nur rationes in jure civili & feudali fundatas von uns begehret, und vermuthlich deßhalben mit Fleiß den Haupt-Umbstand, daß S. Kayserliche Majestät die unadeliche Weibes-Person allbereit in adelichen Stand erhoben hatte, (und die meines Erachtens wo nicht das eintzigste, doch das aller vornehmste fundamentum decidendi pro quaerente ist) in seinen rationibus decidendi vergessen, weil er weder in jure civili noch feudali einen Text davon finden können, und da er sonst aus denen JCtis älterer Zeiten vieles excerpiret, hat er doch diejenigen, die nachhero und sonderlich, nach dem das Jus publicum angefangen Mode zu werden, von §. III. Ich möchte wohl des Lesers Gedancken wissen, die erAllerhand Anmerckungen über dieselbe. bey attenter Lesung dieser rationum und allegatorum bekommen, und zweiffle ich nicht, es werde nach Unterscheid der Leser selbst bald bey diesen eine Hochachtung, bey jenen aber eine Verachtung, bey diesen eine Belustigung und Freude, bey jenen aber ein Verdruß und Aergernüß entstanden seyn. Meine Gedancken hiervon sind folgende. Der Herr Concipient dieser Frage hatte eine gute intention gehabt, dem Herrn Referenten mit suppeditirung allerhand rationum dubitandi & decidendi eine grosse Mühe zu erspahren: er hatte auch allen Ansehen nach sich selbst in colligiruug derselben keine Mühe dauren lassen, sondern viel Arbeit angewendet, ausser daß er zu Abcopirung derselben einen Menschen gebraucht, der zwar leserlich genung schriebe, aber allen Ansehen nach kein Latein und vielweniger jura verstunde, und also viele allegata und lateinische Wörter falsch abcopiret hatte, die der Herr Concipient nicht wieder durchgelesen, und mir also nicht zu verdenck en seyn wird, wenn noch hier und dar dergleichen sphalmata in dem Abdruck sollten zu befinden seyn, ob ich gleich hin und wieder das gröbste corrigiret, als z. E. wenn in fine rationis dubitandi 2. vermuthlich pro Hecuba ware Hemba geschrieben worden: wie ich dann auch sehr befürchte, daß bey denen allegatis zu weilen die Nahmen der Autorum öffters oder derer loca nicht recht allegiret worden, z. E. in ratione decidendi 8. begreiff ich nicht, was die beyden Oerter Exod XXIIX. 30. und Num. XXVII. 21. beweisen sollen. Sonsten scheinet aus vielen Umbständen, daß der Concipient schon vor langer Zeit seine fundamenta juris auf Universitäten gelegt, in welchen man die Studiosos anwiese, daß sie ja bey allen, auch denen unzweiffelhafften assertis leges und Doctores allegiren müsten, und daß man damahls nur von einen doppelten Jure, Civili & Canonico, nicht aber von Jure Publico, Naturali, und dergleichen Neuerungen wuste. Derowegen hat auch der Concipient nur rationes in jure civili & feudali fundatas von uns begehret, und vermuthlich deßhalben mit Fleiß den Haupt-Umbstand, daß S. Kayserliche Majestät die unadeliche Weibes-Person allbereit in adelichen Stand erhoben hatte, (und die meines Erachtens wo nicht das eintzigste, doch das aller vornehmste fundamentum decidendi pro quaerente ist) in seinen rationibus decidendi vergessen, weil er weder in jure civili noch feudali einen Text davon finden können, und da er sonst aus denen JCtis älterer Zeiten vieles excerpiret, hat er doch diejenigen, die nachhero und sonderlich, nach dem das Jus publicum angefangen Mode zu werden, von <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0211" n="205"/> <p>§. III. Ich möchte wohl des Lesers Gedancken wissen, die er<note place="right">Allerhand Anmerckungen über dieselbe.</note> bey attenter Lesung dieser rationum und allegatorum bekommen, und zweiffle ich nicht, es werde nach Unterscheid der Leser selbst bald bey diesen eine Hochachtung, bey jenen aber eine Verachtung, bey diesen eine Belustigung und Freude, bey jenen aber ein Verdruß und Aergernüß entstanden seyn. Meine Gedancken hiervon sind folgende. Der Herr Concipient dieser Frage hatte eine gute intention gehabt, dem Herrn Referenten mit suppeditirung allerhand rationum dubitandi & decidendi eine grosse Mühe zu erspahren: er hatte auch allen Ansehen nach sich selbst in colligiruug derselben keine Mühe dauren lassen, sondern viel Arbeit angewendet, ausser daß er zu Abcopirung derselben einen Menschen gebraucht, der zwar leserlich genung schriebe, aber allen Ansehen nach kein Latein und vielweniger jura verstunde, und also viele allegata und lateinische Wörter falsch abcopiret hatte, die der Herr Concipient nicht wieder durchgelesen, und mir also nicht zu verdenck en seyn wird, wenn noch hier und dar dergleichen sphalmata in dem Abdruck sollten zu befinden seyn, ob ich gleich hin und wieder das gröbste corrigiret, als z. 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§. III. Ich möchte wohl des Lesers Gedancken wissen, die er bey attenter Lesung dieser rationum und allegatorum bekommen, und zweiffle ich nicht, es werde nach Unterscheid der Leser selbst bald bey diesen eine Hochachtung, bey jenen aber eine Verachtung, bey diesen eine Belustigung und Freude, bey jenen aber ein Verdruß und Aergernüß entstanden seyn. Meine Gedancken hiervon sind folgende. Der Herr Concipient dieser Frage hatte eine gute intention gehabt, dem Herrn Referenten mit suppeditirung allerhand rationum dubitandi & decidendi eine grosse Mühe zu erspahren: er hatte auch allen Ansehen nach sich selbst in colligiruug derselben keine Mühe dauren lassen, sondern viel Arbeit angewendet, ausser daß er zu Abcopirung derselben einen Menschen gebraucht, der zwar leserlich genung schriebe, aber allen Ansehen nach kein Latein und vielweniger jura verstunde, und also viele allegata und lateinische Wörter falsch abcopiret hatte, die der Herr Concipient nicht wieder durchgelesen, und mir also nicht zu verdenck en seyn wird, wenn noch hier und dar dergleichen sphalmata in dem Abdruck sollten zu befinden seyn, ob ich gleich hin und wieder das gröbste corrigiret, als z. E. wenn in fine rationis dubitandi 2. vermuthlich pro Hecuba ware Hemba geschrieben worden: wie ich dann auch sehr befürchte, daß bey denen allegatis zu weilen die Nahmen der Autorum öffters oder derer loca nicht recht allegiret worden, z. E. in ratione decidendi 8. begreiff ich nicht, was die beyden Oerter Exod XXIIX. 30. und Num. XXVII. 21. beweisen sollen. Sonsten scheinet aus vielen Umbständen, daß der Concipient schon vor langer Zeit seine fundamenta juris auf Universitäten gelegt, in welchen man die Studiosos anwiese, daß sie ja bey allen, auch denen unzweiffelhafften assertis leges und Doctores allegiren müsten, und daß man damahls nur von einen doppelten Jure, Civili & Canonico, nicht aber von Jure Publico, Naturali, und dergleichen Neuerungen wuste. Derowegen hat auch der Concipient nur rationes in jure civili & feudali fundatas von uns begehret, und vermuthlich deßhalben mit Fleiß den Haupt-Umbstand, daß S. Kayserliche Majestät die unadeliche Weibes-Person allbereit in adelichen Stand erhoben hatte, (und die meines Erachtens wo nicht das eintzigste, doch das aller vornehmste fundamentum decidendi pro quaerente ist) in seinen rationibus decidendi vergessen, weil er weder in jure civili noch feudali einen Text davon finden können, und da er sonst aus denen JCtis älterer Zeiten vieles excerpiret, hat er doch diejenigen, die nachhero und sonderlich, nach dem das Jus publicum angefangen Mode zu werden, von
Allerhand Anmerckungen über dieselbe.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/211>, abgerufen am 17.06.2024. |